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leiden gehabt. Es kam noch mancherlei hinzu, was ihm das Leben in Frankfurt unangenehm machte. Von vornherein liebte er Frankfurt überhaupt nicht sonder lich; er schrieb später einmal aus Paris an Guzkow, daß es ihm in Frankfurt eigentlich nur Donnerstags › gefallen hätte, wenn es im weißen Schwan so vortreffliches Sauerkraut gab. Um derlei humoristische Gründe, denen freilich immerhin ein gewisser Ernst zu Grunde lag, noch mehr anzuführen, warum er sich nicht an Frankfurt sonderlich gebunden fand, wollen wir hier noch eine kleine Humoreske mittheilen, die nachweist, daß die guten Frankfurter nicht einmal den Scherz, geschweige denn den Ernst ihres großen Mitbürgers verstanden. Kurze Zeit nach dem Abdruck seiner,,Monographie der deutschen Postschnecke“ in der ,,Wage" besuchte ihn ein Postcondukteur, der ihm ein aus dieser Monographie herrührendes entseßliches Unglück erzählte. Es heiße dort nämlich, der Postcondukteur habe einen blinden Passagier mitgenommen, nun sei in den Büchern nachgeschlagen und gefunden worden, daß er an jenem Lage den Dienst bei dem Eilwagen versehen habe, und er folle um seinen Posten kommen, obschon er einen blinden Passagier gar nicht mitgenommen habe. Börne tröstete ihn und erhielt dieses würdige Glied des Turn und Taris'schen Postwesens auf seinem Plage, indem er der Postdirektion die Versicherung gab, daß dieser blinde Passagier nur durch die Licenz des Dichters geschaffen sei, in Wahrheit gar nicht eristirt habe. Ernstere Gründe, die ihm den Aufenthalt in Frankfurt verleideten, beruhten in dem Mißverhältniß zu seiner Familie. Der Vater wußte, daß sein Sohn einen bedeutenden Vorrath von Talent und Kenntnissen hatte, und konnte nicht begrei

fen, daß er diesen Vorrath nicht an den Meistbietenden verkaufte. Wie Großvater und Vater so ziemlich k. . materielle Hofagenten gewesen, so sollte der Sohn f. k. publicistischer Hofagent werden, und der Vater hatte dem entsprechende Einleitungen ge= troffen. Während, wie er meinte, seine andern Kinder, die nicht soviel, lange nicht soviel gekostet hatten, bereits in der Welt etwas vor sich brachten, war der Doktor, wie er ihn nannte, der die enorme Summe von 20,000 Gulden gekostet, nichts geworden als Verfasser von Büchern, die gewiß sehr gescheidt_seien, die aber bei allen möglichen hohen und höhern Freun den des Herrn Baruch Anstoß gefunden hatten. Dem Dinge mußte Abhülfe geschehen, und Herr Baruch hatte sich dazu einen absonderlichen Weg ausgekundschaftet. Er hatte nämlich seine Beziehungen zu verschiedenen einflußreichen Personen in Wien dahin be nußt, daß man ihm für seinen Sohn eine ähnliche Stelle anbot, wie sie unter Andern Geng begleitete. Börne sollte mit dem Gehalt eines kaiserlichen Rathes in Wien leben, ohne zu einer besondern Dienstbarkeit verpflichtet zu sein; für alles, was er dort schreiben solle, möge er sein eigener Censor sein u. f. w., u. f. w. Börne schlug dies Añerbieten aus „troß seiner höchst mißlichen Lage", lesen wir in Bölsches Leben Börnes, ,,und des durch seine Ablehnung unvermeidlich werdenden unheilbaren Bruches mit seiner Verwandtschaft.”

Zu den Unannehmlichkeiten dieser Verhältnisse trat etwas Gutes, was ihn in den Stand seßte, vorläufig von Frankfurt wegzugehen, seinen Lieblingswunsch zu erfüllen, nämlich in Paris zu leben. Der Buchhändler Cotta bot ihm die jährliche Summe von 6000 Francs an, wenn er eben als Correspondent für Cotta's ver

schiedene Journale nach Paris gehen wollte. Börne nahm das Anerbieten an, und reiste mit Frau Wohl nach Paris. Die Resultate dieses Aufenthalts in Paris, im fünften Bande der gesammelten Schriften enthalten, sind hinreichend bekannt, und gelten für das beste, was Börne geschrieben hat. Villele war grade an die Sviße der Staatsgeschäfte getreten, und Börne fand somit in dieser Zeit die beste Gelegenheit, genau zu beobachten, wie die Kunst des Regierens betrieben wurde. In Murhards Annalen wurden aus jener Zeit verschiedene Briefe Börnes an den Herausgeber abgedruckt, den einen wir als besonders charakterisisch hier folgen lassen:

Paris, den 10. Februar 1822.

