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eine

Einfluß auf Gemüth und Geist des Sohnes alte Magd im Hause war sogar in Allem seine Gegnerin. Die alte „Elle" nannte ihn einen „Katev", einen Spötter und Kezer.

Die Erziehung der drei Brüder wurde einem jungen Manne, Jakob Sachs, anvertraut, welcher zwar ein Schüler der jüdischen Reformschule in Berlin war, indeß von dem Vater die Verpflichtung auferlegt_er= hielt, die drei Knaben orthodor zu erziehen. Er fand in dem Hause einen überraschenden Umstand, eine gänzliche Zurücksehung des mittleren der drei Knaben, so daß er bei seinem ersten Besuche erstaunt fragte, dieser Knabe Löb sei wohl nur ein angenommenes Kind. Er suchte der Unbill mit Energie zu steuern. Der Vater war, wie wir bereits bemerkten, viel auf Reisen, die Mutter ließ sich von der alten „Elle“ soweit beherrschen, daß auch sie ihren zweiten Knaben lange Zeit gemeiniglich mit dem oben angeführten Spißnamen rief; überall fand eine Zurückschung Löbs statt, des Bösen wurde er in der Regel allein schuldig gefun den, des Guten bekam er stets den kleinsten Theil. Die Mühe des Lehrers, das zu ändern, war nicht ganz erfolgreich; das Resultat dieser Behandlung trat in dem Knaben schon durch seinen Hang zum Alleinsein u. f. w. hervor; an Stelle der Theilnahme am Spiel mit Geschwistern und Jugendgenossen trat ein scheues Zurückziehen, oder ein sehnlich erwünschtes dauerndes Unterhalten mit dem Lehrer, der in diesem Zögling bald den lernbegierigsten und aufmerksamsten erkannte und vielleicht damals schon den einstigen Gelehrten in ihm ahnte.

Gegen die Feindschaft der alten Magd wehrte sich Löb übrigens mit den Waffen des Spottes so gut als

möglich; so antwortete er ihr einmal, als sie ihm zurief: Du kommst gewiß in die Hölle!"

"

„Das thut mir leid, so habe ich auch noch im Jenseits keine Rühe vor dir."

Der Knabe Löb hatte in seiner frühen Jugend schon von zweierlei besonders zu leiden, beides ein Resultat seiner Geburt. Das Eine bestand eben in der außerordentlich orthodor gehaltenen Erziehung, die ihm zu Theil wurde. Der junge Lehrer mußte darunter nicht weniger leiden, als der kindliche Schüler; auch der Lehrer sehnte sich nach freieren Lehr- und Glaubensformen, war aber durch die bestimmtesten Vorschriften gebunden, welche ihm vom Vater seiner Zöglinge gemacht worden waren. Löbs scharfer, durchdringender Verstand, sein unermüdliches Bestreben, jeder Sache auf den Grund zu kommen, ließen ihn zu bald auf Dinge stoßen, die ihm als vernünftig hingestellt wurden, während er die darin verborgen seinsöllende Vernunft nicht begreifen konnte. Manche Sagungen des jüdischen Cultus erschienen dem sinnenden Knaben so verkehrt, daß er durchaus nicht daran glauben wollte, und dieses Sinnen und Grübeln machte ihm wohl viele Noth. Das Andere, woran er litt, entsprang aus der schon oben erwähnten Mißhandlung, denen er und seine Glaubensgenossen überhaupt vielfach ausgesezt waren. Auch diese den ehrlichen, gefühlvollen Knaben schwer verleßenden zahlreichen Erfahrungen zwangen ihn zu tiefem Nachdenken, dessen Resultate leicht zu begreifen sind. Er beklagte sich häufig bitter gegen seinen Lehrer, der natürlich oft genug ihn nicht zu trösten wußte. Einmal verwieß er ihn darauf, daß ja auch die Katholiken in Frankfurt gedrückt würden das war dem Knaben noch unerklärlicher, da ja selbst

der Kaiser katholisch_sei. „Kaum“, fuhr er fort, „haben sie ihn hier mit großem Gepränge gekrönt, wollte er nun hier bleiben und hier ansässig werden, so könnte er ja nicht einmal Thorschreiber werden."

Noch eine andere hierher gehörige Aeußerung ist die folgende: Bei einem Spaziergange, welchen Löb mit seinem Lehrer machte, fanden sie den Fahrweg, in welchen sie als Juden gebannt waren, durch starken Regen ganz unwegsam. Der Knabe forderte den Lehrer auf, mit ihm auf den Fußweg zu gehen, leßterer be deutete ihm, daß ihnen der Fußweg verboten sei. Löb sezte sein Verlangen mit den Worten fort:,,Es sicht's ja Niemand! Der Lehrer fand hierin Veranlassung, ihn auf die allgemeine Heiligkeit des Gefeßes aufmerksam zu machen, da antwortete der Knabe: „Ein dummes Gefeß! Wenn es nun dem Bürgermeister in den Sinn käme, wir dürften im Winter kein Feuer anmachen, würden wir da nicht erfrieren?"

