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Vorfall kommen wird, wo die Frage praktisch werden sollte. Nun, meine Herren, ließen Sie diese Frage, wenn wir das Institut des Plebiscits hätten, durch das preußische Volk beantworten, so würde ich den Ausfall der Majorität in keiner Weije zweifelhaft halten; Jedermann wird sich sagen, wir wollen dergleichen Attentate verhindern wie wir können, und wir verhindern sie mit größerer Wahrscheinlichkeit, indem wir auch den Versuch mit dem Tode bedrohen. Denken Sie sich in die Stimmung eines solchen Mannes, soweit es psychologisch möglich ist, der in seiner Erregung durch politischen Fanatismus und durch Eitelkeit dahin gebracht wird, etwas Derartiges zu versuchen. Was ihn abschreckt, ist die Furcht, es fönnte mißlingen; für den Fall, daß es gelingt, ist er entschlossen, sein Leben daran zu sehen; wenn es ihm gelingt, dann hat er die Entschädigung, daß das, wofür er sein Leben opfern will, erreicht ist. Aber das Gefühl, was ihn beschleicht, wenn er sich sagen muß, daß es mißlingen kann und die Todesstrafe ihm doch droht, ist ein anderes, als wenn er sich sagen kann, mißlingt es, gut, dann wirst du eingesperrt, der nächste befreit dich vielleicht, wie lange kann das dauern? wenn auch das mißlungene Attentat mit dem Tode bestraft wird, dann kann das vielleicht Manchen zurückschrecken und, meine Herren, eine solche Schandthat, die vielleicht bevorstände, ungeschehen zu machen, wir würden dann doch mit einem anderen Gefühle in die Zukunft sehen, als wenn vielleicht, bald nachdem Sie einen anderen Beschluß gefaßt und die Regierungen ihm zugestimmt hätten, was Gott verhüten möge, ein solches Attentat vor sich ginge. Ein Jeder würde sich fragen, welches Maaß von moralischer Verantwortlichkeit trägst Du allenfalls daran? Die Regierungen haben geglaubt, diese Verantwortlichkeit nicht tragen zu sollen. Meine Herren! Ich erneuere die dringende Bitte, geben Sie diesem erstgeborenen Reichstage, wie ich ihn gestern nannte, den glänzenden Abschluß, der uns bevorsteht, wenn wir dieses große Werk vollenden, schlagen Sie ein in die Hand, die heute die Regierungen, weit vorgebeugt, Ihnen entgegenreichen, stoßen Sie sie nicht zurück.

Der Antrag auf Beibehaltung der Todesstrafe auf Mordversuche „gegen das Bundesoberhaupt oder gegen den eigenen Landesherrn oder während des Aufenthaltes in einem Bundesstaate gegen den Landesherrn dieses Staates" wurde in der Schlußberathung mit 128 gegen 107 Stimmen angenommen.

Das gesammte Strafgejezbuch wurde in der Sizung vom 25. Mai 1870 mit großer Mehrheit angenommen.

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Bewilligung für die Gotthardbahn.

26. Mai. Erklärung des Grafen von Bismarc.

Gegen den Antrag des Abg. Lasker, wonach die Bewilligung noch von der Erfüllung gewisser Bedingungen abhängig gemacht werden sollte. Meine Herren! Es müssen gewiß die verbündeten Regierungen tief von der Ueberzeugung durchdrungen sein, daß die politischen Interessen es empfehlen, zwischen Deutschland und Italien eine Verbindung zu schaffen, welche lediglich von dem neutralen Zwischenlande, der Schweiz, abhängig ist und nicht im Besige einer der großen europäischen Mächte sich befindet.

Die Rücksichten müssen von besonderer Wichtigkeit gewesen sein, welche sie zu dem ungewöhnlichen, ich glaube beinahe nie vorgekommenen Vorgehen einer Regierung führen, Ihnen eine erhebliche Geldausgabe für eine außerhalb Deutschlands, nicht nur außerhalb des Norddeutschen Bundes, liegende Eisenbahn zuzumuthen.

