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zurufenden Schildwache nicht gleich antwortet. Dieses Versäumen hat erst vor wenigen Tagen einem Jüngling das Leben gekostet; die Kugel traf ihn in's Herz. Odie unfelige Herrschaft, die, einer erotischen Pflanze gleich, in fremden Schiffen hergebracht, von Hofwärme ausgebrütet, von der Gießkanne lohnsüchtiger Gärtner begoffen, vor jeder Wolke, vor jedem Lüftchen zitternd, ein ängstliches Treibhausleben führt! Wie beffer ist die andere, die, gleich einer deutschen Eiche, in der Liebe des Volks wurzelt, von der Sonne geboren, vom Himmel selbst befruchtet, die der naschenden Art freundlich wehrt, und dem Sturme mit Macht widersteht!

Die Schwefelbäder bei Montmorency.

Ach, wäre ich nur schon der Rührung frei, wie munter wollte ich herumhüpfen auf dem Papier! Aber Thränen umdämmern meine Augen - und sie haben weit zu sehen, über Frankreich weg, bis hinüber in das Vaterland; aber meine Hand zittert und sie soll doch Kranken einen Heilbrief schreiben. Tausend frische Zweige säufeln mich vom dürren Pulte weg, tausend Vögel zwitschern mich hinaus; denn sie säufeln, denn sie zwitschern: Rousseau! Rousseau! Die Kastanienbäume dort, ernste Greise jeßt, sie haben in schönen Jahren Rousseau gekannt, und mit Schatz ten bewirthet seine glühende Seele. Das Häuschen gegenüber - ich sehe in die Fenster darin ist Rousseau's Stübchen; aber er ist nicht daheim. Dört

ist der kleine Tisch, an dem er die Heloise gedichtet; da steht das Bett, in dem er ausgeruht von seinem Wachen. O heiliges Thal von Montmorency! Kein Pfad, den er nicht gegangen, kein Hügel, den er nicht hinaufgestiegen, kein Gebüsch, das er nicht durchträumt! Der helle See, der dunkle Wald, die blauen Berge die Felder, die Dörfchen, die Mühlen fie sind ihm alle begegnet, und er hat sie alle gegrüßt und geliebt! Hier der Schatten vor meinen Augen fo, ganz so hat ihn die Frühlingssonne um diese Stunde auch feinen Blicken vorgezeichnet! Die Natur rings umher

die treulose buhlerische Natur! In Liebesthränen lag er zu ihren Füßen, und sie sah ihn lächelnd an, und jest, da er fern ist, lächelt sie an gleicher Stelle auch mir, und lächelt jeden an, der feufzend vorübergeht!

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Drei Stunden von Paris, und eine halbe Stunde von Montmorency entfernt, liegt, zwischen den Dörfern Enghien und St. Gratien ein See, welchen die Franzosen den Teich nennen, l'étang. Darüber mag man sich billig wundern! Sie, die Alles vergrößern, die inländischen Tugenden und die ausländischen Fehler, müßten den See sollte man meinen · das stille Meer von Montmorency heißen, so groß und stattlich ist er. Wahrlich, als ich ihn gestern Vormittag sah das Wetter war etwas stürmisch schlug er hohe Shakespeares - Wellen, und war unklassisch bis zur Frechheit. Ich brauchte, bei freiem Herzen, zwanz zig Minuten, ihn zu umreiten; Liebende zu Fuß können ihn eine ganze schöne Stunde umschleichen. Herrliche Baumgänge umschatten seine Ufer, zierliche Gondeln hüpfen über seine Wellen. Diesem See nahe find die Badehäuser angebaut, alle auf das Schönste und

Bequemste eingerichter. Die Bestandtheile des Wassers kenne ich nicht genau; die chemische Analyse, die der berühmte Fourroy davon gegeben, habe ich nicht ge= lesen; nur so viel weiß ich, daß Schwefel darin ist dieses herrliche Mittel, das, in Schießpulver verwan delt, kranke Völker, zu Arzneipulver gestoßen, franke Menschen heilt. Wahrscheinlich hat das Badwasser von Montmorency die größte Aehnlichkeit mit dem von Wiesbaden, welches, nach dem Conversations - Lerifon

