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Preußen bearbeitete. Die Débats", "Temps" und "Siècle" machten gegen die Kriegsschreier Front; aber bereits hatte das Feuer mächtig um sich gegriffen. Die Liberté" bestand darauf, man solle ohne viel Federlesens den Rhein wegnehmen," Preußen für die Maßregelung Dänemarks bestrafen." Ein andres Blatt wies auf Allianz mit Dänemark hin und erzählte, daß Gramonts Erklärung eine Illumination der dänischen Flotte und eine Demonstration der Truppen im Lager von Viborg zur Folge gehabt hätte. In Deutschland glaubte man nur ein von Frankreich oft genug herüberschallendes Geschrei zu vernehmen; eine Depesche vom 9. Juli aber meldete bereits, daß die Transportschiffe in Toulon Ordre zum Flottmachen erhalten hätten. Die Zeitungen enthielten Berichte von der großen Rührigkeit im französischen Kriegsministerium, und es war bekannt, daß die Urlauber von 1869 einberufen wurden. In den Kammern erhißte man sich täglich mehr. Herr von Brenier gratulierte bereits zu ihren Entschlüssen, und in Paris wartete alle Welt mit Ungeduld auf die kommenden Ereignisse, die schon dicht vor der Thür standen. Die preußische Regierungspresse trug durch ihre besonnene Haltung wohl hauptsächlich zur Beruhigung bei. Sie erließ noch (in der Norddeutschen Allgemeinen Zeitung) am 6. Juli einen sehr ruhig gefaßten Artikel, dessen Inhalt in dem Sage kulminierte: „Das spanische Volk allein hat zu entscheiden niemand anders. Das deutsche Volk hat lediglich die Aufgabe, sich weise, d. h. neutral zu verhalten. Wenn andre Völker dabei eingreifen wollen, mögen sie es thun. Wir bleiben so fern als möglich davon." Nur wenige Blätter sahen zu jener Zeit weiter, die meisten hielten die Gefahr mindestens für sehr fern, und das Publikum glaubte am allerwenigsten an eine solche. Geschrei von Paris war nichts Neues, die Regierungspresse war ruhig in ihren Mitteilungen, und die vier wichtigsten Faktoren, König Wilhelm, Bismarck, Roon und Moltke befanden sich, der geliebte Monarch im Bade zu Ems, die andern Herren auf ihren Gütern.

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Drittes Kapitel.

Werther und Benedetti in Ems. Erste Unterredung mit König Wilhelm. Kurze Antwort des Königs. Zweite Audienz Benedettis am 11. Juli. Vorgänge in Paris an diesem Tage. Vorgänge in Berlin. Graf Bismarck soll, vom Könige berufen, am 12. in Berlin eintreffen, um

nach Ems zu reisen. Eintreffen der Nachricht, daß der Prinz von Hohenzollern auf die Thronkandidatur verzichte. Dritte Audienz Benedettis am 13. Juli. Brusquez le roi! Benedetti verlangt eine neue Audienz. Scene im Hotel Seiner Majestät. Napoleon kommt von St. Cloud nach Paris. Graf Bismarck in Berlin. Er reist, infolge des Eintreffens der Nachricht von der Verzichtleistung des Prinzen, nicht weiter. Vorgänge in Paris am 12. Juli. Interpellation Duvernois'. Bericht Werthers an den König. Stimmung in Paris. Stimmung in Berlin beim Eintreffen der Nachricht aus Ems. Paris am 14. und 15. Juli. Die Kriegserklärung.

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nterdessen aber hatten sich die Ereignisse bereits voll= zogen. Sie bildeten in ihren einzelnen Teilen starke Knoten, welche nur zerhauen, nicht aber entwirrt werden fonnten. Das französische Kabinett hatte dem Grafen Benedetti nach Wildbad den Befehl geschickt, sich unverzüglich nach Ems zu begeben und dort die Verhandlungen mit König Wilhelm zu beginnen. Vor ihm war Freiherr von Werther am 6. Juli in Ems angelangt. Zu derselben Stunde, in welcher der Freiherr seinem Könige die ersten Mitteilungen über die mit Gramont gehabte Abschiedsunterredung machte, traf in Ems die telegraphisch übermittelte Rede ein, welche Gramont am 6. Juli vormittags im gesetzgebenden Körper gehalten hatte. Es war nach solchen Ereignissen nicht möglich, dem Her

zoge noch weitere Mitteilungen über die Unterredung zugehen zu lassen. Der Freiherr sendete seinem Stellvertreter nur nochmals die Versicherung zur Übermittelung an Gramont, daß das preußische Kabinett mit der spanischen Thronfolge nicht das geringste zu schaffen habe, vielmehr diese Sache ganz und allein dem spanischen Volke überlasse.

