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erklärenden Tert drucken. Es ist die ausschweifendste Ironie, wie sie noch kein Dichter in Worten ausgedrückt, und alles gottlos. Der Componist erzählt darin seine eigene Jugend-Geschichte. Er vergiftet sich mit Opium und da träumt ihm, er hätte die Geliebte ermordet, und würde zum Tode verurtheilt. Er wohnt seiner eigenen Hinrichtung bei. Da hört man einen unvergleichlichen Marsch, wie ich noch nie einen gehört. Im lezten Theile stellt er den Blocksberg vor, ganz wie im Faust, und es ist alles mit Händen zu greifen. Seine Geliebte, die sich seiner unwürdig zeigte, erscheinet auch in der Walpurgisnacht; aber nicht wie Gretchen in Faust, sondern frech, Herenmäßig In der Kunst und Literatur wie in der Politik, gehet die Frechheit der Freiheit voraus. Das muß man zu würdigen wissen, um die jeßigen französischen Romantiker nicht ungerecht zu verurtheilen. Sie sind oft rein toll, und schreiben Sachen, wie man sie im romantischen Deutschland niemals lies't. Das wird sich geben. Sie werden wieder zurückpurzeln, es ist noch kein Franzose in die Sonne gefallen. Neulich bei der Macbeth - Vorlesung fragte ich nach einem bekannten romantischen Dichter und man sagte mir, er wäre gegenwärtig in Spanien. Das Nehmliche hörte ich von einigen Andern. Es scheint, dies junge Volk gehet nach Spanien, romantische Luft einzuathmen. Ich mußte darüber lachen.

Gestern war ich bei Franconi. Da wurde ein neues Spectakel-Stück gegeben: L'empereur; alle seine Schlachten und Lebensbegebenheiten bis zu seinem Tode. Als ich diesen Morgen aufwachte, war ich verwundert, daß ich keine zwölf Kugeln im Leibe hatte, und überhaupt noch lebte. Aus so vielen blutigen Schlachten

die

der

ist noch keiner unverwundet gekommen. Denn es war kein Spiel, es war die Wirklichkeit. Ich saß hart an der Bühne in einer Loge, und da ich jezt so sehr kriegerisch gestimmt bin, war ich ganz selig über das Kanonen- und Gewehrfeuer. Man kann wirklich die Läuschung nicht weiter treiben. Welche Scenerie! welche Decorationen! mehr Soldaten als das ganze Frankfurter Militair beträgt; aber nicht übertrieben. Ich will Ihnen die wichtigsten Begebenheiten nennen, die man vorgestellt: (nicht alle) wie Napoleon aus dem Hafen von Toulon nach Aegypten absegelt. In meiner Loge waren junge Leute, die Toulon kannten, die waren außer sich über die Aehnlichkeit. Die ganze Flotte, einige hundert Segel, fiehet man vorbeifahren Schlacht bei den Pyramiden die Höllenmaschine die Krönung Napoleons Scene aus Madrid Brand von Moskau der Uebergang über die Berezina; das war am gräulichsten und zum Weinen. Die Armee im jammervollsten Zustande ziehet über die Brücke. Nach und nach stopft sie sich. Gegenüber der Feind. Endlich stockt alles. Da gehen die Uebri gen, Reiter, Fußvolk, Weiber über die gefrorene Berezina. Das Eis bricht, die Weiber kreischen, die Brücke stürzt zusammen, alles versinkt unters Eis. - Abschied Napoleon am Bord des NorthumNapoleons Tod auf Helena. Er stirbt im Bette Außer den Chören, dem Volke, waren 103 Hauptrollen, alle berühmte Leute aus jener Zeit und alle naturtreu dargestellt. Napoleon wie er lebte. Alle feine Manieren, alle seine Lics waren nachgeahmt. Und jeßt denken Sie sich dazu den Lärm der Zuschauer. Franconi's Theater ist das größte in Paris und der meiste Pöbel ist dort. Sieben Franken hat mich mein

in Fontainebleau

berland

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Plaß gekostet. Erst ging ich hinein zu drei Franken, weil keine Loge mehr zu haben war. Die Gallerie war aber schon ganz voll und ich ging wieder fort. Vor dem Hause schrie ich laut: qui est-ce qui achète un billet de balcon? Ich ward von einem ganzen Trupp Billethändler umringt. Da kam einer und bot mir einen Logen-Plaß an, für mein Balkon - Billet und ich mußte noch 4 Fr. darauf legen. Ich ging wieder zurück, zankte mich zur Uebung im Französischen mit einem Dugend Menschen, die mir keinen Plaß machen wollten, segte es mit Unverschämtheit durch und saß und sah sehr gut. Aber wie höflich sind jezt die Gensdarmen! früher wäre ich wegen meines Lärmens gewiß arretirt worden. Dies machen die Pflastersteine.

