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tien aber auch dann noch scharf abgegrenzt, wenn mit der Deformation des Epiblems die charakteristische Bräunung der neuen Wurzelzonen sich einstellt. Ganz verschwindet die Grenze zwischen den beiden Jahresabschnitten, sowie die primäre Rinde mit beginnendem Dickenwachstum verloren geht. Trotzdem findet man auch im Sommer noch Wurzeln, die mit einem relativ kurzen, keulenförmig verdickten und gegen die gebräunten älteren Teile scharf abgegrenzten weißen Spitzenende versehen sind. An älteren Stöcken des blauen Burgunders ließen sich solche Wurzeln z. B. noch im August 1906 nachweisen. Man könnte aus derartigen Beobachtungen entnehmen, daß die Wurzelspitzen der Rebe bis tief in den Sommer hinein, also relativ lange, im Ruhestadium verharren können, andrerseits spricht die Erscheinung nach manchen Wahrnehmungen dafür, daß einzelne Wurzeln der Rebe auch während des Sommers ihr Längenwachstum vorübergehend einstellen.

Bei feineren Wurzelzweigen scheinen ruhende Spitzen seltener vorzukommen, doch wurden an Stöcken von blauem Burgunder, Riesling und Riparia Gloire de Montpellier in den Frühjahrsmonaten stets auch einige 0.75 bis 1 mm dicke Wurzelzweige gefunden, bei denen sich eine ältere braune Partie scharf von einer jüngeren weißen Spitzenzone abhob (Fig. 43), eine Erscheinung, die sich nur durch die Annahme erklären läßt, daß das Wachstum an der Grenze der beiden Zonen zeitweilig unterbrochen war.

Wir müssen also ruhende und arbeitende Wurzelspitzen an der Rebe unterscheiden.

Zwischen beiden bestehen schon äußerlich Fig. 43. Riparia Gloire de erkennbare Abweichungen. Während ruhende Montpellier. Wachsende Spitzen, wie bereits erwähnt, immer ge- Wurzelspitzen. (Nat. Gr.) bräunt sind und nur selten etwas abgestumpft

erscheinen, haben wachsende Spitzen stets die gelblich-weiße bis grünlich-gelbe, wachsartige Farbe tätiger Vegetationspunkte und die Form ganz allmählich sich verjüngender hoher Kegel, in denen sich der eigentliche Vegetationspunkt von der durchscheinenden Wurzelhaube bei geeigneter Belichtung deutlich abhebt. Daneben sind beide Formen in anatomischer Hinsicht verschieden.

An den ruhenden Spitzen sind gewöhnlich nur noch einige Schichten der Wurzelhaube vorhanden, die sich nicht selten in der Mitte des eigentlichen Wurzelcylinders zu einer kleinen Kappe vereinigen. Die Zellen der äußeren Haubenschichten enthalten braune, strukturlose Inhaltsmassen, die entweder die Zelle dicht ausfüllen, oder in Form von gewöhnlich vacuoligen Klumpen der physikalisch unteren Wand anliegen, oder auch in Form einzelner Kugeln (Formalinmaterial) auftreten. (Fig. 44.) In einzelnen Fällen findet sich in den Zellen auch nur ein relativ schmaler brauner Innenschlauch, der sich der Wand dicht anlegt und den übrigen Raum der Zelle freiläßt. Neben diesen braunen Stoffen besitzen die

meisten Zellen noch deutlich nachweisbare kleinkörnige Stärkeeinschlüsse.

In Kalilauge, ebenso in konz. Schwefelsäure quellen die braunen Inhaltsstoffe unter leichter Aufhellung schwach auf. In Salzsäure werden sie etwas entfärbt, in Eau de Javelle nach einer Einwirkung von mindestens 30 Minuten, spätestens nach 2 bis 3 Stunden völlig gelöst. Bei Verwendung von frischem, nicht fixiertem Wurzelmaterial lassen sich in einzelnen Zellen der braunen Haube charakteristische, braune Fällungen erzielen. Da in den Wurzelhaubenzellen wachsender Spitzen regelmäßig Gerbstoffe nachzuweisen sind, so liegt nach dieser Reaktion die Vermutung nahe, daß die eigenartigen, braunen Inhaltsstoffe der toten Wurzelhaube durch Veränderung von Gerbstoffeinschlüssen entstanden sind.

