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die noch leiden. Jezt gehört ihr Italien an. Eure Freiheit erfüllt die Italiener mit Jubel und tröstet die Menschheit. Ich komme allein unter euch; ich will euch nicht erobern, sondern euch die Hand reichen. Vereint können wir jetzt Alles wagen und unser Geschick erfüllen. Wir verlangen Nichts, von Anderen, wir wollen aber unser Italien, und Italien wird unser werden." Eine Proclamation kündigte an dem selben Tage an, daß Garibaldi die Dictatur über das Königreich im Namen Victor Emanuels, des Königs von Italien, übernommen habe; von den zuletzt ernannten liberalen Ministern blieben einige (wie der Minister des Innern Liberio Romano) im Amte; andere wurden entlassen. Am 10. September trafen, auf Garibaldi's Veranstaltung, im Hafen sardinische Truppen ein, welche die Kasernen der Stadt bezogen.

Der Rückzug der dem König Franz treugebliebenen Hälfte des neapolitanischen Heeres nach der Grenze des Kirchenstaates ließ befürch ten, daß der König von Neapel seine Streitkräfte mit den päbstlichen Truppen vereinigen möchte. Lettere, meist aus Ausländern bestehend und von General Lamoricière befehligt, hatten die Marken und Umbrien beseßt, um den Abfall dieser Provinzen von der päbstlichen Herrschaft zu verhindern, und durch ihr rohes und wüstes Verhalten gegen die Einwohner bisher zu beständigen Veschwerden Veranlassung gegeben. Nach dem Anschlusse Neapels an Sardinien hielt der Minister Cavour den Zeitpunct für geeignet, sich dieser gedrückten päbstlichen Provinzen anzunehmen. Am 7. September 1860 erging vom sardinischen Ministerium an die päbstliche Regierung die Aufforderung, die fremden, aus Leuten aller Sprachen und Nationen bestehenden Soldtruppen, welche die Gefühle Umbriens und der Marken nicht zum Ausdruck kommen ließen und das nationale Bewußtsein der Italiener verletzten, unverzüglich aufzulösen. Zugleich kündigte der in der Romagna stehende sardinische General Fanti dem päbstlichen General Lamoricière an, daß er mit seinen Truppen in das päbstliche Gebiet einrücken werde, so wie die päbstlichen Truppen fortführen, die nationalen Kundgebungen in Umbrien und den Marken, mit Gewalt zu unterdrücken. Die päbst liche Regierung weigerte sich, den sardinischen Abgesandten Grafen de la Minerva, welcher die Forderung der Auflösung der päbstlichen Truppen nach Rom gebracht hatte, zu empfangen und beantwortete seinen schriftlich abgegebenen Auftrag abschlägig. Am 11. Sept. 1860 erschien eine Deputation aus Umbrien und den Marken bei Victor Emanuel und bat ihn, das Protectorat über diese Provinzen zu übernehmen; es hatten so eben wieder die päbstlichen Truppen in dem aufständischen Städtchen Fossombrone die Ruhe in sehr barbarischer Weise hergestellt. Der König befahl nun an demselben 11. Sep

