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1865.

trauen sie nicht täuschen wird; aber ich kann doch nicht leugnen, daß es mir einen peinlichen Eindruck macht, wenn ich sehe, daß Angesichts einer großen nationalen Frage, die seit zwanzig Jahren die öffentliche Meinung beschäftigt hat, diejenige Versammlung, die in Europa für die Konzentration der Intelligenz und des Partriotismus in Preußen gilt, zu feiner anderen Haltung als zu der einer impotenten Negation sich erheben kann.

Es ist dies, meine Herren, nicht die Waffe, mit der Sie dem Königthum das Scepter aus der Hand winden werden. Es ist auch nicht das Mittel, durch das es Ihnen gelingen wird, unseren konstitutionellen Einrichtungen diejenige Festigkeit und weitere Ausbildung zu geben, deren sie bedürfen.

2. Juni. Aeußerungen des Berichterstatters Abg. Dr. Virchow.

Was wir von der Regierung verlangen, ist Klarheit und Bestimmtheit der Politik. Diese Klarheit und Bestimmtheit, meine Herren, kann man allerdings auch nachträglich aus der festen Führung des Staatsruders ersehen, welche in einer bestimmten Hand stattgefunden hat, und wenn es dem Herrn MinisterPräsidenten wirklich gelingen könnte, das Land und dieses Haus zu überzeugen, daß seine Hand dieses Steuer fest nach einem bestimmten Ziele mit Bewußtsein geleitet hat, dann werde ich mich in der That vor ihm beugen. Ich habe mit dem ernsthaftesten Bemühen zu ermitteln gesucht: war seine Politik eine überlegte oder bewußte, oder war sie eine nach Einfällen des Augenblicks, nach Episoden immerfort wechselnde, mehr oder weniger also von äußern Einflüssen und von diesen und jenen Persönlichkeiten bestimmte? und da muß ich dem Herrn Minister - Präsidenten bei aller Hochachtung vor seinen Talenten und mit der Bitte, daß er das, was ich sage, nicht in irgend einer Weise als einen persönlichen Vorwurf ansehen möge, doch erklären, daß ich aus dem Studium der Dokumente die Ueberzeugung gewonnen habe, daß selten in einer großen Krisis ein leitender Staatsmann solche Sprünge gemacht hat, wie er, und daß, wenn es ihm gelungen ist, durch die Krisis hindurch ein gewiß großes und anerkennenswerthes Resultat zu erreichen, ich nicht im Stande bin, es als sein Verdienst anzuerkennen, sondern daß ich es für einen Zufall halte.

Diese Schwankungen und Wandelungen erklären sich leicht. So wie die äußeren Verhältnisse etwas andere wurden, so machte auch die Staats - Regierung ihre neuen Schwenkungen. Das Staatsschiff ging nicht durch alle diese Wandelungen geraden Weges hindurch, sondern wie der Wind verschieden blies, ging auch das Schiff nach verschiedener Richtung.

Nun hatten aber die Dänen sonderbarer Weise die Hartnäckigkeit, allen diesen verschiedenen Wandelungen gegenüber auf ihrem unglückseligen Gedanken zu bestehen, Schleswig zu unterwerfen. Und diese Hartnäckigkeit hat es denn dahin gebracht, daß der Krieg immer wieder von Neuem aufgenommen werden mußte, und daß man endlich dahin kam, die großen Erfolge zu erlangen.

Meine Herren! Ich habe bei früherer Gelegenheit schon gesagt: alle Ehre für die Armee für Alles, was sie geduldet und geleistet hat, aber daß Sie (zur Ministerbank deutend) die Absicht gehabt haben, den Krieg zu tragen bis nach Düppel und Alsen und noch weiter, als Sie ihn begannen, davon werden Sie einen Andern überzeugen. „Credat Judaeus Apella." Sie haben in jedem Stadium Halt machen wollen; in jedem Stadium waren Sie zufrieden zuerst mit etwas Geringem, dann mit etwas mehr und wieder mit etwas mehr, und immer mehr. Es wuchs Ihr Appetit mit dem Essen und es war ganz natürlich, daß Sie am Ende so großen Appetit bekamen, daß Sie das ganze Land verspeisen wollten.

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Meine Herren! Ich bin nicht der Meinung, daß Sie mit dem Gedanken der Annexion ausgezogen sind, sicherlich nicht! am wenigsten bin ich der Ueberzeugung, daß das eine von Sr. Majestät dem Könige sanktionirte Politik gewesen ist; und doch werden Sie nicht ableugnen können, daß es Stadien gegeben hat, wo Ihre Politik geradezu annexistisch war. Wenn sie jezt nicht mehr anneristisch ist, so werden Sie uns nicht einreden wollen, daß das etwa davon herkäme, daß Sie zu keiner Zeit annexistisch gewesen wäre. Es ist doch ganz sicher, daß zu einer gewissen Zeit Sie die Annexion vollzogen haben würden, wenn Sie nicht das sonderbare Glück gehabt hätten, den condominus mitzu nehmen.

