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In Straßburg war zum Kommandanten der General Uhrich ernannt worden. Johann Jakob Alexis Uhrich, geb. 1802 zu Pfalzburg, ist ein Zögling der Kriegsschule von St. Cyr. Er komman

dierte im Krimkriege eine Brigade und später eine Division der Pariser Besaßung, welche er auch im italienischen Feldzuge behielt. Nach demselben war er zur Disposition gestellt und 1870 mit dem Kommando von Straßburg betraut worden. General Uhrich galt für einen energischen Mann, eine Voraussetzung, welche er durch sein Verhalten vollkommen rechtfertigte.

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General Uyrich, Kommandant von Straßburg.

Straßburg mit seinen ca. 80 000 Einwohnern ist ein dunkler Punkt in der Geschichte Deutschlands gewesen, seitdem es vom Mutterlande gerissen und französischer Herrschaft unterstellt wurde. Mahnend wie ein mächtiger, fast drohender Arm streckt sich der alte Münsterturm aus dem Gewirre der Häuser und Dächer empor in die Luft und seiner Glocken Geläut tönte lange genug wie ein Ruf um Befreiung in die Gegend hinaus. Von der Wichtigkeit des Plages waren die französischen Herrscher und deren Räte vollkommen überzeugt. Nicht nur materiell

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auch moralisch mußte eine Wiedereroberung Straßburgs durch die Deutschen von unberechenbaren Folgen sein. Nach und nach hatten denn auch die französischen Ingenieure die Festung zu einer der bedeutendsten Frankreichs umgeschaffen, freilich nach alter Manier, ohne Außenforts. 17 Bastionsfronten umgeben die Stadt nach Norden, Süden und Westen, durch Schleußen kann das Wasser der Ill bedeutend aufgestaut werden, und an den Orten, wo dies nicht zu bewerkstelligen ist nördlich oder nordwestlich sind verschiedene Hornwerke und Lunetten vorgeschoben, um die Fronten zu sichern. Östlich in der Befestigung liegt die Citadelle. Sie schiebt die Werke bis an den Arm des Rheinstromes vor, der mit dem Hauptflusse die kleine Sporeninsel umschließt. Von Kehl aus fann dieser Teil bequem unter Feuer genommen werden. Die Form der Citadelle ist ein Fünfeck mit Bastionen. Die Wasserstauungen sind durch sehr geschickte Vorrichtungen als bedeutendes Mittel für Überschwemmungen des vor der Festung liegenden Terrains zu benußen. Als Mittel- und Knotenpunkt dreier Bahnlinien ist die Festung noch besonders wichtig für unsere Zeit geworden.

