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kann (Fig. 47). Damit der Verlauf der Verwachsung in der geschilderten normalen Weise glatt von statten gehen kann, müssen von seiten des Veredelers folgende Bedingungen erfüllt werden: Erstens muß das Veredelungsmaterial gut ausgewählt werden, d. h. der als Unterlage dienende Stamm muß gesund und triebkräftig sein, und ebenso muß das Reis von einem gesunden Baume stammen, kräftig und gut ausgereift sein; denn nur dann wird die Kallusbildung in genügendem Maße erfolgen und auch nach Erreichung der vorläufigen Verwachsung das Kambium noch eine hinreichende Menge gemeinsamer Holzelemente produzieren. Zweitens muß die Ausführung genau und sorgfältig geschehen, d. h. Unterlage und Reis müssen an der Veredelungsstelle von gleicher Stärke sein, die Schnittflächen gleich schräg hergestellt, genau aufeinander gefügt und fest verbunden werden, damit eine baldige, allseitige Verwachsung stattfinden kann; dann wieder muß aber auch der Bastverband rechtzeitig gelöst (und nötigenfalls erneuert) werden,

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damit er nicht hemmend auf das Dickenwachstum an der Veredelungsstelle einwirkt. Wenn in beiden Beziehungen gefehlt wird, so wird das Resultat natürlich am ungünstigsten: so, wenn die Zellproduktion aus dem Kambium eine mangelhafte ist, und gleichzeitig die Schnittflächen gegeneinander verschoben sind, so daß die Kalli sich differenzieren und Oberflächenkork ausbilden, ehe sie noch miteinander in Berührung kommen (Fig. 48). Oft kommt es auch vor, daß am oberen oder unteren Ende die Kopulationsflächen, weil sie nicht gleich lang sind, sich nicht völlig decken, was ebenfalls die Berührung der Kalli an dieser Stelle verzögern muß. Ebenso werden dann, wenn die Schnittflächen infolge zu lockeren Verbandes nicht fest aufeinander aufliegen, die Kalluswülste selbst noch nicht verwachsen, sondern sich erst nach längerer Tätigkeit des Kalluskambiums berühren, wenn sie bereits durch Ausbildung von Holz und sekundärer Rinde in einen regelrechten Überwallungsrand übergegangen sind (Fig. 49). An solchen Stellen

ist häufig, auch bei lebhafter Zellbildung an der Veredelungsstelle, wie in dem abgebildeten Falle, bis zum Ende des Jahres noch keine Verwachsung zu konstatieren. In diesem Stadium ist dann die Vereinigung der Kambiumzonen natürlich viel schwieriger. Daraus erhellt die Notwendigkeit, den Bastverband bei der Veredelung fest anzulegen; anderseits muß er aber, wenn die ersten Stadien der Verwachsung vorüber sind und das Dickenwachstum weiter fortschreitet, gelöst werden. Geschieht dies nicht zur rechten Zeit, so erleidet die Kambiumtätigkeit an der Veredelungsstelle eine Stockung, die in doppelter Hinsicht nachteilig wirken muß: nicht allein bleibt die Festigkeit zwischen Unterlage und Reis eine mangelhafte, sondern auch ober- und unterhalb der Veredelungsstelle treten Ernährungsund Wachstumsstörungen auf, die sich allgemein in einer nur geringen Dickenzunahme der in Mitleidenschaft gezogenen Sproßteile und einer abnormen Wulstbildung Wulstbildung unmittelbar über der eingeschnürten Stelle ähnlich wie bei der Ringelung - äußern (Fig. 50). Im allgemeinen zeigte sich, wenn man die einzelnen Veredelungen verglich, daß geringe Abweichungen bezüglich der genauen Aneinanderfügung der Kopulanten nicht so schwer ins Gewicht fallen, sondern leicht überwunden werden, wenn man nur durch Auswahl kräftiger Unterlagen und Edelreiser dafür sorgt, daß das Kambium an den Veredelungsflächen zu reichlicher Zellproduktion befähigt ist. Dann erfolgt wenigstens an einigen Partien der Schnittflächen die Verwachsung sehr bald, so daß ihre Verzögerung an anderen Stellen nicht viel zu sagen hat. Gerade bei der Veredelung der Obstbäume ist auf eine sorgfältige Auswahl des Veredelungsmaterials besonders Wert zu legen, weil die Kallusbildung bei ihnen überhaupt im Gegensatz zu vielen anderen Holzpflanzen eine verhältnismäßig spärliche ist.

Um die Befestigung des Reises an der Unterlage in der richtigen Lage zu erleichtern, hat man die einfache Kopulation dahin modifiziert, daß man die schrägen Schnittflächen am Reise und der Unterlage noch durch einen Längsschnitt spaltet und dann ineinander schiebt. Bei dieser Kopulation mit Gegenzungen“, die allerdings genau ausgeführt werden muß, wenn ihr Zweck ganz erreicht werden soll, läßt sich der Verband besser anlegen, ohne daß sich die Schnittflächen verschieben, und die Veredlung hat von vornherein einen besseren Halt. Auch späterhin wird durch die vergrößerte Anwachsfläche die Verwachsung eine festere. Im übrigen wird natürlich im Verwachsungsmodus gegenüber der gewöhnlichen Kopulation nichts geändert.

