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Geistes liebend gedenken, nicht der Arbeiten und Werke, womit er unsere Bewunderung verdient. Und wollten wir anders, wir vermöchten es nicht. Man kann Jean Pauls Werke zählen, nicht sie schäßen. Die Schäße, die er hinterlassen, sind nicht alle gemünztes Gold, das man nur einzurollen braucht. Wir finden Barren von Gold und Silber, Kleinodien, nackte Edelsteine, Schaumünzen, die der Gewürzkrämer als Bezahlung abweist; aufgespeicherte, ungemahlne Brodfrucht, und Aecker genug, worauf noch die spätesten Enkeln ernten werden. Solcher Reichthum hat manches Urtheil arm gemacht. Fülle hat man Ueberladung gescholten, Freigebigkeit als Verschwendung! Weil er so viel Gold besaß, als Andere Zinn, hat man als Prunksucht getadelt, daß er täglich aus goldenen Gefäßen aß und trank. Hat aber Jean Paul doch hierin gefehlt, wer hat seinen Irrthum verschuldet? Wenn große Reichthümer durch viele Geschlechter einer Familie herab erben, dann führt die Gewohnheit zur Mäßigkeit des Genusses; die Fülle wird geordnet; Alles an schickliche Orte gestellt und um jeden Glanz der Vorhang des Geschmacks gezogen. Der Arme aber, den das Glück überrascht, dem es die nackten Wände zauberschnell mit hohen Pfeilerspiegeln bedeckt, dem der Gott des Weins plöglich die leeren Fässer füllt der taumelt von Gemach zu Gemach, der berauscht sich im Becher der Freude, theilt unbesonnen mit vollen Händen aus, und blendet, weil er ist geblendet. Ein solcher Emporkömmling war Jean Paul; er hatte von seinem Volke nicht geerbt. Der Himmel schenkte ihm seine Gunst; das Glück stürzte gut gelaunt sein Füllhorn um, und überschüttete ihn mit Blumen und Früchten; die Erde gab ihm ihre verborgenen Schäße. Er sah

und zeigte fie gerne! Doch was der Neid der Mitlebenden belächelt, darüber lachen froh die Erben. Gold bleibt Gold, auch in der Erzstufe, nur von Wenigen erkannt, und die Fassung der Edelsteine ers höht ihren Preis, nicht ihren Werth.

So war Jean Paul! Fragt ihr: wo er ge boren, wo er gelebt, wo seine Asche ruhe? Vom Himmel ist er gekommen, auf der Erde hat er gewohnt, unser Herz ist sein Grab. Wollt ihr hören von den Tagen seiner Kindheit, von den Träumen seiner Jugend, von seinen männlichen Jahren? - Fragt den Knaben Gustav; fragt den Jüngling Albano und den wackern Schoppe. Sucht Ihr seine Hoffnungen? Im Kampanerthale findet Ihr fie. Kein Held, kein Dichter hat von seinem Leben so treue Kunde aufgezeichnet, als Jean Paul es gethan. Der Geist ist ent schwunden, das Wort ist geblieben! Er ist zurückgekehrt in seine Heimath; und in welchem Himmel er auch wandere, auf welchem Sterne er auch wohne, er wird in feiner Verklärung seine traute Erde nicht vergessen, nicht seine lieben Menschen, die mit ihm gespielt und geweint, und geliebt und geduldet, wie er.

Dieser zweite Band enthält unter vielem andern Bedeutenden auch noch die,,Denkwürdigkeiten der Frankfurter Censur“, Börne's Kampf mit seinem streichenden Widersacher. Dieser Artikel ist sehr lesenswerth.

Der dritte Band enthält Kritiken und insbesondre die berühmten Fragmente und Aphorismen. Wir wollen aus dem zahlreichen Material nur einiges Wenige mittheilen.

Fragmente und Aphorismen.

Minister fallen wie Butterbrode: gewöhnlich auf die gute Seite.

