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oberen Wurzeln entsprechen dem intensiven, die unteren dem extensiven Wurzeltypus nach Büsgen (Flora, 95. Bd., 1905, S. 60). Es soll damit aber nicht gesagt sein, daß ein scharfer Unterschied zwischen den Fußwurzelsträngen und den feineren, stammbürtigen Wurzelästen besteht, denn es ist im höchsten Grade wahrscheinlich, daß auch Zweige der kräftigen Fußwurzeln, sofern sie horizontal verlaufen und in geeignete Entwicklungsverhältnisse kommen, sich zu Oberflächenwurzeln ausgestalten. Umgekehrt muß man natürlich annehmen, daß unter Umständen auch Ausstrahlungen der oberen Äste die Form der Tiefwurzeln annehmen. Der Unterschied der beiden Wurzelgattungen beruht jedenfalls nicht auf inneren Ursachen, sondern auf äußeren, von der Bodenbeschaffenheit gegebenen Bedingungen. Gleichwohl legen die morphologischen Abweichungen die Annahme einer Differenzierung in den physiologischen Leistungen der beiden Wurzelarten nahe, so daß die bereits 1904 (W. u. W. S. 112) vom Berichterstatter in dieser Beziehung ausgesprochene Vermutung an Wahrscheinlichkeitswert gewinnt.

2. Beobachtungen über die Wurzelentwicklung der Gemüsepflanzen.

Während die Bewurzelung der Feldgewächse wiederholt genau untersucht wurde, ist über die Wurzelentwicklung unserer Gemüsepflanzen noch wenig bekannt. Für die Technik der Gemüsekultur bedeutet das einen gewissen Mangel, denn unzweifelhaft gehört die Kenntnis der Wurzelphänomene zu den notwendigen wissenschaftlichen Grundlagen des praktischen Kulturbetriebes, die gerade bei der hohen wirtschaftlichen Bedeutung, die dem Gemüsebau sowohl im Kleinbetrieb, wie in der feldmäßigen Kultur zukommt, nicht vernachlässigt werden sollten. Aus diesem Grunde erschien es wünschenswert, die Wurzelbeobachtungen auch auf einige Gemüsepflanzen auszudehnen.

Es mußte dabei zunächst Wert darauf gelegt werden, die normale Wurzelentwicklung kennen zu lernen, wie sie sich unter günstigen Bodenverhältnissen und bei normalem Gedeihen der oberirdischen Organe einstellt. Insbesondere sollte geachtet werden auf die Phasen der Wurzelentwicklung, ausgehend vom Keimlingsstadium der Pflanze und fortschreitend bis zu ihrer Erntefähigkeit, woraus sich neben anderem auch das Material für anschauliche Wurzelbilder ergeben mußte. Ebenso sollte verfolgt werden die Wachstumsrichtung und Wachstumsgeschwindigkeit der Wurzeln, ihr Tiefgang und die Tracht des ganzen Wurzelsystems. In zweiter Linie war geplant, die Entwicklung des Wurzelsystems bei veränderten äußeren Bedingungen, besonders unter der Einwirkung verschiedener Beschaffenheit des Bodens und verschiedener Kulturmaßregeln zu studieren.

Die Beobachtungen erstreckten sich zunächst auf eine beschränkte Zahl von Gemüsepflanzen, und zwar im wesentlichen nur auf Tomate, Salat und Sellerie. Einzelne Erscheinungen wurden auch

an Weißkraut, Radieschen und Bohnen etwas näher verfolgt. Die Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen stützen sich zum größten Teil auf Beobachtungen im Wurzeltunnel, zum Teil aber auch auf Untersuchungen an Topf- und Freilandpflanzen. Genauere Einzelheiten über den Untersuchungsgang und die dabei erzielten Befunde lassen sich allerdings noch nicht wiedergeben, da die Beobachtungen notwendig einer Ergänzung in den nächsten Jahren bedürfen; zur Zeit ist es nur möglich mit einigen Angaben allgemeiner Natur über den Stand unserer Arbeiten, soweit sie sich auf die Bewurzelung der Tomate und des Salats beziehen, zu berichten.