Am 8. Juli langte Herr von Benedetti in Ems an. Er war kaum mit den notwendigsten Verfügungen in Bezug auf seine Wohnung und sein Gefolge fertig, als er auch bereits um Audienz bei Seiner Majestät nachsuchte. Es ist sicherlich keine gewagte Vorausseßung, wenn man annimmt, Herr von Benedetti habe auf die Mäßigung und Friedensliebe des Königs seinen Plan gebaut. Der König, der in seinem redlichen Sinn und seinen wohlwollenden Ansichten troß des Lärmens von Paris her noch nicht an die Verwirklichung der französischen Kriegspläne bei diesem Anlasse glauben mochte, hatte durchaus keine Veranlassung genommen, einen seiner Räte nach Ems zu berufen. Er befand sich mit seinem Hofstaate in dem von Fremden aus allen Weltteilen besuchten, dem Vergnügen gerade so sehr als der Kur geöffneten Orte. Leutselig und voll Behagen die Etikette abstreifend, war der König täglich zur bestimmten Stunde wie jeder andre Badegast auf der Promenade zu sehen. Es ließ sich daher eine Begegnung mit dem Monarchen nicht nur leicht bewerkstelligen, sondern die Promenade war für Geschäfte, wie sie Herr von Benedetti abzuwickeln hatte, ein sehr geeigneter Ort: er konnte den König recht ungezwungen sprechen, konnte ohne Zeugen diese Unterredung fortseßen und hoffte endlich, wenn er mit der ihm zu Gebote stehenden Dreistigkeit, welche er in verschiedenen Lagen seines Lebens schon gezeigt hatte, auftreten werde, so könne er vielleicht von dem Monarchen Preußens irgend ein Zugeständnis erlangen, welches der König mit Hinweis auf die noch mögliche Vermeidung einer blutigen Entscheidung in seiner allbekannten Liebenswürdigkeit den kecken Dränger geben mochte.

Benedetti erschien am 9. Juli vor dem Könige und ward, wie immer, sehr gnädig empfangen und zur Tafel gezogen. Auf der nun folgenden Promenade begann Herr von Benedetti dem Könige die Eröffnung über die spanische Thronkandidatur zu machen. Von demselben Gesichtspunkte wie der Herzog von Gramont ausgehend, erlaubte er sich, Seiner Majestät die Bitte vorzulegen, der König möge dem Erbprinzen von Hohenzollern den Befehl erteilen, die Anträge, welche ihm für Übernahme der spanischen Krone gemacht seien, zurückzuweisen und dem Prinzen die Gefährlichkeit einer solchen Annahme vor Augen zu rücken.

Der König hielt sich mit wunderbarer Mäßigung in den Formen einer rein gesellschaftlichen Unterhaltung. Er schien der Sache durchaus keinen politischen Charakter geben zu wollen, sondern entgegnete: er sei in der ganzen Angelegenheit

nur als Oberhaupt der Familie, keineswegs als König befragt worden. Da er nun kein Recht habe, dem Prinzen Befehle zu erteilen, welche eine Annahme der Krone herbeizuführen imstande seien, könne er auch keinen Befehl zur Abweisung jener Anträge geben. Herr von Benedetti verabschiedete sich.

Am 9. und 10. Juli arbeitete der Telegraph nach und von Paris sehr stark. Benedetti erbat und erhielt neue Verhaltungsregeln. Ein Tag eine Nacht verstrichen. Die von Benedetti erbetenen Verhaltungsbefehle scheinen in der Nacht vom 10. zum 11. Juli in Ems eingetroffen zu sein. Wenigstens begann der französische Botschafter am 11. vormittags seine Bemühungen dem Könige gegenüber aufs neue. In der nun stattfindenden Unterredung versuchte Benedetti Seiner Majestät wiederum dringliche Vorstellungen bezüglich eines Verbotes oder doch einer ernsten Mahnung an den Prinzen von Hohenzollern zu machen, daß dieser ein für allemal jeder Absicht auf die spanische Krone entsage. Der König hielt seinen gerechten Unwillen noch innerhalb der Schranken, welche Langmut und vielleicht Artigkeit ihm sezten. Er ging in höchst weiser Mäßigung nicht über die schon erwähnten Grenzen einer gesellschaftlichen Unterhaltung hinaus, wiederholte in andrer Form das bereits Gesagte und betonte nur nochmals scharf, daß der Prinz vollkommen frei und Herr seines Handelns sei, fügte auch hinzu, daß er selbst den Aufenthalt des Prinzen, der eine Gebirgsreise habe antreten wollen, nicht kenne.

