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rer durch die äußerliche und innerliche Stadt, welche dieser endlich im October 1828 wieder verließ, um in Hannover an die Redaction seiner gesammelten Schriften zu gehen. Er arbeitete fünf Monate mit angestrengtestem Fleiß, zu dem die große Langeweile zu Hülfe kam, welche Börne daselbst außer seinem Arbeitszimmer empfand „Hannover", schreibt er einmal an den Buchhändler Campe, ist ein Ort, wo man nur die Wahl hat, zu arbeiten oder an Langeweile zu zu sterben." Er nahm auch an den Aeußerlichkeiten der zu druckenden Gesammtausgabe bedeutenden Antheil, und sorgte sich viel um Papier und Druck, Format und Censur. Endlich hatte er die Freude, fie in die Oeffentlichkeit wandern zu sehen. Der Erfolg derselben war ein bedeutender, obschon nach zwei Richtungen hin getheilt. Die Kritiker par excellence, ferner die gewiegteren behäbigen Literaturfreunde schäßten sie hauptsächlich ihrer formellen Reize wegen, die Jugend dagegen wurde von den darin verborgen liegenden politischen Ideen mit stärkender Ahnung erfüllt, daß es eben noch etwas anderes als die weichliche Aesthetik der damaligen Periode in der deutschen Literatur gebe. Ueber die Frische, den edlen und treffenden Wiß, womit Börnes Schriften erfüllt waren, einigte man sich allgemein. Sein Ansehen, selbst in seiner Vaterstadt stieg von Tag zu Tage man unterwarf sich in den ihm näheren Kreisen seinem Urtheil als einem stets entscheidenden.

Leider wurde die Freude des Schriftstellers durch bedeutende Leiden des Menschen hart beengt. Die Krankheitsanfälle mehrten sich bei Börne, ein Besuch Wiesbadens, später des ihm sehr lieben Ems blieb ohne Resultate, und so entschloß er sich denn, im

Sommer 1830 das ihm von den Aerzten angerathene Bad Soden bei Frankfurt zu gebrauchen.

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Im achten Bande seiner Schriften giebt Börne selbst eine Schilderung seines dortigen Aufenthaltes. Die Schönheit der ihn umgebenden Natur, ein angenehmer Umgang, vorzüglich mit Frauen belebte und erfrischte ihn sehr die Kunde der Pariser Juli-Revolution fiel wie ein Bliß in seine ziemlich harmlose Sodener Cristenz, freilich nicht als ein zerstörender, sondern als ein belebender. Er hielt es nicht mehr in diesem ruhigen Soden aus, er ging nach Frankfurt zurück, wo man ihn kaum wiedererkennen konnte. Der ruhige, ernste, leidende Börne, der sonst mit ziem lich seltenen Ausnahmen nur dann sprach, wenn eine angenehme Gesellschaft und eine bestimmte geistige Höhe der Unterhaltung ihn zu erwärmen begann, diefer Börne vor der Juli-Revolution war ein andrer nach derselben geworden an Stelle des Ernstes war aus den Augen blizende Freude, an' Stelle des ruhigen Worts war eine entschiedene strömende Unterhaltung getreten: Börne schien neu geboren, stärkende Hoffnung auf eine vernünftigere politische Gestaltung der Dinge trat ihm helfend zur Seite.

Es war natürlich, daß Börne gar bald entschiedene Sehnsucht in sich fühlte, am Schauplag jenes Heldenkampfes zu sein, nach Paris zu gehen. Er reis'te im Herbst ab, und hat in den beiden ersten Bänden seiner Briefe das mit der nothwendigen und so dankenswerthen Sorgfalt aufgezeichnet, was ihm auf der Reise und den Winter über in Paris begegnet ist.

Es ist hier an der Zeit, einige Worte über Börnes Pariser Briefe zu sagen.

Börne reis'te im Frühjahr des folgenden Jahres

nach Deutschland zurück und fand daselbst das Meiste anders, als er erwartet hatte. Im September des vergangenen Jahres hatte er über die vereinzelten Freiheitsbewegungen in Deutschland geschrieben: „Offen gesagt, ich freue mich nicht über das revolutionaire Wesen in Deutschland. Gewonnen wird doch nichts dabei; Nichts durch Gewalt, denn die ist noch nicht auf Seiten des Volkes; Nichts durch Belehrung unsrer Staatsmänner, denn die sind nicht zu bessern. Dies alles wird keine andre Folge haben, als daß die Seiz ler in Flor kommen: denn, ich bin gewiß, es wird viel gehängt werden." Von solchen Ansichten ausgehend hatte er nun zuerst, hauptsächlich mit Heine zusammen, ein Journal herausgeben wollen; Heine hatte indeß weder jegt, noch ein Jahr später, als Börne die Sache nochmals in Anregung brachte, Lust, sich daran zu betheiligen. Bei seiner oben erwähnten Rückkehr nach Deutschland faßte er nun den Plan der Pariser Briefe auf, wie ste jezt vollständig vor uns liegen, das Testament eines großen Mannes eine kleine Nation. Diese Briefe sollten die Politiker, die Schriftsteller, die Bürger seines Vaterlandes anregen. Es sollte nur ein Trompetenruf in die Schlacht sein indeß man wollte die Schlacht nicht, warum hätte man da nicht, dem vorwißigen ungerufenen Herold zürnen sollen?