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Fig. 44. Ruhende Riesling-Wurzelspitze. Querschnitt der Wurzelhaube. (Sehr stark vergr.)

Die Zellmembranen der äußeren Schichten sind meist ebenfalls gebräunt. Durch kurze Behandlung mit Eau de Javelle werden sie vollkommen entfärbt, worauf leicht zu erkennen ist, daß sie an den tangentialen Seiten der Zelle in mehr oder minder starkem Grade verdickt sind (Fig. 44).

Von diesen Außengeweben der Wurzelhaube weicht eine innere, feine Zone, die sich über den ganzen Meristemkegel hinweg zieht, dadurch ab, daß alle ihre Zellen deutlich verkorkt sind. Sie erscheint etwas heller als die angrenzenden Schichten der Wurzelhaube, ist aber von den vorher beschriebenen, braunen Inhaltsstoffen nicht ganz frei. Die Verkorkung läßt sich an ihren gebräunten Wänden nicht ohne weiteres erkennen, wird aber durch die Unlöslichkeit der Membranen in Schwefelsäure, sowie durch ihr Verhalten gegen Kalilauge und Sudanglycerin sicher nachgewiesen. Am deutlichsten

tritt sie hervor an Schnitten, die nach Vorbehandlung mit Eau de Javelle in heißem Sudanglycerin gefärbt und dann in reines Glycerin eingelegt wurden.

Gewöhnlich besteht diese Korkscheide aus 1-2 Zellschichten, die das lebende Meristemgewebe gegen die tote Wurzelhaube abgrenzen und sich weiter hinten an die Intercutis anschließen, die bis zum Meristem hin gleichfalls verkorkt ist und mit ihnen zusammen einen dünnen Korkmantel bildet, der die ganze Wurzel bis zur äußersten Spitze hin lückenlos umschließt. Zuweilen sind auch einige embryonale Epiblemzellen mit verkorkt, sodaß der Abschluß an der hinteren Grenze der hinteren Grenze der Wurzelhaube völlig gesichert ist.

Die Rebe besitzt also an den ruhenden Wurzelspitzen dieselbe Art des Korkabschlusses, wie sie von Müller (Bot. Z. 1906, Heft IV) zuerst an Monocotylen wurzeln beobachtet wurde. Die Erscheinung, die Müller nach einem Vorschlage von Arthur Meyer als Metakutisierung der Wurzelspitze bezeichnet, ist vermutlich auch bei den Dicotylen weiter verbreitet. Bei der Rebe scheint sie. übrigens nicht unter allen Verhältnissen zur Ausbildung zu kommen, denn es wurden zuweilen auch ruhende Spitzen gefunden, in deren Wurzelhaube eine Korkscheide nicht nachzuweisen war. U. a. fehlte

an Oktoberwurzeln des blauen Trollingers und des blauen Burgunders. Dagegen war sie immer leicht festzustellen an den Wurzeln des Rieslings, der Gewächshausrebe Golden Champion und ferner in besonders guter Entwicklung auch bei der Amerikanersorte Riparia Gloire de Montpellier. Bei der Sorte Golden Champion war sie selbst an den kürzesten nur 1-2 cm langen und 0,3 bis 1 mm dicken Zweigen vorhanden, und dasselbe ließ sich auch bei Riparia Gloire de Montpellier beobachten, die selbst an Wurzelzweigen von 0,5-0,7 mm dicke und 0,6-2 cm Länge eine 0,15 bis 0,4 mm lange, 1-2 schichtige Korkhaube entwickelt hatten, der hier unverkorkte Zellen nicht mehr aufgelagert waren. Bemerkenswert ist, daß bei Riparia-Veredelungen auch an den jungen eben hervorbrechenden Wurzelzweigen der im Stratifikationskasten neugebildeten Wurzeln Korkkappen gefunden wurden, die bei den jüngsten Stadien mit einer völlig verkorkten Intercutis in Zusammenhang standen, während sie bei etwas älteren Zuständen von dieser durch eine unverkorkte Wurzelzone getrennt waren. Es scheinen also bei Riparia auch die jungen Meristemkegel der neu entstehenden Wurzelzweige zunächst durch eine Korkscheide nach außen abgeschlossen zu sein, die später an der Absorptionszone eine Unterbrechung erfährt.

