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II.

Abtretung

der Fürstenthümer Hohenzollern-Hechingen und HohenzollernSigmaringen an die Krone Preußen am 7. Dezember 1849.

Die schwäbische Linie des Hohenzollernschen Hauses, welche in den Fürstenthümern Hechingen und Sigmaringen regierte (Hechingen war 1623 von Kaiser Ferdinand II., Sigmaringen 1638 von Kaiser Ferdinand III. aus einer Grafschaft zum Fürstenthum erhoben worden), hatte schon in den Jahren 1695 und 1707 mit den verwandten Linien von Kurbrandenburg und Ansbach-Vaireuth, und zuleßt am 24. Januar 1821 mit dem Könige von Preußen einen Erbvertrag geschlossen, nach welchem die Fürstenthümer nach dem Aussterben beider Linien an die in Preußen regierende Hohenzollernsche Linie übergehen sollten. Die unruhigen Verhältnisse im Jahr 1848 brachten es mit sich, daß beide Fürstenthümer schon am 7. Dezember 1849 von ihren Fürsten freiwillig als beständiges Besißthum an die Krone Preußen abgetreten wurden. In der damaligen politischen Aufregung schlossen sich die Einwohner dieser Fürstenthümer der republikanischen Bewegung im südlichen Baden an, und die Regenten der beiden kleinen Ländchen waren bei ihrem unbedeutenden Militärstand und dem republikanischen Geiste der eigenen Truppen nicht im Stande, den Aufstand zu bewältigen. Der Fürst Friedrich Wilhelm von Hechingen (geboren 1801) floh schon am 11. März 1848 aus seinem Ländchen, als sich die Bauern be= waffnet vor seinem Schlosse versammelt hatten und erklärten, sie be= zahlten ferner keine Steuern mehr. Der Fürst Karl Anton Friedrich von Sigmaringen (geboren 1785) gewährte am 7. März 1848, nachdem sich am 6. März eine große Volksmasse vor seinem Schlosse versammelt hatte, die sogenannten Volkswünsche, die auf Preßfreiheit,

Volksbewaffnung und Geschwornengerichte gingen, vermochte aber dadurch der republicanischen Bewegung nicht Einhalt zu thun. Er flüchtete in der Nacht vom 27. auf den 28. September 1848 mit seiner Familie und seinen Regierungsräthen aus dem Lande und ließ eine Proclamation zurück, worin er erklärte, neben dem Sicherheitsausschuß, einer revolutionären Behörde, welche das Volk am 27. September in Sigmaringen eingesetzt hatte, nicht regieren zu wollen. Die badischen Republikaner bemächtigten sich nun vollends des Ländchens und proclamirten in Sigmaringen die Republik. Der bejahrte Fürst sah sich durch diese Stürme veranlaßt, am 27. August 1848 die Regierung an seinen Sohn Friedrich Anton (geboren 1811) abzutreten. Die Ordnung wurde nun zwar bald nothdürftig wiederhergestellt und die alte Regierung am 10. Oktober 1848 in Sigmaringen durch bayrische Truppen wieder eingesetzt; allein beide Fürsten hatten die Ueberzeugung gewonnen, daß es in so stürmischen Zeiten für die Regenten kleiner Territorien eine undankbare, harte und fast unmögliche Aufgabe sei, ohne beständiges Einschreiten eines mächtigeren Nachbars die Ruhe in ihren Ländchen aufrecht zu erhalten, und sie zogen es daher vor, aus der Reihe der Regenten auszuscheiden und ihr Gebiet dem stammverwandten preußischen Königshause zu überlassen. Die hierüber eingeleiteten Verhandlungen fanden am Anfang Dezember 1849 ihren Abschluß. Die Abtretungsurkunde wurde am 7. Dezember 1849 zu Verlin unterzeichnet und am 10. Februar 1850 ratificirt. Der Fürst Friedrich Wilhelm von Hohenzollern-Hechingen, welcher damals unverheirathet war (seine erste Gemahlin, eine Fürstin Eugenie von Leuchtenberg, war 1847 gestorben, von seiner zweiten, einer Freiin Echenk von Geyern, wurde er 1863 geschieden), erhielt bis zu seinem Ableben eine Jahresrente von 10,000 preußischen Thalern; im Fall er eine neue standesmäßige Ehe einginge und successionsfähige Nachkommen erhielte, sollte die Hälfte dieser Rente, also 5000 preußische Thaler jährlich, auf lettere übergehen. Er lebte seit seinem Nücktritt meist auf dem Gute Hohlstein in Schlesien. Der Fürst Karl Anton von HohenzollernSigmaringen (seit 1834 mit der Prinzessin Josephine von Baden vermählt) erhielt eine Jahresrente von 25,000 Thalern, die sich auf den jedesmaligen Chef des Hauses forterben sollte. Er war von Anfang Dezember 1858 bis zum März 1862 preußischer Ministerpräsident und von da an Militärgouverneur für die Rheinprovinz und Westphalen mit dem Wohnsize in Düsseldorf. Beide Fürstenhäuser sollten in Preußen den Rang sogleich nach den Prinzen des königlichen Hauses einnehmen; der Fürst Karl Anton von Sigmaringen erhielt am 18. Oktober 1861 das Prädicat königliche Hoheit. Nachdem die preußischen Kammern der Einverleibung beider Fürstenthümer zugestimmt

hatten, wurde dieselbe durch eine aus Charlottenburg datirte königliche Verfügung vom 12. März 1850 öffentlich verkündigt. Am 23. August 1851 huldigten die Einwohner dem neuen Regenten König Friedrich Wilhelm IV., worauf sodann im Januar 1852 Justiz und Ad= ministration nach preußischem Fuße organisirt wurden. In dem Kriege der deutschen Südstaaten gegen Preußen wurden die Fürstenthümer auf Befehl des deutschen Bundes am 25. Juni 1866 von württembergischen Truppen besezt, aber bereits am 8. August 1866 wieder an Preußen ausgehändigt.