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Daß die Partei der Conservativen an diesen Briefen keinen Geschmack fand, war ihr am Ende nicht zu verdenken; daß aber selbst die damalige liberale Partei ihnen zumeist entgegentrat, war unverzeihlich und stellte dieser Partei ein wesentliches Armuthszeugniß aus. Börnes Briefe find Prophezeihungen, welche in der Geschichte der jüngst vergangenen Zeit ihre Erfüllung

gefunden haben. Dies zu beweisen ist für einen Jeden unnöthig, der nur im Geringsten die Geschichte seiner Zeit studirt hat fast jedes Wort aus diesen Briefen erscheint wie heute geschrieben, und es ist kaum eine jener erhabenen Prophezeihungen, die wir nicht schon haben in Erfüllung gehen sehen. Der Verfasser dieses unsterblichen Werkes hat leider einen Erfolg desselben nicht einmal soweit erlebt, daß er von den Stimmen, die überhaupt gerechnet zu werden verdienen, wenigstens eine gewisse Majorität für sich gesehen hätte. Die Zahl seiner Gegner war Legion, die Zahl seiner Freunde war eine nur geringe. Žum Glück hat diese Erfahrung Geist und Gemüth des großen Mannes nur we nig angefochten. Obschon man ihn übrigens von vielen Seiten warnte, nach Deutschland zurückzukehren, war ihm Furcht doch völlig fremd, und er verbrachte einen Theil des Sommers 1832 wiederum in Deutschland, wo er am Hambacher Fest theilnahm, und eine Zeitlang in Baden, Freiburg u. f. w. wohnte. Aus Freiburg schrieb er am 13. Juli einen Brief an den Buchhändler Campe, der bezeichnend sowohl für die persönliche Theilnahme ist, welche Börne wenigstens bei den am weitesten vorgegangenen deutschen Politifern fand, als auch für die humoristische Gleichgültigfeit, mit der er seine recenfirenden Gegner behandelte. Der Brief lautet:

‚Welchen moralischen Eindruck meine Pariser Briefe in Deutschland hervorgebracht, glauben sie kaum. Ich habe es selbst nicht erwartet. Meyer, Wurm und ähnliche haben drucken lassen: ich dürfte mich in Deutschland nicht mehr sehen lassen, ich würde aus jeder honetten Gesellschaft geworfen werden. Das sind Propheten! Seit ich in Deutschland bin, erfahre ich eine

ununterbrochene Huldigung, nicht bloß von Einzelnen, sondern von ganzen Massen, so daß ich, der immer Stille und Zurückgezogenheit geliebt hat, mir oft vor Angst nicht zu helfen weiß; Mein Zimmer wird nicht leer. Ich habe oft nicht Stühle genug für all die Menschen, die mich besuchen. Ich war auf dem Hambacher Fest. Das ganze Land hat mich fast besucht, so daß ich krank von der Last geworden bin. Wenn ich in Neustadt über die Straße ging, erschallte es_aus den Wirthshäusern, aus den vorüberfahrenden Kutschen: Es lebe Börne, der Verfasser der Briefe aus Paris. Die Heidelberger Studenten brachten mir dort ein Ständchen. Alle die Patrioten, die dort an der Spiße stehen, Wirth u. s. w. erklärten, mir hätte man die vaterländische Bewegung in Deutschland zu verdanken, die andern wären erst nach mir gekommen. Mit thränenden Augen haben mich viele an ihre Bruft gedrückt und haben vor Bewegung kaum reden können. Hier in Freiburg war es eben so. Die Studenten sind Abends, als ich schon im Bette lag, vor mein Haus gezogen, haben mir ein Ständchen gebracht und gerufen: Cs lebe der Vertheidiger der deutschen Freiheit! Selbst die hiesigen Bürger, die einige Tage später einem liberalen badischen Deputirten, der in meinem Wirthshause wohnt, ein Ständchen gebracht, haben mich auch hinein gemischt und gerufen: Es lebe der deutsche Patriot Börne! Was werden meine Recen senten dazu sagen, die mich für einen schlechten Deutschen erklärt? Die öffentliche Meinung läßt sich nicht irre führen. Aber so verblendet sind die Aristokraten, solches närrische Vertrauen seßen sie in ihre alten Polizei-Pfiffe, daß fie nach dem Hambacher Feste in einigen Zeitungen haben drucken lassen: die Heidelberger

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