Der eigentliche Vegetationskegel der ruhenden Wurzelspitzen ist verhältnismäßig niedrig, jedoch in der Struktur seiner Zellen augenscheinlich nicht abweichend gebaut. Die embryonalen Gewebe der Rinde und des Centralcylinders sind durch die Anhäufung von Kalkoxalatzellen und Gerbstoffgehalt ausgezeichnet. Das Epiblem erscheint da, wo es überhaupt noch erhalten ist, mit denselben braunen Inhaltstoffen, wie sie auch in der Wurzelhaube vorkommen, völlig

ausgefüllt; das gleiche gilt zuweilen von den Stellen der Intercutis, die in unmittelbarer Nähe der Wurzelhaube liegen.

Wachsende Wurzelspitzen, wie sie vom Beginn des Sommers bis in den Spätherbst hinein an der Rebe zu finden sind, tragen eine normale kappenförmige Haube, deren Zellen sämtlich farblos durchscheinend sind. Eine Verkorkung ist hier im Gewebe der Haube nirgends festzustellen, dagegen sind in allen Zellen die hyalinen Tangentialwände mehr oder minder stark gequollen und nur gegen das Zelllumen durch eine schärfer hervortretende, sehr feine Lameile deutlich abgegrenzt. Die Radialwände bleiben immer relativ dünn. Die normalgebauten Protoplasten enthalten zahlreiche kleinkörnige Stärkeeinschlüsse und fast ausnahmslos farblose, gerbstoffführende Vakuolen, in denen auf Zusatz von Kaliumdichromat, Eisensulfat oder Eisenacetat die charakteristischen Fällungen oder Färbungen entstehen.

Die embryonalen Gewebe des Epiblems und der Intercutis erscheinen meist deutlich gelb gefärbt, ebenso einzelne Zellen der embryonalen Rinde und des Centralcylinders. Besonders auffallend ist die Erscheinung an den Wurzelspitzen der Riparia Gloire de Montpellier, deren embryonale Rinde bis zu 30 Zellen lange Vertikalstreifen derartiger Elemente enthält. Wie sich durch Hervorrufen von Plasmolyse mit Hilfe von 20% Kaliumnitratlösung am besten zeigen läßt, beruht die gelbe Färbung auf dem Vorhandensein gelber Zellsäfte, die entweder in mehreren Vakuolen oder in einem einzigen von Plasmasträngen durchzogenen, größeren Saftraum in der Zelle auftreten. In diesen Vakuolen lassen sich durch Lösungen von Osmiumsäure, Eisenacetat oder Eisensulfat stets Schwarzfärbungen, durch Lösungen von Kaliumdichromat immer braune Fällungen hervorrufen, so daß man also annehmen darf, daß in den embryonalen Geweben des Epiblems und der Intercutis alle Zellen, in den Embryonalgeweben der Rinde, der Endodermis und des Centralcylinders sehr viele Elemente gerbstoffführend sind.

Von Zelleinschlüssen der Wurzelspitze sind außerdem zu erwähnen Rhaphiden und kleine, sich meist in der Spitze der Embryonal-Rinde vorfindende, anscheinend dreiteilige Stärkekörner.

Aus diesen Beobachtungen geht also hervor, daß sich das Längenwachstum der Wurzeln bei der Rebe auf mehrere Jahre erstrecken kann. Im Spätherbst werden die einjährigen Langwurzeln und die stärkeren, bei einzelnen Sorten auch die schwächeren Zweige mit ruhenden Wurzelspitzen ausgerüstet, in denen der Vegetationskegel von einer Korkscheide umgeben ist, die einen haubenförmigen Abschluß des bis zur Embryonalgrenze gleichfalls verkorkten Intercutiscylinders vorstellt und an der Außenseite meist noch mit einigen abgestorbenen und durch die Deformierung ihres gerbstoffführenden Zellinhaltes charakterisierten Zellschichten der Wurzelhaube bedeckt ist. Der eigenartige Korkabschluß in der Wurzelhaube hat u. a. wohl die Bedeutung, den Austritt von löslichen Nährstoffen aus den in ihrer Lebenstätigkeit etwas herabgestimmten Meristemkegeln in das umgebende Bodenwasser zu verhindern.

