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Denkmals in feierlicher Weise vollzogen. Auch bei dieser Veranlassung enthielten sich einige „culturkämpferische“ Redner und Blätter nicht, die Katholiken zu verlegen, indem sie die Niederlage der alten Römer im Teutoburgerwalde mit dem von ihnen gewünschten gleichen Schicksale des römischen Papstthums in Verbindung brachten.

Abermals wurde der deutsche Reichstag in Berlin am 27. October 1875 eröffnet. Fürst Bismarck wußte es durchzusehen, daß der bei der zweiten Berathung mit vier Stimmen Mehrheit abgelehnte verschärfte „Kanzel paragraph" (§ 131 a der Strafgesetz-Novelle) unmittel= bar vor dem Schlusse des Reichstages

am 10. Februar 1876 in dritter Lesung mit 173 gegen 162 Stimmen angenommen wurde, worüber Bismarck seine große Freude ausdrückte.

Der Reichstagsschluß erfolgte am 22. December 1876. Die neuen Wahlen in den Reichstag thaten in einer selbst die Liberalen verblüffenden Weise dar, welche erschreckenden Fortschritte der Socialismus gemacht habe; denn eine Menge Socialdemokraten erhielt wenigstens sehr viele Stimmen.

Am 22. Februar 1877 eröffnete Kaiser Wilhelm wieder den deutschen Reichstag, ohne in seiner Rede des Verhältnisses zur Kirche auch nur mit einer Silbe zu erwähnen. Sein Besuch von Elsaß und Lothringen Anfangs Mai begegnete wider Erwarten sympathischen Ovationen. Leider brannte in Folge der Illumination die Bedachung des schönen Domes von Mez ab, wobei auch das Innere des Domes Schaden litt (7. Mai).

§ 17. Weiterer Verlauf des sogenannten Altkatholicismus in und außerhalb Deutschlands.

Durch die Wahl eines eigenen altkatholischen Bischofs vollendete die neue Reformbewegung, die sich Altkatholicismus benannt wissen will, ihre Trennung von der römisch-katholischen Kirche und lehnte selbst jede weitere Gemeinschaft mit dieser ab. Sehen ja die Altkatholiken nur sich als die der ursprünglichen katholischen Lehre und Verfassung Treugebliebenen an und hat nach ihrer Behauptung der Abfall davon nicht auf ihrer, sondern nur auf Seite Derjenigen stattgefunden, die sich dem vaticanischen Decrete über die Infallibilität und den UniversalEpiskopat des Papstes unterwarfen. (!)

In der auf die Bischofswahl bezüglichen Bekanntmachung im „Deutschen Mercur" hatte Professor Dr. von Schulte zu Bonn als zweiter Vorsitzender der altkatholischen Synodal - Repräsentanz gesagt, daß die Altkatholiken nun „das Werk der Consolidirung ihrer kirchlichen Verhältnisse vollendet haben".

Unter Einem theilte Dr. von Schulte die Namen der am 4. Juni in Köln gewählten Mitglieder der Synodal-Repräsentanz mit. Es sind: die geistlichen Professoren Dr. Knoodt und Reusch in Bonn; die Laien Sanitätsrath Dr. Hasen clever in Düsseldorf, Appellationsrath Rottals in Köln und Dr. von Schulte selbst, welch' Letterer von den vorerwähnten und dem erwählten Bischofe zum zweiten Vorstande gewählt wurde. Durch Cooptation nahmen sie noch die geistlichen Professoren Dr. Friedrich und Dr. Michelis und die Laien-Professoren Cornelius in München und Gengler in Erlangen als Mitglieder auf.

Die Consecration des Dr. Hubert Reinkens nahm zugleich mit jener des Jansenisten Bischofes Caspar Johann Rinkel von Harlem der jansenistische Bischof Hermann Hey kamp von Deventer am 11. August in der St. Laurentiuskirche zu Rotterdam vor. ')

