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wohl, dass der österreichische Oberfeldherr mit seinem Antrag zufrieden sein würde.

Der Bevollmächtigte gab ihm nunmehr unter dieser Bedingniss das Wort seines Oberfeldherrn, dass er, weit entfernt ihn fernerhin anzugreifen oder zu beunruhigen, vielmehr Alles, was in seiner Macht wäre, anwenden würde, um seinen Marsch nach Paris zu erleichtern, wenn Dumouriez ihn darum ersuchen sollte.

Hierauf sprach ihm Dumouriez vertraulich von dem Detail seines Marsches nach Paris, las ihm auch ein Schreiben, welches er schon geraume Zeit zuvor an die National-Convention erlassen hatte, zum Beweis, dass er bereits mit ihr im Streite sei; erzählte ihm, dass die Jakobiner, weil er, nachdem er das Möglichste gethan zu siegen, das Unglück gehabt hätte, besiegt zu werden, öffentlich seinen Kopf verlangen; sprach von einer Proclamation, welche er bei seinem Eintritt in Frankreich herausgeben würde, und fiel hiebei wieder auf die erste Constitution und die constitutionelle Königswürde. Der österreichische Bevollmächtigte sagte ihm, dass er sich wundere, wie ein Mann von seinen Einsichten diese fehlerhafte Constitution für gut erkennen möge, und warum er nicht lieber die vorige Ordnung der Dinge proclamiren wolle ?

Dumouriez antwortete, dass dies das sicherste Mittel wäre, sich mit allen seinen Entwürfen zu Grunde zu richten, weil er ohnfehlbar beinahe ganz Frankreich gegen sich haben würde, von welchem er zuverlässig neun Theile für sich, mithin nur den zehnten gegen sich zu haben hoffen könne, wenn er unter Proclamation der Constitution gegen Paris vorrücken würde. Übrigens, fuhr er fort, wisse er wohl, dass diese Constitution ihre Fehler habe; er würde Alles, was er vielleicht vermögen würde, anwenden, solche davon zu reinigen, und vor Allem sein Augenmerk auf die Wiederherstellung des Adels richten, ohne welchen eine wohlgeordnete grosse Monarchie nicht bestehen könne. Der Bevollmächtigte machte ihm auch auf bescheidene Art den Einwurf, ob es nicht zu seiner eigenen Sicherheit nothwendig wäre, österreichische Garnisonen in einige französische Plätze zu legen? Aber Dumouriez erwiederte, dass es Verdacht und Misstrauen in sciner Armee verursachen würde, und dass er überdies nach seinen unwandelbaren persönlichen Grundsätzen jederzeit allen möglichen Schein vermeiden wolle, als ob er durch fremde Mächte gewonnen worden sei, und nicht einzig und allein die Rettung seines Vaterlandes vor Augen gehabt habe. Zudem wäre es gar nicht nöthig, da er sich vollkommen auf die Treue und Anhänglichkeit seiner Armee verlassen könne.

Der Bevollmächtigte sprach ihm freilich noch von dem Wankelmuth der menschlichen Gesinnungen, und wie leicht seine zurückzulassenden Truppen während seiner Vorrückung gegen Paris ihm abtrünnig gemacht werden könnten. Weder er noch die Übrigen (den einzigen General Thouvenot ausgenommen, welcher nicht abgeneigt zu sein schien) wollten aber etwas hievon gelten lassen, und da es kein Mittel gab, den General Dumouriez dazu zu zwingen, so war es am rathsamsten zu schweigen, denn eine ohnmächtige wörtliche Opposition würde am Ende zu nichts weiter gedient haben, als dass Du mouriez sein Wort, Alles zu räumen und sich ohnverweilt bis auf die Grenze zurückzuziehen, hätte widerrufen und uns also aller der höchst wichtigen Vortheile, die wir von seinem Rückzug anzuhoffen hatten, hätte berauben können.

Mithin wurde nur noch bestimmt mit Dumouriez festgesetzt, dass er ohnverweilt sich weiter nach Tournay und von dort, nach gehaltenem Rasttage, am 30. bis auf die französische Grenze zurückzuziehen, und dass man von beiden Seiten einen stillschweigenden Waffenstillstand beobachten würde, dessen Aufhebung nach einer vorhergehenden 24stündigen Aufkündigung sich aber unser Bevollmächtigter ausdrücklich vorbehielt.

Dumouriez hatte bei der Zusage seines alsobaldigen weiteren Rückzuges auf die französische Grenze die Bedingniss gesetzt, dass seine holländische Armee, mit welcher er sonach aus aller Verbindung kommen würde, in jedem möglichen Fall ungehindert bis auf ihre Grenzen sich zurückziehen könnte, und dass man ihr auf ihrem Marsche alle Hülfe, deren sie bedürfe, angedeihen lassen würde, worüber er die feierlichste Zusicherung erhielt.