Die Rücksichten, welche die Regierungen zu diesem ungewöhnlichen Verfahren bestimmen, sind aber, wie ich glaube, so auf der Hand liegend, so oft erwogen und zum Theil auch so delikater Natur, daß ich Sie bitte, mich davon zu entbinden, sie hier nochmals darzulegen. Wenn Sie uns zur Verwirklichung dieses internationalen Bedürfnisses nicht Ihre Hand reichen, wenn der Reichstag seine Mitwirkung dazu versagt, so können wir natürlich dieses Bedürfniß nicht befriedigen; wir müssen dann den übrigen betheiligten Regierungen erklären: der Norddeutsche Reichstag hat uns seine unentbehrliche Mitwirkung versagt oder hat sie doch an Bedingungen geknüpft, welche so gut sind wie eine Versagung, welche unbedingt die Wirkung einer Versagung haben. Daß dies die Wirkung der Annahme des Amendements des Herrn Abg. Lasker sein würde, hat schon der Herr Präsident des Bundeskanzler- Amts hervorgehoben; schon allein aus der formalen Rücksicht, daß bei dem nahe bevorstehenden Schluß der Versammlung es nicht möglich sein würde, bei der Annahme dieses Amendements ihm die formale Vollendung noch zu geben. Der Herr Abg. Lasker sagt, der folgende Reichstag kann ja dann sehr leicht die Bewilligung verlängern, wenn er die Sache für angemessen findet. Der folgende Reichstag hat aber keinen Einfluß auf die Entschließungen der andern Regierungen, auf die Wirksamkeit der mannigfachen Einflüsse, welche gegen die Sache überhaupt thätig sind.

Eine Untersuchung der Vorzüge, welche etwa der Gotthard vor dem Splügen oder umgekehrt haben könnte, liegt meines Erachtens ganz außerhalb des Interesses, welches Deutschland und namentlich Norddeutschland an der Sache hat. Für uns ist das Hauptinteresse eine fast direkte Verbindung mit dem befreundeten und, wie wir glauben, auf die Dauer befreundeten Lande Italien zu haben. Dieser Vortheil lief Gefahr, uns vollständig versagt zu bleiben, weil eine Entscheidung zwischen den beiden Bahnen nicht rechtzeitig zu treffen war, und die Unschlüssigkeit darüber, welche von beiden gebaut werden sollte, war der gewichtigste und stärkste Hebel für diejenigeu Bemühungen, welche den Bau einer jeden neuen Bahn dort verhindern wollen. Deshalb haben wir uns vor allen Dingen angelegen sein lassen, durch unsere sehr bestimmte Erklärung zu Gunsten einer dieser Bahnen das Hinderniß zu beseitigen, welches in der Zwie

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spältigkeit, in der Gefahr, zwischen zwei Stühle sich zu setzen, lag. Wir glauben damit den Schweizer-Interessen einen wesentlichen Dienst geleistet zu haben, daß wir durch unsere sehr bestimmte Erklärung der Ungewißheit, ob Gotthard oder Splügen, ein Ende gemacht haben. Indem wir aber erklärt haben und noch heute die Erklärung wiederholen, daß wir uns auf den Splügen unter feinen Umständen einlassen würden, halten wir an dem Gotthard fest, nicht weil wir den Interessen des Splügen nicht auch das Ihrige gönnten, sondern weil wir voraussehen, daß sobald wir auch nur die Möglichkeit der Erwägung des Splügen wieder zulassen, gar keine Eisenbahn dort hergestellt wird, während die Hoffnung nicht ausgeschlossen ist, daß, wenn jezt die Gotthardbahn gebaut wird, die Splügenbahn ihr dereinst folgt.

21. April. Eröffnung des Zollparlaments durch den Präsidenten des Bundeskanzler-Amts Staatsminister Delbrück.

7. Mai. Schluß des Zollparlaments.

Thronrede Se. Majestät des Königs.

Geehrte Herren vom Deutschen Zollparlamente!

Als Ich Sie bei Eröffnung der ersten Session der Legislatur - Beriode willkommen hieß, deren leßte Session Ich heute schließe, sprach Ich die Zuversicht aus, daß Sie, das gemeinsame deutsche Interesse fest im Auge haltend, die Einzeln - Interessen zu vermitteln wissen würden. Die turze, aber bedeutungsvolle Session, welche heut zu Ende geht hat diese Zuversicht gerechtfertigt.