Wie tief des Knaben Erbitterung nach dieser Richtung hin war, möge følgender Zug noch darthun. Er wurde einmal gleichzeitig von einem christlichen und von einem jüdischen Bettlerknaben angesprochen, und reichte dem erstern seine kleine Gabe. Der Lehrer frug erstaunt, warum er nicht seinem Volke den Vorzug gebe, und Löb antwortete: Haben wir nicht gestern Sprüche Salomonis gelesen, du sollst glühende Kohlen auf das Haupt deines Feindes sammeln?"

Wir wollen noch einige wenige Mittheilungen aus Börnes Jugend hier folgen lassen. Zuerst sei die außer ordentliche Leselust des Knaben erwähnt, die leider we der geregelt wurde, noch sonst irgendwelche Gelegenheit fand, ihm etwas besonderes zuzuführen. Weder sein Vater noch der Lehrer hatten unter ihren Büchern

etwas von Bedeutung; von den Büchern, durch welche der Knabe besonders angezogen wurde, find allenfalls Schillers Geschichte des dreißigjährigen Krieges und Schröckhs Weltgeschichte zu erwähnen.

Börnes Vater war von dem Verlangen durchdrungen, seinen Kindern eine möglichst gute Erziehung zu Theil werden zu lassen. Um das zu ermöglichen, hatte er, da der Unterricht des Hauslehrers nicht zureichen wollte, noch besondere Hindernisse zu überwinden, welche wiederum in der allgemeinen Mißhandlung der Juden ihren Grund hatten. Es waren in Frankfurt nur zwei jüdische Lehrer, welche durchaus unzureichend waren, christliche Lehrer gingen nicht in die Judengasse. Als die französischen Emigranten nach Frankfurt kamen, wurde die Sache etwas besser. Der Abbé Marr aus Nanch ertheilte den Kindern französischen Unterricht; ein Kölner, Namens Buchwieser, gab ihnen Clavierstunden, ein gewisser Ernst gab Schreibunterricht.

Der Umstand, daß nachgerade die künftige Bestimmung der Knaben entschieden werden mußte, brach für Löb noch etwas mehr die Schranken der Judengasse. Der Lehrer Sachs versuchte den Vater zu bestimmen, seinen zweiten Sohn studiren zu lassen. Nur mit Mühe war er dazu zu bewegen, das Haupthinderniß lag für ihn darin, daß Löb das Gymnasium hätte besuchen müssen, und das hätte der Großvater nie gestattet. Es wurde ein Mittelweg ausfindig gemacht: der Rektor des Gymnastums, Mosche, wurde dazu bewogen, Löb Privatunterricht im Lateinischen zu ertheilen, und so wurde der Knabe zum medizinischen Studium bestimmt. Auch bei diesem lateinischen Unterricht zeigte er gleichen Fleiß, gleiche Lernbegierde wie bei allem andern. In seinem 14. Lebensjahre 1800 wurde er in die Erziehungs

anstalt des Professor Hezel nach Gießen gebracht. Hezel war ein großer Gelehrter, aber ein schlechter Dekonom, und wollte seine fortwährenden Geldverle= genheiten auf diesem Wege beseitigen. Er hatte ein großes Programm über ein Institut erlassen, was eigentlich noch gar nicht bestand, aber von ihm als in großer Blüthe stehend geschildert wurde. So kam es, daß Löb Baruch erst der zweite Zögling dieses Institutes war. Indeß machte sich die Sache besser, als anfangs anzunehmen war. Großen Vortheil zog er insbesondere aus der Veränderung seiner ganzen Situation: die enge Judengasse wurde plöhlich mit dem eleganten Salon, dem besuchten Hause eines vorurtheilsfreien Lebemanns vertauscht, und der Knabe warf jauchzend die ersten Fesseln ab.

Der Professor Hezel nahm bald darauf einen Ruf nach Dorpat an, und überließ seine Anstalt dem Statistiker Crome. Wie das Verhältniß Börnes zu Hezel ein angenehmes und freundschaftliches gewesen war, blieb es dies auch Crome gegenüber, so lange und noch länger, als er in dem Institut verweilte. Die Zeit seines Ausscheidens war übrigens gekommen, der Vater hatte die Sorge um die weitere Erziehung seines Sohnes, der nun zum medicinischen Studium übergehen sollte, längst neu bewegt, und er hatte denn, ohne die bedeutenden damit verbundenen Unkosten zu scheuen, etwas für ihn ausgewählt, was von der möglichsten Rücksicht und Besorgniß für das Wohl seines Kindes zeugt. Der berühmte Arzt Marcus Herz in Berlin verwendete nämlich außer der bedeutenden Praxis, welche ihu in Anspruch nahm, einen Theil seiner Zeit darauf, junge Leute, die er in sein Haus aufgenommen, zu medicinischen Studien vorzubereiten, und Louis Baruch,

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