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befürwortet, daß man vor Allem das Königreich Sachsen, vor einer preußischen Invaslon schüßen müsse; allein die österreichischen Interessen verlangten nach der Meinung der dortigen Kriegsautoritäten ein Aufgeben Sachsens und ein Zurückziehen nach Böhmen, um dort den ent= scheidenden Schlag zu führen. Man hörte auch, der König von Sachsen selbst habe nicht gewünscht, daß sein Land zum Kriegsschauplatz gemacht werde, und eine vorläufige preußische Occupation desselben immer noch für besser gehalten. Es war eben wieder die alte preußenfeindliche Politik des sächsischen Hoses, welche glaubte, sie müsse beständig mit Desterreich gehen, um sich vor den preußischen Vergrößerungsplänen zu sichern, was das Königreich Sachsen in diese mißliche Lage brachte.

An dem nämlichen 16. Juni 1866, dem Tage, an welchem die Preußen in Sachsen, Hannover und Kurhessen einrückten, veröffentlichte der preußische Staatsanzeiger ein Manifest der preußischen Regierung an Deutschland, welches die preußischen Truppen in den zu beseßenden Ländern verbreiten sollten. Dasselbe sagte: „Nachdem der deutsche Bund ein halbes Jahrhundert lang nicht die Einheit, sondern die Zerrissenheit Deutschlands dargestellt und gefördert, dadurch längst das Vertrauen der Nation verloren hatte und dem Ausland als die Bürgschaft deutscher Schwäche und Ohnmacht galt, hat er in den letzten Tagen dazu ge= mißbraucht werden sollen, Deutschland gegen ein Bundesglied in die Waffen zu rufen, welches durch den Vorschlag der Berufung eines deutschen Parlaments den ersten und entscheidenden Schritt zur Befriedi= gung der nationalen Forderungen gethan hatte. Für den von Oesterreich erstrebten Krieg gegen Preußen fehlte jeder Anhalt in der Bundesverfassung, wie jeder Grund oder auch nur scheinbare Vorwand. Mit dem Beschlusse vom 14. Juni, durch welchen die Mehrheit der Bundesglieder beschloß, sich zum Kriege gegen Preußen zu rüsten, ist der Bundes: bruch vollzogen und das alte Bundesverhältniß zerrissen. Nur die Grundlage des Bundes, die lebendige Einheit der deutschen Nation, ist ge= blieben, und es ist die Pflicht der Regierungen und des Volkes, für diese Einheit einen neuen, lebenskräftigen Ausdruck zu finden. Für Preußen verbindet sich damit die Pflicht zur Vertheidigung seiner durch jenen Beschluß und durch die Rüstungen seiner Gegner bedrohten Unabhängigkeit. Indem das preußische Volk zur Erfüllung dieser Pflicht seine Gesammtkraft aufbietet, bekundet es zugleich den Entschluß, für die im Interesse Einzelner bisher gewaltsam geHemmte nationale Entwicklung Deutschlands den Kampf aufzunehmen.“

· „Preußen hat den deutschen Regierungen ein neues Bündniß auf den Bedingungen des gegenseitigen Schutzes und der Theilnahme an den nationalen Bestrebungen angeboten. Es verlangte Nichts, als die Sicherung des Friedens und zu diesem Behufe die sofortige Berufung

des Parlaments. Seine Hoffnung auf Erfüllung dieses gerechten und mäßigen Verlangens ist getäuscht worden. Das Anerbieten Preußens

ist abgelehnt und lehteres damit genöthigt worden, nach der Pflicht der Selbsterhaltung zu verfahren. Feinde oder zweifelhafte Freunde kann Preußen an seiner Grenze und zwischen seinen Grenzen in einem solchen Augenblick nicht dulden. Indem die preußischen Truppen die Grenze überschreiten, kommen sie nicht als Feinde der Bevölkerung, deren Unabhängigkeit Preußen achtet*) und mit deren Vertretern es in der deutschen Nationalversammlung gemeinsam die künftigen Geschicke des deutschen Vaterlandes zu berathen hofft. Möge das deutsche Volk im Hinblick auf dieses hohe Ziel Preußen mit Vertrauen entgegenkommen und die friedliche Entwick lung des gemeinsamen Vaterlandes fördern und sichern helfen!"

