Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

wetter in das verfluchte Nest schlügen, und zweitens wünsche ich das Nämliche noch einmal.

Ich gehe zu streiten für die gute Sache. Falle ich, so laffe deine Jungen jedes Jahr an meinem Sterbetage einen Burzelbaum über meinen Grabeshügel schlagen. Lebe wohl, Bruderherz.

Der Eßkünstler.

Ein artistischer Versuch.

Nur acht Tage wurde ich in Wien verkannt, daher ich mich glücklicher schäßen darf, als viele Andere. Nämlich der heiligen Allianz meiner Tischgenossenschaft, welche ihren Zweck, gemeinschaftlich zu verschlingen, gar nicht zu beschönigen suchte, drohte Zwietracht denn sie konnte nicht einig darüber werden, ob ich verliebt sey, oder ein tiefsinniger Gelehrter, oder ein Narr, oder taubstumm, oder ein langweiliger und trockener Mensch. Allerdings hatte jede dieser Meinungen Gründe für sich. Ich aß wenig, sprach Nichts, hörte auf keine Anrede bald war ich düster, bald lachte ich laut auf ... ich schnitt mehrere Gesichter, mein Blick war starr auf diesen oder jenen Punkt gerichtet, und nicht selten fuhr ich mit der Hand über die Stirne, gleich unsern artigen jungen Herren, die, wenn plößlich Frauenzimmer in die Stube treten, fich aus dem Stegreife frisiren und ihre Locken in eine liebliche Verwirrung bringen. Aber nach einer Woche klärte fich Alles auf, und meine gewöhnliche Liebens

würdigkeit, das heißt meine sehr gewöhnliche, kehrte zurück. Die Sache verhält sich wie folgt.

Mir gegenüber saß ein Mann, an dessen Rocke von unaussprechlicher Farbe eine seltene Seltenheit der Knöpfe meine Aufmerksamkeit anzog. Auf drei Quadratschuh Tuch kam nicht mehr als ein einziger Knopf

eine Bevölkerung, die zwar, wenn von den Menschen die Rede wäre, zu den großen gehörte, denn sie überträfe selbst die von Malta, die aber, da es sich von Knöpfen handelt, von einer Sparsamkeit ohne Beispiel ist. Ich schloß aus Gründen der Anthropologie, daß ein Mann von so eigenthümlicher Phyfiognomie ein ausgezeichneter Mensch seyn müsse, und ich irrte mich nicht. Ich entdeckte bald in ihm einen höchst vortrefflichen Eßkünstler, der mit seinen herrlichen Gaben auch die Tugend der Uneigennüßigkeit verband, indem er acht Tage hinter einander in seiner Kunst unentgeldlich öffentliche Vorstellungen gab.

Man wird mir beistimmen, wenn ich behaupte, daß die meisten Menschen wie das Vieh essen, ohne klares Bewußtseyn, ohne Ueberlegung, ohne Regel, und ohne jene Anmuth, welche nur die verschönernde Kunst über die Natur haucht. Was ich nur immer dunkel geahnet hatte, daß das Essen etwas viel Erhabeneres bezwecke, als die Befriedigung eines blos thierischen Triebes, wurde mir klar durch die Anschauung der Meisterschaft, welche der würdige Künstler, von dem ich reden will, vor meinen Augen entfaltete.

Andere Konzertgeber warten gewöhnlich, bis sich das Orchester versammelt hat, und das Stimmen zu Ende ist; dann erst treten sie hervor. Unser Künstler aber verschmähte den kleinlichen Kunstgriff, durch Ueberraschung zu wirken. Im Gegentheile, er war eine

halbe Stunde früher als die übrigen Gäste im Speisefaal, so daß die Kellner oft irre wurden und ihn fragten, was er befehle, denn sie glaubten, er suche ein Gabelfrühstück. Diese Einsamkeit benußte er als ein Mann, dem seine Kunst heilig ist, und der fie nicht blos zum schnöden Zeitvertreibe der Menge übt. Er unterwarf sein Gedeck einer höchst genauen Musterung; die Teller und das Glas wurden nachgesäubert; er untersuchte das Messer, ob es keine Scharten habe, in welchem Falle er es mit einem andern vertauschte. Am meisten aber war er auf die Elasticität des Stuhles bedacht, wohl erwägend, wie viel auf diesen Resonanzboden des Eßinstruments ankäme. Darauf maß er sich mit seinen Ellenbogen einen freien Umkreis ab, indem er die Stühle auf beiden Seiten zusammenrückte, so daß man sich später wunderte, wie ein Mann, der für sechs effen mochte, doch nur für zwei Personen saß. War dieses Alles geschehen und es blieb ihm noch Zeit übrig, so präludirte er, indem er sich ein Glas Wein aus den gemeinschaftlichen Beiträgen der benachbarten Flaschen sammelte, und dazu ein Milchbrod mit etwas Gurkensalat genoß. So konnte er von seinem sichern Hafen aus mit Ruhe auf den Sturm der heranwogenden Gäste schauen, und durfte fich, während die andern verwirrt ihre Pläße suchten und hungrig der Suppe entgegen seufzten, der Früchte seiner weisen Vorsicht erfreuen.

