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folgreich fortzusetzen. Selbst nach der Abreise Enver Beys konnten die Italiener nicht Terrain gewinnen, was später näher ausgeführt wird.

Indessen richteten die Italiener die neuen Provinzen ein. Tripolitanien und die Cyrenaica wurden in zwei selbständige Provinzen und Verwaltungsgebiete geschieden (Streffleurs Februarheft 1913). In Tripolitanien wurde die Regelung des Grundbesitzes, eine Frage, die in allen von Mohammedanern bewohnten Gebieten äußerst schwierig ist, in Angriff genommen; vielen der ehemaligen Aufständischen wurden die konfiszierten Güter zurückgegeben, was auf die Bevölkerung einen sehr günstigen Eindruck machte. Die Rechtssprechung und der Kultusdienst wurden den besonderen Verhältnissen des Landes entsprechend, scheinbar zur Zufriedenheit der Eingeborenen, von der Regierung statuiert. Kommissionen aller Art durchquerten Tripolitanien, um seine Bedürfnisse und die Beschaffenheit des Landes kennen zu lernen. Die Regierung veranlaßte auch in außerordentlich initiativer Weise den Ausbau des Wegnetzes, der Bahnen und des Telegraphen (Streffleur, Märzheft 1913); wiewohl diese öffentlichen Arbeiten zunächst den militärischen Bedürfnissen angepaßt sind, so kommen sie dennoch der Bevölkerung zugute, weil sie zumeist die größeren Ansiedlungen, Handelszentren und Wegknotenpunkte verbinden. Nur selten war der Frieden durch Zwischenfälle, die zu vereinzelten Zusammenstößen mit Eingeborenen führten, unterbrochen. Diese kleinen Gefechte waren meist ohne Bedeutung und ließen stets eine durchgreifende Organisation vermissen.

Die militärische Besetzung des Landes machte erfreuliche Fortschritte. Noch im November 1912 wurden Kars Tarhuna, Suani ben Aden, Aziziah, Funduk ben Gascir und Zelten (siehe Skizze Beilage 23) besetzt. Am 1. Dezember 1912 rückten die italienischen Truppen in Sliten ein, wodurch die Straße von Misrata nach Homs militärisch gesichert war. Am 4. Dezember erreichte ein Detachement von Tripolis die Orte Agilah und Z a via, um die Verbindung mit den bereits während des Krieges besetzten Orten Suara und Forwa herzustellen. Damit hatten die Italiener den Karawanenweg entlang der Küste von der tunesischen Grenze über Tripolis bis Mesrata in Abständen von 20 bis 50 km besetzt und den Verkehr auf diesem Wege ermöglicht. Nunmehr nahmen die militärischen Besetzungen die Richtung gegen das Innere des Landes. Am 14. Dezember wurde Cussabat westlich Homs in Besitz genommen, nachdem wenige Tage vorher eine starke Kolonne gegen Kars Garian (südlich Tripolis) aufgebrochen war, welches sie bereits am 9. Dezember erreichte. Mit diesem Vorstoße gelangten die italienischen

Truppen an die Grenze der Einflußsphäre E1 Barunis. Tatsächlich trat auf dieser Linie im Vordringen ein Stillstand ein. In richtiger Erkenntnis der Bedeutung Kars Garians für die weiteren Operationen, begnügte man sich anscheinend mit der Einrichtung dieses Ortes als befestigten Depotplatz und gewann erst in der zweiten Hälfte des Monats Jänner die östlichen Begleithöhen des Wadi Arbaa (Fluß) bei Tebadut, Megarbe und Bu Zaian, um die immer lebhafter auftretenden kleinen Trupps El Barunis von Kars Garian fernzuhalten. Im Osten Tripolitaniens wurden noch im Dezember 1912 Kasr ben Ulid und Sirte besetzt.