Aber Sie werden Alles preisen als Verdienst Ihrer Politik; in jedem Stadium vergessen Sie die Fehler und rühmen eben das Gute. Wir, meine Herren, sehen in jedem Stadium den Fehler und zwar den Fehler eines festen Programmes, der sich durch die Zeit des Desterreichischen Bündnisses hindurchzieht, der zu keiner Zeit ganz aufgehört hat. Ich will diese Dinge nicht weiter diskutiren. Ob Sie durch das Desterreichische Bündniß Europäische Komplikationen vermieden haben, das ist ein Gegenstand, der später zur Verhandlung kommen kann. Hier liegt mir nur daran, zu zeigen, welche Wechsel, welche Schwankungen, welche Unsicherheit die Preußische Politik gehabt hat und wie wenig Sie Vertrauen verlangen können, wenn wir auf die Stadien zurückblicken, wo Sie bald diese bald jene Zusicherung gemacht haben. Gegenwärtig können wir nicht umhin zu sagen: wir haben nicht blos allgemeines Mißtrauen gegen dieses budgetlose Ministerium, sondern ein spezielles Mißtrauen. Diese Personen halten wir nach ihren Leistungen nicht für berechtigt, Vertrauen in Anspruch zu nehmen.

2. Juni. Erwiderung Bismarcs.

Es liegt nicht in meiner Absicht, auf die Sache von Neuem einzugehen. Aber der Herr Referent hat einen großen Theil seiner langen Rede der Kritik meines persönlichen Verfahrens gewidmet. Ich will ihm auf dieses Gebiet nicht in seiner ganzen Breite folgen. Ich bin der Anerkennung in sehr geringem Maße bedürftig und gegen Kritik ziemlich unempfindlich. Nehmen Sie immerhin an, daß Alles, was geschehen ist, rein zufällig geschah, daß die Preußische Regierung daran vollständig unschuldig ist, daß wir der Spielball fremder Intriguen und äußerer Einflüsse gewesen sind, deren Wellenschlag uns zu unserer eigenen Ueberraschung an der Küste von Kiel ans Land geworfen hat. Nehmen Sie das immerhin an, mir genügt es, daß wir da sind, und ob Sie uns dabei ein Verdienst zuschreiben oder nicht, das ist mir vollständig gleichgültig.

Die Kritik des Herrn Vorredners über den Wechsel unseres Verfahrens kritisire ich lediglich mit einer einzigen Phrase, die er selbst ge= braucht hat. Er hat uns vorgeworfen, wir hätten, je nachdem der Wind gewechselt hätte, auch das Steuerruder gedreht. Nun frage ich, was soll man denn, wenn man zu Schiffe fährt, Andres thun, als das Ruder nach dem Winde drehen, wenn man nicht etwa selbst Wind machen will. Das überlassen wir Anderen.

Ich habe das Wort aber nicht deshalb ergriffen, sondern um einen Ausfall gegen meine Person von ganz spezifischem Charakter zu beantworten. Der Referent bemerkt, wenn ich den Bericht wirklich gelesen hätte, so wisse er nicht, was er von meiner Wahrheitsliebe denken solle. Der Herr Referent hat lange genug in der Welt gelebt, um zu wissen, daß er sich

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damit der technischen und specialen Wendung gegen mich bedient hat, vermöge deren man einen Streit auf das rein persönliche Gebiet zu werfen pflegt, um denjenigen, gegen den man den Zweifel an seiner Wahrheitsliebe gerichtet hat, zu zwingen, daß er sich persönliche Genugthuung fordert. Ich frage Sie, meine Herren, wohin soll man mit diesem Tone kommen? wollen Sie den politischen Streit zwischen uns auf dem Wege der Horatier und Kuriatier erledigen?

Es ließe sich davon reden, wenn es Ihnen erwünscht ist.

Wenn das aber nicht, meine Herren, was bleibt mir dann Anderes übrig, als gegen einen solchen starken Ausdruck meinerseits einen noch stärkern wieder zu gebrauchen? Es ist dies, da wir Sie nicht verklagen können, der einzige Weg, auf dem wir uns Genugthuung verschaffen können, ich wünschte aber nicht, daß Sie uns in die Nothwendigkeit verseßen, ihn zu betreten. Und wie weist der Herr Berichterstatter mir den Mangel an Wahrheit nach? Wenn ich mich nach der langen Rede recht erinnere, so warf er mir als nicht übereinstimmend mit dem Berichte diejenige meiner Aeußerungen vor, durch die ich die liberale Partei beschuldigte, ihre Sympathien für die Flotte hätten sich vermindert. Um zu beweisen, daß dies unrichtig war, liest er mir alle die schönen Worte vor, die die Kommission in dem Berichte für die Flotte gemacht hat, während doch der Schluß lautet, Geld geben Sie nicht. Ja, meine Herren, wenn Worte Geld wären, dann hätten wir der Freigebigkeit, mit der Sie die Regierung behandeln, nur unsere dankbare Bewunderung zu zollen.