Die Brücke über den Rhein war schon am 22. Juli deutscherseits durch

Dynamit gesprengt worden, um einer französischen Invasion in Süddeutschland vorzubeugen. Die Fortifikationen waren an sich stark und von bedeutendem Umfange, konnten jedoch den Anforderungen der Neuzeit, den furchtbaren Wirkungen der Geschüße neuester Konstruktion gegenüber nicht standhalten, da kein vorgeschobenes Fort das auf die Stadt gerichtete Feuer in gehörigem Abstand hielt. Das war nun nicht zu ändern, unerklärlich aber bleibt die Unzulänglichkeit der Verteidigungskräfte, sowie der Werke an vielen Stellen, insofern sie aus einer fast vollständigen Verwahrlosung der Festung entsprang. Auf den Wällen fehlten noch viele Geschütze, die Füllung der Gräben begann erst am 4. August durch Öffnung der Schleusen, die Glacis hatte man noch nicht rasieren lassen. Es fehlte namentlich) an bombensichern Unterkünften für die Besayung. Da Straßburg als Waffenplay erster Klasse in den Listen der französischen Verteidigungswerke figurierte, hatte man daselbst jedoch eine Masse von Kriegsmaterial angehäuft, welches einer sehr ausgedehnten Belagerung genügen konnte. An Geschossen aller Art war genügender Vorrat in den Magazinen, und über 1200 Geschüße standen zur Verwendung bereit. Es fanden sich in Straßburg 1200 Artilleristen, das 87. Linien-Regiment 2700 Mann starf, 2 Bataillons du Dépôt, 2 Jägerkompanien, 2 Batteries.du Dépôt, 2 Schwadronen Lanciers, 500 Pontonsoldaten und 120 Marinesoldaten, welche man für die vielbesprochene Rheinflottille hatte verwenden wollen. Später traten 3600 Mann Nationalgarden hinzu, sowie 4 Bataillone Mobilgarden. Als die Donner der Schlacht von Wörth erschallten, als dieses heiße Treffen seinem Ende nahte, ergossen sich die Flüchtenden durch die Straßen der Stadt, überall die Schreckensnachricht verbreitend, um endlich doch meist_in_Straßburg zu bleiben. Aus ihnen wurden noch einige Kompanien gebildet. Es waren etwa 5000 Versprengte angelangt, so daß Uhrich auf 17-18 000 Mann als Verteidigungsarmee rechnen konnte, von denen jedoch nur ein Teil als militärisch ausgebildet gelten durfte, da unter den Depottruppen viele Rekruten waren. Es fehlte dazu namentlich an Ingenieuren, und das war ein Hauptnachteil der Belagerten.

Deutscherseits wußte man, obwohl von der Mangelhaftigkeit der Verteidigungsmittel unterrichtet, die Größe der Arbeit genügend zu würdigen. Es blieb vorläufig nur die badische Felddivision zur Einschließung verfügbar; dieselbe im ganzen Umfange zu bewerkstelligen, war daher unmöglich, dagegen konnte man wohl auf ein Gelingen der Cernierung im Nordwesten rechnen. Die Truppenzahl genügte hierfür, denn die Belagerten hatten durch die Überschwemmung sich allerdings vor einem plöglichen Sturmangriff sicher gestellt, in gleichem Maße aber auch sich selbst die Möglichkeit genommen, Ausfälle oder ernstliche Störungen gegen die Belagerer zu unternehmen. Für die Süd- und Nordostfront genügte daher

ein geringer Truppenteil zur Beobachtung. Die größte Truppenzahl konnte im Nordwesten verwendet werden. Weitere Zuzüge standen in Aussicht.

Der am 8. August vor dem Stadtthore erschienene deutsche Offizier mit der Parlamentärflagge war abschläglich beschieden worden, es wurde deshalb ́ unter den Einwohnern Straßburgs zur Gewißheit, daß ernstliche schwere Ereignisse nahe bevorständen. Uhrich ließ arbeiten, soviel als nur irgend möglich war. Man sezte, später sogar unter dem Feuer der Deutschen, Palissaden ein, fällte die Bäume und errichtete Barrikaden. In den verschiedenen Quartieren der Stadt wurden die Befehle und Verhaltungsmaßregeln für etwaige Feuersbrünste bei einem Bombardement erteilt, fieberhafte Aufregung herrschte unter der Bevölkerung, alles was Waffen tragen konnte, ward zum Dienst herangezogen. Die Stimmung der Einwohner, sowie der in der Stadt und Festung befindlichen Truppen, war eine entschieden kriegerische, zum Widerstand geneigte, welche noch durch eine am 10. August erlassene Proklamation Uhrichs gehoben ward, da der Kommandant crklärte, „Straßburg werde sich verteidigen, so lange noch ein Soldat, ein Zwieback und eine Patrone übrig seien.“

