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ansehnlich verstärkt. In Sebastopol waren 50,000 Mann neue russische Truppen eingerückt; die Belagerungsarmee der Alliirten bestand aus 100,000 Mann Franzosen, 32,000 Engländern, 15,000 Sardiniern und 28,000 Türken, und es folgten noch weitere Verstärkungen nach; Ende Mai zählte die Gesammtarmee der Alliirten 210,000 m. Am 9. April 1855 eröffneten die Alliirten das Bombardement auf die Festung aus 550 schweren Geschüßen. Das Obercommando über die Franzosen hatte der General Canrobert, weil er sich mit dem englischen Commandanten Raglan nicht gut vertrug, am 16. Mai an General Pelissier abgetreten. Raglan selbst starb am 28. Juni an der Cholera; an seiner Statt erhielt General Simpson das Commando über die Engländer. Die Russen vertheidigten sich hartnäckig und mit Geschick; besondere Verdienste um die Vertheidigung der Festung erwarb sich ein Ingenieuroffizier Namens Tottleben, der in diesem Feldzug deßhalb bis zum General avancirte. Am 7. Juni 1855 er: stürmten die Alliirten ein Vorwerk von Sebastopol, die sogenannte grüne Erhöhung (Mamelon vert); am 18. Juni, dem Jahrestag der Schlacht bei Waterloo, unternahmen die Franzosen einen Sturm auf den Ma lakoffthurm, die Engländer auf den großen Redan (d. i. Säge= werk, nämlich Befestigung mit ein- und ausgehenden Winkeln), wurden aber mit großem Verlust zurückgeschlagen. Am 16. August 1855 überfielen die Russen unter Commando des Obergenerals Gortschakoff die Franzosen am frühen Morgen in den sogenannten Tschernaja = Linien, in der Voraussehung, dieselben lägen, da sie am 15. August den Napoleonstag gefeiert hatten, noch großentheils im Schlafe. Sie drangen auch wirklich in die Linien ein; aber ein französisches Corps unter General Faucheur kam ihnen in den Rücken, und da sie übersehen hatten, eine Brücke zu besetzen, über welche der Rückzug gehen sollte, so erlitten sie eine. große Niederlage. Darauf ordnete der französische Obergeneral Pelissier am 17. Aug. 1855 das Bombardement auf Festung und Stadt aus allen 800 Geschüßen an. wurde Tag für Tag bis zum 8. September 1855 ununterbrochen fortgesezt. Die Russen besserten anfangs in der Nacht den Schaden immer wieder aus, den die Geschosse am Tage an den Festungswerken angerichtet hatten; aber für die Dauer wurde ihnen dies unmöglich. Die 800 Geschüße verbreiteten einen solchen Hagel von Kugeln über die Belagerten, daß von mancher russischen Batterie die Bemannung täglich dreimal weggerafft wurde; am ersten Tage der Beschießung (17. Aug.) fielen auf den Wällen und in der Stadt 1500 Russen, in den folgenden Tagen 600 bis 1000 täglich; der Verlust der Franzosen und Engländer dagegen war beiläufig nur 300 Mann auf den Tag. 3. September 1855 hielten die Alliirten Kriegsrath, um über einen

Dasselbe

allgemeinen Sturm auf die Festung Beschluß zu fassen. General Bo8 quet erhielt den Auftrag, den Plan dazu zu entwerfen; seine Vorschläge wurden am 7. September in einer neuen Sizung für gut be funden und sofort die Vorbereitungen angeordnet, um am anderen Tage den Sturm auszuführen.