Trotz aller Bemühungen der Behörden konnten zeitweise Viehdiebstähle nicht verhindert werden. Insbesondere waren derartige Diebstähle in der Umgebung von Zuara häufiger und führten am 26. Jänner zu einem kleinen Gefecht zwischen den räuberischen Arabern und den italienischen Truppen, von denen 1 Eskadron und 1 Askari-Kompagnie teilnahmen. Nach längerem Ritte gelang es der zuerst auftretenden Eskadron, die Araber zu überraschen und ihnen das geraubte Vieh abzunehmen. Während nun die Eskadron die Herde gegen Sidi Abd es Samad trieb, kehrten die Araber in größerer Zahl wieder, so daß die Eskadron im Gefechte zu Fuß die Angreifer vom Leibe halten mußte. Bald jedoch trafen Askari ein und vertrieben die Araber. Die Italiener hatten 2 Tote (1 Offizier) und 1 Leichtverwundeten, während die Verluste der Araber nicht festgestellt werden konnten.

Gelegentlich der Besetzung von Sirte kam es bei der Ausschiffung der Truppen am 31. Dezember 1912 zu einem kleineren Gefechte mit den Einheimischen, die ihre Ansprüche an die ebenfalls in Sirte der Einschiffung harrenden türkischen Truppen für Leistungen während des Krieges geltend machen. Das Erscheinen der italienischen Truppen löste in den Arabern die Befürchtung aus, daß sie um den wohlverdienten Lohn kämen und sie glaubten, durch Waffengewalt die Landung der Italiener verhindern zu können. Das Feuergefecht dauerte nur ganz kurze Zeit, worauf die Einheimischen abzogen. Seither ist dort keine Ruhestörung vorgefallen.

Gelegentlich der Besetzung von Kasr ben Ulid versuchten einige Einwohner des Ortes, im dortigen Kastell Widerstand zu leisten, der aber noch am Abend des 14. Dezember aufgegeben wurde. Die Aufständischen flüchteten und die Italiener besetzten das Kastell. Auch in diesem Gebiete ist seither kein Zwischenfall eingetreten.

Am 1. März kam es wiederum wegen eines von Arabern beabsichtigten Viehdiebstahles zu einem Gefecht bei Agilah, in dem die Araber 80 Mann an Toten verloren. Die Italiener hatten 1 Verwundeten und 2 Tote.

Diese Gefechte waren ohne jede Bedeutung und hatten ihre Ursache zumeist in den lokalen Verhältnissen, wie die Besetzung der Orte oder Eigentumsstörungen, hatten auch keinerlei Folgen für die Situation der Truppen oder die Behandlung der Bewohner.

Wohl aber konnte GLt. Lequio*) in Kars Garian bereits im Jänner laufenden Jahres die Gefahr der Umtriebe El Barunis erkennen und berichtete darüber an den Gouverneur. Gleichzeitig organisierte er die Truppen für eine Offensive gegen El Baruni, der in Assaba westlich Kars Garian seinen Sitz aufgeschlagen hatte und dort auch nennenswerte Vorräte an Munition und Lebensmitteln aufstapelte. Weil aber die Verhandlungen mit dem Rebellenführer noch fortdauerten, von diesem in meisterhafter Weise in die Länge gezogen, untersagte die Regierung in Rom den vom GLt. Lequio geplanten militärisch nur gut zu heißenden energischen Schritt. So verging auch der Monat Februar in nutzlosem Verhandeln, bis endlich im März die Banden El Barunis eine aktivere Tätigkeit entfalteten und ihre Streifzüge auch über den Gebel Garian und Yeffren ausdehnten, des öfteren auch die italienischen Truppen in Kars Garian belästigten. Um einerseits diesem Treiben ein Ende zu setzen, anderseits aber, um den Verhandlungen Nachdruck zu verleihen, entschloß sich die Regierung zu energischen Maßregeln gegen El Baruni, in deren Durchführung es zu den Gefechten bei Tebadut und Assaba kam. (Siehe nebenstehende Textskizze.)

Von den Aufständischen scheinbar unbemerkt, konnte GLt. Lequio die für die geplante Operation bestimmten Truppen in Kars Garian und Bir el Cuca (zunächst Aziziah) sammeln. Er beabsichtigte, von Kars Garian aus mit dem Gros direkt auf Assaba vorzustoßen, während eine fliegende Kolonne vom Norden her gegen den Monterus den Gegner umfassen sollte. Gleichzeitig mit dieser Aktion sollte von Zavia die Kolonne Obst. Marafini in der Richtung über Bir el Ghanem auf Yeffren vorgehen.