Diesem allerdings unerwarteten Widerstande gegenüber mußte die deutsche Heeresleitung die Einschließung und Belagerung Straßburgs mit aller Kraft betreiben. Der Generallieutenant von Werder, welcher seit dem 13. den Oberbefehl an Stelle des erkrankten Generallieutenant von Beyer übernahm,*) hatte bei seinem Eintreffen die Cernierung der Stadt vollendet gefunden. Die Einschließung konnte um so schneller stattfinden, als die Belagerten keinen ernstlichen Versuch machten, dem Angreifer die wichtigsten Stellen des Vorterrains streitig zu machen. Die beiden Vorstädte, Königshofen und Schiltigheim, wurden von der badischen Division unbesezt vorgefunden. Der Kirchhof von St. Helena, welcher den Steinstraßenthor gegenüberliegt, und der schon 1814 eine bedeutende Rolle beim Angriffe auf Straßburg spielte, war freigelassen. Von hier aus feuerten schon am 12. August badische Infanteristen auf die französischen Posten. Am 13. signalisierte man von allen Punkten der Stadt aus das Erscheinen der deutschen Truppen rings um Straßburg. Die Verbindung war abgeschnitten, und die Verteidiger Straßburgs blicben ganz auf sich selbst angewiesen. Man hatte noch immer nicht an die Verwirklichung einer Belagerung oder eines Bombardements geglaubt, da obenein in den letzten Tagen verschiedene der bekannten Lügennachrichten von großen Erfolgen der französischen Waffen, vom Aufbruch der deutschen Armeen gegen Zabern und Pfalzburg 2c. die Runde gemacht hatten. Der General Werder beschloß daher

*) Das Kommando der badischen Division übernahm Generallieutenant von Laroche.

eine ernstliche Mahnung zu thun. Er hatte zu Mundolsheim sein Hauptquartier aufgeschlagen, als Chef seines Stabes fungierte Oberst von Leszczynski. Nach Erkrankung des Kommandeurs der Artilleric, Gen.-Lieut. v. Colomier, übernahm Gen.-Lieut. von Decker dasselbe. Ingenieur en chef war Generalmajor von Mertens. Stabschefs waren die Oberstlieutenants von Scheliha und v. Wangenheim.*) Als Verstärkung der Belagerungsarmee wurden noch bestimmt die Gardelandwehrdivision (von Loën), die Reservedivision (von Tresckow); jede Division zu 12 Bataillonen und 8 Schwadronen mit 18 Geschüßen. Aus Rastatt waren das Infanterieregiment Nr. 30, aus Mainz das Füsilierregiment Nr. 34 herangezogen, welche eine Infanteriebrigade (Generalmajor von Boswell) bildeten. An Kavallerie waren später noch das 2. Reservedragonerregiment und das 2. Reservehusarenregiment (Krug von Nidda) kommandiert. An Artillerie von Preußen, Württembergern und Bayern waren da 33 Artilleriekompanien (7000 Mann stark) und wurden unter Oberst Meißner zu einem Regiment kombiniert. Eine gleiche Zusammensetzung fand bei den 14 Pionierkompanien statt, sie waren mit Hinzuziehung der 1. bayrischen Pionierkompanie 2200 Mann stark, so daß vereinte deutsche Kräfte zur Wiedergewinnung der deutschen Stadt wirkten.**) Schicken wir voraus, daß bis zum 19. August die Spitzen des Belagerungsparkes vor Straßburg eingetroffen waren, der aus 200 gezogenen Geschüßen, 88 Mörsern und 50 Zündnadelwallbüchsen bestand.

In Straßburg hatte Uhrich den Kontre-Admiral Excelmans als Generalstabschef erwählt. Geniedirektor war Oberst Sabatier. Oberstlieutenant Mariz befehligte die Truppen. Der General Ducrot, später durch einen Granatschußz getötet, leitete den Geniedienst in der Citadelle. Artilleriechef General Barral hatte sich vor Schluß der Cernierung als Bauer verkleidet in die Festung geschlichen. Oberst Bélu war Artilleriedirektor.

