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dann wieder nur 20 bis 30 Schritte (Garde bei Le Bourget, Angriff des 52. Regiments bei Flavigny, der 38. Brigade bei Mars la Tour, der Sachsen bei St. Privat, der Franzosen bei Coulmiers). Besonders mühsam und in kurzen Absätzen geschah das Vorwärtsringen des 3. Corps südlich Rezonville, der Truppen östlich der Mance-Schlucht, des 9. Corps gegenüber Amanvilliers, der Garde nach dem ersten Stillstande 600 Schritt gegenüber St. Privat etc. Im Karstlande der Zagorje, der Crivošcie und von Montenegro wird selbst unter günstigen Verhältnissen keine Unterabtheilung Sprünge von 100 Schritten vollbringen können.

Lassen wir daher das Reglement gelten: Der Sprung geht von Deckung zu Deckung; die Länge hängt vom Terrain, vom GefechtsVerhältnis und vom Kräftezustande der Mannschaft ab.

Was die Darstellung über Ausführung des sprungweisen Vorgehens sagt, ist für den Exercierplatz sehr gut erdacht.

Bei weiterem Vorgehen von der Distanz, wo die Feuerüberlegenheit gewonnen wurde, kann nach der Darstellung das sprungweise Vorgehen aufgegeben und das Ganze in zwei, drei Absätzen in die letzte Feuerstellung vorgerissen werden.

Die letzte Feuerstellung nimmt der Verfasser auf 150 bis 200 Schritte vom Gegner an.

Über diese Annahme wollen wir nicht rechten; darüber wird erst der nächste Krieg Aufschluss geben. Der allgemeine Eindruck der Kämpfe der letzten Feldzüge ist, dass es selten zu so naher Feuerdistanz kam. Der Vertheidiger räumte seine Stellung meist schon früher, oder der Angreifer kehrte noch auf weitere Entfernung vom Gegner um. Dass in diesem Stadium des Vorrückens das sprungweise Vorgehen aufhöre, scheint uns aber keine auf unser Reglement basirte Meinung zu sein.

Es dürfte auf so naher Distanz, unter dem jetzt zu furchtbarer Wirkung gesteigerten Feuer des Gegners kaum gelingen, einen namhaft breiteren Theil der Schwarmlinie vorzureissen, als die Breite der hiezu anrückenden geschlossenen Abtheilung beträgt. Der Rest bleibt liegen und feuert weiter, bis auch dort eine, oder einige Minuten später, knapp hinter den Schiessenden das „Feuereinstellen vorwärts!" erschallt. Mittlerweile hat sich der zuerst vorgestürmte Theil schon wieder niedergeworfen und schiesst. Das wird sich, bei aller Energie, aller Schneidigkeit der Officiere und beim besten Willen der Mannschaft bis auf die angestrebte Distanz von 150 bis 200 Schritte vom Gegner noch öfter wiederholen. Wir glauben also, dass das Vorgehen trotz aller Entschiedenheit doch ein sprungweises sein wird. Der unaufhaltsame Drang nach vorwärts wird sich darin zeigen, dass die durch die Schwierigkeit des Terrains (z. B. bergan), die

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Organ der Milit. wissenschaft, Vereine. XL. Band. 1890.

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Athemlosigkeit und die furchtbaren Verluste unterbrochene - Vorwärtsbewegung durch neu eingreifende Abtheilungen immer wieder aufgenommen wird.

In dieser Nähe vom Feinde ist, soweit uns bekannt, während des ganzen Feldzuges 1870/71 kein Angriff mehrere hundert Schritt lang, im ununterbrochenen Vorgehen geblieben wenn der Vertheidiger aushielt. Siehe z. B. die wirklich tollkühnen Angriffe des französischen linken Flügels auf Beaune la Rolande.

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,,Hat aber der Gegner die Stellung geräumt", heisst es Seite 93 weiter, bedeutet daher der nachfolgende Sturm nur die thatsächliche Besitzergreifung der feindlichen Stellung, so kann der Sturm auch von einer grösseren Distanz aus ausgeführt werden."

Dazu ist nur zu bemerken, dass - wenn der Gegner die Stellung geräumt hat ein Sturm" wohl überhaupt entfallen kann und Alles, wie es ist, bis zum Ausschusse nacheilen wird.

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Bei Darstellung des Sturmes wird gesagt, dass nach dem österr. Reglement etwa von 100 Schritten an der energische Lauf beginne.

