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b) Versuche zur Feststellung des Einflusses von Kalk und Wasser auf die Vegetation der Reben.

In diesen Versuchen galt es zunächst, den Einfluß des Kalkes in verschiedenen Formen und verschiedenen Prozentsätzen kennen zu lernen. Daran schließen sich Versuche, in denen das Wasser vorherrschend wirksam war und zwar in Sandböden mit äußerst geringem Kalkgehalt und in Kalkböden. Die bei einem Überschuß von Wasser wirksamen Faktoren: die Verdünnung der Nährlösung, die Feuchtigkeit und der Sauerstoffmangel traten nach Möglichkeit getrennt, wie auch vereint in Wirkung.

Die ziemlich ausgedehnten Versuche können hier nicht einer Erörterung unterliegen, und es sollen nur ganz kurz die wichtigsten Ergebnisse derselben mitgeteilt werden.

1. Bei vollkommen intaktem Wurzelwerk erzeugt der Kalk bis zu 50% (CaCO3) bei den Reben (Riesling) keine Chlorose.

2. Ein Überschuß von Wasser im Boden selbst bei genügender Gegenwart von Sauerstoff, wirkt schädlich durch die allzugroße Verdünnung der Nährlösung. Die Triebspitzen werden fahlgrün bis grünlichgelb.

3. Sauerstoffmangel an den Wurzeln der Reben bewirkt Stillstand des vegetativen Wachstums der Reben, erzeugt aber keine Chlorose.

4. Sauerstoffmangel in Verbindung mit übermäßiger Wasseransammlung im Boden ruft bald Wurzelfäule hervor, die zumeist an den Spitzen beginnt. Auch hier tritt zuerst Fahlgrünwerden der Triebenden auf, später setzt ein Vergilben der älteren Blätter ein, das an den untersten Blättern zuerst beginnt und nach oben fortschreitet. Diese Verfärbung, die in ihrer Tönung nach zitronengelb hinneigt, beginnt entweder interkostal oder aber die Blattrippen werden zuerst ergriffen, und das Gelb verbreitet. sich von da über die Zwischenfelder. Die Blattspreiten neigen sich nach unten und nehmen allmählich einen immer zunehmend spitzeren Winkel zur Stielachse an, die Blattränder biegen sich schwach nach unten um, ohne aber einzurollen oder zu verkräuseln.

5. Die angeführten pathologischen Erscheinungen, das Verfa ulen der Wurzeln und das Vergilben der Blätter, treten unter den ad 4 aufgeführten Wachstumsbedingungen umso eher auf je kalkreicher der Boden ist, während in kalkarmen Böden die Reben lange Zeit noch ein gesundes Aussehen zeigen.

6. Führt eine zeitlich beschränkte Wasseransammlung im Boden zu einer teilweisen Wurzel fäule, so entsteht in der Folge aus dieser in kalkreichen und sehr feinkörnigen Böden die typische „Kalk-Chlorose." Dieselbe äußert sich zuerst an den neuhervorkommenden Blättchen. Diese

werden grünlichgelb bis weißgelb. Sie krümmen sich konkav (manchmal auch konvex) und der Blattrand zeigt an einigen Stellen Bräunung, die auf Absterbsungerscheinungen zurückzuführen ist.

c) Die Wurzelfäule der Reben und ihre ätiologische Bedeutung für die Entstehung der Chlorose.

Das Zusammen vorkommen von Wurzelfäule und chlorotischen Erscheinungen an den oberirdischen Organteilen der Rebe trat in allen meinen Versuchen mit klarer Deutlichkeit hervor und wies. auf einen ursächlichen Zusammenhang beider Erscheinungen hin. Es ist daher für uns von Wichtigkeit, die näheren Bedingungen, die namentlich auch in der freien Natur im stande sind, ein Verfaulen der Rebwurzeln hervorzurufen, kennen zu lernen. Wir haben schon gesehen, daß Sauerstoffmangel in Verbindung mit übermäßiger Nässe im Boden sehr bald zu diesem Zustande führt. Das stehende Wasser, das von der Bodensohle aufsteigt und das die Bodenkapillare vollkommen ausfüllt, schafft für die Wurzeln in kurzer Zeit solche Bedingungen. An Stelle des normalen Atmungsprozesses tritt dann der anaerobe Stoffwechsel, der noch einige Zeit die Zelle lebensfähig erhält. Doch die Anhäufung der Atmungsprodukte führt allmählich zu einer derartig tiefen Störung in den vitalen Funktionen des Plasmas, daß bald Absterbungserscheinungen hervortreten.

