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Alles schliesst sich den vorbrechenden Reserven an. Die Spielleute schlagen und blasen unausgesetzt (Sturm, Rasch vorwärts).

Im Sinne des österreichischen Reglements geschieht die Vorbewegung von Anfang im Schnellschritte, von etwa 100 Schritt an in energischem Laufe; im Sinne des deutschen im Sturmschritte und erst auf das auf angemessene Entfernung erfolgende Commando Marsch-Marsch-Hurrah" im Laufe; im Sinne des russischen wird erst die letzte Minute gelaufen.

Die Deutschen und die Russen fällen während des Sturmes das Gewehr: alle drei Infanterien pflanzen das Bajonet, die deutsche hat hiefür ein eigenes Signal. Wir sind der Ansicht, dass es wohl gut wäre, mit dem Laufen solange zurückzuhalten, wie es die drei Reglements verlangen, dass dies aber kaum zu erreichen sein wird, denn vom Führer bis zum furchtsamsten Manne herab wird in diesen letzten Momenten Alles nur von dem Drange nach Entscheidung, nach dem Schlusse dieser furchtbaren Tragödie beseelt und dies wird Alles mechanisch zum Laufen bringen.

Das Schlagen und Blasen der Spielleute, das Hurrah-Geschrei ist jetzt sehr zweckmässig; es wirkt einschüchternd auf den Vertheidiger, betäubend auf den Angreifer und der Angreifer hat Betäubung in diesem letzten Acte, der sich nicht geändert hat, seit Menschen die Waffen führen, höchst nothwendig.

ad 4. Die Massregeln gegen attakirende Cavallerie.

Alle drei Reglements verlangen, dass nur jene Theile der Schwarmlinie, welche durch die Attake directe bedroht sind, die Gegenmassnahmen treffen, erörtern, dass der Cavallerie die Entwicklung einer möglichst grossen Zahl von Gewehren am gefährlichsten ist, dass daher sowohl von Seite der Schwarmlinie als auch von Seite der geschlossenen Abtheilungen nur solche Formations-, beziehungsweise Frontveränderungen stattzufinden haben, welche dies begünstigen.

Nur das deutsche Reglement hat die Carré-Formation für besondere Fälle beibehalten, z. B. wenn die Truppe sich verschossen hat, die Haltung derselben durch vorangegangene verlustvolle Gefechte erschüttert ist, ein Rückzug in der Ebene ausgeführt werden muss.

Das österreichische und das russische Reglement empfehlen gegen Cavallerie Salven auf kurze Entfernungen, das deutsche Magazinfeuer. Mögen die Infanterie-Reglements noch so überzeugend ihrer Waffengattung zurufen, wie wenig sie, wenn sie kaltes Blut bewahrt, vom Reiterangriffe zu fürchten hat, der Eindruck desselben bleibt doch ein so mächtiger, dass aus dem Salvenfeuer auch einer gut disciplinirten Infanterie bald ein Schnellfeuer werden wird.

Das russische Reglement macht jedem Befehlshaber zur Pflicht, wenn er eine mit der Attake drohende Bewegung der feindlichen Reiterei

bemerkt, das Signal „das Ganze" geben zu lassen. Im deutschen Reglement ist eine der russischen analoge Bestimmung nicht zu finden, das österreichische bestimmt ausdrücklich, dass die Führer einschliesslich der Bataillons-Commandanten die Annäherung der Cavallerie mündlich avisiren.

Ich finde die Bestimmung des russischen Reglements ganz zweckmässig, das mündliche Avisiren aber oft undurchführbar.

ad 5. Die Mittel, deren man sich zur Befehlsgebung und Vermittlung zu bedienen hat.

Wir haben aus der Darstellung ersehen, dass alle drei Reglements verlangen, dass die ersten Dispositionen wo thunlich vor den persönlich versammelten Unter-Commandanten ertheilt werden.

Für die späteren Phasen kennt das österreichische zur Befehlsgebung während des Gefechtes:

1. Die Signale „Sturm", wo jedes Missverständnis ausgeschlossen, ,,Feuereinstellen" und Vergatterung", dann Anruf-Signale für selbstständig auftretende Truppenkörper zum Anrufen einzelner detachirter Abtheilungen.

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2. Die Signalpfeife zum Feuereinstellen wiederholter Pfiff und zum Anrufen eines Einzelnen (einer Abtheilung) ein kurzer, schriller Pfiff. 3. Säbelwinke: senkrechtes Erheben und darauf folgendes rasches Senken für den Beginn und die Einstellung der Bewegung.

