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Ursache des Unglücks. Er hatte den Befehl, sich in Rudolstadt zu behaupten. Um dies zu können, darf ich Saalfeld, sagte er, nicht preisgeben, und um Saalfeld zu retten, muß ich dem Feind bis jenseits Saalfeld entgegengehen.

So räsonierte das kampflustige Herz, während der militärische Kopf ganz anders hätte rechnen sollen. Die Franzosen standen über Saalfeld hinaus, am linken Ufer der Saale in einer unbezwinglichen Stellung, in tiefen Bergschluchten von einem dichten Walde bedeckt. Er beschloß, sie anzugreifen. Er hatte zwischen 6000 bis 7000 Mann: 3 sächsische Bataillone Infanterie, 2 preußische leichte Infanterie und das Regiment M ü f fling, 5 Eskadronen Husaren, von Bila, 3 sächsische. Er rückte um 10 Uhr morgens vor; ein unerhörtes Kartätschenfeuer empfing ihn. Er wollte nicht weichen; man sah kaum die französische Infanterie. Das Korps hatte 4 Stunden mit nichts als Batterien zu fechten; gegen 2 Uhr nachmittags, da er schon unendlich viel verloren hatte, ergriff ihn die Verzweiflung; er wollte auf die Batterien losgehen; ein Teil der Truppen wurde mutlos; die Franzosen bemerkten es und schickten nun die Kavallerie heraus. Die Unordnung wurde gleich allgemein. Der Prinz tat bis gegen 4 Uhr Wunder der Tapferkeit; aber alles war umsonst, es mußte umsonst sein; der gänzliche Rückzug wurde zuletzt unvermeidlich. Der Prinz hatte tausend Mittel, sich zu retten; er ritt das vortreffliche Pferd, das Fürst Kar 1*) ihm abgetreten hatte; er hatte höchstens einige leichte Hiebwunden und selbst dies ist noch zweifelhaft erhalten. Aber er wollte und suchte den Tod. Im ersten Gefechte den Kürzeren gezogen zu haben, war ein Gedanke, den seine große Seele nicht ertragen konnte. Unter dem Vorwande, die Seinigen noch zum Stehen zu bringen, blieb er mitten im Getümmel; ungefähr um 4 Uhr traf ihn ein Schuß, von welchem er zu wanken anfing; gleich darauf ein zweiter, ein Pistolenschuß von einem französischen Husaren, nach welchem er vom Pferde sank; mehrere Husaren warfen sich auf ihn; so ließ man ihn auf dem Schlachtfelde . . . .

Der König hatte sein Hauptquartier von Erfurt nach Blankenhain verlegt und er kam hier nachmittags um 4 Uhr an. Er erhielt bald nachher die Nachricht von dem unglücklichen Gefechte, und zugleich die, daß die Franzosen in Rudolstadt, kaum zwei Stunden von ihm, standen. Hier in diesem Augenblick fing das Verderben an. Der Herzog von Braunschweig verlor über das erste Mißgeschick Fassung und Kopf. Anstatt der Armee ihren Marsch

*) FML. Fürst Karl zu Schwarzenberg, der spätere Sieger von Leipzig, mit dem der jugendliche Prinz vor Ausbruch des Feldzuges zusammengetroffen war.

fortsetzen zu lassen, sogar mit verstärkter Schnelligkeit gegen die Saale vorzurücken, um die ersten Franzosen zu empfangen, nahm er den verwünschten Entschluß, nach Weimar zurückzugehen und hier ein Lager zu schlagen. Dieser Entschluß, durch einige seichte Vorwände schlecht bemäntelt, hatte im Grunde nur ein einziges wahres Motiv: der Herzog wollte Zeit gewinnen, um sich von seiner eigenen Bestürzung zu erholen, um mit sich selbst zu Rate zu gehen. Am 11. früh reiste ich mit Haugwitz*), Luchesini**) etc. von Erfurt nach Weimar und fand hier zugleich mit der Hiobspost vom Tode meines geliebten Prinzen das ganze Hauptquartier und einen großen Teil der Armee. Ich fing an zu ahnen, daß alles verloren sein würde. Die Unzufriedenheit der Armee mit diesem unbegreiflichen Stillstande war so groß, daß ich in manchem Augenblick eine Rebellion besorgte. Man schrie laut über die Unfähigkeit des Herzogs. So ging es am 11., 12., 13. Das Hauptkorps stand unbeweglich; das Rüchelsche***) war unterdessen auch angekommen. Am 12. reiste der König mit dem Herzog zum Fürsten Hohenlohe†); als sie abends zurückkamen, hieß es, den folgenden Tag solle ein allgemeiner Angriff geschehen; doch wurde kein bestimmter Befehl gegeben.

