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Erster Theil.

Die katholische Kirche.

Erstes Hauptstück.

Erlebnisse und Schicksale der katholischen Kirche.

A. Europa.

§ 1. Papst Pins IX.

Am 1. Juni 1846 starb Papst Gregor XVI. und schon am 16. desselben Monates wurde der Bischof von Imola, Cardinal Graf Johannes Maria Mastai-Ferretti im Conclave gewählt, worauf am 21. Juni seine Krönung erfolgte.

Als Papst nahm er zum ehrenden und dankbaren Andenken an Pius VII., welcher auch Bischof von Imola gewesen, den Namen Pius IX. an. Er war am 13. Mai (ein Sonntag) 1792 zu Sinigaglia im Kirchenstaate geboren (der jüngste der vier Söhne des Grafen Hieronymus Mastai-Ferretti und Katharina, geb. Gräfin Solazzi).

Anfänglich war er für den Militärstand bestimmt;') aber epileptische Zustände hinderten ihn daran. Seine früheste Erziehung erhielt er, nachdem er 1802 das väterliche Haus verlassen, im PiaristenCollegium von Volaterra in Toscana, wo er 1809 vom dortigen Bischofe Tecontie die Tonsur erhielt; 1814 fam er nach Rom.

Daselbst wohnte er im Hause seines Oheims, des Grafen Paulinus Mastai, Canonicus zu St. Peter, und hörte die Vorlesungen aus den betreffenden Lehrgegenständen am Collegium romanum, an der Gregorianischen Universität, am Seminarium romanum bei Sant' Apollinare und an der Prälatenschule, der Accademia ecclesiastica.

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Nach einer Wallfahrt nach M. Loretto bald für immer von den epileptischen Anfällen befreit, entschloß er sich fest zum geistlichen Stand. Am 5. Jänner 1817 ließ er sich vom Cardinal-Bischof della Genga, dem nachmaligen Papste Leo XII., die vier niederen Weihen ertheilen. Am 18. December 1818 zum Subdiakon geweiht, verwendete er sich schon als solcher in dem in der Nähe der Kirche S. Anna dei Falegnami gelegenen Waisenhause, genannt Tata Giovanni, 1) und erhielt am 6. März 1819 das Diakonat, endlich am 10. April 1819 von Monsignore Pietro Caprano, Erzbischof von Iconium i. p., die Priesterweihe. Die Ordination geschah in allen drei Fällen in der Privatcapelle des herzoglichen Palastes Doria-Pamfili. In der obgenannten kleinen Kirche St. Anna las er am 11. April 1819 seine erste hl. Messe. Es war Ostersonntag. Unter Leo XII. begleitete Graf Mastai-Ferreti im Jahre 1823, bis wohin er der Anstalt Tata Giovanni vorstand, eine päpstliche Gesandtschaft, an deren Spiße der Erzbischof von Philippi (Johann) Giovanni Muzzi stand, als Auditor nach Chile; wurde nach seiner Rückkehr 1825 Canonicus am Capitel von St. Maria in via lata und Director der Verwaltung des Hospizes von S. Michele in Ripa grande. Präconisirt im geheimen Consistorium vom 21. Mai 1827 als Erzbischof von Spoleto, erhielt er am Pfingstsonntage (3. Juni) desselben Jahres in S. Pietro in Vincoli vom Cardinal Castiglioni (nachmaligen Papste Pius VIII.) die bischöfliche Weihe. Im Jahre 1832 nach Imola transferirt, wurde er am 14. December 1840 von Gregor XVI. als Cardinalpriester proclamirt. - Es muß einer späteren Feder überlassen bleiben, das Wirken Pius IX. allseitig zu schildern; wir wollen hier nur mehr blos erinnern an das, was sich in unseren Tagen zugetragen hat und wodurch das Pontificat Pius IX. zu einem der denkwürdigsten Abschnitte der Kirchenund Weltgeschichte geworden ist.

Kaum hatte je ein Papst das Steuerruder sowohl der katholischen Kirche als auch seines eigenen Staates unter so gefahrdrohenden Um

1) Tata Giovanni oder Papa (Vater) Johannes (eigentlich hieß er Giovanni Borgi) war ein armer Maurer, 1732 zu Rom geboren, 1798 gestorben. Er hatte Mitleid mit den vielen halbnackt und verwahrlost in den Straßen herumlaufenden Kindern und fing an sie zu sammeln, gab sie bei Handwerkern in Arbeit und unterrichtete sie Anfangs selbst im Katechismus. Allmälig erwuchs das fromme gemeinnüßige Werk zu einem großartigen Waisen-Institute.

ständen in die Hand genommen als Pius IX. Der Boden Europas, insbesondere Italiens, war durch die revolutionäre Propaganda und durch das Freimaurerthum, hier Carbonarismus genannt, unterwühlt.

Der Ursprung der Carbonari wird mit der größten Wahrscheinlichkeit in die Abruzzen und in die Gebirge Calabriens verlegt. Weil viele aus den Mitgliedern dieser Gesellschaft anfänglich dem Gewerbe der Holzkohlenbrenner (carbonajo) oblagen, so erhielt sie selbst diesen Namen. Ihre Versammlungen nannten sie „Vendite" - Verkaufs stellen (zusammengezogen „Vente“), welche sich in den Ebenen befanden und wo sie den Kohlenhandel betrieben.

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Uranfänglich waren sie dem angestammten Königshause der Bourbonen ergeben noch bei der Invasion Murat's —; hatten also ursprünglich eine royalistische und katholische Tendenz. Nur zu bald schlug diese durch die aufgenommenen liberalen Elemente in das gerade Gegentheil um. — Der zum letzten, höchsten Grad Zugelassene schwört den Untergang aller Religion und aller bestehenden Regierungsformen.

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In der Instruction der sogenannten hohen Venta für die Häupter der untergeordneten Venten (verfaßt im Jahre 1818) heißt es: „Unser Endziel die Befreiung der ganzen Welt, die Brüder-Republik und Harmonie der Menschheit ist das Voltaire's und der französischen Revolution, die vollständige Vernichtung des Katholi= cismus auf ewige Zeiten und selbst der Idee des Christenthumes, die, wenn sie über den Ruinen Roms aufrecht bliebe, später zu dessen Fortsetzung führen würde." - „Der Papst, wer immer es sein möge, wird niemals zu den geheimen Gesellschaften kommen; es ist also an den geheimen Gesellschaften, den ersten Schritt zur Kirche und zum Papst thum zu thun, in der Absicht, alle Beide zu überwinden." (Das ist denn doch erbärmlichste Heuchelei, und wirklich wird im Weiteren Unterricht en détail darin ertheilt.)

Die hohe Venta setzte sich seit 1819 zum alleinigen Zweck, gegen das Papstthum, gegen die Kirche, gegen Religion und Moral anzukämpfen. Dem Carbonarismus überließ sie, Staaten und Throne zu unterwühlen.

Diesen Zustand und seine Hauptursachen kannte und schilderte der Papst selbst sehr gut in seiner Encyklika „Qui pluribus“ vom 9. November 1846.

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