Am 8. September 1855 begannen die Alliirten die Kanonade am frühen Morgen wie gewöhnlich; Mittags 12 Uhr stellten sie ihr Feuer plößlich ein, und die französischen und englischen Sturmkolonnen eilten gegen die Wälle der Festung. Der Sturm wurde an verschie denen Seiten unternommen, um die Russen über die Hauptpunkte des Angriffes im Ungewissen zu lassen; diese waren der Malakoffthurm, der kleine Red an und die Centralbastion, deren Erstürmung den Franzosen zugewiesen war, und der große Redan, welchen die Engländer nehmen sollten. Die französische Abtheilung, welche das Hauptbollwerk, den Malakoffthurm erstürmen sollte, stand unter dem Befehl der Generale Bosquet und Mac Mahon. Sie erstieg ohne besonderen Verlust die Vorwerke, am Malakoffthurm aber und in dessen Gängen leisteten die Russen einen verzweifelten Widerstand; der Thurm konnte erst nach einem fünfstündigen blutigen Kampfe genommen werden, in welchem vier russische Generale blieben und Bosquet verwundet wurde. Nicht minder tapfer vertheidigten die Russen den kleinen Redan und die Centralbastion; die Stürme der Franzosen auf diese Werke wurden mehrere Male abgeschlagen, wobei fünf französische Generale den Tod fanden, doch unterlagen auch hier die Russen; beide Werke wurden genommen. Die Eroberung dieser drei Befestigungswerke kostete den Franzosen 7300 Mann an Todten und Verwundeten. Die EngLänder konnten die ihnen gesteckte Aufgabe, den großen Redan zu nehmen, nicht ausführen. Als sie die Brustwehr mit Sturmleitern erstiegen hatten, richtete plöhlich eine verdeckte russische Batterie ein fürchterliches Feuer gegen sie; so daß sie sich nach zweistündigem Kampfe mit einem Verlust von 2400 Mann zurückziehen mußten. Mit der Eroberung des Malakoffthurms war jedoch auch nach der Ansicht der Russen die Eroberung der Festung und Stadt entschieden. Sie hatten bei dem Kampfe den Nachmittag über 13,000 Mann verloren. Nachts sprengten sie selbst den großen Redan und andere Werke, die sämmtlich unterminirt waren, in die Luft, und versenkten die noch übrigen Kriegsschiffe im Hafen bis auf ein einziges Dampfschiff. So war also die russische Flotte des Schwarzen Meeres, die vor dem Ausbruch des Krieges 108 Schiffe mit 2200 Kanonen zählte (17 Linienschiffe, 9 Fre= gatten und Corvetten, 12 Dampfschiffe und 62 andere Fahrzeuge) bis auf ein einziges Dampfschiff vernichtet. Gortschakoff zog mit der russischen Besatung am 9. September aus Sebastopol ab und wandte

sich gegen das benachbarte Gebirge, wo ihn die Alliirten, die nach dem Inneren Rußlands keine Eroberungen suchten, nicht weiter beunruhigten. Am 11. September wurde Sebastopol von den Alliirten besetzt. Sie waren fast ein Jahr, seit dem 10. Oktober 1854, vor der Stadt geLegen, bis sie dieselbe in ihre Gewalt bekommen konnten. Die Russen hatten große Vorräthe und 4000 Kanonen zurückgelassen.