In solchen Fällen, wo das Reis in seinem Umfange hinter dem Zweig oder Ast der Unteriage zurückbleibt, auf den es gepfropft werden soll, müssen an Stelle der Kopulation andere Pfropfmethoden gewählt werden, bei denen der Natur der Sache nach stets ein Teil der Wundfläche an der Unterlage nicht vom Reis bedeckt wird. Von diesen Methoden steht der Kopulation am nächsten das Anschäften. Hierbei wird Hierbei wird das Reis ebenso zugeschnitten wie bei der Kopulation; an der querabgeschnittenen Unterlage

wird an einer Seite, unmittelbar unter der Querwunde, ein Stück weggenommen, derart, daß die Schnittfläche des Reises die Wunde nach Möglichkeit bedeckt. Damit das Reis den nötigen Halt findet, wird an ihm der Kopulationsschnitt nach oben nicht ganz durchgeführt, sondern hier ein Sattel hergestellt, mit dem es auf der quer abgeschnittenen Unterlage ruht. Außerdem kann man wie bei der Kopulation, so auch hier die Schnittflächen der Unterlage und des Reises durch einen „Zungenschnitt" noch fester miteinander verbinden, falls das Reis nicht zu dünn ist. Bei Anwendung dieser Pfropfmethode ist infolge der ungleichen Stärke von Unterlage und Reis die Schnittfläche an jener stets etwas breiter als an diesem; man achtet daher darauf, daß wenigstens unten und an einer Längsseite die Kambiumzonen in Berührung kommen. Demnach ist der Verlauf der Verwachsung auch nie an beiden Seiten der gleiche; er kann vielmehr nur auf der einen Seite glatt von statten gehen, während auf der anderen die Kambialkalli, besonders der von Seiten der Unterlage gebildete, den Charakter des Überwallungsrandes annehmen, ehe die Berührung eintritt. Daher ist die Festigkeit der Verbindung, die man durch den Zungenschnitt erreichen kann, bei dieser Methode von besonderem Nutzen, und aus dem gleichen Grunde zeigt sich hier auch der günstige Einfluß kräftiger Edelreiser auf eine gleichmäßig gute Verwachsung auf der ganzen Fläche noch deutlicher als bei der Kopulation.

Die Geißfußpfropfung, jene Methode, bei welcher das Reis an seinem unteren Ende zwei schräge, miteinander einen Winkel von 50-60° bildende Schnittflächen erhält, die in einen. entsprechenden Ausschnitt an der quer abgeschnittenen Unterlage passen, bietet infolge der Symmetrie der Veredlungsflächen wieder den Vorteil, daß die vom Schnitt getroffenen Kambialschichten. einander ziemlich genau angenähert werden können. Daher geht die Verwachsung bei sorgfältiger Ausführung der Operation, die allerdings bei der Eigenart des Geißfußschnittes nicht ganz leicht ist und Übung erfordert, meist im größeren Teil der Berührungsfläche ziemlich glatt vonstatten, und geübte Veredeler erzielen gerade mit dieser Methode sichere Erfolge.

Während bei den bisher besprochenen Veredelungsmethoden das Prinzip, die zu verbindenden Achsenstücke so zuzuschneiden und aneinanderzufügen, daß durch das Edelreis eine möglichst konforme Ergänzung der im Kambiumzylinder der Unterlage entstandenen. Lücke auf kürzestem Wege erzielt wird, völlig -bei der Kopulation oder wenigstens annähernd innegehalten wird, tritt es bei den nun noch zu erwähnenden Methoden mehr in den Hintergrund.

Beim Pfropfen hinter die Rinde erhält das Reis entweder einen gewöhnlichen Kopulationsschnitt oder besser einen solchen mit. Sattel wie beim Anschäften; die Unterlage wird quer abgeschnitten oder abgesägt, die Rinde unterhalb der Querwunde in senkrechter Richtung durchschnitten, die seitlichen Rindenflügel etwas gelöst

und das Reis darunter geschoben. Das Kambium des Reises liegt hierbei also der Holzfläche der Unterlage auf, während an letzterer der Kambiumring zerstört ist, soweit die Rinde vom Holze abgehoben ist. Man ersieht hieraus sofort, daß eine Herstellung der Kambialverbindung bei dieser Sachlage ungleich schwieriger ist als bei der Kopulation und den ihr ähnlichen Veredelungsarten. Es wird bei der Ausführung von Vorteil sein, wenn man die Rindenflügel nur wenig abzuheben braucht; aus diesem Grunde ist ein Zuschneiden des Reises mit Sattel, wobei die obere Partie namentlich in ihrem oberen Teile flacher wird, dem durchgeführten Kopulationsschnitt vorzuziehen. Die Verwachsung selbst kommt bei dieser Methode folgendermaßen zustande. Die Unterlage bildet sowohl auf der Holzblöße, wie an der Innenseite der Rindenflügel Kallus, am reichlichsten von den seitlichen Winkeln aus, während nach der Mitte zu durch abgestorbene Zellkomplexe vielfache Unterbrechungen verursacht werden. (Die der oberen horizontalen, sowie der vertikalen Schnittwunde zunächst liegenden Teile der Rinden