Über die Bewurzelung der Tomate läßt sich nach den jetzt vorliegenden Ermittlungen folgendes aussagen. Junge Pflanzen entwickeln eine deutlich ausgeprägte Pfahlwurzel, die aber bei weiterem Wachstum sehr bald relativ dünn wird und sich dann von der Masse der übrigen Wurzeln nicht mehr allzu scharf abhebt. Sie entwickelt zunächst in acropetaler Folge Wurzelzweige I. Ordnung, die an jungen, etwa 7-10 cm hohen Pflanzen nur 0,15-0,20 mm dick sind und in spärlicher Zahl kleine Wurzelfasern II. Ordnung tragen, die ebenso wie ihre Stammwurzel in ihrer ganzen Länge dicht behaart sind.

Neben diesem Hauptwurzelsystem entstehen am Hypocotyl ungemein frühzeitig Nebenwurzeln (Beiwurzeln, Adventivwurzeln), die bei jungen Pflanzen 0,25-0,40 mm dick sind und daher bei oberflächlicher Betrachtung neben den stärkeren Hauptwurzelzweigen nicht auffallen. Sie verhalten sich bei der Verzweigung ganz ebenso, wie die Hauptwurzeln, unterscheiden sich aber von ihr zunächst durch ihre Wachstumsrichtung, die im Gegensatz zu der mehr oder minder steilen Lage der wirklichen Hauptwurzel wenigstens anfänglich der Horizontalen ziemlich genähert und auch später noch ziemlich schräg ist.

Die Ausbildung der Beiwurzeln ist für den Wurzeltypus der Tomate charakteristisch. Nach der Verpflanzung, wie sie im gärtnerischen Betriebe immer vorgenommen wird, entwickeln sich grade diese Wurzeln in relativ großer Zahl und ziemlicher Stärke, so daß die Hauptwurzel nunmehr von ihnen kaum noch zu unterscheiden ist. In der Regel wird die letztere beim Umsetzen der Pflanzen ihrer Spitzenregion überhaupt verlustig gehen oder sonst eine Beschädigung erfahren und infolgedessen, wie es gewöhnlich beobachtet wurde, aus der weiteren Entwicklung des Wurzelsystems ganz ausscheiden. Eine besondere Gesetzmäßigkeit bei der Anlage der Beiwurzeln ist nicht zu beachten, doch scheinen im allgemeinen zunächst die untersten und erst später die oberen Teile des Hypocotyls in die Wurzelproduktion einzutreten. Bei alten Pflanzen können auch die nächst höheren Teile des Stengels noch Wurzeln erzeugen.

Mit zunehmender Entwicklung der oberirdischen Organe werden auch die Beiwurzeln und die Zweige der Hauptwurzeln kräftiger. Bei Pflanzen von 30 cm Höhe wurden bereits Wurzeln beobachtet, deren apicale Region nahe an der Spitze einen Durchmesser von 1,5-2 mm zeigte. An der Beobachtungsplatte des Wurzeltunnels

erschienen im ersten Jahre 14, im zweiten 16 Wurzeln dieser Stärke, wovon die zuletzt entstandenen etwas dünner waren und einen flacheren Verlauf zeigten als die im Stadium der kräftigsten vegetativen Entwicklung der Pflanzen gebildeten Fasern.

Tiefgang und Wachstumsgeschwindigkeit der Beiwurzeln und der ihnen physiologisch gleichwertigen Wurzelzweige sind relativ groß, wie aus beifolgender Tabelle hervorgeht, die sich auf Beobachtungen an einer am 9. Mai in das Wurzelhaus verpflanzten und zu dieser Zeit etwa 20 cm hohen Pflanze der Sorte,,Rote kirschförmige Tomate" bezieht.

Wurzelentwicklung der Tomate.

Sorte:,,Rote kirschförmige Tomate." Tag der Pflanzung: 9. Mai 1906.

