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gedenke ich in unserem Zusammenleben und Zusammenwirken auf ihn zurückzugreifen. Heute will ich nur ein Moment herausheben, das mir als das wichtigste sich darstellt.

Die Erstürmung der Tamega-Brücke ist nicht bedeutsam unter den grossen Actionen jener grossen Zeit. An den Ausgang dieser Unternehmung knüpfen sich nur für die an ihr unmittelbar Betheiligten wichtige Folgen; dennoch verspüren wir auch in ihrer Betrachtung einen Hauch jenes kühnen Geistes, welcher die Heerhaufen Napoleon's erfüllte. Wir erkennen in Plan und Ausführung eine Probe jener künstlerischen Auffassung des militärischen Problems, die auf dem Schlachtfelde von Austerlitz ihren höchsten Triumph gefeiert hat und die allezeit sieghaft war und sein wird über das rohe Handwerk im militärischen Beruf. Nur die Kunst vermag das unmöglich Scheinende möglich zu machen!

Die künstlerische Auffassung bedarf auf militärischen wie auf allen anderen Gebieten der Weckung, Förderung und Entwicklung. So eigenartig das militärische Problem an sich ist, nichts Menschliches ist ihm fremd, es steht im innigsten Zusammenhang mit der ganzen Entwicklung des menschlichen Geistes. Der künstlerische Sinn wird in uns Soldaten geweckt, gefördert und entwickelt, wenn wir unseren Blick auf künstlerische Production richten, wann und wo immer es sei. Wir lernen Kostbares für unsere Kunst in der geistreichen Mache eines gehaltvollen Buches, im zielbewussten Aufbau einer bedeutenden Rede, in formvollendeten Darstellungen im Schauspiel- und im Opernhause, im Atelier des Malers, Bildhauers und Architekten, am Operationstisch des Chirurgen, - allüberall, wo der Mensch virtuos auftritt, wo das Herz sich veredelt und der Geist sich erweitert und verklärt.

Jede solche Gelegenheit zu nützen, sei uns heilige Pflicht! Denn Jeden von uns kann der kommende Tag auf einen Posten stellen, auf welchem das Mass unseres Könnens über unabsehbare Folgen entscheidet. Die Erstürmung der Tamega-Brücke ist eben auch nur ein Beleg für die alte Wahrheit, welche einer der gebildetsten und erfahrensten Soldaten der Neuzeit, Feldmarschall Johann Mathias Reichsgraf von der Schulenburg in einem Briefe vom 25. Juli 1708 in dem Satze verkörpert:

„Glauben Sie mir, der Erfolg der grössten Actionen, das Schicksal der Reiche, ja selbst das von Europa liegt oft in den Händen der Subalternen. Es sind die guten Oberste, die Abtheilungs- und Unterabtheilungs-Commandanten, welche in den meisten Fällen das Glück solcher Tage herbeiführen."

Deutsche Feld-Artillerie.

Vortrag, gehalten im Wiener Militär-wissenschaftlichen und Casino-Verein am 7. Februar 1890, von Hauptmann Joseph Schubert des Artilleriestabes.

Nachdruck verboten.

Übersetzungsrecht vorbehalten.

Material.

Kurze Zeit nach dem deutsch-französischen Kriege erhielt die preussische Feld - Artillerie an Stelle ihrer, kaum zehn Jahre im Dienste gestandenen Hinterladgeschütze (im Feldzuge 1866 war ein Viertel der Feld-Batterien noch mit glatten Geschützen ausgerüstet) ein neues, wirkungsfähigeres Geschützsystem, welches zur Stunde noch zur Bewaffnung der gesammten deutschen Feld-Artillerie dient.

Eine eingehende Beschreibung dieses Geschützsystems kann ich umsomehr unterlassen, als dasselbe in grossen Umrissen das Vorbild für unser, zwei Jahre später geschaffenes Feldgeschütz-Material M. 1875 wurde. Ich will mich daher hier nur darauf beschränken, die wichtigeren Merkmale anzuführen, in welchen diese beiden Geschützsysteme sich unterscheiden. und dann jene Bestrebungen erwähnen, welche in Deutschland seit Einführung der Feldgeschütze C/73 ununterbrochen fortgeführt worden sind, um die Wirkungsfähigkeit derselben zu erhöhen, und so die Feld-Artillerie zu befähigen, den erhöhten Forderungen, welche im Laufe der Jahre an dieselbe gestellt worden sind, entsprechen zu können.

