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III. Bericht über die Tätigkeit der wissenschaftlichen Institute.

Bericht

über die Tätigkeit der pflanzenpathologischen
Versuchsstation.

Erstattet von Dr. Gustav Lüstner, Dirigenten der Versuchsstation.

A. Veränderungen in der Station.

Dr. Dewitz, der seit ersten Mai vergangenen Jahres an der Station Untersuchungen über die Biologie und Bekämpfung der Traubenwickler (Cochylis ambiguella und Eudemis botrana) ausführte, erhielt von dem Herrn Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten den Auftrag, Untersuchungen über die Biologie und Bekämpfung der Reblaus anzustellen.

Am 1. April 1907 wurde an der Station eine zweite Assistentenstelle eingerichtet, die Herrn Dr. Hermann Morstatt aus Cannstatt übertragen wurde.

Bei der Neuorganisation des Pflanzenschutzes in Deutschland wurde an der Station eine Hauptsammelstelle eingerichtet, die von dem Vorstande geleitet wird. Der Hauptsammelstelle sind 5 Sammelstellen untergeordnet, deren Tätigkeit sich erstreckt:

1. auf die Kreise Rheingau, Untertaunus, St. Goarshausen, Wiesbaden (Stadt und Land). Leiter: Dr. Lüstner-Geisenheim.

2. auf die Kreise Oberlahn, Limburg und Usingen. Leiter: Prof. Dr. Kienitz-Gerloff-Weilburg a/Lahn.

3. auf die Kreise Höchst, Frankfurt a/M. (Stadt und Land) und Obertaunus. Leiter: Prof. Dr. Kobelt-Schwanheim bei Frankfurt a/M.

4. auf die Kreise Westerburg, Unterwesterwald und Unterlahn. Leiter: Winterschuldirektor Stuckmann-Montabaur.

5. auf die Kreise Biedenkopf, Dill und Oberwesterwald. Leiter: Seminarlehrer Schreiner-Dillenburg.

Die Sammeltätigkeit wird im ganzen von 115 Personen ausgeführt, welche sich über die einzelnen Kreise folgendermaßen verteilen: Kreis Biedenkopf 7, Dillkreis 7, Kreise Frankfurt (Stadt und Land) 7, Kreis Höchst 7, Kreis Limburg 7, Oberlahnkreis 7, Obertaunuskreis 7, Oberwesterwaldkreis 7, Rheingaukreis 7, Kreis St. Goarshausen 8, Unterlahnkreis 7, Untertaunuskreis 7, Unterwesterwaldkreis 8, Kreis Usingen 8, Kreis Westerburg 7, Kreise Wiesbaden (Stadt und Land) 7 Sammler.

B. Wissenschaftliche Tätigkeit.

1. Untersuchungen über die Peronospora-Epidemien der Jahre 1905 und 1906.

Von Dr. Gustav Lüstner.

a) Einleitung.

Die Schäden, die die Peronospora 1905 und 1906 in den verschiedenen deutschen Weinbaugebieten hervorgerufen hat, haben diejenigen früherer Jahre ganz erheblich übertroffen. Sie waren so ernster Natur, daß sich in letzterer Zeit sogar die Parlamente, z. B. in Hessen die 2. Ständekammer mit ihnen beschäftigten, und in diesen eine Bekämpfung der Rebkrankheiten durch den Staat gefordert wurde. Hinsichtlich ihrer Ausbreitung ist die Epidemie des Jahres 1906 als die stärkere zu bezeichnen, denn sie erstreckte sich fast über alle deutschen Weinbaugegenden, während diejenige des Jahres 1905 mehr lokalisiert war; sie beschränkte sich hauptsächlich auf das Gebiet der Mosel und Saar, das Rhein- und Nahetal und das Elsaß. Andere Weingegenden, wie z. B. der Rheingau, die Pfalz und Hessen, waren damals, wenn auch nicht verschont, so doch sehr viel weniger stark heimgesucht. Beim Zurückverfolgen der Angaben über das Auftreten der Peronospora in früheren Jahren in der weinbaulichen Literatur finden wir zwar auch Bemerkungen über starke und sehr starke, durch den Pilz bedingte Schäden, allein diese bleiben ganz sicher hinter denjenigen der beiden letzten Jahre bedeutend zurück. Die Bezeichnungen »stark« und »sehr stark sind in allen diesen Fällen relative Begriffe, denn man kann den Intensitätsgrad einer Epidemie immer nur mit demjenigen früherer Epidemien vergleichen, bei den folgenden kann seine Bemessung eine ganz andere werden, wie uns dies hinsichtlich der Peronospora die neuere Zeit gezeigt hat.