Die Revision des Vereins- Zolltarifs, welche den Schwerpunkt Ihrer Thätigkeit bildete, berührte zahlreiche und wichtige Interessen und mußte deshalb zu einem lebhaften Kampfe der Ansichten führen. Es ist Ihnen gelungen, aus diesem Kampfe zu einem Abschluß zu gelangen, welcher die großen, für die verbündeten Regierungen leitend gewesenen Gesichtspunkte festhält und die streitenden Interessen versöhnt. Sie verdanken dieses Ergebniß dem nationalen Geiste, welcher lieb gewordene Wünsche und lebhaft empfundene Besorgnisse zurücktreten ließ vor der Erkenntniß, daß ohne ein Opfer von jeder Seite die im Interesse unseres Vaterlandes gebotene Vollendung des Ihnen vorliegenden Werkes unerreichbar sei. Die verbündeten Regierungen sind Ihnen in demselben Geiste entgegengekommen und so ist, bei allseitigem ernsten Bemühen, die Feststellung einer Reform gelungen, welche durch die Berathungen dreier Sessionen gereift war. Diese Reform, indem sie den Tarif vereinfacht und die Beschaffung von Gegenständen des unmittelbaren Verbrauchs, von Hülfsmitteln für die Arbeit und von Materialien für die Gewerbe in ausgedehntem Maße erleichtert, eröffnet der Produktion neue Bahnen, sichert dem Verkehr einen weiteren Aufschwung und verheißt dem Wohlstande im Deutschen Zollverein eine steigende Entwickelung, während sie durch geringe Mehrbelastung eines Verbrauchs Gegenstandes die finanziellen Grundlagen des Tarifsystems wahrt.

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Im Laufe der dreijährigen Thätigkeit, welche Sie heute beenden,

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haben Sie, geehrte Herren, im Zusammenwirken mit den verbündeten Regierungen, zu dem Abschluß der räumlichen Ausdehnung des Zollvereins den Grund gelegt, die Beziehungen des Zollvereins zu zweien durch Stammes Verwandtschaft mit ihm verbundenen Nachbarstaaten und zu anderen für seinen Verkehr wichtigen Ländern geordnet, die Besteuerung zweier wichtiger einheimischen Erzeugnisse geregelt und die Gesetzgebung über den Verkehr mit dem Auslande in allen ihren Theilen neu gestaltet. Die segensreichen Früchte dieser Thätigkeit sind zum Theil bereis vOT= handen, zum Theil mit Sicherheit zu erwarten. Der Dank des deutschen Volkes, dessen Gedeihen Ihre Thätigkeit gewidmet war, wird Ihnen nicht fehlen.

So entlasse ich Sie, geehrte Herren, in der zuversichtlichen Hoffnung, daß auch die künftigen Versammlungen des Zollparlaments unserem ge= meinsamen Vaterlande zum Segen gereichen werden.

26. Mai. Schluß des Reichstages.

Thronrede Se. Majestät des Königs.

(Rückblick auf die dreijährige Reichstagsarbeit.)

Geehrte Herren vom Reichstage des Norddeutschen Bundes!

Dem Ersten ordentlichen Reichstage des Bundes war die Aufgabe gestellt, die wesentlichsten Bestimmungen der Verfassungs- Urkunde in Gestalt organischer Geseze in dem politischen und bürgerlichen Leben des Volkes zur Geltung zu bringen. Sie haben die Lösung dieser Aufgabe in vier arbeitsvollen Sessionen dergestalt gefördert, daß es Ihnen wie Mir zur Genugthuung gereichen wird, am Schlusse der Legislaturperiode einen Rückblick auf die Erfolge Ihrer hingebenden Thätigkeit zu werfen.

Norddeutschland verdankt derselben die Verwirklichung der wichtigsten Consequenzen des gemeinsamen Indigenates, der Freiheit der Niederlassung, des Erwerbes von Grundbesitz und des Betriebes der Gewerbe, die Regelung der Bedingungen für den Erwerb und Verlust der Bundesangehörigkeit und der Staatsangehörigkeit, die Beseitigung der mehrfachen Besteuerung desselben Einkommens, die Aufhebung der polizeilichen Beschränkungen der Eheschließung und die Beseitigung der Abhängigkeit staatsbürgerlicher Rechte von konfessionellen Unterschieden.

Die Führung der Bundesflagge, der Schuß der deutschen Schifffahrt durch Gesandtschaften und Konsulate des Bundes, die Wirksamkeit der Konsuln, die den Organen des Bundes zustehenden Befugnisse im Interesse des Civilstandes der Bundesangehörigen, sind unter Ihrer Mitwirkung durch Geseß und Vertrag geregelt worden.