13. Juni. Die Stellung des Abgeordnetenhauses zur Schleswig-Holsteinschen Frage und das Vorgehen der Regierung.

Rede Bismarcks bei der Berathung der Kriegskosten= Vorlage. (Nach dem Abg. Waldeck.)

(Die früheren Beschlüsse des Abgeordnetenhauses in der Schleswig-Holsteinschen Frage; die bisherigen Erfolge

der Regierung;

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die Pflicht zur Unterstügung derselben; weitere Bestrebungen und Aussichten; die Frage

der Annexion.)

Wenn ich mir den Inhalt Ihres Berichts vergegenwärtige, so werde ich zweifelhaft, ob meine Erinnerung von den Verhandlungen, die vor anderthalb Jahren hier über die Bewilligung einer Anleihe stattfanden, ganz genau war. Ich hatte von diesen Verhandlungen den Eindruck behalten, daß das Haus der Abgeordneten damals bereit gewesen sein würde, die Kosten des dänischen Krieges in Gestalt der Anleihe zu bewilligen, falls die Königliche Staatsregierung sich diejenigen Ziele der auswärtigen Politik, welche das Abgeordnetenhaus ihr stellte, aneignete. Diese Ziele sind in zwei Aktenstücken der damaligen Verhandlungen, die zugleich die Meinung des gesammten Hauses aussprechen, näher bezeichnet, ohne daß ich nöthig hätte, sie aus den zum Theil längeren hervorragenden Reden auszuziehen.

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Es sind in der Resolution, welche Sie bei Ablehnung der Anleihe faßten, negativ einige dieser Ziele der preußischen Politik dahin bezeichnet: „daß dieser Gang in der preußisch- österreichischen Politik kein anderes Ergebniß haben kann als das: die Herzogthümer zum zweiten Mal an Dänemark zu überliefern," diese Befürchtung ist nicht eingetroffen; „daß die Königliche Staatsregierung, indem sie diese rein deutsche Sache als eine europäische behandelt, die Einmischung des Auslandes herbeizieht," auch dies hat sich nicht bewahrheitet; -,,daß die angedrohte Vergewaltigung den berechtigten Widerstand der übrigen deutschen Staaten und damit den Bürgerkrieg in Deutschland herausfordert."

Das waren die Befürchtungen, die das Haus hegte, die Klippen, deren Vermeidung der Regierung empfohlen wurde, die Klippen, welche von ihr vermieden sind.

Positiv bezeichnete das Haus seine Ziele in einer an Seine Majestät den König gerichteten Adresse mit den Worten: Preußen und Deutschland sind berechtigt und damit auch verpflichtet, das Erbrecht Friedrichs VIII. anzuerkennen, das deutsche Bundesgebiet von der Anwesenheit dänischer Truppen zu befreien und die Zusammengehörigkeit und Unabhängigkeit der Herzogthümer herzustellen."

Meine Herren, dies Programm ist von der Königlichen Staatsregierung entweder erfüllt oder seine Erfüllung, so weit sie rückständig ist, so weit sie die Einseßung Herzogs Friedrich VIII. betrifft, steht in unserer Gewalt. Ich habe das neulich schon hervorgehoben: Wir sind zur Ausführung auch dieses Theils Ihres Programms vollständig jeden Tag im Stande, sobald uns das Erbrecht des Herzogs von Augustenburg nachgewiesen sein würde, was es nicht ist, oder sobald wir die Sicherheit hätten, daß die im Interesse Preußens und des gesammten Deutschlands an die Herzogthümer zu stellenden Forderungen durch den Herzog ausgeführt werden würden.

Ungeachtet dieser Uebereinstimmung der erreichten Resultate mit den von Ihnen damals aufgestellten Zielen lehnen Sie die Kosten des Krieges auch jetzt wiederholt ab. Sie motiviren diese Ablehnung durch eine retrospektive Beurtheilung theils des Verfahrens der Regierung, theils der Motive, welche Sie veranlaßten, die Anleihe vor anderthalb Jahren zu verweigern.

Sie werfen dabei dem Verfahren der Regierung vor, daß die Ziele, welche die Regierung verfolgt habe, sich nicht immer gleich geblieben wären, sondern gewechselt hätten. Es ist schon von einem Vorredner der Rechten auseinandergesezt worden, daß weniger die Ziele, als die Mittel zur Verfolgung der Ziele wechselten.