Den Sauerstoffmangel bei Gegenwart von Feuchtigkeit dürfen wir aber keineswegs als eine conditio sine qua non der Wurzelfäule ansehen, denn die Versuche von Wehmer mit Kartoffelknollen belehren uns zur Genüge, daß die Bedingungen zur Wurzelfäule auch bei Gegenwart von Sauerstoff gegeben sein können. Die Tatsache des Absterbens von unter Wasser liegenden Kartoffeln wird auch von Wehmer als ein Ersticken der atmenden Knolle gekennzeichnet. Der Angriff der Spaltpilze soll nach diesem Forscher erst erfolgen, nachdem bereits Absterbeprozesse voraufgegangen sind. Diese werden durch höhere Temperatur (+32) sehr stark beschleunigt. Je mehr sich die Wasserbedeckung verringert, und die Temperatur sinkt, um so mehr verringern sich in gleichem Grade die Fäulniserscheinungen. Liegen die Knollen z. B. nur zu 1 in Wasser und zu 3/4 an freier Luft, so bleiben sie bei mittlerer Temperatur zumeist gesund. Anders ist dies aber, wenn der vom Wasser nicht bedeckte Knollenteil sich in einem abgeschlossenen Raum befindet. Solche Knollen faulen ohne Ausnahme. Der abgeschlossene Raum wirkt hier analog dem Sauerstoffmangel und ist keinesweg mit diesem identisch.

In schweren Bodenarten werden sich die Wurzeln wohl häufig vollkommen im Wasser befinden, vor allem werden hier sehr oft die Verhältnisse einer feuchten, abgeschlossenen Kammer bei zahlreichen Wurzeln verwirklicht sein. Um hier klar zu sehen, habe ich eine große Anzahl von Versuchen mit Kartoffeln und bewurzelten Rebenstecklingen zur Ausführung gebracht, wobei ich extreme Boden

arten zur Schaffung der verschiedenartigsten Wachstumsbedingungen des freien Feldes verwandte. Die Ergebnisse dieser Versuche lassen sich in folgenden Sätzen zusammenfassen:

1. Nässe im Untergrund begünstigt um so mehr die Fäulnisprozesse lebender Wurzeln, je dichter der Boden ist, und je mehr das Eindringen der Außenluft und die Zirkulation derselben in den Bodenzwischenräumen gehemmt ist.

2. Die Anwesenheit von Kalk, besonders aber alkalische Reaktion des Nährmediums fördern bei anhaltender Nässe wesentlich die Absterbeprozesse lebender Organteile.

Das Eindringen der Außenluft in den Boden ist vorzugsweise abhängig von der Lockerung des Bodens, besonders an der Oberfläche, ferner von der Größe der kleinsten Bodenpartikelchen und von der Wassersättigung. In Böden von größerer Wasserkapazität ist in erster Linie der Wassergehalt für die Permeabilität entscheidend. Im gesättigten Zustande sind diese Böden für Luft vollkommen impermeabel. Mit der Permeabilität für Luft hängt die Schnelligkeit des Luftausgleiches zwischen Bodenluft und Atmosphäre, sowie der Luftströmungen innerhalb des Bodens aufs engste

zusammen.

Neue

Eine im Boden von Wasser eingehüllte Wurzel wird in Befriedigung ihres Atmungsbedürfnisses zunächst die unmittelbar angrenzenden Wasserteilchen ihres Sauerstoffs berauben. Es tritt infolgedessen in nächster Nähe der Wurzel sehr bald Sauerstoffmangel ein, der jedoch in lockeren Böden durch die Diffusionsströmungen des Wassers bald wieder beseitigt sein wird. Wasserteilchen treten an Stelle der alten und führen den atmenden Organen neuen Sauerstoff zu. Der Tod infolge Sauerstoffmangels wird hier nicht so leicht eintreten, auch behindert die leichter statthabende Diffusion die allzugroße Ansammlung schädlicher Stoffwechselprodukte im Bereiche der Wurzeln.