Die beiden in Frage stehenden Epidemien haben sich nun in zwei Punkten wesentlich von denen früherer Jahre unterschieden: einmal dadurch, daß sich der Pilz ungemein frühzeitig auf den Reben einstellte, und dann durch sein häufiges Auftreten auf den Gescheinen. Beides sind jedoch keine neue Erscheinungen im Leben des Parasiten, denn auch in früheren Jahren wurde er schon anfangs Juni auf den Blütenständen beobachtet, allerdings immer nur ganz vereinzelt, während in der neueren Zeit die Erkrankung dieser Rebteile eine weit verbreitete war. Für dieses eigenartige Verhalten des Pilzes wird allgemein und mit Recht die Witterung verantwortlich gemacht, die bekanntlich nicht allein seine Entwicklung und Vermehrung begünstigt, sondern auch, woran jedoch weniger gedacht wird, von großem Einfluß auf die Ausbildung der Gewebe sämtlicher grünen Rebteile ist. Gerade dieser letzere Umstand scheint mir aber mit eine Ursache der letztjährigen Peronospora-Epidemien gewesen zu sein und soll im folgenden versucht werden, hierfür einige Beweise zu erbringen.

b) Das Verhalten der einzelnen Arten der Peronosporineae zu ihren Wirtspflanzen.

Zur Feststellung des Verhältnisses eines pilzlichen Parasiten zu seiner Nährpflanze, in unserem Falle also das der Peronospora viticola zu der Rebe, ist es zweckmäßig, die Untersuchung nicht allein an diesem vorzunehmen, sondern sie auf möglichst zahlreiche Verwandte von ihm auszudehnen, aus deren Verhalten zu ihren Wirten dann Rückschlüsse auf den zu untersuchenden Parasiten gezogen werden können. Wir halten es für angebracht, diesen Weg auch zur Lösung unserer Frage einzuschlagen.

Die Peronosporineae werden in drei Familien eingeteilt: in die Pythiaceae, die Albuginaceae und die Peronosporaceae.

Pythiaceae.

In der Familie der Pythiaceae ist besonders Pythium de Baryanum für uns von Interesse. Es ist dies ein Pilz, der die unter den Namen >> Umfallen der Keimpflanzen« und » Wurzelbrand< oder »schwarze Beine« bekannten Krankheiten hervorruft. Dieselben sind seither vornehmlich an Camelina sativa (Leindotter), Trifolium repens (Weißklee), Spergula arvensis (Ackerspörgel), Panicum miliaceum (Hirse), Zea Mays (Mais), Beta vulgaris (Rübe) u. a. beobachtet worden. Der Schmarotzer befällt die Keimpflanzen am hypocotylen Glied und bewirkt hier zunächst ein Erblassen der infizierten Stelle, die später schwarz wird und vertrocknet. Hierdurch verlieren die Pflanzen ihren Halt und fallen um. Das epidemische Auftreten des Pilzes an allen diesen Pflanzen ist stets ein plötzliches, und seine Ausbreitung eine explosionsartige. Diese beiden Erscheinungen sind jedoch nicht allein darauf zurückzuführen, daß der Pilz imstande ist, eine große Zahl von Vermehrungsorganen zu bilden, sondern sie stehen auch, wie Hesse und Atkinson nachgewiesen haben, mit der Empfänglichkeit der Pflanzen für den Pilz in Zusammenhang. Während unter normalen Verhältnissen auf den Keimlingsbeeten und in den Anzuchtkästen nur hier und da ein Pflänzchen unter den genannten Symptomen hinsiecht, findet alsbald eine allgemeine Erkrankung statt, wenn die Pflanzen infolge zu großer Wärme und Feuchtigkeit, ungenügender Durchlüftung, z. B. durch zu engen Stand und unzureichende Beleuchtung weniger widerstandsfähig gegen ihn werden. Haben die Sämlinge ein gewisses Alter erreicht und ist damit eine gewisse Erstarkung des hypocotylen Gliedes eingetreten, so sind sie hierdurch meistens gegen eine Pythium-Infektion geschützt, und wenn trotzdem eine solche an ihnen erfolgt, so bleibt sie gewöhnlich auf eine nur kleine Stelle beschränkt und verheilt mit der Zeit.