Durch die Abschaffung der Elbzölle und die Regelung der Flößerei wurde die lange erstrebte Freiheit der deutschen Ströme verwirklicht.

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Die Reihe der Verträge, durch welche die internationalen Beziehungen des Bundes Postwesens auf der Grundlage der Reform geordnet sind, hat neuerdings durch die von Ihnen genehmigten Verträge mit Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika wichtige Ergänzungen erfahren.

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Die Organisation des Bundesheeres ist abgeschlossen und die BundesKriegs- Marine ist, Dank den von Ihnen gewährten Mitteln, in einer Entwickelung begriffen, welche diesem Zweige der nationalen Wehrkraft eine den berechtigten Anforderungen der deutschen Nation entsprechende Bedeutung verheißt.

Der Bundeshaushalt ist auf fester Grundlage geordnet. Die dem Bunde vorbehaltene Besteuerung von Verbrauchs-Gegenständen ist einheitlich geregelt und durch die Stempel- Abgabe von Wechseln ist eine, im Interesse der Verkehrsfreiheit liegende Bundessteuer geschaffen.

Die Herstellung der gemeinsamen Rechts-Institutionen, welche die Bundesverfassung verheißt, ist in einem Maaße gefördert worden, welches wir vor drei Jahren kaum in so nahe Aussicht zu nehmen wagten. Das Gesez über die Rechtshülfe und die auf diesem Gesetze beruhenden Berträge mit Baden und Hessen haben, der ihrem Abschlusse nahen gemeinsamen Prozeß-Ordnung vorgreifend, die Schranken beseitigt, welche die Landesgrenzen der Wirksamkeit gerichtlicher Entscheidung entgegenseßten. Die Aufhebung der Zinsbeschränkungen, der Schuldhaft und des Lohnarrestes hat in wichtigen Beziehungen des volkswirthschaftlichen Verkehrs gleiches Recht geschaffen.

Das Handelsgesetzbuch und die Wechsel-Ordnung sind zu BundesGesetzen erhoben worden, und beide, ebenso wie die von Ihnen beschlossenen Gesetze über die Aktiengesellschaften und das Urheberrecht an geistigen Erzeugnissen, unter den Schuß eines obersten Bundes- Gerichtshofes gestellt worden, dessen Wirksamkeit in nächster Zukunft beginnen wird.

Die erste Stelle in dieser Reihe wichtiger Geseze nimmt aber das gestern von Ihnen und vom Bundesrathe genehmigte Strafgesetzbuch ein. Die Vereinbarung dieses Gesezes, durch welche uns das große Ziel deutscher Rechtseinheit so wesentlich genähert ist, konnte nur gelingen, wenn von Ihnen, wie von den verbündeten Regierungen, der Vollendung eines großen nationalen Werkes Opfer an Ueberzeugungen gebracht wurden, welche um so schwerer, aber auch um so fruchtbarer waren, je tiefer die Fragen, um deren Lösung es sich handelte, das Rechtsbewußtsein ergriffen. Ich danke Ihnen, daß Sie in der Bereitwilligkeit, diese Opfer zu bringen, den verbündeten Regierungen entgegen gekommen sind.

Geehrte Herren, Ich darf die Ueberzeugung fundgeben, daß die Befriedigung, mit welcher wir in diesem Saale die reichhaltigen Ergebnisse gemeinsamer Thätigkeit überblicken, im ganzen deutschen Lande und außerhalb der Grenzen desselben getheilt wird. Die großen Erfolge, welche im Wege freier Berständigung der Regierungen und der Volksvertreter, unter sich und mit einander, in verhältnißmäßig kurzer Zeit gewonnen wurden, geben dem deutschen Volke die Bürgschaft der Erfüllung der Hoffnungen, welche sich an die Schöpfung des Bundes knüpfen, denn sie beweisen, daß der deutsche Geist, ohne auf die freie Entwickelung zu verzichten, in der seine Kraft beruht, die Einheit in der gemeinsamen Liebe Aller zum Vaterlande zu finden weiß. Dieselben Erfolge, gewonnen durch treue und angestrengte Arbeit auf dem Gebiete der Wohlfahrt

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