Auch der Kaiser Franz Joseph von Oesterreich erließ (17. Juni 1866) ein Manifest, worin er seinen Völkern darlegte, daß er keine Schuld an dem bevorstehenden Kriege trage. Ohne daß Oesterreich die geringste Veranlassung zum Kriege gegeben, hätten sich an den südlichen und nördlichen Grenzen des Reiches zwei feindliche Armeen verbündet, Desterreich in seinem europäischen Machtbestand zu erschüttern. Der Kaiser habe die Erhaltung des Friedens immer als eine seiner ersten Regentenpflichten angesehen; er habe bei dem Zuge nach Schleswig-Hol= stein keine Eroberung gesucht; er trage keine Schuld an der trüben Reihe unseliger Verwickelungen, welche bei gleicher uneigennüßiger Absicht Preußens nie hätte entstehen können und von Preußen auch nur zur Verwirklichung selbstsüchtiger Zwecke hervorgerufen und deßhalb für Desterreich unlösbar geworden seien. Die neuesten Ereignisse bewiesen es unwiderleglich, daß Preußen nun offen Gewalt an die Stelle des Rechtes sete. In dem Rechte und der Ehre Oesterreichs, in dem Rechte und der Ehre der gesammten deutschen Nation erblicke Preußen nicht länger eine Schranke für seinen verhängnißvoll gesteigerten Ehrgeiz. Preußische Truppen seien in Holstein eingerückt und hätten die von dem kaiserlichen Statthalter einberufene Ständeversammlung gewaltsam ge= sprengt; die Regierungsgewalt in Holstein, welche der wiener Friedensvertrag gemeinschaftlich auf Oesterreich und Preußen übertragen, habe Preußen ausschließlich für sich in Anspruch genommen und die österreichische Besaßung genöthigt, zehnfacher Uebermacht zu weichen. A18 der deutsche Bund, vertragswidrige Eigenmacht hierin erkennend, auf Antrag Desterreichs die Mobilmachung der Bundestruppen beschlossen, da habe Preußen, das sich so gern als Träger deutscher Interessen rüh

*) Aus diesem Passus geht hervor, daß das preußische Kabinet den Ge= banken einer völligen Annexion Hannovers, Kurhessens, Nassaus und Frankfurts beim Beginn des Krieges noch nicht hatte.

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men laffe, den eingeschlagenen verderblichen Weg vollendet. Das Nationalband der Deutschen zerreißend, habe es seinen Austritt aus dem Bunde erklärt, von den deutschen Regierungen die Annahme eines sogenannten Reformplanes verlangt, und sei mit militärischer Gewalt gegen die bundestreuen Souveräne vorgeschritten. So sei der unheilvollste, ein Krieg Deutscher gegen Deutsche, unvermeidlich geworden. Zur Verantwortung alles des Unglückes", fuhr der Kaiser fort, „das dieser Krieg über Einzelne, Familien, Gegenden und Länder bringen wird, rufe ich Diejenigen, welche ihn herbeigeführt haben, vor den Richterstuhl der Geschichte und des allgerechten Gottes! . . . Wir werden in diesem Kampfe nicht allein stehen. Deutschlands Fürsten und Völker kennen die Gefahr, die ihrer Freiheit und Unabhängigkeit droht. Wie wir für die heiligsten Güter, welche Völker zu vertheidigen haben, in Waffen stehen, so auch unsere deutschen Bundesbrüder. Man hat uns die Waffen in die Hand gezwungen. Wohlan, jest, wo wir sie ergreifen, dürfen und wollen wir sie nicht früher niederlegen, als bis meinem Reich, so wie den verbündeten deutschen Staaten die freie innere Entwicklung gesichert und deren Machtstellung in Europa neuerdings befestigt ist." Die österreichischen Gesandten im Ausland erhielten Befehl, dieses Manifest den fremden Höfen mitzutheilen. Der österreichische Minter des Aeußern Graf Mensdorff sagte in dem Schreiben, womit er diesen Befehl begleitete: Die letzten Gewaltacte, welche Preußen in Deutschland be gangen hat, der bewaffnete Einfall in die friedlichen Staaten, die nichts Anderes verschuldet haben, als daß sie den Bestimmungen des Bundesvertrags treu geblieben sind, gestatten dem Kaiser nicht, weiter in seiner Langmuth zu verharren und unthätiger Zuschauer einer so flagranten Verlegung der Rechte der Verbündeten zu bleiben."

