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wie Augenzeugen versichern, mißhandelt wurden. Der Brand und Dampf hinderten es, daß den Unglücklichen sofort Hilfe ward, aber die Wut der Soldaten war entflammt. Nicht nur um sich den Rücken frei zu machen, sondern auch um die Kameraden zu retten und zu rächen, stürzte jezt alles, was zurückkehrte, in die Gassen des Dorfes, an Schonung war nicht zu denken; die wütenden Bayern waren jest nicht minder erregt, als ihre Gegner, welche unausgesezt aus den Häusern schossen. Es blieb nichts übrig, als die Feinde, deren man unmöglich einzeln habhaft werden konnte, durch Vernichtung ihrer Schlupfwinkel unschädlich zu machen, und dazu war allein das Feuer ein geeignetes, schnellwirkendes Mittel. Mit dem Rufe: „Steckt das Nest in Brand!" begannen die Soldaten das Feuer zu nähren, aus dessen Flammen ohne Unterlaß Schüsse fielen. In einer halben Stunde glich Bazeilles einem lodernden Scheiterhaufen, aus dem Geheul, Kreischen, Schüsse und Gepolter schallten. Wer mit Waffen in der Hand gefunden ward, fiel den wütenden Bayern als Opfer; daß dabei auch hier und da Schuldlose büßten, wer will das verneinen? aber wer will deswegen die Truppen verdammen? In der Hiße eines so mörderischen Kampfes, den der Soldat gegen den versteckten Feind führen muß, kann von Beherrschung der Leidenschaft nicht die Rede sein, und am allerwenigsten sollten Franzosen über die Zerstörung von Bazeilles ein Fluch- und Wehgeschrei erheben, sie sollten an Sevilla, Saragossa und an die Höhle von Dahara denken.

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Als Bazeilles schon ein von Flammen durchleckter Schutthaufen war, schlug man sich noch in der Richtung gegen Balan heftig mit dem ehrlichen Feinde, den die Bayern, wie gemeldet, bis Sedan zurückwarfen.*) Von diesem Augenblicke an war der Ring um Sedan vollständig geschlossen. Von dem Standpunkte des Hauptquartiers Sr. Majestät des Königs sah man deutlich die Feinde nach einer Richtung zusammenströmen. Gleich Radien, die nach dem Mittelpunkte des Kreises ziehen, bewegten sich die flüchtenden Linien der von dem furchtbaren Geschüßfeucr ereilten Feinde. Es war ein entseßlich großartiger Anblick, diese wühlenden, ringenden, hier und da noch kämpfenden Massen zu sehen, auf welche von den Höhen ringsum die Feuerbliße der deutschen Artillerie geschleudert wurden, die fast symmetrisch in die Tiefe hinabfuhren.

Der General Wimpffen war unterdessen in die Stadt gelangt und empfing schon auf dem Wege dahin die ablehnende Antwort des Kaisers auf seinen Vorschlag. Wimpffen scheint jezt ebenfalls den Kopf verloren und fast mechanisch

*) Hier hielt sich besonders die Brigade Carteret tapfer. Wie es scheint, war aber bereits die Mutlosigkeit im Steigen, denn General Lebrun hatte die Thore von Sedan schon schließen lassen, um die Flüchtigen aufzuhalten.

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gehandelt zu haben, denn mit dem Rufe:,,Vive la France! en avant!" sammelte er etwa 2000 Mann um sich und stürzte mit ihnen auf die herandringenden Bayern, um wie er sagte durchzubrechen! Wohin? Wie? das bleibt zu erklären, denn er kam nur bis zum Eingange von Balan; vor sich sah er die Feinde in Massen, und es ist eine sehr gewagte Annahme, wenn er behauptet, es wäre noch in diesem Augenblicke ein Durchbruch möglich gewesen. Der Tumult, die Unordnung zwangen ihn zur Umkehr. Er befand sich wieder am Thore. Ein kaiserlicher Offizier stürzt auf ihn zu. Der Kaiser will Waffenstillstand, Wimpffen lehnt sich gegen den Befehl auf, aber es scheint, als habe man drinnen schon andre Beschlüsse gefaßt, denn das Feuer der Franzosen wird merklich schwächer. Offiziere, Generale, Civilpersonen haben dem Kaiser vorgestellt, daß seine Armee nicht mehr widerstandsfähig sei, - der Vorschlag Wimpffens, der ohnehin nur phantastisch erschien, war jezt nicht mehr ausführbar.