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am Ende der 2. Woche nach der Pflanzung ca. 20 cm,

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tief in den Boden eingedrungen. Der durchschnittliche Tageszuwachs berechnet sich demnach für die Wachstumsperiode vom 9. Mai bis 14. Juni auf 3,14 cm, wobei berücksichtigt ist, daß das Wurzelsystem am 9. Mai durch die Art der Pfanzung bereits eine Tiefenanlage von 10 cm erhielt. Die Wachstumsgeschwindigkeit der einzelnen Wurzel stieg nach Messungen im Wurzelhause zeitweise bis auf eine Tagesleistung von 7,5 cm, worüber sich Einzelheiten allerdings noch nicht mitteilen lassen. Der Abschluß des Längenwachstums ließ sich an den stärkeren Wurzeln durch direkte Beobachtung nicht feststellen, da sie unten oder seitlich über die Glaswand hinauswuchsen. Es ist jedoch sehr wahrscheinlich, daß einzelne von ihnen mindestens eine Länge von 150 cm erreichten.

Alle diese stärkeren Wurzeln, die wir zweckmäßig als Langwurzeln bezeichnen können, erzeugen in großer Zahl Wurzelzweige I. Ordnung, die in acropetaler Folge gewöhnlich an Wurzelzonen entstehen, die 3-6 Tage alt sind. Die Spitze der Langwurzeln bleibt somit immer, namentlich aber in der Zeit des stärksten

Längenwachstums, auf einer kürzeren oder längeren Strecke unverzweigt. Die Seitenwurzeln I. Ordnung legen sehr bald Wurzelzweige II. und zum Teil auch III. Ordnung an. Darüber hinaus ging die Verzweigung bei den Versuchspflanzen im allgemeinen nicht. Über die endgültige Länge der Wurzelzweige ließ sich wenig Sicheres ermitteln; zum Teil wurden bis 50 cm lange Wurzelfasern beobachtet, die wohl das Aussehen von Wurzelzweigen I. Ordnung hatten, aber als solche nicht mit Bestimmtheit zu erkennen waren, da ihre Ansatzstellen nicht an der Glaswand, sondern tiefer im Boden lagen. In den unteren Teilen des Beobachtungsfeldes hatten die Wurzelzweige I. Ordnung Mitte Juli eine durchschnittliche Länge von 15 cm erreicht, während die Wurzelfasern II. Ordnung etwa 4 cm lang waren.

Die Bedeutung der Wurzelzweige für die Arbeitsleistung der Tomatenwurzel beleuchtet am besten ihre große Zahl. An einem Langwurzelstück von 10 cm waren bereits am 3. Juni, d. h. also etwa 4 Wochen nach der Pflanzung, durchschnittlich 35 Zweige I. Ordnung sichtbar. In Wirklichkeit mußten die Fasern natürlich noch in größerer Zahl vorhanden sein, da die auf der Rückseite der Wurzel stehenden Verzweigungen unsichtbar blieben. Ende Juni lagen im Beobachtungsfelde, d. h. auf einer Fläche von 105 × 105 cm, insgesamt etwa 2900 feinere Wurzelfasern, die den Boden wie ein feines, engmaschiges Netz durchzogen. Im Mittelfelde der Glaswand, d. h. also in Bodenschichten von 55-85 cm, war die Verzweigung am dichtesten; es wurden hier allein auf einer Fläche von 105 33 cm 1427 feine Wurzelzweige festgestellt. Im Freilande werden die Wurzelfasern natürlich weniger dicht zusammenliegen, da sich die Langwurzeln dann im Boden entsprechend ihrer natürlichen Wachstumsrichtung allseitig mehr verteilen, während durch die Konstruktion des Beobachtungskastens eine Seite der Wurzelkrone gewissermaßen eingedrückt wird, so daß alle unter normalen Verhältnissen nach dieser Seite strebenden Wurzeln in einer Ebene vereinigt werden.

Ungemein dicht ist die Behaarung sämtlicher Wurzeln. Sie ließ sich an der Versuchspflanze des Wurzelhauses gut verfolgen, wobei deutlich hervortrat, daß in lockeren Bodenschichten die Wurzelhaare an Stellen, wo die Wurzel an Zwischenräume des Bodens angrenzt, länger sind und dichter stehen als dort, wo das Gefüge des Bodens fester ist. Bei den Langwurzeln wurden sie frühestens an 24 Stunden alten Wurzelzonen sichtbar; deutlicher traten sie erst am zweiten und dritten Tage nach der Anlage ihrer Entstehungszone hervor. Ähnliches ließ sich an den Wurzelzweigen beobachten, deren äußerste Spitze somit ebenfalls unbehaart blieb. In Perioden sehr starken Wachstums hatten die jüngsten Wurzelhaare der feineren Zweige einen Spitzenabstand von 1 cm, der sich aber bald auf 2-3 mm, oft sogar bis auf 1 mm verringerte. Über die Lebensdauer der Haare ließen sich Werte von allgemeiner Gültigkeit noch nicht ermitteln, jedoch ergab sich, daß sie unter den Versuchsbedingungen relativ lange turgescent und augenscheinlich

auch an den verzweigten Strecken der Langwurzel noch funktionsfähig blieben.