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lappen vertrocknen zumeist.) Die in die Lücken hineinwachsenden Kallusmassen vereinigen sich allmählich und treffen auch mit dem vom Kambium und der Innenrinde des Edelreises ausgehenden Kallus zusammen, so daß schließlich die ursprünglichen Hohlräume zu beiden Seiten des Edelreises von dem größtenteils verwachsenen, aber auch vielfach durch abgestorbene Zellreste unterbrochenen Gewebe ausgefüllt werden. Inzwischen hat sich das Kambium des Reises seitlich in den von ihm gebildeten Kallus fortgesetzt, und ebenso ist auch an der Unterlage die durch die Verwundung unterbrochene Kambiumzone an den Rindenflügeln entlang wieder hergestellt worden. Die Verbindung zwischen beiden kommt nun dadurch zustande, daß sich im Füllgewebe, an das Kambium des Reises anschließend, ein Zwischenkambium differenziert, welches sich in S-förmiger Biegung nach außen zum Kambium der Rindenlappen hinwendet (Fig. 51). Es dauert also bei dieser Veredelungsart ziemlich lange, bis die Vereinigung der Kambien von Reis und Unterlage erfolgt, weil überall, auch am unteren Ende, die Rinde der Unterlage über das Reis hinübergreift. Gerade hierauf beruht aber

auch andererseits der Vorzug, daß das Reis durch die Rindenflügel in seiner Stellung festgehalten wird, worin es durch den Sattel noch unterstützt wird. Einen noch festeren Halt will man ihm vielfach dadurch geben, daß man die Rinde der Unterlage gar nicht der Länge nach spaltet, sondern nur von oben her etwas löst, und dann das Reis von oben er hineinschiebt. Bei diesem gewaltsamen Einschieben werden aber, wenn nicht überhaupt die Rinde. platzt, sowohl am Reis als auch an der Unterlage unnötig viele Zellen zerstört werden, so daß schwerlich ein wirklicher Vorteil dabei herausspringt; einen Bastverband wird man auch kaum entbehren können.

Von allen im vorhergehenden behandelten Veredelungsmethoden unterscheidet sich die Okulation in mehrfacher Hinsicht. Zunächst hinsichtlich der Zeit der Ausführung: während jene im Frühjahre entweder vor Beginn der Kambiumtätigkeit (Kopulieren usw.) oder bald danach (Rindenpfropfen) in Anwendung kommen, okuliert man im Sommer (Juli bis Anfang September). Infolgedessen ist hier die Zeit, die für die Verwachsung noch im Veredelungsjahre zur Verfügung steht, ziemlich knapp bemessen. Dies fällt aber deswegen nicht schwer ins Gewicht, weil wir an den Okulanten keine Augen haben, von denen wir verlangen, daß sie sich noch im gleichen Jahre zu Trieben strecken. Darin liegt ein weiterer Unterschied gegenüber den anderen Veredelungen, bei welchen an jedem Reis mehrere Augen stehen, die bald nach erfolgter Veredelung austreiben und zu ihrem weiteren Wachstum bald einer genügenden Nährstoffzufuhr von der Unterlage aus bedürfen. Bei der Okulation hingegen wird nur ein einzelnes Auge, auf dessen Austrieb erst für das nächstfolgende Frühjahr gerechnet wird, nebst dem dasselbe umgebenden Rindenstück transplantiert. Die Anbringung dieses sogenannten Schildchens" an der Unterlage geschieht in der Weise, daß man bei dieser die Rinde in Form eines T durchschneidet, die seitlichen Flügel etwas löst und das Edelschild darunter schiebt. Darin ähnelt also die Okulation der Rindenpfropfung, doch hat sie dieser gegenüber manche Vorteile. Dadurch, daß die Unterlage nicht gleichzeitig mit der Ausführung der Veredelung abgeschnitten wird, kommt ein Verbrauch von Baustoffen zur Verheilung der Querwunde, der das Anwachsen ungünstig beeinflussen könnte, nicht in Betracht. Ferner wird das Schildchen infolge seiner geringen Größe unter den Rindenflügeln noch viel unverrückbarer in seiner Lage festgehalten als das als Edelreis dienende Zweigstück bei der Rindenpfropfung: seine Innenfläche ist noch besser gegen das Austrocknen geschützt (das Verschmieren mit Baumwachs fällt daher hier weg); und bei der geringen Dicke des Schildchens wird an der Unterlage beim Abheben der Rindenflügel das Kambium nach den Seiten hin nicht soweit zerrissen, und die Lücken, die der Kallus auszufüllen hat, sind nicht so groß. Berücksichtigt man endlich noch den Umstand, daß im Hinblick auf die geringe Größe des Edelschildchens ein verhältnismäßig bedeutender Teil desselben an der Verwachsung teilnimmt, so kann man, alles in allem genommen, nicht im Zweifel

Geisenheimer Bericht 1906.

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