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Im Jahre 1872 handelte es sich in Sachsen um ein neues Volksschulgeset. Wie anderwärts, ging die Tendenz auch hier dahin aus, die Schule der Kirche zu entziehen.

Der Deputationsbericht der ersten Kammer lehnte die Beschlüsse der zweiten Kammer betreffs der Communalschulen und der Lehrerwahl durch die Gemeinden ab und stellte die Aufsicht der Geistlichen über die Ortsschulen wieder her. In der Situng vom 14. November 1872 entschied sich die erste Kammer, gegen den Antrag der zweiten auf Simultanschulen, für confessionelle Schulen. Die zweite Kammer hingegen lehnte (10. December) bei der zweiten Berathung des Volksschulgejezes die von der ersten Kammer gefaßten Beschlüsse über die confessionelle Stellung der Schule mit 41 gegen 26; über das obligatorische Schulgeld mit 49 gegen 18; endlich über die Zulassung kirchlicher Stiftungen zur Errichtung von Schulen mit 61 gegen 6 Stimmen ab. So auch später die aus dem ständischen Vereinigungsverfahren hervorgegangenen Propositionen zum Volksschulgeseß, welche die erste Kammer angenommen hatte. Das Gesammtministerium beschloß demungeachtet die Publication des Volksschulgesehes (24. Jänner 1873), weil es denn doch nicht durch die verfassungsmäßig nothwendige Zweidrittel-Majorität von der Abgeordnetenkammer verworfen worden war. Im April erfolgte die königliche Sanction des Gesezes.

Auf die Interpellation des Abgeordneten Ludwig über die Stellung der königlichen Regierung zum Vaticanum, insbesondere zum Un fehlbarkeits - Dogma erklärte der Cultusminister Dr. von Gerber in der zweiten Kammer am 26. Februar 1873: „Das Ministerium hat es seinerzeit (26. Juni 1871) abgelehnt, auf die Ertheilung des könig lichen Placets bezüglich der amtlichen und förmlichen Promulgation des Unfehlbarkeitsdogmas anzutragen, in Folge dessen ist auch dessen Publi cation unterblieben.') Die Regierung werde nicht dulden, daß bei der Beaufsichtigung und bei dem Religionsunterrichte in den katholischen Schulen ein aus jener Glaubenslehre abgeleiteter, dem öffentlichen Rechte unseres Landes widerstrebender Einfluß ausgeübt werde.“

Hierauf stellte der Abgeordnete Ludwig, sich mit obiger Erklärung nicht begnügend, am 7. November in der zweiten Kammer den

1) Wohl aber wurde, und zwar mit Genehmigung des Cultusministers von Falkenstein ddo. 1871, der darauf Bezug nehmende Fuldaer Hirtenbrief in den Kirchen verlesen.

Antrag, die Regierung solle 1. das apostolische Vicariat wegen der Verkündigung des Unfehlbarkeits-Dogmas ohne Placet zur Verantwortung ziehen; 2. demselben auftragen, durch öffentlichen Anschlag in allen katholischen Kirchen Sachsens zur Kenntniß der Glaubensgenossen des Landes zu bringen, daß die seinerzeit durch Verlesen von den Kanzeln erfolgte Verkündigung des Unfehlbarkeits - Dogmas den Landesgesehen zuwider geschehen, und deshalb ohne jegliche Folge sei.

Nach einer Aufklärung des apostolischen Vicars Forwerk, in der Herrenkammer am 7. Februar 1874, daß das Dogma auch abgesehen von der Form seiner Promulgirung im Gewissen binde, wurde die Sache nicht weiter urgirt.

Am 29. October 1873 starb König Johann von Sachsen. Ihm folgte am Thron sein Sohn, König Albert, geboren am 23. April 1828 zu Dresden. Der verstorbene König war geboren am 29. December 1801 als der dritte Sohn des Prinzen Maximilian und dessen dessen Gemalin Maria Theresia von Parma. Er war ein edler Fürst. Bekanntlich hat er sich auch in der literarischen Welt durch seine deutsche Uebersetzung der Divina comedia von Dante - unter dem Pseudonym Philalethes, ein bleibendes Andenken gesichert. Wie er lebte, so starb er auch - als ein überzeugungstreuer wahrhaft frommer Katholik.

Am 8. Jänner 1875 aber verschied der apostolische Vicar von Sachsen Ludwig Forwerk, Bischof von Leontopolis (als Bischof consecrirt in der Domkirche zu Prag, am 24. September 1854). Sein Nachfolger wurde der Consistorial - Präses Franz Bernert (geboren 1811 zu Grafenstein in Böhmen).