Albuginaceae.

Die hierher gehörigen Pilze erzeugen auf den von ihnen befallenen Pflanzenteilen weiße, beulen- oder blasenförmige Auf

treibungen, in denen die Sporen gebildet werden. Letztere werden. durch Aufplatzen der Blasen frei, wonach die heimgesuchten Glieder der Pflanze wie mit Kalk bespritzt aussehen, eine Erscheinung, derentwegen man. diesen Schmarotzern den deutschen Namen ,,weißer Rost" gegeben hat. Die Familie umfaßt nur eine Gattung mit wenigen Arten; diese trägt den Namen Cystopus. Die häufigste hierher gehörige Art ist Cystopus candidus, ein Pilz, der namentlich auf Cruciferen, z. B. Capsella bursa pastoris (Hirtentäschelkraut), Cochlearia Armoracia (Meerrettig), Brassica rapus (Raps), Raphanus sativus (Rettig), Camelina sativa (Leindotter) u. a. verbreitet ist. Die Infektion erfolgt bei allen diesen Wirten bereits an den jungen Keimlingen, wonach der Pilz die gesamte Pflanze oder wenigstens den Teil derselben, der im Jugendzustand angesteckt wurde, durchwächst.

Peronosporaceae.

Wichtiger noch als die beiden besprochenen Familien ist für unsere Untersuchung die Familie der Peronosporaceae, weil ja zu ihr auch die Peronospora viticola gehört. Sie ist bekanntlich dadurch ausgezeichnet, daß die zu ihr zählenden Arten auf den von ihnen befallenen Pflanzenteilen meist weiße, mehl- oder puderartige Überzüge, in denen die Sporen resp. Sporangien gebildet werden, erzeugt. Von den zahlreichen in mehrere Gattungen vereinigten Arten wollen wir hier nur die wichtigsten, auf Kulturpflanzen auftretenden beachten. Von diesen kommt für uns zuerst die Phytophthora infestans in Betracht, der Pilz, der die bekannte Kartoffelfäule oder Kartoffelkrankheit verursacht. In seinem Auftreten unterscheidet er sich von den seither besprochenen Arten. vor allem dadurch, daß er nicht allein das Kraut der Kartoffeln befällt, sondern daß er auch deren Knollen heimsucht und in Fäulnis überführt. Mit Knollen, die sein Mycel beherbergen, gelangt der Schmarotzer aufs Feld, wächst mit der Entwicklung der jungen Pflanze in diese hinein und bildet schließlich auf den Blättern seine Sporen resp. Sporangien, mit denen er sich den ganzen Sommer über auf dem Kartoffellaube verbreiten kann. Hierbei ist aber der Pilz, worauf von vielen Seiten hingewiesen wird, von bestimmten Verhältnissen in der Luft und im Boden abhängig, unter denen namentlich die Feuchtigkeit eine Hauptrolle spielt. Je reicher sich diese in der Umgebung der Nährpflanze vorfindet, um so intensiver ist die Erkrankung derselben. Aus diesem Grunde zeigt sich der Pilz auch besonders häufig an solchen Örtlichkeiten, an denen häufig Tau- und Nebelbildung stattfindet, sowie an Stellen, an denen sich die Feuchtigkeit längere Zeit hält, z. B. auf schwerem Boden und in eingeschlossenen Lagen. Nach den Beobachtungen von Eriksson besteht jedoch kein genauer Parallelismus zwischen der Regenmenge und der Intensität der Krankheit (cit. in Frank, Handbuch 2, S. 63). Kühn (cit. ebenda S. 65) hat beobachtet, daß während der Entwicklung der Kartoffelpflanze zwei bestimmte Zeit