Achtundzwanzigster Brief.

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Paris, den 24. Januar 1831,

Sie warten gewiß schon diese vier Tage lang auf eine herrliche Beschreibung des Opernballes; aber kehren Sie nur gleich um. Ich weiß von dem Balle nicht mehr, als jeder Fürst von seinem Lande; denn ich habe ihn nur von oben herab gesehen. Nun, ich bin da gewesen, und - bin noch da. Das ist das Wunder! der Ball scheint nur eingerichtet worden zu fein, um zu zeigen, wie wenig Raum und Luft ein Mensch braucht um zu leben! Das nennen sie ein Vergnügen! Wenn ich einmal einen Criminal-Coder mache, würde ich die schweren Verbrecher verurtheilen,

dreißig Nächte hinter einander auf solchen Bällen zuzubringen. Nach den besten medicinischen und chirurgischen Handbüchern hätten von den Anwesenden 7000 Menschen 2000 ersticken, 2000 erdrückt werden und die drei übrigen Lausend mehr oder weniger frank werden müssen. Doch von dem allen ist nichts geschehen, und die 7000 leben sämmtlich noch. Von den Weibern begreife ich das; die erhält auf jedem Balle die Religion, der Märtyrerglaube, der den Körper ganz unempfindlich macht und nie vernichtet. Aber wie hielten es die Männer aus? Es hatte keiner mehr Plaz und Luft als in einem Sarge. Die Franzosen müssen mit Springfedern gefüttert sein. Aber es ist wahr, der Anblick war herrlich, bezaubernd, es war ein Mährchen aus Tausend und eine Nacht. Dieser sonnenhelle Lichterglanz, dieses strahlende Farbengemisch von Gold, Silber und Seide, von Weibern, Krystall und Blumen, und das Alles mit so viel Sinn und Kunst angeordnet, daß es das Auge erquickte und nicht blendete, und die Musik dazwischen, wie hinein gestickt in den großen Teppich, eins damit es war zu schön. Das Parterre verlängert durch die Bühne, hatte Reihen von Bänken, auf welchen die Damen saßen, oder hinter Balustraden an den Wänden herum.. Zwischen schmalen Gaffen bewegten sich die dunkeln Männer, oder (sollte ich sagen:) zog der Mann; denn sie waren alle wie zusammengewachsen. Und jezt vom Boden an aufwärts, faßen die Frauenzimmer in ungeheuren Kreisen immer höher über einander, in den Logenreihen, bis hinauf zur Decke, wo sonst nur das lezte Volk fizt. Die einzelnen Bewegungen waren unerkennbar, der Mensch verlor sich in eine Sache, das Leben ward zum Gemälde. Aus der Mittelreihe der

Logen sah ich hinab, hinauf, umher, aber der Anblick von unten, vom Hintergrunde des Theaters zumal, muß noch viel schöner gewesen sein. Ich konnte nicht hineindringen, und mich, wie die Andern hineindrängen zu lassen, das wagte ich nicht. Der große Foyer der Oper war gleich herrlich wie das Theater selbst be= leuchtet und ausgeschmückt. Da wurde auch getanzt. Da sammelte sich alles, was Theater und Logen nicht fassen konnten, und was überströmte. Corridor und Treppen, sonst nur bestimmt durch zu gehen, hinauf und hinab zu steigen, dienten zum bleibenden Aufenthalte und waren so gedrängt voll Menschen wie der Saal selbst.

Unten beim Eingange wurde man von einem Mufifchor empfangen; die Treppen waren mit großen Spiegeln und Blumen geschmückt, der Boden mit Teppichen belegt. Durch zwei Reihen National-Gardisten stieg man hinauf. An mehreren Orten waren Büffets eingerichtet. Erfrischungen aller Art im reichsten Ueberflusse. Das kostete nichts, das war mit dem Billet zugleich bezahlt. Königliche Diener servirten auf dem Silbergeschirre des Königs. Am Büffet unterhielt ich mich sehr. Da stand ich oft und lange; nicht um zu genießen, sondern in den reinsten Absichten, nämlich um reine Luft einzuathmen. Von den Büffets führten offenstehende Thüren, zu zwei Balkons nach der Straße, die nur mit Zelttuch bedeckt waren, und zur Küche dienten. Da und nur da allein im ganzen Hause, konnte man frei athmen. Das Schauspiel bei den Büffets war auch ohne dies ergöglich. Es ist doch etwas Erhabenes eine so große Menschenmenge essen und trinken zu sehen! Hohe Berge von Kuchen, Torten, Confituren, Früchten; Ströme von

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