Reichen diese Mittel nicht aus, so sind Befehle durch Adjutanten oder Ordonnanzen zu übersenden.

Ähnlich sind die Bestimmungen der beiden anderen Reglements; hervorzuheben ist, dass die Deutschen für das Aufnehmen des Bajonetes ein eigenes Signal haben, dann dass die Russen auch die Signale Reserve" und „Vorwärts" während des Gefechtes anwenden.

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Es steht fest, dass das Hin- und Hersprengen der Adjutanten im Gefechte zu den grössten Seltenheiten gehören wird. Fälle ausgenommen, wo der Commandant ein Missverständnis bemerkt, welches den. Gang des Gefechtes in unbeabsichtigte Bahnen zu lenken droht, und er kein anderes Mittel sieht, als das, seinen Adjutanten zu opfern —, wird die Thätigkeit des Adjutanten als Befehlsüberbringer schon auf 1.000 Schritte aufhören.

Von da an bleibt auch nur wenig zu befehlen.

Ein Infanterie körper, der mit der Angriffstechnik vertraut ist, wird, wenn er zum Angriffe richtig angesetzt wurde, diesen Kampf selbstthätig durchführen; er gleicht dann einem Torpedo, der richtig lancirt, den Widerstand durchbricht oder selbst zerschellt.

Hat der Commandant dieses Infanteriekörpers seine erste Disposition ertheilt, so wird sein fernerer Einfluss auf den Gang des Gefechtes meist darin bestehen, dass er die Verstärkungen für die

Organ der Milit.-wissenschaftl. Vereine. XL. Band. 1890.

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vordere Linie rechtzeitig aus der Tiefe nachschiebt und den Sturm rechtzeitig anbefiehlt.

Zur Befehlsgebung innerhalb der Compagnien und Bataillone aber wird der Pfiff und der Säbelwink genügen.

Das Jahr 1889 hat der Infanterie zweier Grossmächte, Deutschlands und Österreich-Ungarns ein neues Reglement gebracht.

Diese Reglements sind schon unter dem Einflusse jenes einzigen, betreff des Repetirgewehr-Feuers schon jetzt feststehenden Schlusses geschrieben, dass dasselbe in viel höherem Grade auflösend wirken wird als dasjenige des Einzelladers und man dementgegen die höchstmögliche Steigerung der Mannszucht, die Frucht einer drakonisch strengen Exercierschule entgegenstellen müsse.

Aus den beiden gedachten Reglements spricht die klare Erkenntnis, dass das Zauberwort, das die Infanterie zum Siege führt, mehr als je zuvor Ordnung, Ordnung und wieder Ordnung heisst.

Ich bin zu Ende.

Ich fühle mich nicht berufen, ein Endurtheil über die Güte der den Angriff behandelnden Vorschriften der drei Reglements zu fällen. Im Kriegswesen ist der Erfolg das einzig giltige Endkriterium. Hoffen wir, dass unser Reglement mit seiner eingehenden und wie es mir scheint vortrefflichen Behandlung der Technik des Angriffes dieses Kriterium besteht, indem es eine Infanterie heranzieht, welche den harten Aufgaben, die ihrer in einem zukünftigen grossen Kriege harren, gewachsen ist, eine Infanterie, die, richtig verwendet, auch schlägt was sie angreift.

S. K.

Über den Lehrplan der Infanterie-Cadetenschule und die Ergänzung des Lehrkörpers.

Von J. Raschendorfer, k. u. k. Hauptmann.

Nachdruck verboten.

Übersetzungsrecht vorbehalten.

Es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden, dass überhaupt im Kriege vor allen Dingen das moralische Element den Ausschlag gibt, und dass daher, um dasselbe zu erwecken, zu fördern und zu heben, die Kenntnis des menschlichen Herzens und Gemüths eine unerlässlich nothwendige Eigenschaft jedes Officiers ist."

Meckel: Lehrbuch der Taktik".

Unsere Infanterie-Officiere, die Lehrer und Erzieher des Soldaten der Hauptwaffe, seine unmittelbaren Führer und Kampfgenossen, gehen zum grössten Theile aus den Cadetenschulen hervor. Deshalb verdient Alles, was diese Schulen betrifft, das grösste Interesse.