Vergeblich hofften die europäischen Großmächte, daß Rußland nach dem Fall von Sebastopol sofort Friedensanträge stellen werde. Man war der Ansicht, daß die Zurückhaltung Desterreichs das russische Kabinet in seinem Widerstand bestärke, und daher bemüht, diese Macht wieder zur Theilnahme an den Verhandlungen zu veranlassen. Allerdings hatte Rußland eine kriegerische Action des angrenzenden Desterreichs weit mehr zu fürchten, als den Angriff von England und Frankreich, die ihre Truppen nur mit schweren Kosten auf russischen Boden bringen konnten. Das österreichische Kabinet selbst konnte sich der Ueberzeugung nicht verschließen, daß ein ernstes Auftreten von seiner Seite Rußland zum Frieden zwingen würde; dasselbe richtete daher am 14. Dezember 1855 ein Ultimatum nach Petersburg, welches folgende Vermittlungsvorschläge enthielt, deren Ablehnung Desterreich als Kriegserklärung aufnehmen würde: 1) Das Schwarze Meer wird den Kriegsschiffen aller Nationen geschlossen; 2) Rußland verzichtet auf sein Protectorat über die Donaufürstenthümer; 3) Rußland tritt den Theil von Bessarabien, wo die Donauarme münden, an die Türkei ab; 4) das Protectorat über die Christen in der Türkei wird von den Großmächten gemeinschaftlich geübt. Hierauf erklärte sich das russische Kabinet am 22. Dez. 1855, noch ehe der österreichische Gesandte Esterhazy (am 26. Dez.) mit dem Ultimatum in Petersburg eingetroffen war, zur Wiederaufnahme der Friedensconferenzen bereit, brachte aber den strittigen ersten Punkt in derselben Auffassung in Vorschlag, welche Desterreich bei den Conferenzen befürwortet, die Westmächte je doch abgelehnt hatten, nämlich, daß die Bestimmung der Zahl der Kriegsschiffe, welche Rußland und die Türkei auf dem Schwarzen Meere halten dürften, der Uebereinkunft dieser beiden Mächte überlassen werde, den Kriegsschiffen aller übrigen Nationen aber das Schwarze Meer verschlossen bleibe. Desterreich, im Einverständniß mit den Westmächten, in deren Interesse der sächsische Gesandte in Paris, Baron See= bach, Schwager des russischen Kanzlers Nesselrode, nach Petersburg gereist war, um dort für den Frieden zu wirken, ging jedoch auf diesen Vorschlag nicht mehr ein, sondern verlangte unbedingte Zustimmung zu seinem Ultimatum. Napoleon seinerseits berief einen Kriegsrath, aus französischen, englischen und sardinischen Generalen bestehend, nach Paris und kündigte die ernstlichste Fortseßung des Krieges an. Diese

Versammlung hatte am 10. Januar 1856 bereits ihre erste Sizung gehalten, als der russische Kanzler Nesselrode endlich am 16. Jan. 1856 ein Protokoll unterzeichnete, wodurch sich das russische Kabinet bereit erklärte, das österreichische Ultimatum als Friedensbasis anzunehmen.

Am 25. Februar 1856 wurden hierauf zu Paris die Friebensconferenzen eröffnet*). Bevollmächtigte waren für Frankreich der Minister des Aeußeren Graf Walewski und der französische Gesandte in Wien Baron Bourqueney; für England der Minister des Aeußeren Graf Clarendon und der englische Gesandte in Wien Lord Cowley; für Desterreich der Minister des Auswärtigen Graf Buol und der österreichische Gesandte in Paris Baron Hübner; für Sardinien der Ministerpräsident Graf Cavour und der sardinische Gesandte in Paris Marquis von Villamarina; für die Türkei der Großvezier Ali Pascha und der türkische Gesandte in Paris Mehemed Dschemil Bey; für Rußland der Graf Orlow aus Petersburg und der russische Gesandte am deutschen Bundestag Baron Brunnow. Preußen wurde anfangs zu der Conferenz nicht eingeladen, da es an dem Krieg sich nicht betheiligt habe; als aber der Dardanellen-Vertrag vom 13. Juli 1844 zur Berathung kam, den Preußen mitunterzeichnet hatte, erging an das preußische Kabinet eine Einladung, an der Conferenz fortan theilzunehmen; es wurden daher von Berlin der Ministerpräsident v. Manteuffel und der preußische Gesandte in Paris Graf Hazfeld abgeordnet. Am 30. März 1856 wurde der Friede unterzeichnet. Das Friedensinstrument bestand aus 34 Artikeln; demselben war eine Convention über die Schließung der Dardanellen in 4 Artikeln, eine andere über die Zahl der Kriegsschiffe, welche Rußland und die Türkei auf dem Schwarzen Meere halten dürften, in 3 Artikeln, und eine dritte über die Alandsinseln beigegeben, in welcher Rußland auf das Recht verzichtete, diese Inseln zu befestigen. Der Hauptvertrag und die Convention über die Schlie Bung der Dardanellen wurden auch von den österreichischen und preuBischen Bevollmächtigten unterzeichnet. Nach den Bestimmungen des Hauptvertrages gab man sich beiderseits die Eroberungen und Gefangenen zurück. Im Artikel 7 garantirten die Mächte die Integrität des türkischen Gebietes, und Artikel 8 sette fest, daß keine Groß macht gegen die Pforte die Waffen ergreifen dürfe, ohne vorher die Vermittlung der übrigen angegangen zu haben. Im 9. Artikel versprach der Sultan, das Loos seiner Unterthanen ohne Unterschied der Raçe und Religion zu