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Auch diese Ziffer scheint uns etwas willkürlich hingesetzt. Punkt 281 des Reglements sagt, dass im geeigneten Momente" der Commandant das Hurrah" rufe, worauf sich Alles im energischen Anlauf auf den Feind wirft. Beim Anlauf der Compagnie, Punkt 362, ist bezüglich des Zeitpunktes des „Hurrah" gar Nichts bemerkt und im Punkt 529 heisst es wieder im geeigneten Momente." Allerdings ist bei Punkt 281 bemerkt: „bei Übungen ruft der Zugs-Commandant 80 bis 100 Schritte vom Gegner Hurrah!"

Diese Ziffer wird nun, wie so manche ähnliche, ohne Weiteres auf das Gefecht übertragen, um das Angriffsmodell für den beabsichtigten Vergleichszweck besser ausgestalten zu können. Dass aber damit dem Sinne des Reglements nicht ganz entsprochen wird, braucht keinem aufmerksamen Leser desselben gesagt zu werden. Hätte das Reglement eine Ziffer hier und an anderen Orten geben wollen, so würde es z. B. im Punkt 281 heissen: „auf 100 Schritte vom Feinde wird "Hurrah" gerufen", oder: „in der Regel wird auf 100 Schritte vom Feinde „Hurrah" gerufen".

Die Ziffer 80 bis 100 ist nur für Fälle gegeben, wo die Einwirkungen des Ernstes, welche die Distanz für das „Hurrah" fast in jedem Falle ändern werden, fehlen für Übungen des Friedens und für nichts anderes.

Die Anordnung des Exercier-Reglements, dass die Annäherung feindlicher Reiterei ohne Hornsignal avisirt werde, findet der Verfasser oft undurchführbar", das russische Signal: „Das Ganze" dagegen ganz zweckmässig.

siehe

Das Signal „Reiterei" besteht auch bei uns noch Seite 211 des Reglements; die Einschränkung im Gebrauche desselben aber kann nur gutgeheissen werden.

Punkt 555 des Reglements enthält die aus der Erfahrung des Ernstfalles geschöpften, kaum widerlegbaren Gründe dieser Bestimmung.

Am Schlusse sei ein glückliches Gleichnis des Verfassers citirt: „Ein Infanteriekörper, welcher zum Angriffe richtig angesetzt wurde, gleicht einem Torpedo, der richtig lancirt, den Widerstand durchbricht oder selbst zerschellt."

Wir haben im Vorstehenden den Aufsatz „Der Infanterie-Angriff im Lichte des österreichischen, deutschen und russischen Reglements" ohne jede Voreingenommenheit mit unseren Bemerkungen begleitet. Der Grund dafür ist das hohe, fast möchten wir sagen das leidenschaftliche Interesse an der Sache, nichts Anderes!

Der Aufsatz ist unseres Wissens einer der ersten, welcher die Auffassung, die das neue Exercier-Reglement in einem Theile unserer Fusstruppe gefunden hat, öffentlich zum Ausdruck bringt.

Offenbar hat nur der Wunsch, ein fixes Vergleichsmodell gegen das deutsche und russische Reglement zu gewinnen, den Verfasser veranlasst, sich vorwiegend an die Ziffern und Formen des neuen Reglements zu halten und diese seinem Zwecke entsprechend zu gruppiren. Aber dieses so entstandene Angriffsmodell ist nach unserer Auffassung dem Geiste des neuen Reglements fremd. Und gerade in solchen schematisirenden Darstellungen liegt die Gefahr der Verleitung zur Schablone, die ja der Verfasser selbst entschieden perhorrescirt.

Würde sich durch ähnliche Publicationen in der Fusstruppe einmal die Meinung verbreitet haben, dass das Reglement ein Schema. für eine Kampfart festsetze oder auch nur dulde, dann wäre all' die feine Geistesarbeit des Reglements für Viele umsonst gethan worden. Gar Mancher würde dann nur die Formen und Ziffern desselben studiren und den Rest als Ballast betrachten. Das würde aber einen grossen Nachtheil, geradezu eine Stagnation für unsere Infanterie bedeuten.

