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9. De non discedendo a Concilio.

10. Indultum apostolicum de non residentia pro iis, qui Concilio intersunt.

Die erste General - Congregation tagte am 10. December. Am 6. Jänner 1870 fand die zweite öffentliche Sizung statt (die erste war die Eröffnungssigung am 8. December 1869), in welcher nur das Tridentinische Glaubensbekenntniß, und zwar zuerst vom hl. Vater, dann von allen Bischöfen beschworen wurde.

Noch ehe das Concil eröffnet wurde, meinten manche Bischöfe, zumal Deutschlands, es werde über die päpstliche Infallibilität auf demselben nichts entschieden werden. Das erste unter die Concilsväter vertheilte Schema de Ecclesia enthielt nichts davon. Es bestand aus 15 Capiteln, deren neuntes die Aufschrift hatte: de Ecclesiae infallibilitate, und 21 Canones, welche letteren durch irgend welche Indiscretion zuerst in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung" in die Oeffentlichkeit kamen, und so viel Lärm erregten. Die liberalen Blätter wußten aus diesen sogenannten „Fluchcanonen“ wie sie dieselben schalten in ihrer Weise Capital zu schlagen.

Da richteten an 450 Bischöfe ein postulatum an das Concil um die Dogmatisirung der päpstlichen Unfehlbarkeit in Fragen des Glaubens und der Sittlichkeit. Es erschien ein Caput addendum decreto de Romani Pontificis primatu. Romanum Pontificem in rebus fidei et morum definiendis errare non posse."

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Laut öffentlichen Blättern lagen der dogmatischen Commission noch drei andere Petitionen und Formeln um die erwähnte Dogmatisirung vor; nämlich eine von neapolitanischen Bischöfen; eine von anderen italienischen Bischöfen, und die dritte, am bestimmtesten gefaßte, von spanischen Bischöfen.

Die Väter der sogenannten Minorität an 137 - richteten an den hl. Vater Vorstellungen (die deutschen, österreichisch-ungarischen und die französischen unterm 12. Jänner; die amerikanischen unterm 15; die orientalischen und die italienischen unterm 18. Jänner), worin sie ihren Bedenken gegen die Opportunität einer solchen Dogmatisirung in der ehrfurchtsvollsten Weise Ausdruck gaben. So insbesondere auch in der „Petitio a pluribus Galliae (Germaniae), Austriae ac Hungariae, Italiae, Angliae, Hiberniae, et Americae septemtrionatis Archiepiccopis et Episcopis, Eminentissimis concilii oecumenici Praesidibus exhibita, ddo. 10. Aprilis 1870."

Der Papst ließ diese, wie überhaupt alle noch später an ihn adressirten Eingaben der dogmatischen Commission überweisen.

Es circulirte noch eine, mehr vermittelnde Formel über die Unfehlbarkeit unter den Concilsvätern.

Als Zusah zu der früher erwähnten Geschäftsordnung des Concils Multiplices inter," in Betreff welcher noch ein paar Postulate von Bischöfen verlauteten (einiger französischen noch vor dem 10. December 1869 und einiger deutschen und österreichisch-ungarischen vom 2. Jänner 1870) erschien unterm 20. Februar 1870 unter Fertigung der fünf Präsidenten und des Concilssecretärs, Dr. Joseph Feßler, Bischof von St. Pölten, wieder ein Normale, in welchem es anfangs heißt, daß der hl. Vater darin auf die expostulationes, quae a plerisque Concilii Patribus haud semel exhibitae sunt ex eo, quod disceptationum Conciliarium series in longum plus aequo protrahatur“ (in der That wurde hie und da etwas zu viel auch nicht strenge zum Fragegegenstande Gehöriges gesprochen) Rücksicht genommen habe.

Die Hauptbestimmung dieser neuen Geschäftsordnung besteht darin, daß auf Grundlage der schriftlich eingereichten Bemerkungen zunächst die betreffende Synodal-Commission das Schema (so heißen die Vorlagen) nochmals umarbeiten kann. Erst, wenn dies geschehen, findet die mündliche Discussion statt. Punkt 11 bestimmt: „Wenn die Discussion über einen bereits hinreichend besprochenen Gegenstand (wegen der noch angemeldeten Redner) sich über die Gebühr hinausziehen soll (plus aequo protrahatur), so können die präsidirenden Cardinäle, wenn wenigstens zehn Concilsväter dies schriftlich verlangen, die GeneralCongregation fragen, ob sie die Discussion noch fortgesezt haben wolle? Und nach durch Aufstehen oder Sißenbleiben abgegebener Erklärung können die Präsidenten die Debatte schließen, wenn dies der Mehrzahl der versammelten Väter beliebt."