diesem fächsischen Reichs- Vikar nach Ableben des deutschen Kaisers, der den deutschen Völkern geistige Einheit gibt, und dessen zehn Bände das Andenken der ehemaligen zehn Reichskreise mnemonisch bewahren - kohlensaure Kalkerde, Bittererde, salzsaures Natrum, fazfaure Kalkerde und Bittererde, schwefelsaures Natrum und schwefelsaure Kalkerde, Thonerde und etwas mit kohlensaurem Natrum aufgelöstes Eisen enthält. Aber Montmorency ist ungleich wirksamer als Wiesbaden und alle sonstigen Schwefelbäder Deutschlands und der Schweiz. Die nothwendigste Bedingung zur Heilung einer Krankheit durch Schwefelbäder, ist, wie die Erfahrung lehrt die Krankheit; weßwegen auch gute Aerzte, da, wo sie keine Krankheit vorfinden, ihr Heilverfahren damit beginnen, eine zu schaffen. Paris liegt aber so nahe bei Montmorench, daß die erforderliche Krankheit auf das Leichteste zu haben ist. Aus dieser vortheilhaften Lokalität entspringt für deutsche Kurgäste noch ein anderer ganz unschäßbarer Nußen: daß sie nämlich gar nicht nöthig haben, sich auf der großen Reise von Deutschland nach Paris mit einer Krankheit zu beschleppen, welches besonders bei Gichtübeln beschwerlich ist, sondern daß sie sich gesund auf den Weg machen, und sich erst in Paris mit den nö

thigen Gebrechen versehen, von wo aus sie gemächlich in zwei Stunden nach Montmorench fahren, um dort Heilung zu suchen. Sollten sie diese nicht finden, oder gar unglücklicher Weise in Paris sterben

denn es

versteht sich von selbst, daß man dort alle seine Zeit zubringt, und nur Sonntags zuweilen nach Montmorench fährt, um unter den Kastanienbäumen hinter der Eremitage die feine Welt tanzen zu sehen, so hat man die Reise doch nicht vergebens gemacht. Es gibt nichts Angenehmeres auf der Welt, als in Paris zu sterben; denn kann man dort sterben, ohne auch dort gelebt zu haben?

Der Vorzüge, welche das Schwefelbad von Montmorench vor allen übrigen Schwefelbädern hat, sind noch gar viele, und ich werde ein anderesmal darauf zurückkommen. Jezt aber habe ich von etwas Wichtigerem zu sprechen, nämlich von der zweimonatlichen Vorbereitungskur, welcher sich, besonders die deutsche weibliche Welt, zu unterwerfen hat, che sie die Reise nach Montmorency antreten darf. Ich weiß freilich nicht, ob auch junge Frauenzimmer von Stand zuweilen die Gicht bekommen, und ob ich nicht gegen die Pathologie und Courtoisie verstoße, wenn ich dieses als möglich annehme. Sollte ich aber fehlen, so entschuldigt mich meine gute Absicht gewiß. Wäre ich nun ein halbes Dußend Dinge, die ich nicht bin: jung, reich, schön, verheirathet, gesund und ein Frauenzimmer, würde ich, sobald ich im Morgenblatte die Anpreisung des Montmorency-Bades gelesen, wie folgt verfahren. Ich nehme an, ich lebte seit fünf Jahren in kinderloser, aber zufriedener Ehe. Mein Mann wäre ein Graf und reich. Er wäre nicht geizig, verwendete aber mehr auf seine landwirthschaftlichen Baue, Parkanlagen und Merino- Schafe, als auf meine Launen

und Luftschlösser. Er liebte die Jagd sehr, mich aber nicht minder. An Wochen- und Werkeltagen that' ich ihm in Allem seinen Willen, und nur an Festtagen, die ich mir zu diesem Zweck alle beweglich gemacht, behielte ich mir die Herrschaft vor. Wir lebten zurückgezogen auf unsern Gütern. Mein Mann wäre Tage und Wochen auf seinen entfernten Meiereien, und wir hätten selten eheliche Zwiste. Nun käme er eines Abends aber, um es den Leserinnen bequem zu machen, will ich in der dritten Person, wie Cäsar, und im Indikativ, wie die Weltgeschichte, von mir erzählen.

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An einem schönen Mai-Abend die Dorfglocke verhallte schlaftrunken, der Himmel löste seine rothen Bänder auf, die Sterne wurden angezündet fehrte Graf Opodeldoc von der Jagd zurück. In das Hofthor eingetreten, sprach er zu seinem Oberjäger: „Lie ber Herr Walter, seyn Sie so gut, und lassen Sie meiner Frau sagen, daß ich da bin." Der Graf war gegen seine Jagddienerschaft ein gar milder und lieber Herr. Im Gartensaale legte er seine Tasche ab, und zog die Ladung aus der Büchse; die Jagd war sehr unglücklich gewesen, nichts, keine Rabenfeder war ihm aufgestoßen. Sophie, das Kammermädchen der Gräfin, kam schüchtern herbei, und sprach mit ängstlicher Stimme: „Erschrecken Sie nicht, Herr Graf, es hat gar nichts zu bedeuten, bis morgen ist es vorüber, Sie brauchen fich gar nicht zu beunruhigen." Der Graf stieß zornig seine Büchse auf den Boden. ,,Elster, Staarmaz, Gans, was schnattern Sie da? Was hat nichts zu bedeuten, worüber soll ich nicht erschrecken?" Das Kammermädchen erwiederte:,,Sie können ganz ruhig feyn, die gnädige Gräfin befinden sich etwas unwohl,

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