*) Gourdon, histoire du congrès de Paris. Paris 1857.

verbessern. Der Artikel 11 erklärte das Schwarze Meer für neutral und den Handelsschiffen aller Nationen geöffnet. Die Ar= tikel 16-21 beschäftigten sich mit den Verhältnissen der Donauschifffahrt. Dieselbe sollte fortan bis in's Meer für alle Nationen völlig frei und durch keine Zölle gehindert sein; die Mündungen sollten entsandet werden; jede der contrahirenden Mächte sollte das Recht haben, zum Schuße der freien Donauschifffahrt zwei leichte Kriegsfahrzeuge an den Donaumündungen aufzustellen; Rußland trat den Theil von Bessarabien, in welchem die Donau mündet, an die Moldau, d. i. an die Pforte ab. Die Artikel 22-27 handelten von der Moldau und Walachei. Diese Fürstenthümer sollen ihre alten Privilegien fortgenießen, d. i. eine unabhängige und nationale Administration, volle Freiheit der Gesetzgebung, des Cultus und Handels und eine nationale Armee haben; die Pforte sollte in den Donaufürstenthümern ohne Zustimmung der Mächte nicht mehr bewaffnet einschreiten dürfen. Ser= bien sollte die nämlichen Freiheiten, wie die Donaufürstenthümer, fort= behalten; auch diese wurden unter die Garantie der Mächte gestellt (Art. 28 und 29).

Die Convention über die Schließung des Bosporus und der Dardanellen bestimmte, daß die Einfahrt in den Bosporus und in die Dardanellen allen fremden Kriegsschiffen verboten bleibe; nur die zur Ueberwachung der Donaumündungen bestimmten zwei kleinen Kriegsfahrzeuge jeder Macht sollten die Meerengen passiren dürfen. Die Convention über die Zahl der Kriegsschiffe, welche Rußland und die Türkei im Schwarzen Meere halten dürften, seßte fest, daß jeder der beiden Mächte nur sechs Kriegsdampfer in einer Länge von 50 Metres und vier leichte Dampf- oder Segelschiffe gestattet seien.

Der Krieg hatte den Mächten England, Frankreich und Rußland große Opfer an Menschen und ungeheure Geldsummen gekostet, und doch wurde durch denselben die orientalische Frage nicht gelöst, sondern nur vertagt. Die Ausgaben Englands für den Krieg betrugen 76,398,000 Pfund Sterling, die Frankreichs 1710 Mill. Francs. Der größte Theil dieses Geldes mußte durch Anlehen aufge= bracht werden, welche die Bevölkerung dieser Länder fortan durch ers höhte Steuern zu verzinsen hatte, ohne daß ihr aus dem Kriege irgend ein Vortheil erwachsen wäre. Dem kleinen Sardinien kostete der Krieg 62 Millionen Francs, die gleichfalls durch ein Anlehen beigegeschafft werden mußten. Man berechne, was man mit diesen ungeheuren Summen für innere Verbesserungen in diesen Ländern hätte ausrichten können! Rechnet man auf die Ausrüstung und Ueberführung eines armen Auswanderers 100 Pfund, so hätte England mit

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