Die Geschützrohre der deutschen Feld-Artillerie sind im Kaliber etwas grösser als die correspondirenden Rohre der k. u. k. FeldArtillerie 1) und aus Krupp'schem Gussstahl hergestellt. Ohne die ganz vorzüglichen Eigenschaften desselben als Rohrmaterial zu unterschätzen, muss doch zugegeben werden, dass Stahlrohre den schädlichen Einflüssen der Witterung in höherem Grade unterworfen sind als Bronzerohre; insbesondere erfordern der Verschluss und namentlich die Liderungsbestandtheile eine sehr sorgfältige Behandlung, welche ihnen im Felde nicht immer in genügendem Masse zugewendet werden dürfte. Die Erkenntnis dessen mag auch mit beigetragen haben, dass in den

1) In Deutschland 8.8cm und 7.85cm, in Österreich-Ungarn 87cm und 7.5cm; inzwischen wurde bei der deutschen Feld-Artillerie das leichte Kaliber ganz ausgeschieden und bestehen nur schwere Feldkanonen C/73 und C/73.88 mit gleicher Munition und gleichen Schusstafeln.

letzten Jahren die stählernen Abschlussringe der deutschen Feldgeschütze allmählich durch solche aus Kupfer, deren Unempfindlichkeit und Güte der österreichischen Artillerie zur Genüge bekannt sind, ersetzt worden sind.

Noch in einer Eigenschaft stehen Stahlrohre jenen aus Bronze nach: das ist bezüglich der Zähigkeit deren Wert eben darin besteht, dass Überanstrengungen bei Bronzerohren sich durch Ausbauchungen kundgeben, während Stahlrohre in diesem Falle in Trümmer gehen. Diese höchst schätzenswerte Eigenschaft der Bronze wird voraussichtlich bei den neuen Schiesspräparaten zu noch grösserer Bedeutung gelangen.

Für beide Rohrkaliber besitzt die deutsche Feld-Artillerie : eine Laffetengattung und die bei dieser Laffete angewendeten Achsea und Räder finden bei allen anderen Fuhrwerken der Batterien, d. i. bei den Protzen, Munitionswägen, Vorrathswägen und der Feldschmiede Anwendung.

Aus dieser Anordnung ergibt sich naturgemäss eine grosse Eisfachheit bezüglich der in den Batterien und in den Reserve-Anstalte mitzuführenden Vorrathsstücke; dagegen muss der Nachtheil in de Kauf genommen werden, dass das leichte Kaliber unnöthigerweise an Beweglichkeit einbüsst, da die Laffeten in allen ihren Theilen da grösseren Anforderungen des schwereren Kalibers entsprechen müsse. daher für das leichte Kaliber übermässig schwer sind.

Das schwerere Kaliber ist für die Bewaffnung der fahrender. das leichte Kaliber ausschliesslich für die reitenden Batterien bestimmt Die Laffeten der reitenden Batterien unterscheiden sich von jenen der fahrenden Batterie nur dadurch, dass bei denselben die Achssit fehlen. Die Zuglast für jedes Pferd beträgt beim complet gepacktet Geschütze der deutschen reitenden Batterien 300kg, demnach un 40kg mehr als bei unseren reitenden Batterien.

Die Belastung bei den fahrenden Batterien ist ziemlich di gleiche wie bei unseren schweren Batterien. (395kg dort, 385kg hier.

Es besteht überhaupt bei der deutschen Artillerie in der Gesammtbelastung der schweren und der leichten Geschütze kein wesentlicher Unterschied, da die Laffeten gleich schwer sind. und die Rohre, welche im Kaliber nicht so verschieden sind wie di österreichischen Rohre, im Gewichte nur um etwa 100kg differirer Es stehen daher in Deutschland dem Übergange zu einem Einheit kaliber bei der Feld-Artillerie, wie derselbe mehrfach in Broschüre angeregt worden ist, und in Russland bezüglich des 8.7cm Kalibers auch schon besteht, keine wesentlichen Schwierigkeiten entgegen). Di

1) Ist auch bereits geschehen.

Vortheile, welche sich aus der Verwendung einer einheitlichen Munition bei sämmtlichen Feldgeschützen der Armee ergeben würden, sind die gleichen, wie bei einer einheitlichen Munition für Handfeuerwaffen.

An den Laffeten der deutschen Feldgeschütze war ursprünglich nur eine Kartätsche verwahrt, während eine zweite Kartätsche unterhalb des Protzkastens fortgebracht worden ist. In letzter Zeit wurde. nun auch diese zweite Kartätsche an der Laffete untergebracht, so dass nunmehr die beim Geschütz überhaupt vorhandenen Kartätschen in nächster Nähe zur Hand sind.

Diese Massnahme steht wohl im Widerspruche mit der, namentlich in französischen Journalen vertretenen Anschauung, dass es heutzutage überflüssig sei, Kartätschen noch ins Feld mitzuführen; einerseits mit Rücksicht auf den geringen Verbrauch dieser Geschossart in den letzten Feldzügen '), andererseits, weil vortempirte Shrapnels mit mehr Erfolg zur Abwehr directer Angriffe verwendet werden können.