Im Frühjahr können die ruhenden Vegetationspunkte ihre Tätigkeit wieder aufnehmen, wobei sie die Struktur der Spitze und der Streckungszone des Wurzelkörpers nach und nach wieder verändern. Bei der Neuanlage der Wurzelhaube unterbleibt jetzt die Ausbildung einer verkorkten Schicht, vielmehr erhalten alle ihre Zellen hyaline, an den Tangentialseiten leicht verschleimende Wände, gerbstoffführende Zellsäfte und reichlich kleinkörnige Stärkeeinschlüsse. In der Streckungszone der Wurzel bleiben die Gewebe des Epiblems und der Intercutis unverkorkt und ihre Vakuolen füllen sich ebenso wie bei vielen Zellen der benachbarten Rinde, der Endodermis und des Centralcylinders mit gelben gerbstoffhaltigen Zellsäften.

Mit der Periodizität des Wurzelwachstums hängt eng zusammen die Ergänzungsfähigkeit des Wurzelsystems. Wie schon früher ausgeführt wurde, ist bei der Art des Abschlusses der Wachstumszonen der Wurzeln und der vorübergehenden Tätigkeit ihrer Absorptionszonen in jeder Vegetationsperiode die Neubildung zahlreicher neuer Saugwurzeln für die Rebe geboten. Hieraus ergibt sich eine Reihe für die Praxis des Kulturbetriebes äußerst wichtiger Fragen. Soweit diese sich auf die Stärke und Zeit der Regeneration beziehen, sind sie früher hereits berührt worden. Da der zeitliche Verlauf der Regeneration mit dem Verlauf des Wurzelwachstums überhaupt im großen und ganzen zusammenfällt, gelten für diesen Punkt auch die eingangs wiedergegebenen Erwägungen über die Perioden des Wurzelwachstums. Dabei muß auf die bereits früher erwähnte Beobachtung, nach der angeschnittene Wurzeln des blauen Burgunders sich noch im Hochsommer stark regenerierten, nochmals kurz eingegangen werden, weil sie auch über die Art der Ergänzung einige Aufschlüsse gab, die mit früheren Wahrnehmungen übereinstimmten. An den Wänden des 5 m tiefen, in der Zeit vom 15.-20. Juli ausgehobenen Grabens lagen angeschnittene Wurzeln der verschiedensten Stärke zu Tage. Infolge des Wundreizes entstanden bei allen diesen Wurzeln unmittelbar hinter der Schnittstelle Ersatzwurzeln, deren Zahl von der Dicke der älteren Wurzel abhängig war. Während die dünneren Wurzeln von etwa 1 mm Durchmesser gewöhnlich nur einen Zweig anlegten, erzeugten die stärkeren Wurzeln ausnahmslos mehrere Ersatzwurzeln. Ältere Wurzeläste von 1-1,5 cm Durchmesser hatten z. B. einen ganzen Kranz neuer Seiten wurzeln angelegt, die selbst 1-2 mm stark waren, und sich übrigens, vermutlich unter der Einwirkung des Lichtes, in ähnlicher Weise schwach braunrot färbten, wie dies bei Luftwurzeln der Rebe leicht einzutreten pflegt. Bemerkenswert ist, daß die Bildung der neuen Wurzeln sehr bald nach der Verwundung und bei allen angeschnittenen Wurzeln erfolgte und sich durchaus auf die der Schnittstelle benachbarten Teile der Wurzel beschränkte. Auf diese Gesetzmäßigkeit ist vielleicht auch die Tatsache zurückzuführen, daß die eigentlichen Saugwurzeln sich nicht selten auf die Endregion älterer Leitwurzeln, deren Spitze dann natürlich stets verloren gegangen ist, zusammengedrängt finden.

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