tember, daß seine Truppen in zwei Corps unter den Generalen Fanti und Cialdini in den Kirchenstaat einrücken sollten; eine Proclamation erklärte, die Sardinier würden den Sitz des Oberhauptes der katholi schen Kirche respectiren, ihre Absicht gehe nur dahin, unglückliche italienische Provinzen von den Schaaren fremder Abenteurer zu befreien. Napoleon rief hierauf seinen Gesandten von Turin ab (14. Sept.) und verstärkte die französische Besatzung in Rom; weitere Maßregeln ergriff er zum Schuße des Pabstes nicht; er that diesen Schritt, um vor dem französischen Clerus sich den Schein zu geben, als beabsichtige er, wenn Victor Emanuel weiter gehen würde, sich des Pabstes ernst= lich anzunehmen; doch war ja sein Programm, nach welchem das päbstliche Territorium auf die Stadt Rom beschränkt werden sollte, bekannt und bisher nicht widerrufen. Am 14. September nahm der sardinische General Fanti die päbstliche Stadt Perugia; 1600 päbstliche Soldaten und der General Schmidt (derselbe, welcher am 20. Juni 1859 in dieser damals im Aufstand befindlichen Stadt ein so großes Blutbad angerichtet hatte), wurden gefangen. Am 18. September 1860 kam es mit den päbstlichen Truppen unter Lamoricière zu einer Schlacht bei Castelfidardo; die Päbstlichen wurden geschlagen, zerstreut und zum Theil gefangen; Lamoricière entfam in das befestigte An= cona. Dort war am 18. September bereits die sardinische Flotte unter Admiral Persano eingetroffen; am 19. Sept. wurde die Stadt auch auf der Landseite von den Truppen des Generals Fanti eingeschlossen. Nach kurzer Belagerung ergab sie sich am 29. Sept. 1860; die Besatzung sammt dem General Lamoricière wurde kriegsgefangen. Letzterer, dem von den Kriegen in Algier her ein großer Ruf vorangegangen war, endete hier seine kriegerische Laufbahn auf eine wenig auszeichnende Weise; er verließ den päbstlichen Dienst und lebte fortan im Privatstande auf seinem Schlosse Prouzel in der Picardie, wo er am 11. Sept. 1865 starb.

Inzwischen bereiteten sich in Neapel unter der Dictatur Garibaldi's eigenthümliche Dinge vor. Es gewann den Anschein, der italienische Volksmann trage sich mit der Absicht, das Königreich Neapel zu einer Republik zu machen. Republikaner der entschiedensten Färbung, wie Mazzini, Crispi, Ledrü-Rollin, hatten sich in der Hauptstadt um ihn versammelt, und es war auch theilweise bereits ein republikanisch gesinntes Ministerium eingesetzt worden. In einer Proclamation vom 19. Sept. 1860 hatte Garibaldi die italienischen Freiwilligen aufgefordert, mit ihm gegen Rom zu ziehen. Wahrscheinlich sollte dort der Pabst vertrieben und die italienische Republik proclamirt wer den; er setzte sich auch in den letzten Tagen des September mit seiz nen Freischaaren gegen die neapolitanische Nordgrenze in Marsch. Der

König Victor Emanuel richtete einen eigenhändigen Brief an ihn, der ihn zwar wieder mehr auf die monarchische Seite lenkte, doch schien es nöthig, daß jezt das sardinische Heer und an seiner Spitze der König selbst in das Königreich einrückten, um die monarchische Ordnung daselbst aufrecht zu erhalten. Es fanden sich auch Deputationen mo narchisch gesinnter Notabeln aus Neapel und Palermo in Turin ein, welche den König einluden, nach Neapel und Sicilien zu kommen. Am 29. Sept. 1860 reiste Victor Emanuel nach Mittelitalien ab und am 4. Oktober übernahm er in Ancona den Oberbefehl über die fardinischen Truppen, von denen eine Abtheilung unter General Cialdini schon am 25. September die neapolitanische Grenze überschritten hatte. Der König hielt es für nöthig, sich den Großmächten gegenüber wegen diejes neuen Schrittes durch ein am 9. October 1860 erlassenes Manifest zu rechtfertigen. „Wer mich in Europa der Unklugheit beschuldigt“, sagte er darin, „erwäge ruhigen Einnes, was geschehen sein würde, was aus Italien an dem Tage geworden wäre, an welchem sich die Monarchie nicht bereit und mächtig genug gezeigt hätte, den Ansprüchen auf die Wiedergeburt der Nation zu entsprechen. Ganz Italien war in Furcht, daß unter dem Schatten einer glorreichen Popularität, einer antiken Biederkeit (Garibaldi's) eine Faction (Mazzini) sich wieder zu beleben suche, welche den baldigen Triumph der nationalen Sache den Chimären ihres ehrgeizigen Fanatismus zu opfern bereit ist. Alle Jtaliener wendeten sich an mich, daß ich diese Gefahr beschwören möge. Es war meine Pflicht, dies zu thun, denn bei dem gegenwärtigen Stand der Dinge wäre es nicht Mäßigung, nicht Besonnenheit, sondern Schwäche und Unklugheit gewesen, die Leitung der nationalen Angelegenheiten nicht mit fester Hand zu übernehmen, für welche ich gegenwärtig Eu ropa verantwortlich bin. Vielleicht wird meine Politik in Europa dazu dienen, den Fortschritt der Völker mit der Stabilität der Monarchien zu versöhnen. In Italien, das weiß ich, schließe ich die Aera der Revolutionen." Der Kaiser von Rußland, der sich gegen den König von Neapel wegen der neutralen, Rußland begünstigenden Haltung Neapels im Krimkrieg einigermaßen verpflichtet erachten mochte, rief am 10. Oktober 1860 seinen Gesandten von Turin ab, ebenso Spanien am 26. Oktober, die übrigen Mächte thaten keine ernstlichen Schritte; von Seiten Frankreichs und Desterreichs befand sich ohnehin kein Gesandter mehr in Turin. Am 22. Oktober 1860 hielten die Monarchen von Rußland, Desterreich und Preußen wegen der italienischen AngeLegenheiten eine Zusammenkunft in Warschau; man vereinigte sich hier, entschiedene Schritte zu unterlassen. England begünstigte die nationale Sache der Italiener ohne Hehl; die Volksstimmung war hier so entschieden für die italienische Erhebung, daß sich am 16. Oktober