Hierin besteht das Wesentlichste der ersten Unterhandlung mit dem General Dumouriez, deren grosse und wichtige Vortheile für die Sache, welche den Händen unseres Oberfeldherrn anvertraut war, vielen meiner Leser von selbst einleuchten werden, wovon ich aber dennoch zum Behuf derjenigen, welche vielleicht solche mit minderer Leichtigkeit finden dürften, anführen werde, dass das Wichtigste nichts Geringeres war, als die Räumung der holländischen und niederländischen Plätze mit der anderen Hälfte der Niederlande, wodurch zugleich die österreichische Armee aus der gefährlichen Lage gezogen wurde, in welcher sie durch ihre Schwäche und durch die Ungewissheit, ob und wann Hülfstruppen sich mit ihr vereinigen würden, sich befand, und wodurch man also ohne Schwertstreich in wenigen Tagen erlangte, was nach aller Wahrscheinlichkeit wenigstens etliche Monate Zeit und viele Menschen hätte kosten können.

Sobald nur Dumouriez diesen Marsch rückwärts bis auf die

französische Grenze ohnverweilt in Erfüllung brachte, waren wir schon auf einige Zeit geborgen, selbst wenn Dumouriez treuloser Weise Gesinnungen zu ändern fähig gewesen, oder wenn ein anderer General durch den Convent an seine Stelle gesetzt worden wäre, denn seine holländische Armee wurde nunmehro gänzlich von ihm getrennt, befand sich hiedurch in unserer Gewalt, und diente uns gewissermassen zum Unterpfand, besonders in soferne, dass Dumouriez sich selbst dadurch das unausweichliche Gesetz, sein Wort der freiwilligen Räumung der holländischen Festungen zu erfüllen, auferlegte, weil er im gegenseitigen Fall Rache an seinen auf der holländischen Grenze zurückbleibenden Truppen besorgen musste.

Nicht eine Sylbe von Allem, was verhandelt worden, wurde niedergeschrieben. Alles beruhte auf beiderseitigem Ehrenwort; unser Bevollmächtigter hütete sich sorgfältig, von einem schriftlichen Vertrag Erwähnung zu machen, denn er konnte den General Dumouriez nicht anders als das Haupt einer Partei betrachten, mit welcher er seinen Feldherrn eben nicht in schriftliche Verträge verwickeln wollte. Er besorgte, dass Dumouriez es fordern dürfte; aber er forderte nichts. Warum? wollen wir nicht entscheiden, noch weniger aber argwöhnen, dass er sich dadurch mehr Ausweg, im Fall der Noth die Gesinnung zu ändern, vorbehalten wollte. An eine schriftliche Proclamation des österreichischen Feldherrn für den Dumouriez'schen Einmarsch nach Frankreich wurde gar nicht gedacht.

Dumouriez erfüllte ohnverweilt die Zusicherung seines Rückzuges von Ath nach Tournay, und unser Oberfeldherr setzte nunmehro seine Armee in zweien Colonnen gegen Mons und Tournay in Bewegung. Aber Dumouriez zog nicht, wie er es versprochen hatte, am 30. März von Tournay ab, auch zeigte sich in der Räumung der holländischen Festungen Breda und Gertruydenberg eine etwas bedenkliche Verzögerung. Unser Bevollmächtigter begab sich also am 30. wieder zu Dumouriez nach Tournay und bat um Erklärung. Der längere Aufenthalt zu Tournay wurde durch die Nothwendigkeit einiger Anstalten wegen Aufstellung seiner Armee an ihrer Grenze, die Verzögerung mit den holländischen Festungen aber durch übel expedirte und übel verstandene Befehle auf glaubwürdige Art entschuldigt.

Der Rückzug von Tournay geschah am folgenden Tage, und unsere dahin im Marsch begriffene Colonne rückte dort in der Gegend ein. Wegen Räumung der holländischen Festungen waren allsogleich neue Befehle abzuschicken versprochen worden.

Dumouriez vertraute unserm Bevollmächtigten bei dieser Gelegenheit, dass Convents Commissäre in Anzug wären, welche ihn nach Paris zu liefern den Auftrag hätten, worauf er es aber nicht an

kommen lassen, sondern solche arretiren und an uns ausliefern würde. Er versicherte übrigens neuerdings seine unabänderliche Beharrlichkeit und Entschlossenheit, den guten Fortgang seiner Anstalten zum Marsche nach Paris, welchen er wohl längstens in acht Tagen würde antreten können, und die vortreffliche Stimmung seiner Armee, die er noch mehr durch eine Proclamation, welche er in ein paar Tagen herausgeben würde, sich zu versichern hoffe. An eine Proclamation von Seite des österreichischen Feldherrn wurde annoch eben so wenig als bei der ersten Unterredung gedacht.

Dumouriez lieferte am 1. April die vier Convents-Commissäre und den Kriegsminister wirklich aus, eine Begebenheit, die uns in so ferne nicht unangenehm war, als sie uns von der durch kluges Misstrauen bishero auferlegt gewesenen Besorgniss entledigte, dass annoch die Möglichkeit einer Aussöhnung zwischen ihm und dem Convent Platz greifen dürfte.