Es wird als unser jeßiges Ziel bezeichnet die völlige Trennung der Herzogthümer von Dänemark, welche durch den Frieden vom 30. Oktober 1864 definitiv erreicht ist, und ein enger Anschluß derselben an Preußen in militairischer und maritimer Beziehung. Daneben sei ausdrücklich gejagt in unserer Vorlage, daß anfänglich nur der Entschluß maßgebend gewesen sei, zu Gunsten der deutschen Sache das Aeußerste zu erlangen, was nach der politischen Gesammtlage erreichbar schien," und ich glaube, beides widerspricht sich nicht. Das, was wir jetzt erstreben und zum Theil erreicht haben, mag eben dieses Aeußerste sein. Ein Drittes, „die in

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London abgegebene Erklärung, zur Herstellung eines gerechten und halt= baren Zustandes in Schleswig-Holstein durch Bürgschaften gegen Wiederfehr dänischer Unterdrückung den Herzogthümern den Frieden in Wahrheit zu sichern" - nun, auch mit dieser Bezeichnung stimmt das, was wir jezt als unser Ziel hinstellen, vollständig überein. Die „Bürgschaften gegen Wiederkehr dänischer Unterdrückung" bestehen in gewissen Bedingungen, die wir stellen, die zunächst nur dagegen uns schüßen sollen, daß wir nicht in kürzester Zeit vielleicht genöthigt sind, einen kostspieligen Feldzug zur nochmaligen Befreiung der Herzogthümer zu führen.

Der Kommissionsbericht hebt ferner als Motiv der damaligen Ablehnung der Anleihe hervor, es habe dem Hause das dazu nöthige Vertrauen zu den Personen gefehlt, welche die Politik leiten. Meine Herren, ich glaube, Sie würden dieses Vertrauen gehabt haben, wenn Sie sich deutlich vergegenwärtigt hätten, daß diese Person, welche die auswärtige Politik des preußischen Staates leitet, Seine Majestät der König ist, sowohl verfassungsmäßig als auch thatsächlich. Die Minister führen die Politik des preußischen Staates nach den bestimmten, genauen und speziellen Anweisungen Seiner Majestät des Königs. Hätten Sie sich dies flar gemacht, so, sage ich, würden Sie das Vertrauen gehabt haben, und dieses Bertrauen würde Sie nicht getäuscht haben. Denn die Resultate, die Sie wünschen, sind erreicht, nur nicht auf den Wegen, die Sie eingeschlagen zu sehen wünschten. Das ist der Hauptvorwurf, den ich in dieser retrospektiven Kritik uns gemacht finde.

Sie sagen, auch auf Ihrem Wege hätte einer Störung des europäischen Friedens im Großen vorgebeugt werden können; es hätte ihr vorgebeugt werden können, auch wenn wir, statt mit Desterreich, mit dem deutschen Bunde gegangen wären. Das ist möglich; aber es erschien der Königlichen Staatsregierung nicht in dem Grade wahrscheinlich, wie die Vermeidung des Krieges auf dem Wege, den wir gingen. Jedenfalls habe ich den Erfolg anzuführen, daß er auf unserm Wege vermieden worden ist.

Sie werfen diesem Wege ferner vor, daß er uns einen Mitbesizer gegeben in Schleswig-Holstein. Aber der von Ihnen empfohlene hätte uns 32 Mitbesitzer gegeben und an der Spiße dieser 32 denselben, den wir jetzt haben, und zwar nicht mit derselben Gleichberechtigung, sondern mit der Ueberlegenheit der Präsidialmacht und als Führer der Bundesmajorität gegen Preußen; der ganze Schwerpunkt läge nicht zwischen Berlin und Wien und Kiel, sondern er läge in Frankfurt, und die Herzogthümer befänden sich wahrscheinlich in diesem Augenblick unter der Verwaltung der Herren von Könnerit und Niepert.

Es ist von einem Vorredner ausgeführt worden, daß wir eine Gelegenheit versäumt hätten, uns an die Spitze der mittleren und fleineren Staaten Deutschlands zu stellen. Wenn der Herr Referent, gleich mir, acht Jahre hindurch deutscher Bundestagsgesandter in Frankfurt gewesen wäre, so würde er diese Möglichkeit nicht als eine so leicht erreichbare hingestellt haben. Er würde, gleich mir, überzeugt sein, daß die Majorität der Mittel- und Kleinstaaten sich nicht freiwillig und bereitwillig einer preußischen Führung, einer preußischen Aktion untergeordnet haben würde, ohne sie zu geniren und zu hemmen, ohne Preußen in der Ziehung

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