1860 ein 900 Mann starkes Bataillon englischer Freiwilliger bei Garibaldi in Caserta einfand. In der Umgebung des Königs Franz II. von Neapel, der sich mit 20,000 Mann seines Heeres in der Festung Capua befand, ging man mit dem Plane um, daß der König seinen Namenstag am 4. Oktober in Neapel feiern müsse. Es wurde beschlossen, den heranziehenden Garibaldianern entgegenzugehen, sie zu schlagen und auf Neapel zu marichiren. Bei Caserta kam es am 1. Oktober 1860 zur Schlacht; die Neapolitaner wurden geworfen und mußten sich in die Festung Capua zurückziehen, welche die Garibaldianer jetzt, unterstüßt von sardinischen Truppen, die zur See angekommen waren, belagerten. Der König Franz zog sich nach der Grenzfestung Gaeta zurück. Hier erließ er am 20. Oktober ein Rundschreiben an die europäischen Mächte, worin er sagte, gegen die Banden der Abenteurer hätte er wohl die Oberhand behauptet; nachdem ihn aber jetzt auch der König von Sardinien angegriffen habe, werde die neapolita= nische Monarchie wohl zu Grunde gehen, mit ihr würden aber auch zugleich alle Rechte und Grundsätze vernichtet werden, auf welchen die Unabhängigkeit und Sicherheit der Nationen beruhten. Am 15. Oktober langte Victor Emanuel in der neapolitanischen Stadt Giulanova am adriatischen Meere an, wo ihn eine neapolitanische Deputation erwartete, welche die Bitte stellte, er möge das Königreich Neapel mit Sardinien vereinigen. Am 21. Oktober 1860 fand im Königreich Neapel und auf Sicilien die Volksabstimmung über den Anschluß an Sardinien statt. In der Hauptstadt Neapel ergaben sich 154,000 bejahende Stimmen, im Königreich überhaupt stimmten 1,310,226 mit Ja, 10,012 mit Nein. Nun säumten auch Umbrien und die Marken mit dem förmlichen Anschluß nicht länger. Die päbstliche Regierung hatte strenge Verbote gegen eine Volksabstimmung ergehen lassen, aber dieselben wurden nicht beachtet; am 4. und 5. November 1860 wurde die Abstimmung ins Werk gescht. In Umbrien stimmten 97,000 mit Ja, 380 mit Nein, in den Marken 133,783 mit Ja, 1212 mit Nein. Somit waren also die Romagna, die Marken und Umbrien, im Ganzen 15 Provinzen (ein Gebiet von 539 Meilen) vom Kirchenstaat abgefallen, und es blieben dem Pabst nur noch die Provinzen Rom und Comarca, Viterbo, Civita-Vecchia, Velletri und Frosinone mit einem Flächeninhalt von 214 Meilen.