Einen fast ganz nach preußischem Muster verfaßten Gesezentwurf über die Verhältnisse der katholischen Kirche in Sachsen, brachte die königliche Regierung ein. Am 4. April 1876 stand er zur allgemeinen Vorberathung in der zweiten Kammer auf der Tagesordnung. Darin heißt es z. B.: „Jede geistliche Gerichtsbarkeit außerhalb des Landes (natürlich ist jene des Papstes gemeint) ist ausgeschlossen.“ „Orden und ordensähnliche Bruderschaften sind verboten. Auch als Einzelner darf ein Ordensangehöriger nicht im Lande seine Thätigkeit als solcher üben“ u. s. w. Ein Abgeordneter war so naiv zu bemerken, der Gesezentwurf greise ohne Gehässigkeit in die Verhältnisse der katholischen Kirche ein". Insgleichen sollte das placetum regium für alle Anord

nungen des römischen Stuhles oder des apostolischen Vicariates, furz für alle allgemeinen Verfügungen der kirchlichen Behörden fortan aufrecht bleiben, wenn diese Verfügungen entweder ganz oder theilweise, sei es auch nur mittelbar, in staatliche oder bürgerliche Verhältnisse eingreifen, wohin die „Motive" namentlich zählen: Ehesachen, Begehung von Sonnund Festtagen, Wallfahrten, Processionen, Schul wesen, vermögensrechtliche Angelegenheiten. Die zweite Kammer nahm diesen Gefeßentwurf im Wesentlichen am 24. Mai gegen acht Stimmen Minorität an. Nachdem das Gleiche auch die erste Kammer gethan, erschien er als Geseh vom 23. August 1876.

Am Ostersonntag (8. April) 1855 war der Generalvicar für Osnabrück und apostolische Provicar der nordischen Missionen, Bischof von Anthedo in part. inf., Dr. Carl Anton Lüpke, gestorben. Osnabrück erhielt nun wieder ein eigenes Bisthum, und wurde, nachdem die diesfälligen Verhandlungen zwischen der königlich hanoveranischen Regierung) und dem römischen Stuhle zum glücklichen Abschlusse gediehen waren, der bisherige Domdecan von Münster, Dr. Paul Melchers, zum dortigen Bischofe ernannt. Papst Pius IX. präconisirte ihn in dem geheimen, zu Bologna am 3. Mai 1857 abgehaltenen Consistorium, und ernannte ihn zugleich zum apostolischen Provicar der nordischen Mission in Dänemark und Deutschland, wie es früher Dr. Lüpke gewesen. Dieses apostolische Vicariat des Nordens besteht seit 1667; sein ehemals ausgedehnterer Sprengel ist jetzt auf die dänischen Länder, auf Mecklenburg-Schwerin, Schleswig-Holstein, Lauenburg, Schaumburg-Lippe, und die drei Hansestädte Hamburg (mit circa über 7000 Katholiken, welches dagegen protestirt hatte, daß es der Siz des apostolischen Vicars Dr. F. Th. Laurent sein sollte), Lübeck und Bremen beschränkt. 2) Als der neue Bischof von Osnabrück Dänemark bereiste (1861), wurde er vom Könige in Kopenhagen freundlich aufgenommen, wofür der Papst dem Könige im Schreiben ddo. 31. December seinen Dank aussprach.

1) König Ernst August von Hannover war am 18. November 1851 ges storben, und sein blinder Sohn als Georg V. ihm auf dem Throne gefolgt.

2) Die norddeutsche Mission gehört zu den durch die Congregatio Propagandae Fidei in Rom verwalteten Gebieten, welche dem Papste unmittelbar unterstehen. Unter seinem Provicar – dem Bischofe von Osnabrück stehen zwei apostolische Präfecten; nämlich der Präfect für die nunmehr preußische Provinz

Als Paul Melchers 1865 auf den erzbischöflichen Stuhl von Köln erhoben wurde, folgte ihm auf jenem zu Osnabrück sein Generalvicar und Domdecan Johann Heinrich Beckmann (geb. 23. Juli 1803 zu Osterdappeln unweit Osnabrück).

Schon durch die Bulle: „Impensa Romanorum“ vom Jahre 1824 wurde zwischen dem päpstlichen Stuhle und der königlich hannover'schen Regierung die Ausstattung der Bisthümer Osnabrück und Hildesheim mit Grundbesitz und Grundgefällen statt mit Baarzahlungen aus dem allgemeinen Klosterfonds vereinbart. Von dieser Grunddotation wurde aber (1865) wieder abgesehen, und dafür eine Erhöhung der Gelddotation stipulirt. Seit dem 1. October 1867 gilt auch für das 1866 zur preußischen Provinz gewordene Hannover die preußische Verfassungsurkunde.