Unterdessen hatte sich der Fürst Hohenlohe, seit dem Tauentzinschen Korps erlittenen Verlust und der gänzlichen Zersprengung der Avantgarde des Prinzen Louis, am linken Saale-Ufer konzentriert; sein Korps reichte nicht über Orla münde am Kahla hinaus; mithin war der Weg über Ger a und Zeitz völlig offen, und hier brach nun der Feind mit seiner bekannten Schnelligkeit und Heftigkeit herein. Am 12. waren schon Franzosen in Zeitz, und an diesem Tage abends rückte ein kleines Detachement bis Naumburg vor, um die dortigen Magazine zu nehmen oder zu verbrennen. In der Nacht vom 12. zum 13. wagten sich 40 bis 50 Mann sogar nach Leipzig; in eben dieser Nacht zerstörten sie die Brücke zwischen Lobeda und Burgau.

Am 13. früh rieten mir alle meine Freunde, mich davon zu machen. Der Weg über Naumburg war schon gesperrt. Der über Merseburg konnte, ehe ich dort ankam, es ebenfalls sein. General Phull befahl mir, mehr als er mich bat, über Allstedt zu reisen, und mir vorwärts einen sicheren Übergang über die Saale zu suchen. An jedem Orte, wo ich eintraf, war der Schrecken schon vor mir her gegangen; *) Christian August Graf von Haugwitz, preußischer Minister des Äußeren (1805/06).

*) Girolamo Marchese Luchesini, 1806 preußischer Gesandter in Paris.

***) Ernst Friedrich Wilhelm von Rüchel, preußischer General.

†) Friedrich Ludwig Fürst zu Hohenlohe-Ingelfingen.

sicher nur glaubwürdige Data konnte ich nirgends mehr habhaft werden; ich mußte gehen, wohin die Postillions mich noch fahren wollten. So fuhr ich bis Bernburg herab; und da erst ging ich über die Saale und so über Dessau, Wittenberg und Torgau nach Dresden zurück.

Als ich am 15. in Dessau ankam, überraschten mich Siegesnachrichten. In Wittenberg war alles voll davon. Zehn Briefe aus Leipzig versicherten, die Franzosen seien gänzlich geschlagen. So ging es bis Dresden fort. Erst hier, wo man auch mehrere Tage lang diese falschen Nachrichten geglaubt hatte, tat sich die Wahrheit in der fürchterlichsten Gestalt vor mir auf.

doch wahrscheinlich nicht

Die Franzosen waren mit großer Macht über 80.000 Mann stark am rechten Saale-Ufer vorgedrungen, und hatten eine äußerst feste Stellung in den Bergen zwischen Jena und. Dornburg genommen. Man entschloß sich endlich, sie anzugreifen. Am 14. Oktober, einem Tage, der, neben dem vom Austerlitz, obgleich weit schwärzer noch als dieser, leben wird wurde der Angriff unternommen. Das Korps Hohenlohe, als das nächste, eröffnete die Szene. Im Anfange wurden die Franzosen wirklich aus dem Dorfe, welches den Hauptpunkt ihrer Stellung ausmachte, vertrieben; aber gleich damals besetzten sie es wieder, und von nun an waren alle Anstrengungen vergeblich. Ein Bataillon nach dem andern wurde gegen sie angeführt, alle wurden geschlagen. Um Mittag war die Hohenlohische Armee ganz außer Tätigkeit. Nun rückte Rüchel vor, und durchlief dieselbe unselige Laufbahn. Auch sein Korps wurde Stück für Stück geschlagen, er selbst schwer verwundet, alles zum Weichen gezwungen.

Endlich ging auch das Hauptkorps des Königs von Weimar ab. Die Franzosen saßen nun zwischen diesem Korps und der Saale. Die Division von Davout empfing es zwischen Eckardsberg, Auerstädt und Sulza. Die Bataille eröffnete sich nun auch hier. Die Franzosen sollen anfänglich viel gelitten haben; aber zuletzt siegten sie hier, wie auf den anderen Punkten.

Als nun die Niederlage allgemein und die Unordnung groß geworden war, stiegen zwei mächtige, frische, französische Kolonnen von den Bergen um Jena herab und fegten alles vor sich weg, was ihnen begegnete. Kein Kommando, kein Plan, kein Zusammenhang mehr. Der Herzog von Braunschweig war tödlich verwundet, man glaubte, der König sei es auch, obgleich das nicht begründet war. Jeder suchte seine Flucht, wo er konnte. In der Nacht fiel den Franzosen die ganze ungeheure Bagage aller Teile der Armee in die Hände, an mehr als 200 Kanonen; alle Straßen, das ganze Land war ihnen offen. Ob aus

Blindheit, oder aus Not man weiß es noch nicht, nahm ein Teil der königlichen Armee seinen Weg nach Erfurt. Die Franzosen folgten. Sie nahmen Erfurt am folgenden Morgen; hier machten sie den Feldzeugmeister Möllendorf*), den Prinzen von Oranien**), den General Schmetta u***), den General Wartensleben†) und ungefähr 3000 Mann zu Gefangenen. In der Schlacht selbst soll die Anzahl der Gefangenen, ja selbst die der Toten in Verhältnis mit der Größe der Begebenheit nicht sehr beträchtlich gewesen sein; doch hierüber, wie über vieles andere, fehlen noch alle Data.

