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Buchez und Nour die goldenen Worte, welche er über die Sach- und Schriftgelehrten sagt."

Im Jahre 1836, nach Unterdrückung des Réformateur, begann Börne seine alte „Wage“ in franzöfischer Sprache wieder erscheinen zu lassen. Mit dem dritten Heft indeß gab er sie wieder auf. Er war des Schreibens müde, sein körperliches Leiden erschwerte es ihm zu dem gar sehr. Die lehte größere Arbeit, welche er beendete, war die kleine Schrift „Menzel, der Franzosenfresser." Es war dies eine Schrift, durch Menzels wüthende Angriffe auf das Franzosenthum und gegen die Deutschen, welche an Stelle des Nationalitätsprincips das der Humanität seßen wollten, hervorgerufen, welche allerorten von vernünftigen Leuten mit wahrem Enthusiasmus aufgenommen wurde. In derselben weist Börne die Grundideen des Humanismus als die allein richtigen und nothwendigen nach; er verwirft die Menzel'sche Wuth, Völker gegen Völker zu heben, stellt die Vaterlandsliebe als Lugend hin, jedoch eine geringere, als die allgemeine Humanität, und verweist auf leztere als Endziel. Das ganze Buch ist von durchschimmerndem Schmerz über Verblendung und Irrthum der Menschen verschönert; durch den Umstand, daß es Börnes leztes Werk war, ist es um so werthvoller geworden. Ehe wir zu Börnes Sterbebett kommen, sei es uns noch vergönnt, ein Paar Worte über seine Umgebung, seine Häuslichkeit u. s. w. anzuführen, wie wir dieselben von E. Kolloff im Jahrbuch der Literatur für 1839 aufgezeichnet finden.

„So lange ich Börne gekannt habe“, heißt es dort, „bewohnte er ein kleines viereckiges Zimmer, mit einem einzigen Fenster, von wo man Winters, eine Aussicht in die Rue Lafitte und gegen den Monmartre, Som

mers, die Aussicht auf den place d'armes in Auteuil hatte. Ein gewöhnliches Stehpult zum Arbeiten, an` deffen Seiten zwei Handleuchter mit Wachskerzen eingebohrt waren, ein fauteuil à la Voltaire von rothem Maroquin, eine nicht sowohl zahlreiche als ausgewählte Bibliothek mit deutschen, italienischen, spanischen, englischen und französischen Werken, ein Tisch mit Journalen und Brochüren bedeckt, eine Art Schrank mit numerirten Schubkästen für Briefe, Manuscripte u. s. w. Diese Gegenstände bildeten nebst einigen Fußteppichen das vollständige Ameublement des Wohnzimmers, worin Börne den größten Theil des Tages verweilte. In gem ganzen Kabinett waren nur noch zwei Pläge über dem Fächerschrank und über dem Arbeitspult leer Den erstern füllte eine bronzene Büste I. J. Rousseau's, den leßteren ein weibliches Portrait, voll Milde und Anmuth in den regelmäßigen begeisterten Zügen."

Ueber Börnes äußere Erscheinung und andere da mit zusammenhängende Dinge erfahren wir noch_folgendes: Börne war klein und hager von Gestalt. Seine Haltung war nachlässig. Gern hielt er die Hand auf den Rücken gelehnt. Seine Gesichtsfarbe bleich, das schwarze Haar dünn, das Auge hellglänzend. Ein spärlicher Bart bedeckte die eingefallenen Wangen.“

Von anderer Seite wird hinzugefeßt: „Börne war von kräftigem, aber zartem Körperbau. Seine Stimme war angenehm wohlklingend, mehr hoch als tief und nicht stark. Sein Auge dunkel und feurig; sein Geficht von den Blattern entstellt, aber regelmäßig ge= formt. An seinem feinen und schönen Munde erkannte ein Physiognomiker leicht die Kraft seiner Ironie. Börne