In Oldenburg, zum Bisthume Münster gehörig, aber einem eigenen zu Vechta residirenden Official unterstellt, garantirt die Staatsverfassung, nämlich die revidirte Verfassungsurkunde vom Jahre 1852, die freie Religionsübung und die Selbständigkeit der Kirche. Freilich ist diese auch hier keine vollständige. Insbesondere bezüglich der Verleihung geist= licher Aemter.

Durch den am 19. August 1863 erfolgten Tod des Herzogs von Anhalt-Bernburg fiel dieses Ländchen an den Herzog von Anhalt-DessauCöthen, der nun den Titel „Herzog von Anhalt" annahm. - Mit Einverständniß der Regierung ernannte Papst Pius IX. den Bischof von Paderborn zum apostolischen Administrator von Anhalt (1868). Bisher waren die dortigen Katholiken dem päpstlichen Nuntius in München als apostolischen Vicar unterstellt.

Eine fürstlich Schwarzburg-Rudolstadter Verordnung vom Jahre 1872 regelte nach vorausgegangenen Verhandlungen mit dem Bischof von Paderborn, dessen Jurisdiction die dortigen Katholiken unterstellt wurden, die kirchlichen Verhältnisse des Fürstenthums.

Am 15. August 1857 wurde der altberühmte, aus der späteren Gothik stammende (katholische) Kaiserdom in welchem die Krönung der römisch-deutschen Kaiser statthatte zu Frankfurt am Main, da

Schleswig-Holstein (gleichfalls in Osnabrück residirend) und der Präfect für den europäischen Theil des Königreichs Dänemark zu Kopenhagen. Die übrigen Theile des genannten Missionsgebietes sind dem apostolischen Provicare unmittelbar unterstellt, weil sie keinen eigenen Präfecten haben.

mals noch eine freie Reichsstadt, nun durch Annexion nach dem Kriege durch Brand sehr beschädiget; bis 1878 aber

1866 auch preußisch

wieder hergestellt.

§ 13. Nachträge aus dem kirchlichen Leben in Oesterreich und

Deutschland.

Am 23. October 1848 nachdem als Vorbereitung der Erzbischof von Köln mit seinen Suffraganbischöfen: Wilhelm Arnoldi von Trier, Johann Georg Müller von Münster, und Franz Drepper von Paderborn in Köln eine Conferenz vom 10. bis 13. Mai abgehalten; wieder am 16. August g. I. gelegentlich der feierlichen Einweihung des Kölner Doms (15. August) mit den obgenannten und anderen Bischöfen Deutschlands, in Gegenwart des apostol. Nuntius zu Wien, Viale - Prela, eine vertrauliche Besprechung gehabt, auch ein ausführliches Promemoria, ddo. 25. September, dem Einladungsschreiben, ddo. 1. October, beigeschlossen hatte traten unter dem Vorsitze des Erzbischofs von Salzburg, als Primas von Deutschland (bis zu seiner Ankunft präsidirte Erzbischof Geißel von Köln), mehrere deutsche Bischöfe in Würzburg zusammen, und legten ihre Forderungen in der den respectiven Regierungen übergebenen, von fünf Erzbischöfen, 13 Bischöfen und zwei apostolischen Vicaren persönlich, von noch Anderen durch Stellvertreter unterfertigten Denkschrift vom 14. November 1848 nieder. In Hirtenschreiben an die Gläu bigen (11. November) und an den Clerus (15. November) ermahnten die Bischöfe zur Treue gegen die Kirche, aber auch zum Gehorsam gegen die legitime weltliche Macht. Am 16. November hatte die lezte die 36. Sigung statt.

Zur Wiederbelebung katholischen Sinnes und Lebens wurden seit 1848 sowohl in Oesterreich, als auch in den meisten deutschen Ländern Missionen, insbesondere von Jesuiten und Redemtoristen, abgehalten (sogar in Berlin; von einigen der Erstgenannten, als: P. Joh. Haß lacher, S. Roh auch sogenannte „Conferenzen“) und bildeten sich religiöse Vereine, zumal die sogenannten Pins- oder Katholikenvereine.')

Der deutsche Katholikenverein soll alljährlich eine allgemeine Ver

1) In Wien nannte er sich „Severinus-Verein“. Er veranstaltete fast jahrliche Wallfahrten nach Jerusalem und Rom.

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