abschnitte existieren, in denen dieselbe am wenigsten widerstandsfähig gegen den Pilz ist. ,,Am schnellsten erliegen junge Triebe, sobald der Pilz wirklich in sie eingedrungen ist, also z. B. von den kranken Saatknollen aus. Erwachsene Triebe sind dagegen viel widerstandsfähiger, können also gesund bleiben, wenn sie während des Jugendzustandes vom Mycelium des Pilzes nicht erreicht worden sind. In einem späteren Stadium, gegen die Zeit der Reife des Kartoffelkrautes, tritt aber wieder eine größere Empfindlichkeit ein, die eben in dem in dieser Zeit gewöhnlich starken Ausbruch der Krankheit sich kundgibt, und womit es auch zusammenhängt, daß zu einer und derselben Zeit, z. B. Anfang August, die früheren Sorten rasch durch den Pilz getötet werden, während die späteren Sorten viel schwächer und zwar um so langsamer erkranken, je spätreifender sie sind." Auch hat Kühn die Beobachtung gemacht, daß frühe Sorten, welche ungewöhnlich spät gelegt werden, weniger erkranken, während dieselben Sorten zur gewöhnlichen Zeit gelegt, stark von der Phytophthora befallen wurden Aus diesen Tatsachen schließt Sorauer, daß der Pilz einen bestimmten Mutterboden für seine Entwicklung braucht und nur in einer bestimmten Feuchtigkeitsatmosphäre vegetieren kann. Er führt auch eine Angabe von de Bary an, nach welcher starkes Begießen der Pflanzen und feuchte Luft die Entwicklung des Parasiten außerordentlich begünstigen sollen. Ist dieselbe für eine längere Zeit nicht gegeben, so steht die Phytophthora in ihrem Wachstum still, und wenn nachher die entsprechende Feuchtigkeit wieder eintritt, ist der richtige Nährstoff für das Gedeihen nicht vorhanden, und der Schmarotzer bleibt wirkungslos oder geht zu Grunde." Das Gesundbleiben von aus kranken, spätgelegten Knollen entstandenen Kartoffelpflanzen findet nach Sorauer darin seine Erklärung, daß bei länger anhaltender Trockenheit das Wachstum des Pilzes stille steht, während die Pflanze selbst weiterwächst und erstarkt, da die höhere Temperatur und der intensivere Lichteinfluß schnellere Verdickung der Zellwände hervorrufen."

Von vielen Seiten wird endlich noch angegeben, daß Anhäufung von stickstoffhaltigen Substanzen im Parenchym der Kartoffelpflanze von günstigem Einfluß auf die Entwicklung des Pilzes ist.

Nahe verwandt mit Phytophthora infestans ist Phytophthora omnivora. Hinsichtlich der Wahi seines Wirtes ist dieser Pilz nicht wählerisch, denn er ist schon längere Zeit als ein gefährlicher Krankheitserreger der verschiedensten Pflanzen nachgewiesen worden. Lebert und Cohn beobachteten ihn als den Erreger einer Fäulnis an jüngeren Kakteenexemplaren. Hartig erkannte ihn als die Ursache des Eingehens von Buchensämlingen. Schenk wies ihn

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