Ganz anders ist dies aber in schweren Böden. Wie ich durch ein Experiment ermittelt habe, geht hier die Diffusion des Wassers äußerst langsam von statten. Es muß deshalb hier bei stauender Nässe sehr bald Sauerstoffmangel in der Nähe der Wurzeln eintreten, der vorerst das Wachstum dieser Organteile in Stillstand bringt. Die Lebensfunktionen der Wurzeln spielen aber noch eine Zeitlang weiter. Jede Wurzel scheidet hierbei gewisse Stoffe aus, die hier zum Teil wieder, soweit die inneren Diffusionszustände dies gestatten, von der im Wachstum nicht vorschreitenden Wurzel wieder aufgenommen werden und dann sehr wahrscheinlich als Selbstgifte wirken. Dadurch wird der Gewebezerfall und die Fäulnisprozesse begünstigt. Letztere beginnen zumeist an den Wurzelspitzen, da diese als die jüngsten Teile des Wurzelkörpers gegen Sauerstoffmangel und die anderen nachteiligen Einflüsse am empfindlichsten sind.

Geisenheimer Bericht 1906.

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Die geringe Flüssigkeitsdiffusion der schweren Böden hat aber weiter zur Folge, daß die faulenden Wurzeln ihre eignen verjauchenden Gärungsprodukte aufnehmen und weiterleiten, da die Leitungsbahnen infolge ihrer festeren Beschaffenheit noch lange Zeit intakt bleiben. Wenn die aufgenommenen Mengen dieser Wurzeljauche unter gewöhnlichen Verhältnissen auch relativ gering sind, so sind dieselben infolge der ihnen innewohnenden stark toxischen Wirkung, die ich durch Versuche hinreichend ermittelt habe, doch wohl häufig im stande, tiefergreifende Schädigungen des Pflanzenkörpers herbeizuführen.

Bei der Entstehung der eigentlichen Kalkchlorose spielen aber noch andere Vorgänge gewichtig hinein. Die bei dem Faulen der Wurzeln entstehende Kohlensäure wird zum großen Teil vom Wasser gelöst und dieses nun mit H, CO, stark angereicherte Wasser führt in kalkhaltigen Böden zu einer relativ beträchtlichen Auflösung des Calciumkarbonates in Form des Bikarbonates, dessen Diffusion und dadurch bedingtes teilweises Ausfällen in feinpulverigen Böden verhindert wird, bezw. nur äußerst langsam erfolgt.

Das in der Nähe der Wurzeln befindliche Kalkquantum ist ein eng beschränktes, und die gebildete Kohlensäure wird hier häufig im Überschuß sein gegenüber dem Prozentsatz des lösungsfähigen Bikarbonates. Die Menge des gelösten Kalksalzes wird deshalb in diesen kleinen Bodenräumen abhängig sein von der Menge des vorhandenen Kalkes überhaupt, wobei hier sehr wesentlich die Verteilung desselben im Boden mitspielt, und im besonderen von der Gesamtgröße der Oberfläche aller mit dem kohlensauren Wasser in Berührung kommenden Kalkteilchen und dem Grad der Löslichkeit derselben. Die eingangs erwähnte Kontroverse zwischen den Ergebnissen von Houdaille und Semichon und den Feststellungen Schloesings findet hier eine gute Lösung.

Je feiner der Kalk ist, desto größer ist auch dessen Wasserkapazität, desto geringer seine Flüssigkeitsdiffusion, beides Momente, die die prädisponierenden Bedingungen der Chlorose, die Wurzelfäule, fördern.