Der Wachstumsgang der Wurzeln verlief, wie schon angedeutet wurde, zum Teil in schräger Richtung, wie sich namentlich bei den Wurzeln zeigte, die im vorgeschrittenen Stadium der Wurzelbildung im oberen Teile des Beobachtungsfeldes sichtbar wurden. Es entstand so eine sich nach unten ziemlich weit ausbreitende Wurzelkrone, deren größter Durchmesser über die Dimensionen des Versuchskastens hinausging. Man kann daraus folgern, daß eine kräftig entwickelte Tomate mit ihren Wurzeln einen Bodenwürfel von mindestens 1,25 m Kantenlänge einnimmt.

Das Wurzelsystem der Tomate charakterisiert sich also durch die Entwicklung eines monopodial verzweigten Centralstammes, in dem die Hauptwurzel vor den stärkeren Zweigen wenig hervortritt, und die Verstärkung dieses Mittelstammes durch Nebenwurzelstränge, die aus dem Hypocotyl und zuweilen auch aus dem untersten Internodium des Stammes hervorgehen und das Wurzelsystem zu einer tiefstreichenden, sich nach unten ziemlich weit ausdehnenden, stark verzweigten Wurzelkrone ergänzen.

In der morphologischen Gliederung und Tracht etwas abweichend von dem Typus der Tomate ist das Wurzelsystem des Kopfsalates gestaltet. Die Ausbildung der Pfahlwurzel ist hier noch stärker ausgeprägt wie bei der Tomate. An der Keimpflanze entwickelt sich zunächst ein monaxiles Wurzelsystem, dessen Hauptwurzel selbst bei ganz jungen Pflanzen am Wurzelhalse deutlich verdickt ist, sich aber schon in geringem Abstande von der Basis stark verjüngt. So betrug z. B. bei einer in der dritten Woche. nach der Aussaat untersuchten Pflanze der Durchmesser der 20 cm langen Hauptwurzel unmittelbar am Wurzelhalse 1,8 mm, an einer Zone von 5 cm Basalabstand dagegen nur noch 0,4 mm.

Die Verzweigung des jugendlichen Hauptwurzelsystems schreitet frühzeitig bis zu Fasern III. Ordnung vor, jedoch überwiegen anfangs bei weitem die Wurzelzweige I. und II. Ordnung. An einer am 25. Tage nach der Aussaat untersuchten Pflanze wurden gezählt: 43 Wurzelzweige I. Ordnung, 63 Wurzelzweige II. Ordnung, 1 Wurzelzweig III. Ordnung. Eine 32 Tage alte Pflanze hatte 59 Wurzeln 1. Ordnung, 220 Wurzeln II. Ordnung und 8 Wurzelzweige III. Ordnung. Die Anlage der Zweige erfolgt im Keimlingsstadium der Pflanze acropetal, eine Gesetzmäßigkeit, die aber sehr bald durchbrochen wird. Schon an 3-4 Wochen alten Pflanzen treten neue Wurzelfasern I. Ordnung inmitten bereits bewurzelter Zonen auf, wobei allerdings vorzugsweise die älteren, verdickten Teile der Hauptwurzel und besonders der Wurzelhals bevorzugt werden. Es wird also hier in ganz ähnlicher Weise wie bei der Tomate das Wurzelsystem von oben her ergänzt, nur mit dem Unterschiede, daß hier im Allgemeinen nicht Nebenwurzeln, sondern Wurzelzweige 1. Ordnung den weiteren Ausbau der Bewurzlung übernehmen. Wie gleich an dieser Stelle bemerkt werden soll, ließen sich eigentliche Nebenwurzeln überhaupt nur selten, und nur bei älteren

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