Am 13. August blißte der erste Kanonenschuß gegen Straßburg auf, Werders Mahnung langte in Gestalt einer Granate an. Sie fiel in die Küche eines Hauses im Grünen Bruch, wo sie platte. Die Verwirrung in der Stadt war ungeheuer, man sah ein, daß der Belagerer Ernst machen wollte, massenhaft drängte sich alles zum Hause, um die Wirkung des Geschosses zu sehen. Aber es schien, als sollte die Lust zum Widerstande nur wachsen, am 13. wurde nur um so eifriger gearbeitet. Man begann freilich, zu spät, mit dem Rasieren der noch bestandenen Glacis, mit dem Weghauen- der Bäume, welche die Schußfreiheit hinderten.

*) Scheliha traf erst am 29., Mertens am 23., Decker am 24. August ein. **) Bayrische und württembergische Artilleristen langten erst am 11. und 23. September an.

Um 5 Uhr feuerten die Geschüße von den Wällen auf badische Dragoner, welche in den Feldern plänkelten, und ein Detachement der Badenser dirigierte sich gegen den Kirchhof St. Helena. Mit dem Einbruch der Nacht ward Feuer signalisiert; an der Rotonde (Bahnhof) brannten 24 Waggons, welche die Deutschen in Brand geschossen hatten. Wohin man am Morgen des 14. von den Wällen Straßburgs blickte, gewahrte das Auge den Feind. Werder, der den Belagerungspark noch nicht zur Hand hatte, wollte durch ein mäßiges Feuer aus Feldgeschüßen die Übergabe erzwingen. Er wußte, daß bombensichere Räume in der Festung gar nicht vorhanden waren; er hatte auch von badischer Seite, von Kehl aus, die Belagerung beginnen lassen, und schon am 18. August feuerten drei badische Batterien gegen die Sporeninsel und die Citadelle, gleichzeitig begannen kleinere Ausfälle der Belagerten.

Endlich am 16. August schienen diese größere Anstrengungen zu machen; eine starke feindliche Abteilung dringt südwestlich vor, schnell ist die 8. Kompanie des badischen 3. Infanterie-Regiments bei der Hand; der Feind hat Geschüße vorgezogen, das Feuer ist heftig, aber die 8. Kompanie hält wacker stand, bis Unterstützung heran ist. Hauptmann Kappler richtet ein heftiges Schnellfeuer gegen die von den Feinden besezte Brücke des Rhein-Rhone-Kanals, dann stürmt er mit gefälltem Bajonett heran und wirft den Gegner zurück, der 70 Mann auf dem Plaze läßt. Während des Gefechts feuerten die Batterien und einige Granaten schlugen in die Stadt. Schon am 15., dem Napoleonstage, hatte man stärker gefeuert, denn Werder hoffte durch eine Beschießung die andauernden Leiden einer Belagerung seinen Truppen und den Bewohnern ersparen zu können. An vielen Orten war die Zerstörung bedeutend. Menschenleben waren bereits zum Opfer gefallen und eine ansehnliche Masse von Vorräten vernichtet. Aber troß des Schreckens, den dieses erste und wirksame Feuer verbreitete, machten die Einwohner nicht die geringste Anstalt zum Entgegenkommen für friedlichen Ausgleich, und von der Energie des tapfern Uhrich und der Opferwilligkeit der Truppen ließ sich ein solches noch weniger erwarten. Werder sah sich daher genötigt, alle Arbeiten für eine regelrechte Belagerung unverzüglich beginnen zu lassen. Die Masse des fortwährend eintreffenden Materials war eine so ungeheure, daß die Sichtung desselben allein schon die ganze Kraft und Thätigkeit der Offiziere und Beamten in Anspruch nahm.

General von Werder hatte die Beschießung bald stärker bald schwächer fortsehen lassen; es war für ihn eine harte Prüfung, als er der unglücklichen Stadt die feurigen Boten senden mußte, welche unter Krachen und Bersten ihren Einzug durch die Lüfte bis in die Straßen hielten, aber der Kommandeur hoffte noch immer, daß diese Mahnungen den General Uhrich zur Übergabe bewegen würden. Allein

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