Die Souveräne von Sachsen, Hannover und Kurhessen hatten nicht erwartet, daß die preußischen Truppen, welche sich an ihren Grenzen gesammelt hatten, so plötzlich diese Grenzen auch wirklich überschreiten würden. Kaum aber hatte das preußische Kabinet auf telegraphischem Wege am 15. Juni 1866 die Nachricht erhalten, daß die drei Höfe die Forderungen der Sommation abgelehnt hätten, so erhielten auch die betreffenden preußischen Generale den telegraphischen Befehl, mit ihren Truppen in das jetzt feindliche Gebiet sofort einzurücken; am 16. Juni bereits fand dieser Einmarsch statt. Der preußische General Herwarth von Bittenfeld, Commandant der für die Occupation Sachsens bestimmten Truppen, verbreitete in Sachsen eine Proclama= tion, worin er sagte: „Sachsen! Jch rücke in euer Land ein, nicht aber als Feind; denn ich weiß, daß eure Sympathien nicht zusammenfallen mit den Bestrebungen eurer Regierung. Sie ist es gewesen, die nicht eher geruht hat, als bis aus dem Bündniß von Oesterreich und Preußen

die Feindschaft beider entstanden; sie allein ist die Veranlassung, daß euer schönes Land zunächst der Schauplatz des Krieges werden wird. Aber meine Truppen werden euch in demselben Maße als Freunde, gleichwie Einwohner unseres eigenen Landes behandeln, als ihr uns entgegenkommen und bereit sein werdet, die nicht zu vermeidenden Lasten des Krieges willig zu tragen. In eurer Hand also wird es liegen, die Leiden des Krieges zu mildern und die Bestrebungen zu vereiteln, die so gern ein Gefühl von Feindseligkeit den verwandten Volksstämmen einimpfen möchten." Der preußische General Vogel von Falckenstein, welcher die in Hannover eingerückten Truppen commandirte, sagte in seiner Proclamation an die Hannoveraner, die Preußen müßten Hannover beseßen, um keine Feinde im Rücken zu haben, da der König von Hannover sich geweigert habe, die schwebenden Fragen mit Preußen in friedlicher Weise zu ordnen; die Preußen seien nicht als Feinde der braven Hannoveraner gekommen und würden das Privateigenthum überall respectiren. Sehr energisch sprach der General v. Beyer, welcher Kurhessen besetzte, die Bewohner dieses Landes an. „Hessische Brüder!" sagte seine Proclamation, „auf Befehl meines Königs und Herrn bin ich mit einem preußischen Corps heute in eure Lande eingerückt, nachdem eure Regierung in beklagenswerther Verblendung es verschmäht hat, in friedlichem Bunde mit Preußen für unser gemeinsames deutsches Vaterland eine Organisation zu schaffen, welche den gerechten Førde= rungen des deutschen Volkes entspricht. Kaum hat ein anderer deutscher Volksstamm so schwer unter der Zerfahrenheit unserer deutschen Zustände zu leiden gehabt, wie ihr! Wir wissen, daß ihr euch deßhalb nach glücklicheren Tagen sehnt, und kommen zu euch nicht als Feinde und Eroberer, sondern um euch die deutsche Bruderhand zu reichen. Nehmt sie an und folgt nicht länger der Stimme Derer, die euch mit uns verfeinden möchten, weil sie kein Herz für euer Wohl und Deutschlands Ehre haben! . . . . Hessische Brüder! Preußens Volk, geschaart um Preußens König, sezt seine höchsten Güter ein für deutsches Recht und Deutschlands Macht. Auf! zeigt auch ihr, daß echtes deutsches Blut in euren Adern rollt!"