„Frankreich ist das Zifferblatt Europa's; hier sieht man, welche Zeit es ist, in andern Ländern muß man die Uhr erst schlagen hören, um die Stunde zu erfahren. Man verhört sich aber leichter, als man fich versteht. Ich habe mir vorgenommen, meinen Aufenthalt in Paris zu benußen, um das Wesen unserer Zeit aus ihren Zeichen zu erforschen und meine Beobachtungen Ihnen, mein Hochverehrtester unter allen, meinen Freunden, auf dessen Urtheil ich stets so hohen Werth legte, mitzutheilen. Eine so eben hier erschie nene Flugschrift zur Apologie des Ministeriums Villèle kommt mir sehr willkommen in den Weg, meine Be trachtungen daran zu knüpfen, denn wenn es in Waffenkriegen oft bedenklich ist, auf dem Schlachtfelde zu kämpfen, daß der Feind anbietet, ist es in Meinungsftreitigkeiten immer räthlich, sich auf den Standpunkt zu stellen, den sich der Gegner gewählt. Die Leser jenes Pamphlets, von welcher Partei sie auch sein mögen, Aristokraten oder Demokraten, werden über die Ludwig Börne.

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Naivität lächeln, mit welcher man darin gewisse Grundfäße, Ansichten und Zwecke öffentlich bekennt und über Mittel und Wege unverholen spricht. Des Königs ge schieht zwei oder drei Mal Erwähnung, der Aristokratie wird oft gedacht, unaufhörlich aber ist davon die Rede, was Herr von Villèle oder jeder andere Minister jezt nothwendig thun muß, um seine Stelle zu be halten. Von den Forderungen der Franzosen aber, von den Bedürfnissen und dem Wohle Frankreichs, wird auch nicht das kleinste Wörtchen gesprochen. Eine jener Ungeschicklichkeiten, die unvermeidlich zum Vorschein kommen, sobald die Gewalt spricht, zeigt sich in der ganzen Schrift. Die Freiheit kann reden, denn ihr ist das Wort zugleich Waffe und Beute; die Macht aber ist verloren, sobald sie anfängt, sich zu rechtfertigen auf eine Weise, wie hier geschicht! Ich füge die Schrift selbst, von mir verdeutscht und mit Randglossen begleitet, bei. Machen Sie Gebrauch da= von für die allgemeinen politischen Annalen.“

Börne verließ im Jahre 1822 Paris wieder und lebte eine Zeitlang in Heidelberg. Hier traf ihn ein heftiger Blutsturz, der ihn um seine Gesundheit sehr besorgt machte. Er verkehrte viel mit mehreren Aerzten, die er zu Rathe zog. Nachstehender aus Stutt gart datirter Brief an den Dr. Stiebel in Frankfurt giebt ein deutliches Bild seiner Lage.

Lieber Freund!

„Ich danke Ihnen für Ihr medicinisches Gutachten. Wegen der Aloe haben Sie sehr recht, und ich habe das Mittel sogleich eingestellt, nachdem ich es jezt schon fast 14 Tage gebraucht hatte. Die erhißende Eigenschaft der Alve war mir bekannt, nur hatte ich nicht den Muth, meinem hiesigen Arzt zu widersprechen. Es

ist wahr, daß ich Erleichterung dadurch gewann, ich rede mir aber ein, daß es Schuld an dem stärkeren Ohrenbrausen ist, (im schwächeren Grade habe ich es immer) woran ich gegenwärtig leide. Mein Uebel, meine ich, müsse jedem Arzte sehr klar sein, es kömmt nur darauf an, das rechte Mittel dagegen zu finden. Es ist offenbar eine Blutergießung in den UnterleibsEingeweiden, die sich aber durch die Brust entleert hat. Wie ist dem vorzubeugen? Diät allein hüb' es wohl nicht. Ich hatte seit 6 Monaten die strengste Diät geführt, gar keinen Wein getrunken und mir viel Be wegung gemacht, der Blutauswurf hat sich aber doch wiederholt. Es ist freilich wahr, daß ich das lezte Mal meinen Schrecken ausgenommen, gar kein Uebelbefinden dabei hatte, das erste Mal aber war ich sehr krank, vielleicht weil unordentliche Lebensart vorherge gangen war. Bei meinem neulichen Anfall hatte ich sehr starke Schmerzen, auf der rechten Seite unter den Rippen wahrscheinlich von der Leber herrührend. Ich meine, dieses wäre sehr bezeichnend. In Schwefel sezte ich großes Zutrauen. Schon vor achtzehn Jahren verschrieb es mir Reil gegen irgend ein chronisches Uebelbefinden. Ich erinnere mich, damals Schmerzen im Rückgrat gehabt zu haben, und daß Reil gesagt, es wären Hämorhoidal-Dispositionen. Der achttägige Gebrauch des Schwefels gab damals meinem Gesundheitszustand eine ganz andere ausdauernd bessere Richtung. Ich wollte, Sie schickten mir ein solches Recept, mit der vorgeschlagenen Mischung von Taraxakum oder andern bittern Mitteln. Datiren Sie das Recept auf den März vorigen Jahres zurück, damit ich es meinem Arzt als ein früher gebrauchtes vorzeigen könnte.

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