Es hat sich das Bedürfnis der Revision des Lehrplanes der Cadetenschulen geltend gemacht. Diese überaus wichtige Frage wurde in letzterer Zeit nicht nur in militärischen Blättern erörtert, sondern war auch Gegenstand von Verfügungen des Reichs-Kriegs-Ministeriums.

Die Aufgaben des jungen Infanterie-Officiers im Frieden wie im Kriege erheischen gewiss gut entwickelte Seelenkräfte in weit höherem Grade als militärisches Wissen.

Das letztere hat er sich in grösserem Masse erst zu erwerben, nachdem er schon Officier geworden. Zwischen der Schule und diesem Zeitpunkte liegen noch die Cadetenjahre.

Somit erscheint die Aufgabe des Lehrplanes der Cadetenschule genau gegeben. Derselbe hat vor Allem für die Stärkung, für die ebenso kräftige wie harmonische Entwicklung von Verstand und Gemüth des künftigen Officiers zu sorgen; militärisches Wissen darf und muss er soweit vermitteln, als dieser oberste Zweck nicht beeinträchtigt wird. Auf militärische Erziehung aber hat das Bestreben aller Lehrer gerichtet zu sein.

Von dieser Tendenz ist, soweit nur möglich, bei jedem Gegenstande und bei dem pädagogischen Regime der Anstalten auszugehen.

Die praktische Routine für den täglichen Dienst erwirbt sich dann bald der Cadet; nach höherer Ausbildung strebt er als Officier.

Somit werden in der Cadetenschule die Hauptmasse des Unterrichtes deutsche Sprache und Mathematik bilden müssen. Der Sprachunterricht setzt gleichmässig die Verstandes- und Gemüthskräfte in Thätigkeit und vergrössert am meisten die Summe der allgemeinen Begriffe, welche wohl gleichbedeutend mit „allgemeiner Bildung" ist; Algebra und Geometrie aber (von der darstellenden Geometrie das unbedingt Nothwendige rechtzeitig angeschlossen), richtig betrieben, stärken nicht nur wesentlich die Denkkraft und lehren denken, sondern sind auch die unentbehrliche Grundlage für militär-technische Wissenszweige. Den letzteren wäre möglichst viel als Anwendungsbeispiel im mathematischen Unterrichte zu entnehmen.

Diese Hauptfächer, denen mindestens in den ersten zwei Jahren täglich ein Unterricht zufallen sollte, hätten durch alle vier Jahre zu begleiten Geographie und Geschichte, ohne Zahlen-, Namen- und Detailwust, sondern Begriffe erzeugend (allgemeine und militärische), und als Vorbereitung für Kriegsgeschichte und sogar Strategie; Terrainlehre als Hauptbestandtheil des graphischen Unterrichtes in Verbindung mit Freihandzeichnen, in welchem nichts zu erstreben wäre, als richtige perspectivische Auffassung; und schliesslich französische Sprache als Grundlage für den späteren Ausbau und um den nöthigen Fremdwörterschatz zu vermitteln.

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Was nun ausserdem der Lehrplan an militärischem Fachwissen aufzunehmen hätte, müsste auf das zulässigste Minimum reducirt, in möglichst wenig Fächer zusammengefasst und stets an rechter Stelle organisch angefügt werden etwa als Waffenlehre und formelle Taktik" im dritten, als „Fortifications-Unterricht" (das Unentbehrliche aus Pionnierdienst, Befestigung und Festungskrieg) und angewandte Taktik" im vierten Jahrgang. Und in diesem letzten Jahrgang ist auch die Zeit für den ethischen Unterricht des Dienstreglements gekommen.

Die Dienstvorschriften für die Verwendung des Cadeten bei der Truppe können nur eine organische Fortsetzung des Lehrplanes sein.

Administration und Organisation hätten in der Schule füglich zu entfallen. Die erstere wird der Cadet besser in der CompagnieKanzlei als in der Schule lernen. Die letztere drängt sich als Wahrnehmung auf, soweit ihre Kenntnis dem Truppen-Officier nothwendig ist, und wird auch leicht in der Taktik gelehrt.

Die Kenntnis der Regimentssprache ist gewiss dem Officier ganz unentbehrlich. Lernt er sie aber in der Schule? Es ist dies eine zweite fremde Sprache als Unterrichtsgegenstand, und das erfolgreiche Studium einer einzigen erfordert continuirliche, tägliche

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