Es hüte sich der junge Dichter, an seinen Werken jene steinerne Ruhe herauszuarbeiten, von welcher Göthe so verlockende Beispiele gab. Bei den Alten warf die Anbetung den warmen Purpurmantel um die kalten, nackten Marmorgötter. Aber wir mit unsern Winterherzen lassen nackt, was wir nackt gefunden. Ruhe, Friede und Klarheit muß im schöpferischen Geiste wohnen; dann wird sie den Schöpfungen nicht ermangeln. Die Ruhe der Gleichgültigkeit schafft nur Werke, die gleichgültig laffen. Shakspeare und Calderon wurzelten tief, der in der Natur, der im Glauben, und weil sie so fest gestanden, gaben sie ihre Zweige dem Sturme, ihre Blätter kosenden Lüftchen hin, und zitterten nicht vor der rohen Gewalt des Windes, und fürchteten nicht, nahende Vertraulichkeit möchte der Ehrfurcht schaden. Der Bewegungslose wird nie bewogen, und nur der bewegte Dichter kann dem bewegten Herzen Ruhe geben.

Vor der Revolution war es am französischen Hofe Sitte, daß gemeinschaftlich mit den königlichen Prinzen ein bürgerliches Kind erzogen wurde, das, so oft der junge Prinz sich verging, statt seiner gezüchtigt wurde. Eine ähnliche bürgerliche Bestimmung hat das deutsche Volk. Wenn die Franzosen, wenn die Spanier und Portugiesen, wenn die Neapolitaner und Piemonteser, wenn die Russen sich unartig betragen, bekommen die armen deutschen_Kinder Ohrfeigen. Es ist gar zu betrübt; wir müssen machen, daß wir groß werden.

Die Staatsbaumeister glauben, um dem Rauchen ein Ende zu machen, brauche man blos die Schornsteine zu vermauern. Sie thun es, treiben den Rauch zurück, vermehren ihn, werden ärgerlich darüber, und ahnen gar nicht, daß ihre Unwissenheit das Uebel vergrößert.

Leidenschaften der Regierungen zeugen von Schwäche, Leidenschaften des Volkes aber zeugen, von Stärke.

Regierungen find Segel, das Volk ist Wind, der Staat ist Schiff, die Zeit ist See.

Denkt euch ein Arzt untersagte seinem Kranken jede anhaltende Bewegung, sie könnte ihm tödlich wer

den, erklärte er. Der Kranke wäre unfolgsam und ginge eine Meile weit. Was würdet ihr von jenem Arzte sagen, der, um den Fehler wieder gut zu machen, den Kranken seinen gegangenen Weg wieder zurücklegen ließe? Jeßt denkt euch ein Volk_sey_krank, man verbiete ihm die Bewegung; aber es hat sich doch bewegt. Wenn nun, um den Schaden zu verbessern, die StaatsAerzte dasselbe zu dem Punkte, von dem es ausge= gangen, wieder zurückführten, was würdet ihr davon denken? Ist Bewegung schädlich, so ist es jede, sie richte sich vorwärts oder rückwärts, und es bleibt nichts übrig, als das Volk an dem Orte, wo man es eingeholt, ins Bett zu legen, und die Krise abzu

warten.

"

Wann wird Ihre Frau entbunden?" fragte Ludwig XIV. einen Hofmann. ,,Quand il plaira à votre majesté," antwortete dieser mit tiefer Verbeugung.. So schmeichelt man noch heute den Fürsten, sie könnten die Stunde bestimmen in welcher die Zeit ins Kindbett kommen foll.

Carneades hielt zu Rom öffentlich zwei Reden, die eine für, die andere wider die Gerechtigkeit, und ward 90 Jahre alt. Hufeland hat es in seiner Makrobiotik zu bemerken vergessen, daß man, um alt zu werden, keine Grundsäße haben dürfe.

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