Das neue Reglement ist durch die übersichtliche Anordnung, die Klarheit und durch die in einfachster Form geschriebenen Sätze der Erfahrung und Weisheit geeignet, zum Gemeingut aller, selbst der untersten Führer der Fusstruppe zu werden. Nur möge jetzt, in den ersten Monaten nach dem Erscheinen, das unbefangene Urtheil der Masse nicht in falsche Bahnen gelenkt werden. Deshalb sahen wir es mit geheimer Freude, dass über das neue Reglement bisher so wenig in die Öffentlichkeit drang und man wird nun auch das Unbehagen erklärlich finden, das uns der vorstehend besprochene, gewiss bestgemeinte Aufsatz verursachte.

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Das neue Reglement ist, so wie wir es verstehen, darnach geartet, einen wesentlichen Fortschritt in der Ausbildung unserer Fusstruppe zu den Gefechts-Erscheinungen des Ernstfalles heranzuerziehen. Nach und nach so hoffen wir wird man dessen allgemein inne werden. Nach und nach deshalb, weil nur intensives Studium des Reglements, verbunden mit dem Studium von Detailkämpfen der jüngeren Kriegsgeschichte und begleitet von praktischer Ausübung des Studirten bei der Truppe erkennen lässt, welchen Schritt zur Wahrheit, nämlich zur Darstellung des der Wirklichkeit möglichst nahe kommenden Gefechtsganges, wir mit diesem Reglement gemacht haben, wie manche lästige oder schädliche Illusion es über Bord geworfen hat! Wir begnügen uns, beispielsweise die Zurückhaltung hervorzuheben, mit welcher das Reglement die Festsetzung von Formen und Ziffern für das Gefecht behandelt, wie es stets dem Geiste, der Selbstthätigkeit, der Energie der Führung den Spielraum offen lässt, machen aufmerksam auf den vorgeschrittenen Standpunkt, welchen das Reglement dem Vermengen im Gefechte gegenüber einnimmt, womit auch die Punkte über das Sammeln mit unrangirter Mannschaft in Verbindung stehen, weisen auf die Reihe trefflicher Bestimmungen über den Zug nach vorwärts", über das „Zusammenwirken" und über die Angliederung der Reserven im Staffel hinter den Flügeln, ohne damit das Neue und Gute der Neuauflage des Reglements annähernd erschöpft zu haben.

Ob wir nicht ein oder das andere doch ein klein wenig anders, bald bestimmter, bald weniger bestimmt, gewünscht haben würden? Gewiss! Jeder wünscht sich diese, für unsere Berufs-Ausbildung grundlegende Vorschrift nach dem eigenen Temperamente, nach der Summe der eigenen Erfahrung, die er besitzt. Die Wünsche können daher nicht übereinstimmen.

Aber, sobald das Reglement einmal in Gesetzeskraft vor uns steht, verstummen bezüglich Anwendung seiner Grundsätze alle persönlichen Ansichten. Und so wollen wir denn diesem Reglement aufrichtigen Herzens den Wunsch mit auf den Weg geben: es möge gelesen, studirt, geliebt werden! Es möge durch seine Ausleger auf seinem hohen geistigen Niveau erhalten, nicht herabgedrückt werden, es möge unsere Fusstruppe durch richtiges Verstehen dieses neuen Reglements alte Fehler ablegen und vergessen lernen, damit nicht Goethe's Wort wahr werde:

Neuer Wahrheit ist nichts schädlicher, ale -"

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Die Manöver des 12. Corps am 9., 10., 11. und 12. September 1889 in dem Raume zwischen Mediasch und Hermannstadt.

(Zu benützen: Generalkarte 1: 300.000, Blätter N, Hermannstadt, 0, Kronstadt; Specialkarte 1: 75.000, Blätter: Zone 21, Colonne XXX, XXXI, dann Zone 22, Colonne XXX, XXXI.)

Hiezu die Tafeln 6 und 7.

Nachdruck verboten.

Übersetzungsrecht vorbehalten.

Die Manöver-Leitung führte der Commandant des 12. Corps und commandirende General in Hermannstadt, Seine Excellenz FML. Anton Freiherr von Szveteney de Nagy-Ohay.

Der Manöver-Leitung waren beigegeben:

Oberst und Generalstabs-Chef Camillo Ritter von Gunesch,
Major Alois Ritter Zeller von Zellhain,

Hauptmann Carl Křitek,

sämmtliche des Generalstabs-Corps, dann der dem Generalstabe zugetheilte Oberlieutenant Joseph Roth; ferners als

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Schiedsrichter:

Generalmajor Georg Georgevits de Apadia,
Oberst Eduard Babouczek,

Oberstlieutenant Heinrich de Bourcy,

Major Reinhard Stuchlik,

Major Franz Augé,

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