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von heute morgen nichts weiter hinzuzufügen habe und keine Diskussionen über diese Angelegenheit mehr gestatte."

Der Prinz überbrachte Herrn Benedetti, welcher in der Nähe des im Vorzimmer befindlichen Schreibtisches stand, diese Antwort um 51⁄2 Uhr nachmittags. Benedetti wurde also mit diesen Worten vor die Thür der königlichen Wohnung gewiesen; eine Abfertigung, wie das herausfordernde Wesen sie vollkommen verdiente. Der chargé d'affaires hatte sich diese Scene selbst zuzuschreiben, die nach den erhaltenen Befehlen aus Paris jede weitere, friedliche Unterhandlung über die Sache abschneiden mußte, wenn man im Kabinett von Paris noch auf eine solche gerechnet hätte. Aber jenen Ränkeschmieden in den prahlerisch gestickten Uniformen kam es ganz erwünscht, und Benedetti hatte den traurigen Auftrag gewissenhaft erfüllt, ohne sein Gewissen zu befragen. Es war in der That so, als hätten die französischen Machthaber in der Kriegsfrage von 1870 genau nach der frivolen Auffassung Richelieus gehandelt, der das Wort aussprach: „Große Staatsmänner müssen große Spitzbuben sein." Herr von Benedetti verlor höchstens noch einige Minuten, um verschiedene leere Worte zu machen. Er wußte recht gut, daß es sich von vornherein nur um Förmlichkeiten handeln konnte, und daß der König, dessen Milde ihre Grenze hatte, ihm nicht weitere Konzessionen machen werde. Er kehrte nach dem kurzen Besuche in seine Wohnung zurück.

Die Nachrichten über diese Ereignisse, welche schon am Morgen auf der Promenade begonnen und von vielen eifrig ventiliert worden waren, mußten schnell genug den Weg ins Publikum finden. Der Prinz Radziwill hatte dem Dränger noch die Versicherung mit auf die Heimkehr gegeben, daß man nicht mit Bestimmt= heit der Ankunft des Grafen Bismarck für den nächsten Tag entgegensehen könne, und Benedetti, um eine Art von Schluß herbeizuführen, erklärte sich vorläufig für befriedigt durch die Antwort Seiner Majestät.

Da aber ein Vorzimmer nun einmal nicht hermetisch abzusperren ist, so kamen die Berichte, wenn auch lückenhaft, in die Welt der allgemeinen Unterhaltung, und es blieb Herrn Benedetti nur die Blamage, aus dem Vorzimmer hinausgewiesen zu sein. Man frohlockte darüber, — ein Streich war gegen die geharnischte Brutalität geführt worden, der gerade so tief verlegen mußte, als eine verlorne Schlacht, und die Maske, welche die Pariser Herren noch immer vorlegten, mußte jezt fallen.

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Der Freiherr von Werther war bereits von Ems wieder nach Paris zurückgekehrt. Er traf am 12. Juli dort ein. An demselben Tage erschien, von Saint Cloud kommend, der Kaiser Napoleon in seiner Hauptstadt. Man hatte ihm die Nachricht von Werthers Ankunft, der die Antwort König Wilhelms überbringen würde, angezeigt, und mit sichtlicher Unruhe verließ Napoleon Saint Cloud,

um den Bescheid entgegen zu nehmen. Er vermied jedoch wohlweislich, mit dem preußischen Botschafter zusammen zu treffen getreu seiner Rolle, welche ihm die Stellung eines hinter den Coulissen agierenden Darstellers in dieser Tragödie anwies. Herr von Werther war in Begleitung eines französischen Kuriers des Grafen Benedetti, des Baron Bourquency, um 10 Uhr vormittags in Paris eingetroffen. Gramont ließ in höflichster Weise durch seinen Kabinetts-Chef, den Grafen Faverney, anfragen: ob der Freiherr zu einer Unterredung geneigt und bereit sei? Werther erklärte sogleich diese Unterredung beginnen zu wollen. Bevor wir über den Inhalt derselben berichten, wollen wir einige Blicke auf die außerhalb des Beratungszimmers sich abwickelnden Ereignisse werfen.

Der Graf Bismarck, dessen Ankunft in Berlin, wie wir wissen. am 12. Juli abends erwartet wurde, war um diese Zeit dort eingetroffen. Er erhielt bei seinem Eintreffen die Nachricht von der Verzichtleistung des Prinzen von Hohenzollern. Damit schien also jedem gefahrdrohenden Ereignisse die Spize abgebrochen, und der Graf hielt es nicht für geboten, die Reise nach Ems zum Könige fortzusehen. Seine Anwesenheit in Berlin shien, obgleich man die äußerste Gefahr für beseitigt hielt, dennoch notwendig. Statt seiner reiste Graf Eulenburg zum Könige nach Ems. Graf Bismarck hatte sofort eine Konferenz mit dem Kriegsminister und wollte am nächsten Mittwoch nach Ems abreisen.