Am 7. November 1860 hielt der König Victor Emanuel in Neapel seinen Einzug. Tags darauf überreichte ihm Garibaldi im Thronsaale der Residenz das Plebiscit, welches ihn auf den Thron des Königreichs rief. Der König erließ eine Proclamation, worin er sagte: „Durch die allgemeine Abstimmung wurde mir die Gewalt über diese edlen Provinzen übertragen. Ich erkenne diesen Beschluß des

nationalen Willens an, nicht aus Herrschsucht, sondern weil mich mein Gewissen als Italiener dazu auffordert. Die Pflichten aller Italiener mehren sich. Mehr als je sind aufrichtige Eintracht und beständige Selbstverleugnung nöthig. Alle Parteien müssen in Ehrfurcht sich beugen vor der Majestät Italiens, welches Gott aufrichtet." Der König deutete auf die republikanischen Bestrebungen, denen auch Garibaldi sich zugeneigt hatte. Lezterer wünschte, daß ihn der König für ein Jahr zum Generalgouverneur von Neapel und Sicilien mache; Victor Emanuel hielt dies aber nicht für gerathen; er schlug es ihm ab, wollte ihn jedoch dagegen zum Obergeneral der sardinischen Armee und zum Großkreuz des Annunziata-Ordens ernennen, und forderte ihn auf, sich eines der königlichen Schlösser als Geschenk auszusuchen. Garibaldi lehnte alle diese Ehren ab und kehrte auf seine kleine Insel Caprera (in der Straße St. Bonifacio zwischen Corsika und der Insel Sardinien) zurück, wo er sich mit der Landwirthschaft zu beschäftigen pflegte. In einer Proclamation sagte er, im Frühjahr 1861 werde er wieder auf dem Kampfplah erscheinen; die Italiener möchten bis dahin für eine Million Streiter sorgen, sonst würde es mit der Einheit und Freiheit Italiens schlimm stehen. Sein Freiwilligencorps wurde von dem König am 27. November 1860 aufgelöst; Soldaten und Offiziere erhielten das Recht, in das regelmäßige sardinische Heer einzutreten. Am 30. November ging Victor Emanuel nach Sicilien, wo er mit gleichem Enthusiasmus empfangen wurde; am 27. Dez. 1860 kehrte er nach Turin zurück.

Die Festung Capua, in welcher sich 5800 Mann reguläre Truppen und ungefähr eine gleiche Zahl bewaffneter Bauern befanden, capitulirte an die Sardinier am 2. November 1860. Am 3. November schlug der König Victor Emanuel die Truppen des Königs Franz II. am Flusse Garigliano; dieselben zogen sich in die Festung Gaeta zurück, so weit dieser Plaß sie aufnehmen konnte; der größere Theil (10,000 Mann Infanterie, 4500 Reiter und Artillerie mit 36 Kanonen) trat auf römisches Gebiet über und wurde hier von dem französischen Commandanten entwaffnet. Gaeta wurde jezt von den Sardiniern zu Wasser und zu Land eingeschlossen; auf der Seeseite verhinderte jedoch eine. französische Flotte jede feindliche Action gegen die Stadt. Napoleon erklärte, es geschehe dies zum Schuße des Königs Franz und seiner Gemahlin; auch der Seeweg nach Rom wurde für die Bedürfnisse der Besaßung beständig offen gehalten. Auf Andringen der Engländer gab der Kaiser diese halbe, die Uebergabe nur verzögernde Protection am Anfang des Jahres 1861 auf; am 19. Januar 1861 wurde die Festung auch auf der Seeseite von den Sardiniern eingeschlossen; das Bombardement begann am 20. Ja

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