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war ungemein fauber, aber man sah es nur nicht ime mer. Die Spuren des Tabaks entstellten die gewählte saubre Wäsche. Wenn er sorgfältig auf die Pflege seiner schönen Hand hielt, so war dies mehr aus Gewohnheit, als aus Absicht. Aeußerlich von einer ruhigen Gemüthsart, erschien er auch selbst dann ruhig, wenn es heftig in der Brust kochte. Die Ruhe war einmal seine Art, nicht anerzogen oder erlernt. Er war sehr mäßig, wenig, trank nie Wein und hatte überhaupt wenig Bedürfnisse. Nichts destoweniger verbrauchte er auf Kleinigkeiten viel Geld. Wenn er an einem Laden vorbeiging und es gefiel ihm etwas, so kaufte er es, selbst wenn es Spielereien waren, die er verschenkte. Er hatte oft die Taschen voll Naschwerk, um Frauen und Kinder damit zu füttern. Für seinen Umgang mit Frauen und Kindern machte ihn besonders auch seine unermüdliche, nur zu oft auf die Probe gestellte Geduld fähig. Als ich Börne fennen lernte, war er sehr hypochondrisch. Zum Theil hatte diese Hypochondrie einen körperlichen Grund. Er litt, sehr blutreich, an Congestionen nach Kopf und Brust. Zum Theil lag die Hypochondrie damals an dem Triebe, sein Talent durch irgend etwas geltend zu machen, während ihm dafür das rechte Material fehlte, bis sich später das Volksleben an ihn drängte und er sich von den Wogen der Zeitgeschichte treiben ließ: die Sorge um das Allgemeine ließ nun den eignen Körper vergeffen, die Klage um das eigne Unbehagen verhallte im Schmerzruf der Allgemeinheit. Mein eignes prosaisches Verdienst dabei ist dies, daß ich ihm dag Rauchen empfahl. Nun blies er seine Grillen in die Labakswolken und wurde ein so leidenschaftlicher Raucher, daß darüber seine Hypochondrie in Dampf aufging.

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Durch seine Hämorrhoidalcongestionen hatte Börne mehrmals Anfälle von Bluthusten, welche ihn öfters in Lebensgefahr brachten. Organische Veränderungen in den Lungen fanden dabei nicht statt und immer glückte es, ihn wieder herzustellen, bis in den leßten Jahren, wo diese Anfälle wegblieben, sein Leiden einen Charakter annahm, der ihm den Tod brachte."

So find wir denn bei dieser Todesstunde angekom men. Seit Anfang des Jahres 1837 verschlimmerte fich Börnes körperlicher Zustand mehr und mehr. Die Doktoren Sichel und Hörle behandelten den Patienten, bei dem ein Anfall der damals in Paris herrschenden Grippe in eine unheilbare Brustkrankheit überging. Börne wußte, daß er bald sterben müsse, und erwartete mit der Ruhe des Philosophen sein Ende. Am 12. Februar, Abends gegen zehn Uhr, nahte ihm der Todesengel und führte in kaum merkbarem Kampfe die Seele hinweg.

Sollen wir erst noch sagen, daß der Schmerz um diesen Tod ein allgemeiner war?

Der Todte wurde am 15. Februar auf dem Père Lachaise bestattet unter einer Theilnahme, wie sie wenig Deutschen zu Theil geworden, die in fremder Erde bestattet sind. Zwei Landsleute Vörnes, Venedey und Berly, sprachen einige Worte an der Grabstätte, ihnen folgte Raspail mit einer Rede voll tiefsten Schmerzes um Börnes Tod, voll umfassender Anerkennung für seine Größe.

Es ist auf dem Père Lachaise bei Gräbern, welche ein Denkmal erhalten sollen, üblich, die Leichen in eine vorläufige Gruft zu senken, und so wurden denn Börnes irdische Ueberreste erst am 5. November 1842 in das Grab versezt, wo ihm das Denkmal errichtet ist. Eine

stumpfe Pyramide von polirtem Granit auf einem Unterbau von gelbem Sandstein bezeichnet Börnes Ruhestätte. Am obern Theile derselben steht in einer Nische seine Büste, von David modellirt, von Richard und Eck in Erz gegossen. Am untern Theil erblickt man ein Bronzerelief, Frankreich und Deutschland_allegorisch darstellend, wie die Freiheitsgöttin beider Hände in einanderlegt. Auf den schmalen Seiten der Pyramide liest man links die Namen Voltaire, Rousseau, Lamennais, Beranger; rechts die Namen Lessing, Herz der, Schiller, Jean Paul. Dieses Denkmal ist für Tausende ein heiliger Ort geworden, das Ziel zahlreicher Wallfahrten, die Ruhestätte manches Kummers, die Linderung mancher bittern Herzensqual. Und wenn Börnes irdische Hülle in fremder Erde ruht, so hat sich doch sein Geist zurückgewandt in die deutsche Heimath, und hat dort manches Herz gefunden, welches ihn bereitwillig in sich aufgenommen.

Sein Andenken wird leben fort und fort von Geschlechtern zu Geschlechtern wenn man von Deutschlands größten Männern spricht, wird man Börnes Namen nennen, zahllose Lieder werden ihm, laut ausgesprochen oder in stiller Brust verborgen, nachklingen, wie das schöne Lied seines auch längst in kühler Erde ruhenden großen Schülers Sallet, womit wir diese Skizze schließen wollen:

Börne.

1.

Ein eisenblanker Ritter,
Umharnischt ganz und gar,
Das Schwert, wie Ungewitter
Schnelltreffend, blizesklar,

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