In seinem ersten Hirtenschreiben ddo. 11. August, das mit den Worten beginnt: „Josef Hubert Reinkens, katholischer Bischof, den im alten katholischen Glauben verharrenden Priestern und Laien des deutschen Reiches Gruß in dem Herrn", bespricht Bischof Reinkens zuerst die Lage der Altkatholiken. Vom bischöflichen Amte sagt Reinkens, dasselbe sei kein persönliches Privilegium zur Bevorzugung weniger Auserwählten, sondern ein Dienst für die Gläubigen. Die Weise seiner Wahl, ohne päpstliche Bestätigung, jei nur eine scheinbar neue; in Wirklichkeit aber die „alte, unterdrückte, die apostolische, wahrhaft kirchliche" weil durch Clerus und Volk vollzogen. Ueber den Papst und die ihm „als ihrem Herrn" dienenden Bischöfe wird wacker losgedonnert. „Wäre das canonische Recht im Bewußtsein der Gläubigen noch in voller Kraft, heißt es weiter, so würde die Anschauung Einzelner sich allgemein Bahn brechen, daß der apostolische Stuhl zu Rom jezt nicht besezt sei, da ein in der Irrlehre hartnäckig beharrender Papst

1) Im December 1874 wurde derselbe zum jansenistischen Erzbischof von Utrecht gewählt. Zum Nachfolger als jansenistischen Bischof von Deventer erhielt er 1875 Diependahl.

als abgejezt zu erachten sei.") Zu dem Amte des Bischofes gehöre auch, zum Gehorsam gegen die weltliche Obrigkeit zu ermahnen, um des Herrn willen, des Gewissens wegen. Ein Bischof, welcher das nicht thue, wird zum Verräther an seinem Amte. Selbstverständlich sollen dies kleine Seitenhiebe auf die katholischen Bischöfe, zumal in Preußen sein, zugleich aber ad captandam benevolentiam der Regierung dienen. Interessant ist, daß selbst die protestantische Berliner Kreuzzeitung“ nicht nur mit dem dortigen katholischen Blatte „Germania“ in dem ungünstigen Urtheile über Dr. Reinkens' Hirtenbrief übereinstimmt, sondern sogar im sogenannten Altkatholicismus eine Art „katholischen Protestantenvereins“, ein „Rongethum“ der Gebildeten erblickt.

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In einem speciellen Falle entschied das königlich preußische Obertribunal am 24. Mai 1873, daß die Altkatholiken auf den Schutz vollen Anspruch haben, welchen das Gefeß der katholischen Kirche gewährt, weil sie nicht eher aus dieser als ausgeschieden zu betrachten seien, ehe sie nicht selbst ihren Austritt erklärt hätten.

Aehnlich entschied das badische Oberhofgericht am 16. Juni 1873, daß nämlich die sogenannten Altkatholiken (vor dem staatlichen Forum) noch Katholiken seien und daß ihren Gottesdienst anzugreifen unter § 166 des Reichsstrafgesetzbuches falle.

Der baierische oberste Gerichtshof aber schien aus einer Ente scheidung zu schließen zur Zeit die katholische Kirche aus beiden Richtungen (Infallibilisten und Nichtinfallibilisten) zusammengesezt sich zu denken.

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In Desterreich entschied — auch in einem speciellen Falle k. k. oberste Gerichtshof unterm 29. April 1873, daß die Beschimpfung eines Seelsorgers der sogenannten Altkatholiken während seiner Function zwar wohl den Thatbestand einer als Uebertretung zu ahndenden Ehrenbeleidigung, aber nicht jenen des Vergehens der Beleidigung einer gefeßlich anerkannten Kirche oder Religions gesellschaft nach § 303 des Strafgeset buches begründe. Am 9. September Geburtstag des Großherzogs - hatte Bischof Dr. Reinkens in Freiburg einen Festgottesdienst gehalten. Den Inhalt

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1) Reinkens meint die Infallibilitäts-Erklärung und den Universal-Episkopat des Papstes, wodurch die „göttlich geordnete Verfassung der Kirche definitiv vernichtet" wurde.

seiner Predigt bildete zunächst wieder der unbedingte Gehorsam gegen die weltliche Obrigkeit.

Den Altkatholiken - Congreß zu Constanz eröffnete am 12. September 1873 der erste Präsident Dr. von Schulte. Außer den deutschen Koriphäen der altkatholischen Bewegung trafen als Gäste auch die Professoren der evangelischen Theologie Holzmann aus Heidelberg und Heidenheim aus Zürich, Oberpriester Wasiljew aus St. Petersburg, der anglicanische Bischof von Albany in Nord-Amerika, der Calviner E. de Pressensé u. A. ein. Herr Loyson (Expater Hyacinth) durfte selbstverständlich nicht fehlen.