Die durch die Fäulnis bloßgelegten Gefäße leiten nun das gelöste Bikarbonat zugleich mit den Fäulnisprodukten nach den Blättern und zwar infolge Ausschaltung der Zellenmembranen der Wurzelhaare in ununterbrochenem Strome. Die großen Mengen von Bikarbonat, die in dieser Weise dem Pflanzenkörper zugeführt werden, bewirken allmählich eine Abnahme der sauren Reaktion der Pflanzensäfte bis zur Neutralisation, oder gar Alkalität derselben, wodurch die Aufnahme der Bodennährstoffe, besonders des Kalis, erheblich erschwert wird. Es darf auch die Vermutung ausgesprochen werden, daß die Gelbfärbung des Laubes in manchen Fällen eine direkte Folgeerscheinung der alkalischen Reaktion der Zellsäfte ist, die eine erhöhte Wirkung der oxydierenden Kraft des passiven Sauerstoffs bedingt und dadurch eine Umwandlung des Chlorophylls in Hypochlorin herbeiführt. Durch die Versuche von Dementjew steht wenigstens fest, daß in kohlensaurem Wasser gelöstes Calcium

bikarbonat bei direkter Zuführung im stande ist, chlorotische Erscheinungen an den behandelten Pflanzen hervorzubringen, obwohl auch hier eine indirekte Wirkung nicht ausgeschlossen ist.

Wenn meine Theorie über die Entstehung der Chlorose in Kalkböden richtig ist, dann müssen alle Momente, die günstige Bedingungen für die Wurzelfäule bieten, in gleicher Weise die chlorotische Erkrankung verschärfen, und umgekehrt müssen sich alle festgestellten chloroseerzeugenden Faktoren in der erörterten Weise begründen lassen. Und in der Tat ist dem so. Einige Belege in dieser Richtung seien hier angeführt.

Die Chlorose erscheint gewöhnlich erst mit der wärmeren Jahreszeit. Auch die Wurzelfäule nimmt erst bei erhöhter Temperatur größere Dimensionen an.

Sehr häufig beobachten wir das Auftreten der Chlorose nach starken Schlagregen, die die Bodenoberfläche zuschlämmen, sowie nach einer bei nassem Boden vorgenommenen Hackarbeit, wobei gleichfalls sich die Bodenporen verschmieren. Es werden so die Verhältnisse einer feuchten, abgeschlossenen Kammer geschaffen und damit die Bedingungen der Wurzelfäulnis.

Ein nachträgliches starkes Sacken schwerer Böden hat häufig Chlorose im Gefolge, was mit der dadurch erhöhten Wasserkapazität und der Verminderung der Durchlüftung und Diffusion, gleichfalls Bedingungen der Wurzelfäule, zusammenhängt. Ich konnte in chlorotischem Terrain nicht selten die Beobachtung machen, daß junge Weinberge üppig gediehen, während ältere, dicht daneben liegende stark an Chlorose zu leiden hatten.

d) Bekämpfung der in kalkreichen Böden auftretenden Chlorose.

Für die chlorotischen Erscheinungen in Kalkböden darf in den meisten Fällen primär die Fäulnis der Wurzeln, bedingt durch übermäßigen Wassergehalt des Bodens oder Abschluß der Bodenporen und dadurch gehemmter Gaswechsel bei Gegenwart von Feuchtigkeit verantwortlich gemacht werden. Im nachstehenden sollen nun ganz kurz eine Anzahl Methoden angegeben werden, wie diese Übelstände zu beseitigen sind oder wie denselben entgegen gearbeitet werden kann.

a) Drainage und Bodenlockerung.

Zur Entfernung von größeren Wassermengen im Untergrund dient bei größeren Distrikten am zweckmäßigsten eine gut angelegte Röhrendrainage. Man hat dieselben in verschiedenen Gemarkungen Rheinhessens mit bestem Erfolg angewandt. Der Wert des Geländes ist dadurch häufig um das Zehnfache gestiegen.

Die Röhrendrainage erfordert aber immerhin einen größeren Kostenaufwand und ist auch nicht in allen Fällen zweckmäßig. Häufig sind die nassen Stellen nur eng umgrenzt, und sind dann die Sickerdohlen wegen ihrer leichten und billigen Herstellung empfehlenswert.

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