In Paris wuchs unterdessen die Aufregung fast stündlich. Des Kaisers plözliche Ankunft in der Metropole hatte des Volkes Unruhe noch mehr gesteigert. Man war daran gewöhnt, ihn bei entscheidenden Momenten auf dem Play zu sehen, woselbst dann sein Erscheinen immer den Ausschlag zu geben pflegte, während bis dahin alles in einer selbst für seine Umgebung oft peinlichen Ruhe verharrte. Als er um 9 Uhr durch das große Portal der Tuilerien fuhr, rollte sein Wagen schon durch große Menschenmassen, deren Bewegung einen sehr erregten Charakter angenommen hatte. Näherstehende versicherten, daß der Kaiser absonderlich ernst, fast gedrückt gewesen sei. Die Minister hatten sich bereits vor seiner Ankunft im salle des conseils versammelt. Auch das konnte nicht ohne Aufsehen geschehen, es lag vielmehr in der Absicht der Lenker dieses großen Schauspiels, daß dem Volke von Paris die Vorgänge kein absolutes Geheimnis blieben, aber die Ungewißheit, die durch einen Schleier verhüllten und kaum erkennbaren Gefahren trugen wesentlich dazu bei, eine fieberhafte Unruhe in der Bevölkerung zu erhalten. Es verbreiteten sich Nachrichten von schlimmen, durch Werther überbrachten Entscheidungen. Die Blätter wimmelten an diesem Tage mehr denn je von Nachrichten über die kriegerischen Vorbereitungen, welche Frankreich treffe.

Unterdessen hatte Freiherr von Werther seinen Besuch bei Gramont abgestattet.

Der Herzog empfing ihn mit größter Freundlichkeit und hatte kaum die Unterhaltung begonnen, als diese durch die Ankunft des spanischen Botschafters unterbrochen wurde. Olozaga überbrachte dem Herzog von Gramont die offizielle Nachricht von der Verzichtleistung des Prinzen von Hohenzollern auf den spanischen Thron. Es erschien dem Freiherrn schon seltsam, daß der Herzog nicht sofort diese Nachricht zum Hauptgegenstande seiner Unterhaltung machte, sondern vielmehr nach längerer Einleitung auf die vom Könige gegebene Autorisation für die Kandidatur zurückkam, durch welche Frankreich verlegt worden sein sollte. Werther erklärte, daß der König sich dessen durchaus nicht bewußt sei, um so weniger, als Seine Majestät bei den verwandtschaftlichen Beziehungen des Prinzen zum Kaiser Napoleon an eine üble Aufnahme seiner Kandidatur in Frankreich nicht habe glauben können.

Nachdem Gramont auf die Kandidaturen des Herzogs von Nemours für Belgien und die des Prinzen Alfred für den griechischen Thron als auf Fälle hingewiesen hatte, in denen eine Autorisierung versagt worden sei, hierin aber von Werther widerlegt worden war, spielte er auf die Verlegung Frankreichs durch das Geheimnis an, welches in der ganzen Angelegenheit vorgewaltet habe, während der kaiserliche Hof stets offen Preußen gegenüber verfahren sei (!) „Leider“, fügte Gramont hinzu, „sei die Frage durch die Kammer, welche den Ausdruck der Stimmung des ganzen Landes wiedergebe, sehr erschwert worden." Werther machte noch cinige Bemerkungen dagegen, wurde aber höchlichst betroffen und überrascht, als plößlich der Herzog von Gramont die wie ein Schwert in die Verhandlung einschneidenden Worte herausstieß: „Übrigens sehe ich die Entsagung des Prinzen von Hohenzollern auf den spanischen Thron als Nebensache an." Werther konnte nicht umhin, seinem Erstaunen Worte zu leihen.

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„Wir würden," fuhr Gramont fort, diese Thronbesteigung doch niemals zugelassen haben, allein ich besorge eine bleibende Mißstimmung zwischen den beiden Völkern; vertilgen wir den Keim dazu. Ich wünsche, wie Sie, keinen Krieg, und es gilt ein Mittel zu ersinnen, das eine beruhigende Wirkung auszuüben im stande ist. Indem ich an das ritterliche Herz Seiner Majestät des Königs appelliere, denke ich mir daß ein Brief des Königs an den Kaiser der beste und einfachste Weg sein dürfte." Gramont fuhr fort den Inhalt des Briefes zu bestimmen, der etwa sagen sollte: Wie der König bei Erteilung der Erlaubnis zur Annahme der spanischen Krone seitens des Prinzen durchaus nicht die Interessen Frankreichs noch dessen Würde zu schädigen geglaubt habe, wie er sich der Entsagung des Prinzen mit dem Wunsche anschließe, daß hinfort jeder Schatten zwischen den beiden Regierungen entschwunden sein möge." „Diese oder ähnliche Worte," fuhr Gramont fort, „würden

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Hill, Franzöf. Krieg.