Die eigentliche Delegirten - Versammlung schloß schon am 13. September. Abends Festessen, woran auch Damen Theil nahmen. Tags darauf war altkatholische Volksversammlung. Bei der zweiten, nachmittägigen Versammlung am 14. September erlaubte sich Dr. Völk aus Augsburg Ausfälle auf die französische Nation, weshalb de Pressensé und Loyson den Saal verließen. Der Erstere ließ sich über dieses Intermezzo im,,Journal des Debats" empfindlich aus.

Die staatliche Anerkennung des Bischofs Dr. Reinkens Seitens der königlich preußischen Regierung erfolgte am 19. September. In der bezüglichen kaiserlichen Urkunde heißt es:

„Wir Wilhelm . . . . befehlen Unseren Oberpräsidenten, Präsidenten und Landescollegiis, wie auch allen und jeden Unserer Vafallen und Unterthanen, weß' Namens, Standes (also etwa auch den römisch-katholischen Bischöfen?), Würden und Wesens sie sein mögen, hiemit so gnädig als ernstlich, daß sie gedachten Josef Hubert Reinkens als katholischen Bischof anerkennen und achten, auch den= jelben alles Dasjenige, was an Ehren und Würden, Nußung und anderen Vortheilen von seinem Amte abhängig, dazu gehörig oder sonst erforderlich sein mag, geruhig, vollkommen und ohne Jemandes Einspruch besigen, haben und genießen lassen, bei Vermeidung Unserer königlichen Ungnade und schwerer unausbleiblicher Ahndung; jedoch alles Uns und Unseren königlichen und oberlandesfürstlichen Gerechtsamen in alleweg unbeschadet."

So hatte denn Dr. Reinkens auf Allerhöchsten Befehl als „katholischer" Bischof zu gelten. Der deutsche Nationalbischof war fertig. Als solcher wurde Dr. Reinkens am 7. October in

Stepischnegg, Papst Pius IX. und seine Zeit. I. Bd.

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Berlin vom Cultusminister in Pflicht und Eid genommen. Als Zeugen fungirten dabei von kirchlicher Seite der excommunicirte Domcapitular von Breslau Freiherr von Richthofen, Dr. Elvenich, die Professoren Dr. Knoodt, Dr. Weber, Dr. Schmölzers und der Sanitätsrath Dr. Hafenelever. Der Cultusminister Dr. Falf betonte in seiner Ansprache die Staatsfreundlichkeit des neuen Bischofs, dem also und den Altkatholiken auch der Staat helfen müsse. Dr. Reinkens hingegen versprach in seinem Eide alles um so unverbrüchlicher zu halten, als ich gewiß bin (sagte er), daß mich mein Bischofsamt zu nichts verpflichtet, was dem Eid der Treue und Unterthänigkeit gegen Se. königliche Majestät, sowie dem des Gehorsams gegen die Landesgesebe entgegen sein kann“.

Dr. Reinkens konnte es sich nicht versagen, nach seiner Vereidigung, nach welcher ihm obige Anerkennungsurkunde ausgefolgt wurde, im Sizungssaale des Cultusministeriums wieder einen Seitenhieb auf die römisch-katholischen Bischöfe Preußens zu führen, auf „Diejenigen

dies waren im wesentlichen seine Worte welche berufen sind, das Volk zu belehren über die heilige Pflicht des Gehorsams gegen die Obrigkeit und ihre Geseze, aber die Massen aufregen und mit Abnei gung gegen diese Pflicht erfüllen." Gewiß ein wenig apostolisches Gebahren dieses lieblose Hindeuten auf Andere und dabei Hervorheben seiner eigenen Loyalität!

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Dem neuen deutschen“ Bischofe zu Ehren gab nun der Cultus minister Dr. Falk ein Festdiné, an welchem sich auch die übrigen Minister, außer jenem des Ackerbaues, betheiligten.

Bei Gelegenheit der Provincialversammlung der westphälischen „Alt"katholiken zu Dortmund am 10. October, wo Dr. Reinkens predigte, kam es bald zu Ruhestörungen.

Am 13. November 1873 feierte Dr. von Döllinger in München sein dreißigjähriges Jubiläum als Professor. Auch der deutsche Kaiser Wilhelm zeichnete ihn aus, und zwar durch Verleihung des rothen Adlerordens II. Classe mit dem Sterne. Mit welchen Gefühlen mag wohl der greise Mann diesen Orden empfangen haben, Er, der früher fast durch ein halbes Jahrhundert der Vertheidigung der römisch-katholischen Kirche, ja auch des Papstthums, seine Talente und Feder gewidmet hatte!

König Ludwig von Baiern selbst beehrte den Jubilar mit einem

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