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Es hat zu allen Zeiten Menschen gegeben, die erst von Allen geschmäht, zuleßt, meist erst freilich wenn fie todt waren, von Allen verehrt wurden; Menschen, denen der Haß, die Verläumdung, die Feindschaft auf jedem Lebensschritt folgte, während die Liebe ihnen nur selten die Hand reichte; Menschen, die ein_Herz voll der unendlichsten Liebe zur Menschheit in sich trugen, und immer und immer nur schmerzlichsten Undank, efle Selbstsucht, traurige Verkennung fanden große Menschen zu Denksteinen ihrer Zeit bestimmt, die hundert und tausend Jahre nach ihrem Tode noch fortleben: Ludwig Börne ist einer von ihnen;

Ludwig Börne! Wem von Allen, die ein Verständniß ihrer Zeit haben, wem von Allen, die noch an die Größe ihres Volkes glauben, wenn sie auch jest umschleiert ist, schlägt nicht das Herz doppelt schnell, wenn dieser Name genannt wird! Er ist ein ebenso gewaltiger Denkstein in der Geschichte des deutschen Volkes, wie viele von denen, die der gemeine Haufe große Männer nennt; er ist ein eben so großer Baustein zur geistigen Erhebung seines Volkes, wie 3. B. der von Mit- und Nachwelt mit Ruhm überschüttete Göthe. Die Aufgabe unserer Zeit war es,

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die Wahrheit dieser Behauptung zu rechtfertigen, und fie hat diese Aufgabe nicht ungelöst gelassen. Man fängt an, zu erkennen, was Börne gewesen: es ist nicht mehr das Eigenthum einzelner Weniger, zu wissen, daß er der treueste Sohn seines Vaterlandes, der schärfste Kritiker seiner Zeit, der empfindenste Schriftsteller seiner Nation, der Prophet der nächsten Zukunft war. Man beginnt das alles mehr und mehr zu begreifen und der Tempel steigt Stein für Stein in die Höhe, in dem Börne's Genius die allgemeine Verehrung finden wird.

Wenn die nachstehen Blätter vielleicht dazu beitra= gen, in den Herzen Vieler oder auch nur Einzelner die Verehrung und die Liebe des großen Todten zu erz wecken oder zu stärken, wird ihr Zweck erfüllt sein.

Ludwig Börne war der Sohn jüdischer Eltern, und wurde als Löb Baruch am 22. Mai 1786 in der Judengasse zu Frankfurt a. M. geboren. Die Geburt legte das Kind also bereits an eine lange Kette, an die Millionen seiner Glaubensgenossen mit ihm geschmiedet waren. Was es damals heißen mußte, ein Jude zu sein, haben wir nicht nöthig zu erklären, wenn wir einfach darauf verweisen, was ein Jude jest, 70 Jahre später, noch immer ist. Es war in Frankfurt noch Gesetz für die Juden, in der Judengasse zu wohnen, welche um eine bestimmte Stunde für die Nacht geschlossen wurde; ein Jude durfte damals den Fußweg der städtischen Spaziergänge nicht betreten, sondern mußte im Fahrwege gehen; ein Jude war kein Mensch, sondern ein unreines Thier, das ein Jeder mit beliebigen Fußtritten von sich jagen konnte. Die Juden haben sich zufolge dieser fast zweitausendjährigen

Sklaverei mehr in das Innere des häuslichen, des Familientebens zurückgezogen: der Begriff der Fami lie" ist bei ihnen ein weit ausgedehnterer als bei den Christen, die Verhältnisse sind meist patriarchalischer Natur, und so war es auch in Börnes Elternhause! Sein Großvater war Finanzagent am ehemaligen Hofe des Kurfürsten von Köln und wohnte in Bonn. Er war bei Neubefeßung des kurfürstlichen Stuhls für einen österreichischen Erzherzog sehr thätig gewesen, als Resultat dafür erwuchsen ihm besondere Begünstigungen Seitens der Kaiserin Maria Theresia. Im Revolutionskriege war er Lieferant für die belgisch-österreichischen Stände; an diesen wie andern großen Unternehmungen nahm auch Börnes Vater Theil, und wurde er dadurch viel von Hause weg auf Reisen festgehalten. Beide Männer, der Großvater wie der Vater Börnes, werden als gebildete und feine Männer geschildert, beide so aufgeklärt wie es nur ein Jude damals sein konnte, troßdem stellte Börnes Vater, von dem eignen in großer Abhängigkeit erzogen, wiederum für seine Kinder die Pflicht des strengsten Gehorsams auf, und dieser Umstand wirkte auch in anderer Beziehung auf die Erziehung seiner Kinder ein.

Den Großvater verehrten sie, wie es ihnen gelehrt war, als einen außerordentlichen Mann, nur schüchtern nahten sie ihm, und sein zufälliger Ausspruch in Be zug auf seinen zweiten Enkel Löb bei Gelegenheit eines seiner Besuche Laßt mir den Jungen gehen: das gibtnoch einmal einen großen Mann!“ wurde wie ein Prophetenausspruch betrachtet, den Börne selbst übri- . gens nicht hat zu Schanden gehen lassen.

Börnes Vater war ein Mann mit unausgeprägten Talenten. Er war an eine große Abhängigkeit von

seinem Vater gewöhnt worden und übertrug das gleiche Verlangen nicht nur auf seine Kinder, wie wir bereits erwähnten, sondern es war dies auch der Grund zu dem leitenden Princip seines Lebens, sich den Umständen, wie sie eben geboten waren, unterzuordnen. Alles Außergewöhnliche war ihm zuwider. Mit Rücksicht auf seinen Vater suchte er Vorsteher der jüdischen Gemeinde zu werden, ein Amt, was nur erreicht und be sessen werden konnte durch den Schein äußerster Anhänglichkeit an das Judenthum. Uebrigens wurde er vielfach mit dem Vertrauen der Gemeinde bedacht: so gehörte er zu der Deputation, welche die Frankfurter Juden auf den Wiener Congreß schickten, um ihr Bürgerrecht gegen die Eingriffe der Restauration zu wahren. Die Gemeinde bot ihm dafür ein freiwilliges Geschenk von 8000 Gulden an, er wieß dieß jedoch zurück. Die besondere Lebensanschauung des Anerkennens jeder im Leben entgegentretenden Macht als zu Recht bestehend und der abgeschlossenen Ansicht, Niemand dürfe sich über die von Geburt, Verhält nissen u. f. w. gebotenen Grenzen erheben, kurzum, das Nichtbegreifen des Talents und seiner möglichen Resultate mochte wohl die Hauptursache zu den Differenzen abgeben, welche Vater und Sohn später mehrfach miteinander hatten. Das Talent läßt sich eben nicht nach der Elle messen oder in einem Haufen Geldes immer auf den Tisch zählen, und obschon der Vater verständig genug war, das Talent des Sohnes zu erkennen, wollte er es wenigstens nicht gern anerkennen; denn er sagte einmal: Ich lese gern, was in den Schriften meines Sohnes steht, aber ich wünsche nicht, daß es mein Sohn geschrieben hat.

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Börnes Mutter blieb im Ganzen ohne besondern

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