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Von dem Standpunkte bei Cheveuge aus beobachtete König Wilhelm diese Vorgänge, denen er seit Beginn des Treffens folgte. Überall sah man den fliehenden Feind. Mittels der Fernröhre konnte man deutlich die Flucht, die Verwirrung, die Ermattung der Feinde, das Entsehen der Bewohner in Sedan betrachten. Durch den Wald von Garennes stürzten Massen in wilder Flucht, und schon kamen lange Züge von Gefangenen, durch preußische Truppen eskortiert, heran. Schon jest waren nach Sedan hinein Aufforderungen zur Übergabe gelangt. König Wilhelm erwartete die Antwort, sie blieb aus. In Sedan hatten sich die Meinungen trotz der Gefahr noch geteilt. Da erhielten die Bayern und Württemberger Befehl, Sedan zu beschießen. Die Geschosse fielen auf die Stadt, eine Rauchsäule stieg empor die Flammen leckten, die Verwirrung ward ungeheurer noch als bisher - die Batterien ringsum nahmen ihr Feuer wieder auf, und die bayrischen Soldaten waren der Festung so nahe, daß sie die Palissaden mit den Händen herauszureißen anfingen.

In dem Strudel von Unheil war Wimpffen mit dem General Lebrun zusammengetroffen, der von Balan gegen Sedan geeilt war. Seine Truppen konnten nur noch als decimierte Haufen angesehen werden. Während beide Offiziere sich über die Lage eiligst berieten, erschallte das Krachen der eingeworfenen Granaten. Lebrun eilte hinweg. Es war nach 4 Uhr, und beim Kaiser fand eine stürmische Sigung statt. Als Wimpffen bis zum Plaze Turenne sich Bahn machte, kam ihm Lebrun in Begleitung eines Offiziers entgegen, der eine weiße (Parlamentär-) Flagge trug.

Sedans Schicksal und das der Armee war entschieden. Viele Offiziere waren in Wut geraten. Ein Major es soll der Graf Olonne gewesen sein riß

die Fahne aus den Händen des Trägers, aber der kaiserliche Befehl galt dennoch. Die Opponenten wurden im Tumulte zurückgedrängt.

Wenige Minuten später hallte ein gewaltiges Hurra, ein wildes, jauchzendes Freudengeschrei durch den Donner des Geschüßes. Es kam von den deutschen Armeen herüber, denn von den Wällen Sedans flatterte die weiße Fahne. Der mörderische Kampf sollte enden. Bei dem infolge der Beschießung doppelt starken Kanonendonner und dem über Sedan liegenden Rauche, wurde dieses an einem Flaggenstocke aufgehißte Zeichen nicht bemerkt. Als im Feuer der Angreifer keine Pause eintrat, stieg ein Offizier,*) welcher jene Fahne ein an einer Ulanenlanze befestigtes Tuch — hielt, mit einem Trompeter auf die Krenelierung der Mauer und schwenkte die Fahne. Das Feuer schwieg -man hatte das Zeichen bemerkt. Mit dem Jubelrufe, der die deutschen Linien entlang eilte, hoben sich Tausende von Helmen und Waffen, winkend und durch den Dampf grüßend, empor. Die Offiziere eilten die Reihe entlang: Sieg! Sieg! nach so furchtbarer Arbeit

selbst die Verwundeten riefen das große, glückbringende Wort nach, und von Donchery eilte der Kronprinz zu seinem Vater. Der König hatte den Major von Bronsart an die Festung entsendet, um die Einstellung des nuglosen Kampfes zu verlangen. Unterdessen war schon bei den Teten der bayrischen Armee ein Parlamentär erschienen, er verhandelte im Namen des Kaisers mit den bayrischen Generälen Bothmer und Maillinger. Der König, den man davon benachrichtigte, befahl, den Parlamentär vor ihn zu führen.

Indessen war aber der Major von Bronsart schon in die vom wildesten Getümmel erfüllte Festung und vor den Kaiser gelangt, dem er auf des Monarchen Frage, was verlangt werde? die Antwort erteilte: „Übergabe der Festung und Armee."

Der Kaiser senkte das Haupt. Er entgegnete dann: Da der General Wimpffen den Oberbefehl führe, so möge Bronsart sich an diesen wenden. Er, der Kaiser, habe bereits einen Offizier beordert, welcher dem König Wilhelm ein Handschreiben bringen solle. Der General Wimpffen erklärte sich dem Entschlusse des Kaisers durchaus entgegen. Für ihn war es ein harter, den Mann und Soldaten gleich empfindlich treffender Schlag; kaum seit dreißig Stunden mit dem Oberkommando betraut, sollte er nur erschienen sein, um eine der unerhörtesten Kapitulationen zu vollziehen! Er forderte brieflich seine Entlassung als Obergeneral vom Kaiser. Inzwischen war Bronsart wieder zum Könige gekommen und hatte die Mel

*) Es war General Lauriston, der die Fahne dem Offiziere abgenommen hatte. Die erste Fahne war nach Aussage des Generals Bentsmann, des Kommandanten, schon um 2 Uhr zu sehen.

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