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sprochen, von dem Jammer der Erde und von der Seligkeit des Himmels, und haben sie sehr gebeten, ihre bisherige Unschuld zu bewahren. Ein „Klausner" fang:

SEGURAS

"

Liebling! komm, den Schleier mir zu heben!
Komm, enträths'le meinen hohen Sinn.

Aber ach! der Liebling ist nach Paris gereist und hat den hohen Sinn des Verschleierten nicht enträthselt! Eine Geisterstimme an Henriette Sonntag", ließ sich vernehmen, aber es war kein düstrer Ton aus dunkler Gruft, sondern das füße Saitengeflüster in einer spanischen Nacht, und der Geist war sehr vollblütig. Das Jahrhundert von Volta war schon überaus selig, wenn es die Freude einmal unsere electrifirte, aber das genügt nicht mehr Sängerin durchzückte ihre kritischen Frösche mit „galvanischer Freude." Ein Sterngucker sprach von der „Milchstraße, die dem Auge des Glücklichen immer neue Welten entdeckt.“ Ein Anderer sagte: „Es gab keine Meinungen, keine Spaltungen mehr, die Palme der Zufriedenheit begeisterte alle Gemüther, jede Zwietracht war verschwunden." Ach, warum schickt man die Sängerin nicht nach Konstantinopel, daß fie den Divan beschwichtige? In deutschen Novembertagen war die Sängerin von ,,hesperischen Lüften" umgaukelt. Ein Anderer sagte stolz, er werde mit Stolz einst seinen Enkeln erzählen: Auch ich lebte in dem großen Zeitalter." Ein Dichter sang prophetisch und aufrichtig:

"

Mich verläßt in Deinem Kreise
Hauch, Bewegung, Geist und Leben.

Ein Anderer:

Wie war es nur ein kleines Wort,
Was Sie mir sagte!

Wie war es nur ein Silberblick!

Den Sie mir tagte!

und selig leb' ich lange Zeiten

Schon von dem Worte nur, dem Blick.

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Wenn dieser nüchterne Poet so mäßig fortlebt, kann er Cornaros hohes Alter erreichen. Ein Kritiker wünschte sich eines Argus Augen, um allen Reiz der holden Erscheinung einzusaugen," und reimte ohne es zu wollen. Ein anderer Prosaist hatte sehr malerische und physikalische,,Gedankenflocken" wegen der Wintertage, die Wasser in Schnee_verwandeln. Ein Anderer ließ sich vernehmen: „O zarte Perle_im Strahl eines gefühlvollen Blickes! Du rollest über die jugendliche Wange, damit ein Seraph mehr als Aeon die Seele aller Tugendhaften beschüße!" Fin bejahrter Dichter fang aus eigener Erfahrung:

In alle Glieder dringet Mark

und der willkommene Schluß eines Sonettes lautet, wie folgt:

Ludwig Börne.

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So Klang vielleicht die Harmonie der Sphären
Am ersten Sonntag nach dem Wort: Es werde,
Den Ewigen zu preisen und zu ehren.

uns jenes Sonntags Wohllaut zu gewähren,
Verlieh er eine Sonntag jezt der Erde,
Und Ohren uns, die Einzige zu hören.

Dieser theologische Sonettist behauptet also geradezu, die Menschheit habe erst jezt, im sechstausendsten Jahre ihres Alters, Ohren bekommen. Ach, er mag recht haben! Die Geschichte sprach schon sechstausend Jahre, und wir hörten sie nicht. Der Schöpfer wird es uns wohl nicht übel nehmen, wenn wir künftig, so oft die Sonntag nicht singt, unsere Ohren zu etwas Anderm gebrauchen.

Wir

Nicht blos die Menschen am Main und Rhein, fondern auch die sogenannte leblose Natur hat Henriette Sonntag beseelt, erfreut und betrübt. haben gelesen:,,Die Natur hat den Einzug der Sonntag in Frankfurt durch ein besonderes Zeichen gefeiert; denn in dem Augenblicke ihres Eintreffens in unsern Mauern wurde ein leuchtendes Meteor am Horizonte fichtbar, daß sich mit Kanonendonner endigte." Freilich hatte hiergegen ein Anderer bemerkt, daß die Feuerkugel, von welcher hier die Rede ist, dreißig Stunden später als die Sonntag erschienen, und hat dieses aus den Berichten der hiesigen physikalischen Gesellschaft zu beweisen gesucht. Aber was ein ungläubiger Gibbon spricht, verdient keine Beachtung, und soll uns unsere Seligkeit nicht rauben. Wir haben ferner gelesen: ,,Kaum hatte die Heldin des Gesanges unsere Mauern verlassen, so fing selbst der Himmel an zu weinen."

Dieses Wunder kann ich beschwören; ich habe selbst gesehen, daß es zu regnen anfing, sobald die Heldin des Gesanges die Thore hinter sich hatte.

Man muß unsern „Schneeumstöberten“ Pindaren die Gerechtigkeit widerfahren lassen, daß sie in ihren ,,Lufteinlufthindurchaufschwimmenden Sonntags-Päanen sich von jeder irdischen Fessel frei zu erhalten gewußt und sich von keiner erdstaubigen Regel befehlen ließen;

Denn in Dithyramben, Alles was da glänzen will,
Muß luftig seyn, und dunkel, und schwarzglimmerig,
und flügelschwungreich;

Doch immer gelang es ihnen nicht. So konnten sie von dem gemeinen Gedanken nicht loskommen, daß der Name der Sängerin zugleich der eines Wochentages, und daß in Sonntag zugleich Sonne und Tag_enthalten sey. Sie machten die unglaublichsten Anstrengungen, sich von diesem__Gedanken frei zu machen ; aber, wenn sie des Teufels hätten werden mögen

es ging nicht! Daher ein ewiges Vergleichen zwischen dem wöchentlichen und der säkularischen Sonntag, und ein unaufhörliches Besingen der Sonne und_des Lages. Ich wüßte nicht, was ich darum gegeben, hätte die Sängerin, statt Sonntag, Freitag geheißen. Dann hätte noch ein deutscher Zeitungsschreiber die Freiheit besingen dürfen, und man würde den Druck der Freiheit einmal auf eine andere Art gesehen haben; denn der mitberauschte Censor hätte wahrscheinlich aller nüchternen Reclamationen gespottet. Ich könnte

noch Manches erzählen von dem, was die,,flügel

schwungreichen Dithyrambenmeister vom Stamm der Schwänzler und auch erzählen von dem Brekeker koar köar, das,,des Sumpfs Quellgeschlecht, unter Schaumaufboppelung" gesungen und wieder gesungen; aber es soll genug seyn. Ich muß endigen, ehe mir Jemand zurufe:

Es sind nicht Alle frei, die ihrer Ketten spotten!

"

Erzählungen“

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Der zweite Band der gesammelten Schriften" ist viel mannigfaltiger, als der erste. Er enthält, wie die vom Herausgeber besorgte Eintheilung besagt,,,Ver mischte Aufsäße" Reisen," darunter die beiden Meisterwerke von Börne's Humor, die,,Monographie der deutschen Postschnecke“ und den ,, Eßkünstler," sowie das edelste, das erhabenste aller Worte, welche Vörne jemals niederschrieb, die,,Denk rede auf Jean Paul."

"

Wir lassen diese drei Sachen hier folgen:

Monographie der deutschen Postschnecke.

Beitrag zur Naturgeschichte der Mollusken
und Testaceen.

Es ist sehr einfältig, daß ich gleich vorn sage: ich werde mich in dieser Abhandlung über vaterländische Poßwägen satyrisch auslassen; denn indem ich durch

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