Werden auch in zukünftigen Kriegen die Gelegenheiten zum Kartätschenschiessen nicht so häufig sich ergeben als ehemals, so erscheint doch ein gänzliches Verzichten auf Kartätschen nicht rathsam, weil das taktische Bedürfnis besteht, den Raum bis an die Mündung heran mit Streugeschossen beherrschen zu können. Dies ist aber mit Shrapnels nicht möglich. Werden diese selbst auf Null tempirt verschossen, so ist doch zum Functioniren des Zünders, zum Ausbreiten der Sprengpartikel eine gewisse Zeit erforderlich; es werden sich daher erst in einer entsprechenden Entfernung vor der Mündung ähnliche Verhältnisse ergeben wie beim Kartätschenschuss. Der Kartätschenschuss, im rechten Augenblicke angewendet, gibt noch immer Hoffnung, einen überraschenden Angriff, namentlich von Seite der Cavallerie, selbst in nächster Nähe von der Batterie abzuwehren. Der Kartätschenschuss hat für die Feld-Artillerie etwa noch denselben Wert, wie das Bajonet für den Fusssoldaten; doch müssen die Kartätschen ebenso zur Hand sein, wie das Bajonet, sonst sind sie wohl nur Ballast. Dieser Forderung entspricht bei der gegenwärtigen Aufstellung der Protzen im Gefechte nur das Fortbringen der Kar

tätschen an der Laffete.

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Zahlreich sind die Änderungen, welche an der Munition vorgenommen worden sind.

Die erste Ausrüstung der Feldgeschütze C/73 bestand aus doppelwandigen Granaten, aus Shrapnels und Kartätschen C/73.

1) Die russische Feld-Artillerie verbrauchte im Jahre 1877/78 auf dem europäischen Kriegsschauplatze 417 9pfündige und 614 4pfündige Kartätschen, d. i. für jedes Geschütz 23, für jede 4pfündige Kanone je eine Kartätsche.

Granaten und Shrapnels hatten Hartbleimäntel, erstere einen Zünder mit Vorstecker ähnlich wie unsere Hohlgeschosse M. 1861. letztere einen Percussionsringzünder mit einer bis 2.500m reichenden Tempirscala.

Im Jahre 1876 wurden die doppelwandigen Granaten durch Ringgranaten nach österreichischem Muster ersetzt: die Bleiführung wurde aber noch beibehalten.

Im Jahre 1880 wurden die Granatzünder durch einen neuen Percussionszünder ohne Vorstecker ersetzt: derselbe wird getrennt vom Geschosse verpackt und erst unmittelbar vor dem Laden in die Granate eingeschraubt: hiebei muss sich noch der Geschützführer durch Schütteln des Zünders überzeugen, ob derselbe ladesicher ist. Eine derartige Einrichtung würde sich gewiss nicht des Beifalls unserer Feld-Artillerie erfreuen, zumal das Hohlgeschossfeuer durch das Herrichten der Geschosse viel von seiner Einfachheit verliert und Blindgeher wegen Nichteinsetzens des Zünders in der Hitze des Gefechtes möglich sind.

Auch die Shrapnels sind nur im theilweise adjustirten Zustande verpackt, da die Zündschrauben wie bei den älteren Shrapnelzündern unserer Festungsgeschütze, erst unmittelbar vor dem Laden eingesetzt werden.

Im Jahre 1882 wurde die Hartbleiführung aufgegeben und Granaten und Shrapnels wurden mit Kupferringen, ähnlich wie dies bei Geschossen unserer Feld-Artillerie der Fall ist, versehen.

Die Einführung der kupferberingten Geschosse hatte zur Folge, dass auch die Geschützaufsätze durch neue, C 82, ersetzt werden mussten.

Im Jahre 1883 wurde dem sich allmählich geltend machenden Bedürfnisse, den Wirkungsbereich des Shrapnelschusses zu erweitern. durch Annahme eines neuen Shrapnelzünders, mit einer bis 3.500m reichenden Tempirscala Rechnung getragen; das Einsetzen der Zündschraube vor dem Laden wurde auch bei diesem Zünder beibehalten.

Ich glaube hier, zur Aufklärung des Umstandes, warum die deutsche Feld-Artillerie die Geschosse nicht im schussfertigen Zustande transportirt, erwähnen zu müssen, dass die Geschosse in den deutschen Munitionsfuhrwerken stehend verpackt sind, während bei uns die Geschosse horizontal gelagert sind.

Durch die horizontale Lagerung der Geschosse ist die Deformation jener Zünderbestandtheile, welche die absolute Sicherheit beim Transporte, beim Laden und Abfeuern, also das Auseinanderhalten der Zündnadel und Zündkapsel gewährleisten sollen, bei unserem Hohlgeschosszünder, wie ausgedehnte Fahrversuche ergeben haben, vollkommen ausgeschlossen. Die deutsche Feld-Artillerie dürfte bei der

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