Der bei weitem größte Teil der Armee, die geschlagen wurde, nahm den Weg über Sangerhausen nach Magdeburg zu; wo und warum der König eigentlich die Armee verließ, weiß ich noch nicht, es scheint aber gewiß, daß er den 18. abends in Berlin angekommen ist. Die Kolonnen von Murat, Lannes, Soult nahmen die Direktion auf Quedlinburg; was aus der preußischen Armee weiters geworden ist, das ist Gott bekannt, so viel ist gewiß, daß sie noch über 60.000 Mann stark sein mußte, und daß besonders die Kavallerie (da sie, zum größten Unglück, auf jenem durchaus bergigen Terrain wenig agieren konnte) nicht viel gelitten hat. Aber ihre Lage war so, daß es dennoch nichts Böses gibt, was man nicht fürchten dürfte. General Kalkreuth, der mir übrigens am 4. Oktober bestimmt prophezeite, daß, wenn der Herzog noch 8 Tage das Kommando behielte, eine zweite Schlacht bei Austerlitz das unfehlbare Resultat sein würde, ist der einzige Mann, der im stande war, das Kommando mit Erfolg zu übernehmen; ob es der König ihm übertragen, oder was er sonst beschlossen habe, weiß ich nicht. Es gab noch ein Korps, das unbenützt geblieben war; das, welches der Prinz Eugen von Württemberg) kommandierte, es mochte ungefähr 12.000 Mann stark sein, und war in schnellen Märschen von Magdeburg auf Halle zugerückt. Warum er sich nach der unglücklichen Schlacht nicht zurückzog, ist mehr als ich sagen kann. Genug, er wurde am 14. von Bernadotte†††) bei Halle angegriffen, und ebenfalls mit Verlust seiner Kanonen und vieler Mannschaft geschlagen.

Bonaparte hatte am 18. sein Hauptquartier in Merseburg. Die Sachsen hatten fast alles verloren. Er ließ die gefangenen sächsi*) Joachim Heinrich von Möllendorf, preußischer Feldmarschall. **) Wilhelm Fürst von Nassau-Oranien, Schwager des Königs von Preußen, nach 1815 König der Niederlande.

***) Friedrich Wilhelm Graf von Schmettau.

†) Leopold Alexander Graf von Wartensleben.

tt) Russischer General.

ttt) Französischer Marschall, später König von Schweden.

schen Offiziere versammeln, und erklärte ihnen, daß er mit dem Churfürsten keinen Krieg habe, ihn persönlich achte, sein Land schonen wolle etc. Auf diese Nachricht erhielten von Dresden aus alle sächsischen Truppen den Befehl, sich zurückzuziehen, Sachsen wurde für neutral erklärt, nichtsdestoweniger sollen in wenig Tagen die kaiserlichen Garden in Dresden einrücken. Es waren am 17. zwei preußische Offiziere im Hauptquartier erschienen, vermutlich mit Friedensvorschlägen; aber bis zum 18. abends hatte weder Napoleon, noch Berthier*), noch der Staatssekretär Maret **), sie auch nur sehen wollen; dieser Umstand ist der entsetzlichste von allen. Man schreibt heute von Dresden, die Preußen hätten bei Wittenberg und Torgau die Elbebrücke abgebrochen; gestern hat man eine starke Kanonade gehört, und vermutet also, daß die Franzosen zwischen jenen beiden Orten eine andere Brücke haben schlagen wollen; unterdessen sind sie längst in Dessau, und der Weg nach Berlin kann ihnen also gar nicht mehr verschlossen werden. Ich denke, am 24. oder 25. werden sie dort sein; alles ist geflüchtet, und was man retten konnte, gerettet. So ward dieser ewig schreckliche Feldzug in 7 Tagen, wo nicht geendigt, doch entschieden. Ich ehre die Ratschlüsse Gottes, auch wenn er straft; was er aber jetzt mit Europa im Sinn hat, wird wohl kein Sterblicher erraten.

Ich werde hier einige Wochen lang bleiben, wenn nicht unvorhergesehene Umstände mich nötigen, nach Pra g oder Wien zu gehen. So lange Sie, mein gnädigster Fürst, noch in dieser Gegend verweilen, werde ich Ihnen mitteilen, was ich ferners erfahren; haben Sie nur die Gnade, mich genau zu benachrichtigen, wo Sie gewiß sein werden. Ich bitte gehorsamst, daß Sie diesen traurigen Brief dem Fürsten Karl Schwarzenberg mitzuteilen geruhen; sein großes und edles Herz wird gewiß bei diesen Unfällen bluten, die kein wahrer Deutscher ohne tiefen Schmerz und ohne Verzweiflung vernehmen kann.

Ich empfehle mich in Ihr huldreiches

Wohlwollen

Gentz m. p.

*) Alexander Berthier, Prinz von Neufchâtel, Generalstabschef Napoleons.

**) Maret, Herzog von Bassano, Minister des Äußeren.

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