Das Gebiet, in dem sich die nun folgenden Operationen bewegten, umfaßt den Gebel Garian, Yeffren und Nefusa. Von besonderem Interesse ist die Landschaft des Garian. Der Nordabfall der Sahara, der sich in der Höhe von 300 m von der tunesischen Grenze über Nefusa, Yeffren gegen den Garian zieht, gestaltet sich im Gebiete des Garian zu einem Perglande, das auch einen ausgesprochenen Südabfall hat, während der Sahara-Abfall westlich und östlich des Garian eines Südabhanges entbehrt. Das ganze Gebiet ist verkarstet und schwer gangbar, leidet an Wasserarmut und ist nur in den Oasen, die allerdings relativ dicht beisammen liegen und sich als Ortschaften repräsentieren, kultiviert.

*) Wurde nach dem siegreichen Gefechte bei Assaba mit königlichem Dekret vom 3. April für Kriegsverdienste zum Generalleutnant befördert.

Die Flußläufe, deren keiner perennierendes Wasser führt, sind tief eingerissen und verursachten wegen der schwierigen Begleitungshöhen Verzögerungen beim Überschreiten.

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El Baruni hatte etwa 6000 Araber für seine Sache gewonnen und im Berglande des Garian gesammelt. In Assaba hat sich der Rebellenführer eine Art Basis geschaffen. Die Banden waren in weiter Ausdehnung vom Monterus bis über Tebadut im Süden verteilt. Das Gros war an der Karawanenstraße nach Assaba, so daß man die Situation El Barunis folgend charakterisieren kann: starke Kräfte am Südflügel, mindestens 4000 Mann, während schwächere Abteilungen, etwa 1000 Mann, den Flügelschutz am Monterus übernahmen. Dazwischen zur Verbindung der beiden Gruppen kleinere Detachements entlang der westlichen Talbegleitungshöhen des Wadi Arbaa.

GLt. Lequio hatte in Kars Garian das Bersaglieriregiment Nr. 11, je 2 Bataillone der Infanterieregimenter Nr. 23 und 82, 1 Bataillon des Infanterieregimentes Nr. 52, die Alpinibataillone Susa, Vestone, Feltre und Tolmezzo, im ganzen 12 Bataillone, dann 1 Eskadron und 3 Gebirgsbatterien vereinigt. Südlich Aziziah bei Bir el Cuca war eine Umfassungsgruppe unter Obst. Fabri, bestehend aus 2 Eskadronen des 15. Kavallerieregiments, 1 libyschen Eingeboreneneskadron, 2 Kompagnien des III. Bataillons Askari und 1 Kamelbatterie bereitgestellt. Die Zusammenstellung dieser Kolonne zeigt, daß der Kommandierende sich von der Beweglichkeit dieser Truppen und der Möglichkeit der Überraschung einen Erfolg versprach, was durch die Ereignisse tatsächlich bestätigt wurde.

Am 22. März wurden im Auftrage GM. Montuoris von Tebadut mehrere Rekognoszierungen vorgenommen, wodurch scheinbar die. Araber zu Gegenmaßregeln aufgestachelt wurden. Gegen 1h 301 nachm. erschienen plötzlich zahlreiche Araber auf den Höhen südlich Aghib und eröffneten überraschend ihr Feuer gegen das aus Tebadut vorbrechende Detachement (1 Bataillon und 1 Batterie). Es entspann sich nunmehr ein Gefecht, das den ganzen Nachmittag dauerte. GLt. Lequio sah sich sogar genötigt, neue Truppen ins Gefecht zu bringen, weil die Araber Verstärkungen erhalten hatten. Durch die Einwirkung dieser im umfassenden Angriffe vorgehenden italienischen Truppen mußten die Araber schleunigst den Rückzug antreten. Gegen 9h nachm. tauchten überraschend wieder die Araber vor der italienischen Befestigungslinie auf. Ihr Angriff galt diesmal der Redoute Tolmezzo, welche vom gleichnamigen Alpinibataillon besetzt war. Unter Mitwirkung der Scheinwerfer und der Artillerie konnten die Alpini den feindlichen Angriff aufhalten. Durch einen gegen die Flanke des Feindes gerichteten Angriff frischer Truppen gelang es, den Gegner zu werfen. Die Italiener hatten in diesen Gefechten 6 Verwundete, während die Araber am Nachmittag 20, am Abend 18 Tote auf dem Gefechtsfelde zurückließen.

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