Für anspruchslosere Agenten, als es Herr von Benedetti war, hätte diese leztere Äußerung des Königs einen neuen Beweis bringen müssen, wie fern der König den ganzen Verhandlungen über die spanische Angelegenheit stand, denn von dem Aufenthaltsort der bei der Sachlage am meisten beteiligten Persönlichkeit hatte der Monarch keine Kenntnis. Aber für Herrn Bencdetti genügte das nicht, und da er viel zu gewandt und verschlagen war, um die Neutralität des Königs nicht auf den ersten Blick zu erkennen, so dokumentierte sich seine Abhängigkeit von den Gewalthabern in Paris um so deutlicher, gab er sich selbst das Zeugnis, ein trauriges Werkzeug der verderblichen Planmacher zu sein. Indessen begnügte er

sich wieder für eine kurze Zeit mit dem erhaltenen Bescheide.

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Während er in Ems seine kleinlichen Plänkeleien fortsette, nahmen die Dinge in Paris immer mehr Form und Gestalt an. Man hatte am 11. Juli im geseßgebenden Körper den Herzog von Gramont über die Sachlage interpelliert, Gramont hielt es für geraten, augenblicklich noch ein wenig abzuwiegeln". Die patriotische Ungeduld des Landes und der Kammermitglieder war ihm, seiner Aussprache nach, sehr erklärlich, aber er sehe sich außer stande, schon jezt entschiedene Erklärungen zu geben; auch die Regierung sei ohne Nachrichten, welche sie zu einer Beschlußfassung bestimmen könnten, er erwarte jedoch solche Mitteilungen stündlich. Er bitte die

Kammer, sich heute noch in patriotischer und taktvoller Weise mit diesen Erflärungen zu begnügen, da es außerdem scheine, als ob sämtliche Kabinette die Beschwerden Frankreichs für gerechtfertigt hielten. Hierauf stellte Arago die Frage: ob es allein nur sich um die Hohenzollernsche Thronkandidatur handle, oder ob das Kabinett noch andre, jenem Fall ferner stehende Fragen in die Verhandlungen gezogen habe. „Ist letteres geschehen," sagte Arago, „dann müssen wir, meine Fraktion und ich, die Partei, der wir angehören, ein solches Hineinziehen der Fragen für einen Vorwand erklären, um den Krieg herbeizuführen." Gramont wurde einer Beantwortung durch Protestationen der Majorität überhoben. Im Publikum aber ward durch die Presse, durch Agenten und jene schon oben erwähnten Nachrichten aus Toulon, sowie durch die Kunde von einer Ordre an die Eisenbahnverwaltung, zum Truppentransport alles bereit zu halten, der Kriegseifer fortwährend gesteigert.

Im Gegensatz zu diesem Lärmen erschien die Stimmung in Berlin als eine abwartende, fast ganz ruhige. Man konnte sich noch immer nicht mit dem Gedanken vertraut machen, daß eine große, von niemand behelligte Nation sich um der spanischen Thronfandidatur willen, die lediglich Sache der Spanier blieb, in einen blutigen, von unabsehbaren Folgen begleiteten Krieg stürzen werde. In den maßgebenden Kreisen begann man jedoch die Dinge, welche in Paris ihren Lauf nahmen, schärfer ins Auge zu fassen. Am 11. Juli fand die Sigung der anwesenden Minister unter dem Präsidium des Kriegsministers Herrn von Roon statt, der von seinem Gute deshalb nach Berlin gekommen war. Für den noch abwesenden Grafen Bismarck fungierte Staatssekretär von Thile. Man warf in diesem Rate die Frage auf: ob Preußen, den kriegerischen Vorbereitungen Frankreichs gegenüber, militärische Maßregeln außergewöhnlicher Art zu treffen habe? Die Frage wurde verneint und zwar im ruhigen Hinblick auf den großartigen und jeder schnellen Bewegung fähigen, genügend erprobten Organismus der preußischen Armee. Diese Entscheidung drang bald in das Publikum und beruhigte auch diejenigen, welche bereits den Donner der Kanonen am Rhein zu hören meinten. Die Ruhe wurde noch dadurch größer, daß man erfuhr, Graf Bismarck sei vom Könige nach Ems berufen worden und werde am nächsten Abende (12. Juli) in Berlin eintreffen. Eine Sache, welche der König und Bismarck in die Hand nahmen, mußte gut verlaufen. Glänzend hat sich die Voraussetzung bewährt und wenn es nicht gelang, den Verlauf in friedlicher Weise zu bewerkstelligen, so fällt die Verantwortung für all das edle, vergossene Blut auf diejenigen, welche in beispielloser Verblendung jede Möglichkeit eines Ausgleiches schon vor Beginn der Unterhandlungen ausgeschlossen wissen wollten.

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