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publiziert eine gute Wirkung erzeugen.“ Das Sonderbarste aber in den Aus lassungen des Herrn von Gramont war der Schlußsaß seiner Rede, in welchem er äußerte: in dem Schreiben dürfe durchaus nicht von den verwandtschaftlichen Beziehungen des Prinzen zum Kaiser die Rede sein, denn," fügte Gramont hinzu, „ein solches Argument verleht hier eigentümlicher Weise."

Werther antwortete, daß ein solcher Schritt dem König durch Gramonts Auftreten in der Kammer bedeutend erschwert worden sei, da die Erklärung offenbare Herausforderungen und Beleidigungen enthalte. Werther ist infolge seiner Antwort abberufen und längere Zeit nicht wieder verwandt worden. Gramont stritt dagegen und deutete an, daß dergleichen Reden nur zur Beruhigung der erregten Kammer gefallen seien. (!) Jeht öffnete sich die Thür, und es erschien Herr Ollivier, den Gramont sofort von dem Inhalt der Unterredung in Kenntnis sezte. Ollivier sprach sehr viel von Frieden und bat Werther, bei dem Könige den Brief warm zu befürworten. Sie bemerkten beide, daß, wenn Werther nicht diesen Auftrag übernehmen wolle, man sich genötigt sche, Herrn von Benedetti mit der Anregung dieser Frage

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Gramont.

zu beauftragen. Sehr naiv war die Äußerung der beiden Minister, daß sie eines solchen Ausgleiches zur Beschwichtigung der aufgeregten Stimmung für ihre ministerielle Stellung bedürften, sie würden, im Besize eines solchen Briefes, bei etwaigen Angriffen gegen den König als dessen Verteidiger auftreten, und schlossen endlich mit der Versicherung, daß die ganze Angelegenheit weit mehr die Nation in Aufregung versezt, als den Kaiser selbst beschäftigt habe.

Nachdem Werther noch entschieden erklärt hatte, daß der Verzicht des Prinzen lediglich dessen eigner, durch die Verhältnisse bestimmter Wille, nicht aber durch Einwirkung Seiner Majestät auf den Prinzen hervorgebracht sei, schloß die Unterhaltung. Nach dieser Scene gingen die vorerwähnten Depeschen an Benedetti ab.

Während der diplomatischen Verhandlung in dem Hotel des Herzogs von Gramont hatte sich die Kammer versammelt und war bereits in die Debatte über Budgetberatung eingetreten, als Ollivier, von der Unterredung mit Werther kommend, in den Saal trat. Es war gerade eine Pause, und der Minister benüßte die Gelegenheit, verschiedenen Abgeordneten die Mitteilung von der Verzichtleistung des Prinzen auf die spanische Krone zu machen, indem er Herrn von Olozagas Besuch bei Gramont erzählte. Diese Nachrichten liefen mit Blißesschnelle durch die Reihen der Abgeordneten, und es entstand sofort eine große Bewegung unter denselben, welche endlich ihren Ausdruck in einer Interpellation des Herrn Picard fand, der auf die Tribüne stieg, um den Minister zu fragen, wie es sich mit den soeben vernommenen Gerüchten verhalte? Ollivier hatte kurz vorher die Äußerung fallen lassen, der Konflikt sei nunmehr beendet. Auf Picards Frage antwortete der Minister ausweichend. Er konnte es auch füglich sehr gut, da der Herzog von Gramont nicht anwesend war, eine Vorsicht, welche beide Herren wahrscheinlich mit einander erwogen hatten, che Ollivier sich in die Kammer begab. Dieser konnte daher leicht der Beantwortung dadurch aus dem Wege gehen, daß er auf die Abwesenheit Gramonts hinwies. Als eine zweite dringendere Frage: „Was eigentlich Herr von Werther gemeldet?" an ihn herantrat, drehte der Minister sich in engem Kreise um die Phrase, der eigentliche Zwiespalt sei nur die Thronkandidatur des Prinzen gewesen. Dieses Ausweichen war insofern ein geschicktes Manöver, als die Regierung in öffentlicher Verhandlung sich noch immer den Schein einer Mäßigung bewahrte, während sie im stillen nicht nur das Feuer schürte, sondern durch die Ungewißheit, in der sie alle Parteien ließ, die ängstliche und erregte Stimmung noch weiter hinaufschraubte.

Der künstlichen Aufregung, welche die Minister und der Kaiser durch sie unterhielten, gab eine Interpellation Clement Duvernois' Ausdruck, der die Regierung befragte, welche Garanticen man französischerseits zu fordern gedenke, um in Zukunft ähnlichen Verwickelungen mit Preußen überhoben zu sein? Damit hatte die Regierung einen trefflichen Anknüpfungspunkt zur Fortsehung des Streites gewonnen, der durch die Verzichtleistung des Prinzen faktisch beendet war. Das kaiserliche Kabinett, welches durch seinen Freund Duvernois diese Interpellation besorgt hatte, stellte sich nunmehr als gezwungen zum Weitergehen dar. Das Eintreffen dieser Nachrichten in Berlin bewirkte jezt zum erstenmale ein

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