Am 2. April schickte er einen Generaladjutanten in unser Hauptquartier nach Mons ab, mit dem Ersuchen, dass der Waffenstillstand längs der ganzen Grenze förmlich kundgemacht werden möchte, wozu man (jedoch immer nur gegen 24stündige Aufkündigung) um so bereitwilliger war, weil der stillschweigende Waffenstillstand ohnehin bereits zu Missverständnissen zwischen den beiderseitigen Vorposten Anlass gegeben hatte.

Am 4. Morgens schrieb der General Valence aus Tournay durch einen Courier an unsern Oberfeldherrn, dass Dumouriez ihn ersuchen liesse, sich mit Sr. k. Hoh. dem Erzherzog Carl (da er ihre persönliche Bekanntschaft zu machen sehnlich wünsche) und mit dem Bevollmächtigten, welcher bishero jederzeit mit ihm tractirt hatte, heute noch an einen beliebigen, ihm aber ohnverweilt nach Condé bekannt zu machenden Ort begeben möchten, wo er sich einfinden würde, um die letzte und endliche Abrede wegen seines Marsches nach Paris zu pflegen. Valence (welcher die Armee verliess, um nach Holland und England zu gehen) schrieb zugleich, dass er seinem Schreiben selbst ohnverweilt nachfolgen und von Mons aus zu der Unterredung mitgehen würde.

Allsogleich nach dem Empfang dieses Schreibens wurde dem General Dumouriez nach Condé eine schriftliche Zusicherung dieser Zusammenkunft auf Nachmittags zugeschickt, damit er solche dort bei seiner Ankunft finden möge, und es wurde das auf halbem Weg zwischen Mons und Condé liegende Städtchen Boussu dazu benannt.

Nachmittags fand man sich von Mons aus in diesem Städtchen ein. Die festgesetzte Stunde war vorhanden, und Dumouriez kam nicht an. Man erwartete ihn von einem Augenblick zum andern, aber

bis gegen Abend erwartete man ihn vergebens. Man erfuhr endlich, dass er gar nicht zu Condé angelangt sei, und es unterlag nunmehro keinem Zweifel mehr, dass Dumouriez nicht habe kommen können oder kommen wollen.

Man begab sich also, mit mannigfaltigen Besorgnissen über dieses unerwartete Ereigniss erfüllt, zurück nach Mons. Bald nach der Zurückkunft kam ein österreichischer Officier in vollem Jagen mit der Nachricht, dass der General Dumouriez mit einigen seiner Generalen und Officiers zu Bury (einem von uns besetzten Dorfe auf der Strasse von Mons nach Tournay, welches nicht weit von der Schelde abliegt) angelangt sei und dringend um die Person unseres bisherigen Bevollmächtigten bitten lasse.

Dieser ging schleunigst dahin ab und vernahm vom General Dumouriez die bekannte tragische Geschichte des Meuchelmordes, welchen einige Volontärbataillons, als er auf dem Wege nach Condé war, an ihm ausführen wollten, und seiner kaum mehr möglich gewesenen Rettung über die Schelde. Zugleich zeigte er ihm aber einige Officiere, welche nacheinander von seiner Armee abgeschickt worden wären, mit dem dringenden Ersuchen, dass er ohnverweilt zurückkehren mögte, und mit der erneuerten Versicherung ihrer Treue und Anhänglichkeit.

Nach vollendeter Erzählung dieser Geschichte machte er jedoch eine lange und lebhafte Schilderung „von dem gefährlichen Eindruck, welcher durch die geheimen Insinuationen der zu Lille und Valenciennes befindlichen Convents-Commissäre auf viele Gemüther seiner Officiere und Soldaten bewirket worden sei und den schrecklichen Argwohn erzeugt habe, als ob er durch österreichisches Geld gewonnen wäre, und weit entfernt, nach Paris marschiren zu wollen, blos die Absicht hätte, die französischen Grenzfestungen an die Oesterreicher auszuliefern, mithin sein Vaterland den auswärtigen Feinden Preis zu geben. Mit der ganzen Stärke seiner Beredsamkeit beschrieb er sodann die Gefahren, welche davon für seine Unternehmung unausweichlich zu besorgen wären, und zu deren Abwendung es nur das einzige Mittel gäbe dass der österreichische Oberfeldherr ihm ohne allen Zeitverlust eine solenne Proclamation zuschicke, in welcher die Redlichkeit und Rechtschaffenheit seiner (des General Dumouriez) Absichten, und besonders sein positiver Vorsatz, die constitutionelle Königswürde herzustellen, deutlich und kräftig auszudrücken, auch zugleich die glaubwürdigste Versicherung beizufügen sei, dass, wenn Dumouriez zu seiner Unternehmung nöthig finden sollte, die Thore ein oder anderer französischer Festungen

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