Man kann sich nicht genug darüber wundern, wie es so viel tausend Menschen, die seit undenklichen Zeiten täglich in Gasthöfen speisen, entgehen konnte, daß der Gebrauch der Gabel einer der Gebräuche sey, welche die Wirthe aus Spißbüberei eingeführt haben. Bei nur einiger Aufmerksamkeit hätte man entdeckt,

daß jenes Werkzeug weniger geeignet ist, die Speisen zu halten, als herab und durchfallen zu lassen. Einen so hellsehenden Eßkünstler, wie den unsrigen, konnte die heuchlerische Hülfsleistung der Gabel nicht bethören, und er bediente sich ihrer nie, sondern gebrauchte bei allen Speisen den sichern und weitumfassenden Löffel, den er vor den räuberischen Händen der Kellner, die nach der Suppe alle Löffel wegräumten, dadurch ficherte, daß er Ererzitien und gymnastische Uebungen mit ihm anstellte, so daß er nicht zu erhaschen war.

Die Völker germanischen Ursprungs leben alle in dem Wahne, als wären die verschiedenen Beiessen, von welchem das Rindfleisch begleitet zu werden pflegt, rothe Rüben, Gurkensalat u. s. w. nur zur Auswahl da: aber unser großer Künstler ging von dem Standpunkte aus, daß jene Beiessen Simultanspeisen wären, und die glückliche Anwendung seines Grundsaßes zeugte von dessen Richtigkeit. Meerrettig, geröstete Kartoffeln, die gewöhnliche braune Brühe, eingemachte Bohnen, Gurkensalat, Radieschen, rothe Rüben, Rettigscheiben, Senf und Salz, brachte er sämmtlich auf seinen Teller und wußte sie durch eine weise Benußung des Raumes dergestalt im Kreise zu ordnen, daß keines das andere berührte. Nur ein einziger Plaz blieb leer, wie an Arthur's Tafelrunde, und war für das Beieffen be stimmt, welches er etwa übersehen habe und das noch kommen könnte.

Das Vorurtheil, daß die Künste in monarchischen Staaten größere Aufmunterung fänden, als in republikanischen, hat jenes andere Vorurtheil veranlaßt, daß die meisten Künstler aristokratisch gefinnt wären. Bedarf es noch eines Beweises, daß diese Ansicht falsch sey, so hat ihn unser Eßkünstler gegeben. Seine Nei

gung für Freiheit und Gleichheit war so heftig, daß ihn der Vorzug, welchen er Frauenzimmer genießen sah, bei Tische mit Uebergehen der Herren zuerst bedient zu werden, in die größte Wuth verseßte, und er schwaßte nicht blos für die Freiheit gleich den deutschen Liberalen, sondern er kämpfte auch für sie, indem er jeden Kellner, der ihn überspringen wollte, um die Schüssel einer Dame zu reichen, gewaltsam am Aermel zurückhielt, und ihn Achtung der Menschenrechte lehrte. Den Kellnern selbst. kam diese Freiheitsliebe unseres Künstlers am meisten zu Statten; denn da der Wirth die geringste Nachlässigkeit, welche jene fich gegen die Gäste zu Schulden kommen ließen, streng bestrafte, so arbeitete der Eßkünstler solcher Tyrannei dadurch entgegen, daß er den Kellnern unaufhörlich zurief und zuwinkte, sie sollten ihn nicht vernachlässigen und an ihn denken.

Gemüse find die Freuden des Eßpöbels und der Wirthe: sie befriedigen das rohe Bedürfniß auf eine wohlfeile Art. Unser Künstler offenbarte seine Geringschäßung gegen dieselben hinlänglich, indem er bei feinem Gemüse lange verweilte, sondern von einem zum andern eilend, sich unter das Gefolge, die sogenannten Beilagen, mischte, wo er, wie dieses oft der Fall_ist, größere Bildung fand als bei der Herrschaft. Einen neuen Häring, der noch sehr schüchtern war, und dem man die Verlegenheit, vor so vielen Gästen zu erscheinen, ansah, munterte er auf, und unterhielt sich so zutraulich mit ihm, daß dieser ein Leib und eine Seele mit ihm ward. Freilich murrten die Tischgenoffen über diese Vernachlässigung des sogenannten Anstandes, aber unser Künstler lachte dazu, und fragte einen östreichischen Grafen, ob nicht der älteste Häring

« ZurückWeiter »