Diese so abgeänderte Geschäftsordnung rief zwar Bedenken einiger der sogenannten Minoritäts-Bischöfe hervor, welchen sie in der schriftlichen Vorstellung, ddo. 1. März 1870, an die präsidirenden Cardinäle Ausdruck gaben; sehr heftige Anfechtungen hingegen erfuhr sie von anderwärts.') Nicht wie es in dem Decrete heißt, darin eine größere Garantie der Freiheit der Discussion erblickend (integram

1) So insbesondere von Dr. Ignaz von Döllinger in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung" vom 10. März.

servando eam discussionum libertatem, quae catholicae Ecclesiae Episcopos deceat), wollten Concilsgegner Punkt 11 und andere Bestimmungen mit dieser Freiheit nicht ganz vereinbarlich finden.

Insbesondere meinten einige irrig, über Dogmen solle nicht mit bloßer Mehrheit, sondern mit moralischer Stimmeneinheit entschieden; also ein solches Decret, gegen welches irgend eine erhebliche Anzahl bischöflicher Stimmen sich erkläre, als abgelehnt betrachtet werden.

Bei der ersten Abstimmung über die dogmatische Constitution „de fide catholica am 12. April 1870 stimmten 515 Bischöfe mit „placet“ ; $3 (85?) mit „placet juxta modum," d. i. wenn die von ihnen beantragte Aenderung vorgenommen wird, mit non placet" Niemand. Am 24. April, (am weißen Sonntage), war wieder öffentliche Sigung (die dritte), in welcher der hl. Vater nach erfolgter einstimmiger Annahme (die Zahl der Votanten betrug 667) die constitutio sanctionirte und publicirte.

Nach der dritten öffentlichen Sizung gelangte zuerst das kurze Schema de parvo Catechismo" (vom kleinen Katechismus) zur Verhandlung, der nämlich in Zukunft in der ganzen Kirche für den ersten Religionsunterricht die gleiche Grundlage sein solle. Die Schlußabstimmung ist nicht erfolgt.

In dem ersten Schema de ecclesia handelte Capitel 11 vom Primate. Mehrere Bischöfe verlangten, daß zuvor die Capitel 13 und 14 über das Verhältniß der Kirche zum Staate in Verhandlung gezogen würden. Indessen erfuhr das ganze Schema eine vollständige Umänderung, in welcher es sodann als die constitutio dogmatica prima de Ecclesia erschien, die vier Capita zählt, und nur vom Primate handelt.

Es begannen nun darüber und über die päpstliche Unfehlbarkeit die Verhandlungen. Die Generaldebatte dauerte vom 13. Mai bis 3. Juni 1870 und umfaßte 14 General-Congregationen. Auf Grund der erwähnten geänderten Geschäftsordnung genehmigte das Präsidium (am 3. Juni) über Antrag der Majorität den Schluß der Generaldebatte, obwohl noch viele Redner (bei 40) vorgemerkt waren, andere im Sinne hatten, sich noch zu melden.

Die Specialdebatte hatte (vom 15. Juni an) ihren Fortgang, bis auch sie, und zwar nachdem noch mehrere Redner beider Parteien — welche sich gemeldet auf ihren Vortrag verzichtet hatten, geschlossen

wurde (4. Juli). Bei der Vorabstimmung über die InfallibilitätsErklärung am 13. Juli hatten von 601 anwesenden und abstimmenden Vätern 451 mit „placet", 88 mit „non placet“ und 62 mit „placet juxta modum gestimmt.

In der vierten öffentlichen Sizung am 18. Juli 1870 wurde über das ganze Schema de Primatu einschließlich der InfallibilitätsErklärung endgiltig abgestimmt. Es votirten von 535 anwesenden Vätern 533 mit placet,“ zwei mit „non placet“. (Einige Bischöfe hatten Rom bereits verlassen.) Der Papst bestätigte und promulgirte den Majoritätsbeschluß, und schloß mit einer Allocution, worin er sagt: „Illuminet Deus sensus et corda, ut omnes accedere possint ad sinum patris, Christi Jesu, in terris indigni Vicarii, qui eos amat, eos diligit, et exoptat unum esse cum illis."