Auf die Nachricht von dem Einrücken der Preußen in Sachsen, Hannover und Kurhessen brachen Bayern und Württemberg am 17. Juni 1866 die diplomatische Verbindung mit Preußen ab; das Archiv der Bundesversammlung wurde an gleichem Tage von Frankfurt in die Bundesfestung Ulm in Sicherheit gebracht. Der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Hessen blieb trotz des Herannahens der Preußen in seinem Lande; er suchte am 18. Juni die Hülfe des Bundes nach, die ihm wohl auch mit Stimmenmehrheit zugesagt wurde, aber für den drängenden Augenblick der Gefahr nicht wirklich geleistet werden konnte.

Seine ungefähr 4000 Mann starke Armee ging zurück, um sich mit dem achten Bundesarmeecorps, das sich am linken Mainufer aufstellte, zu vereinigen. Man war um diese Zeit in Süddeutschland noch allgemein des guten Glaubens, daß es der vereinigten Macht Oesterreichs und der Mittelstaaten leicht sein werde, über die Preußen Herr zu wer den. Aber die Mobilmachung der süddeutschen Contingente ging nur langsam von Statten. Das achte Bundesarmeecorps (Württemberger, Badener, Hessen und Nassauer) sammelte sich unter dem Oberbefehl des Prinzen Alexander von Hessen, Generals in österreichischen Diensten, im Ganzen ungefähr 47,000 Mann stark, bei Frankfurt, um zunächst diese Stadt zu schüßen. Der Kurfürst von Hessen blieb vorläufig sei= nem Schicksal überlassen. Am 21. Juni machte der General v. Beyer bekannt, daß die Autorität des Kurfürsten suspendirt und seine Minister ihrer Verantwortlichkeit enthoben seien; am 22. Juni besezten die Preußen Kassel und seßten den Kurfürsten zu Wilhelmshöhe in Kriegsgefangenschaft. Als er sich auch hier weigerte, die preußischen Bedingungen anzunehmen, namentlich sein Truppencorps von der Bundesarmee abzurufen, wurde er am 26. Juni 1866 als Gefangener nach Stettin abgeführt. Zum Abschied richtete der ganz und gar nicht beliebte Fürst einen Scheidegruß an die Kurhessen, worin er sie zu standhafter Treue ermahnte. „Möge der Allmächtige", sagte er in dieser Proclamation, mein Volk in seinen väterlichen Schuß nehmen und die gegenwärtig über dasselbe, über mich und mein Haus verhängte Trübsal mir und meinem Volke zur Läuterung und zum Frieden dienen lassen." Sein Schicksal fand unter den Hessen wenig Theilnahme; man war seines Regimentes schon längst müde. Der König Johann von Sachsen hatte sogleich nach Ablehnung der preußischen Sommation, am 16. Juni 1866, mit seiner Armee, die aus 29,150 Mann mit 46 Geschüßen bestand, sein Land verlassen und sich nach Böhmen gezogen, um sein Heer dort mit dem österreichischen zu vereinigen; die Königin nahm vorläufig ihren Aufenthalt in Prag; später schlug der König mit der Königin seinen Wohnfiz in Schönbrunn bei Wien auf; der Kronprinz blieb als Befehlshaber bei der Armee. Echon am 22. Juni besetzten die Preußen Leipzig und Dresden; lettere Stadt begannen sie in den ersten Tagen des Juli zu befestigen. Von da an blieb das Land bis zum Abschluß des Friedens (20. Oft. 1866) von den Preußen occupirt. Der König Georg V. von Hannover begab sich am 16. Juni mit dem Kronprinzen nach Göttingen, um dort sein Heer um sich zu sammeln ; die Königin blieb in Hannover zurück. Schon am 17. Juni rückten die Preußen in seine Hauptstadt ein. Nachdem sich in den nächsten Tagen die einzelnen hannöverschen Truppentheile in einer Stärke von ungefähr 19,000 Mann in der Nähe von Göttingen gesammelt hatten,

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