Vertrag

über die Abtretung von Hohenzollern-Hechingen und HohenzollernSigmaringen an die Krone Preussen,

abgeschlossen zu Berlin am 7. Dezember 1849.

Nachdem aus Veranlassung der im südwestlichen Deutschland seit dem Frühjahr 1848 eingetretenen politischen Ereignisse und mit Rücksicht auf die zwischen dem königlich preussischen Hause und dem fürstlich hohenzollernschen Hause bestehenden stammverwandtschaftlichen Verhältnisse und Erbeinigungs-Verträge, wodurch dem genannten königlichen Hause für den Fall des Erlöschens sämmtlicher Linien der Fürsten und Grafen von Hohenzollern im Mannsstamme die Erbfolge in die hohenzollernschen Fürstenthümer, Grafund Herrschaften zugesichert worden ist, Seine Durchlaucht der Fürst von Hohenzollern-Hechingen und Seine Durchlaucht der Fürst von HohenzollernSigmaringen beide und beziehungsweise jeder für Sich der Regierung über die gedachten Fürstenthümer mit Ihren Souveränetäts-, Regierungs- und eventuellen Erbfolgerechten über dieselben zu Gunsten der Krone Preussen zu entsagen einmüthig beschlossen und demgemäss entsprechende Anträge zu wiederholten Malen an Seine Majestät den König von Preussen gerichtet; und nachdem Allerhöchstdieselben sowohl in Betrachtung der oben erwähnten Stammverwandtschaft und Erbeinigung, als zur Sicherstellung der damit zusammenhängenden gegenseitigen Rechte und Interessen auf diese Anträge eingehen zu wollen erklärt haben: so sind, um einen Vertrag hierüber abzuschliessen, Bevollmächtigte ernannt worden, nämlich von Sr. Majestät dem König von Preussen:

Allerhöchstihr Wirklicher Geheimer Oberregierungsrath v. Raumer,
Allerhöchstihr Geheimer Legationsrath v. Bülow

und Allerhöchstihr Geheimer Finanzrath Stünzner;

von Seiten Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Hohenzollern - Hechingen und von Sr. Durchlaucht dem Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen:

der fürstlich Hohenzollern-Hechingensche Geheime Hof- und Finanzrath Baron v. Billing;

welche auf den Grund ihrer gegenseitig als gültig anerkannten Vollmachten nachstehende Artikel, unter Vorbehalt der Ratification, miteinander verabredet und festgesetzt haben.

Art. I. Seine Durchlaucht der regierende Fürst von HohenzollernHechingen treten alle Souveränetäts- und Regierungsrechte über Höchst Ihr gesammtes Fürstenthum Hechingen in seinem gegenwärtigen Umfange, also einschliesslich der Souveränetäts- und Regierungsrechte über das durch den Reichsdeputations hauptschluss von 1803 und späterhin dazu erworbene Gebiet, für Sich, Ihre Erben und Nachfolger an S. Maj. den König von Preussen ab. Art. II. Ebenso werden von Sr. Durchlaucht dem regierenden Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen alle Souveränetäts- und Regierungsrechte über Höchst Ihr gesammtes Fürstenthum Sigmaringen, in dessen gegenwärtigem Umfange, also einschliesslich der Souveränetäts- und Regierungsrechte über die durch den Reichs-Deputations-Hauptschluss von 1803 und später hiezu erworbenen Gebiete und Landestheile, für Sich, Ihre Erben und Nachfolger an Seine Majestät den König von Preussen abgetreten.

Art. III. Seine Majestät der König von Preussen nehmen die in den Artikeln I und II gemachten Abtretungen an und erwerben auf den Grund derselben den Besitz der Fürstenthümer Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen mit allen daran geknüpften Souveränetäts- und Regierungs

Rechten.

Art. IV. Namentlich gehen mit den genannten Fürstenthümern alle aus dem Souveränetäts- und Regierungsrechte über dieselben entspringenden besonderen Rechte und Einkünfte, als Zölle, directe und indirecte Steuern, Einregistrirungs-, Sportel- und Stempelgebühren, welche von den dortigen Bezirks-, Kammer- und Landeskassen bis zum Tage der Uebergabe der Fürstenthümer an die königlich preussische Regierung erhoben worden oder zu erheben gewesen sind, Staats-Archivalien und Acten und Staatsgebäude, sowie die unentgeldliche Benützung der für die Landesverwaltung bestimmten Gebäude und Localitäten aller Art auf die Krone Preussen über.

Art. V. Die Krone Preussen übernimmt mit dem Tage der Uebergabe beider genannten Fürstenthümer an Allerhöchstdieselbe alle verfassungsmässig daran geknüpften Staatslasten und Landesschulden und insbesondere die Verbindlichkeit, die von Ihren Durchlauchten den regierenden Fürsten von Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen gegen ihre respective decretmässig angestellte Hof-, Civil- und Militär-Dienerschaft eingegangenen Verpflichtungen nach den Etats zu erfüllen, ingleichen auch die von Ihren Durchlauchten oder deren hohen Regierungs-Vorgängern bewilligten Pensionen und jährlichen Gratiale auf den Grund der Pensions-Etats fortzuzahlen. Dagegen verbleiben alle in diese Etats nicht aufgenommenen Besoldungen, Pensionen, Gratiale und Competenzen fürstlich hohenzollernscher Beamten, Diener, Pensionäre etc. zur Last der respectiven Durchlauchtigen Fürsten.

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