In der General Congregation am 16. Juli wurde ein Protest der Cardinal-Präsidenten gegen die Verläumdungen, welche die Presse, zumal zwei anonyme Flugschriften: „Ce, qui se passe au Concile" und

La dernière heure du Concile" sich gegen das Concil hatte zu Schulden kommen lassen, an sämmtliche Bischöfe vertheilt, von diesen unterzeichnet, und sodann dem Secretär des Concils zur Aufbewahrung in den Acten übergeben.

Nach der öffentlichen Sizung konnten alle Bischöfe, die aus Gesundheitsrücksichten oder wegen wichtiger Amtsgeschäfte in ihre Diöcesen zurückzureisen wünschten, dies thun, wozu sie einen Urlaub bis zum 11. November erhielten. Doch die bald, in zwei Monaten, eingetretene Katastrophe in Rom veranlaßte, ja nöthigte den hl. Vater, das vaticanische Concil mit Bulle vom 20. October „Postquam Dei munere“ bis auf bessere Zeiten zu vertagen. Der am 11. April 1869 verliehene Concils-Ablaß dauerte laut der Bulle noch fort. Inzwischen wurde noch den in Rom zurückgebliebenen Vätern ein Schema über die Missionen zur Prüfung übergeben, worüber sie ihre schriftlichen Bemerkungen bis zum 23. August einzureichen hätten.

Am 13. August hatte in der Aula noch die 87. General - Congregation, bei der sich nur 152 Väter einfanden; am 1. September aber die 88. General-Congregation stattgefunden. Es war factisch die leßte. Zu welchen Agitationen zumal in Deutschland - die Decrete des vaticanischen Concils, insbesondere jenes über die Unfehlbarkeit des päpstlichen Lehramtes, Veranlassung gaben, wird am betreffenden Orte

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erzählt. Der hl. Vater benüßte die Gelegenheit, als ihm am 20. Juli 1871 eine Deputation der Akademie der katholischen Religion aufwartete, sich darüber auszusprechen. Unter den Irrthümern sei der malitiöjeste jener, welcher behauptet, es sei in der päpstlichen Unfehlbarkeit das Recht eingeschlossen, Fürsten abzusehen und die Völker vom Eide der Treue zu entbinden, wahrlich eine gräuliche Verwirrung! Dieses Recht sei einigemal in äußerster Noth von den Päpsten ausgeübt worden; habe aber mit der päpstlichen Unfehlbarkeit durchaus nichts zu thun. — Die gegenwärtigen Verhältnisse seien ganz und gar verschiedene von den früheren, und nur Bosheit könne so verschiedene Dinge und Zeitverhältnisse mit einander vermengen, als hätte ein unfehlbares Urtheil über eine Offenbarungswahrheit irgend welche Beziehung zu einem Rechte, welches die Päpste, gerufen von den Wünschen der Völker, ausüben mußten, wenn es das gemeinsame Beste verlangte.“

Diese authentische Erklärung ist, sollte man meinen, deutlich und beschwichtigend genug.

In Folge päpstlichen Decretes, intimirt von der S. Congregatio Concilii, ddo. 20. Jänner 1877, wurden in die von den Bischöfen und sonstigen kirchlichen Beneficiaten u. dergl. zu beschwörende Eidesformel, welche Papst Pius IV. 1564 vorschrieb, nach der Stelle: -praecipue a Sacrosancta Tridentina Synodo" folgende Worte eingeichaltet: „et ab oecumenico Concilio Vaticano tradita, definita ac declarata, praesertim de Romani Pontificis Primatu et infallibili magisterio."

§ 3. Zur Literatur über das vaticanische Concil.

Wie nicht anders möglich, veranlaßte das vaticanische Concil eine eigene, nicht unbedeutende Literatur. Bei den einzelnen Staaten geschieht davon, insoferne da eben von der Stellung der Regierung oder der Bewohner zum genannten Concil die Rede ist, zum Theile Erwähnung.

Wir führen hier übersichtlich nur einige Hauptschriften gegen und für das Concil auf mit wenigen einschlägigen Bemerkungen. Daß wir hiebei von den bloßen Zeitungsblättern Umgang nehmen, versteht sich von selbst.

Ebenan stehen wohl die Römischen Briefe," „Römischen Briefe," wie sie in der „Augsburger Allgemeinen Zeitung“ und dann in einer Separatausgabe

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