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sich sämtlich auf die Konstruktion der ebenen Bilder durch Projektion.

Die Methode des Projizierens ist aus den Vorgängen beim Sehen der Gegenstände abstrahiert. Die Centralprojektion entsteht, wenn man aus einem gegebenen Projektionscentrum (Augpunkt) durch die Punkte des Objektes projizierende Strahlen (Sehstrahlen) zieht und diese mit der Bildebene schneidet. Statt des Projektionscentrums kann auch eine feste Richtung gegeben werden,* welche die projizierenden Strahlen haben sollen, sodaß sie gegen die Bildebene gleiche Neigung erhalten, insbesondere zu ihr rechtwinklig werden; hierbei ergiebt sich die schiefe oder speziell die orthogonale Parallelprojektion. Diese Methoden empfehlen sich vor anderen durch die Bildlichkeit der Darstellungen, d. h. dadurch, daß die Gesichtseindrücke, welche wir von letzteren haben, in allem Wesentlichen mit denen übereinstimmen, welche die dargestellten Objekte selbst hervorrufen würden. Hiermit ist der weitere Vorteil verknüpft, daß bei ihrer Zugrundelegung die Entwickelung der geometrischen Beziehungen, die den räumlichen Objekten anhaften, sich am durchsichtigsten gestaltet.

Mit Rücksicht auf die Anwendungen sucht man die Anschaulichkeit der Darstellungen räumlicher Objekte dadurch zu erhöhen, daß man ihnen die Wiedergabe der Beleuchtungsverhältnisse für eine geeignet angenommene Lichtquelle, namentlich die Eigenund Schlagschatten in genauer Konstruktion hinzufügt. Die Lichtquelle wird entweder durch einen leuchtenden Punkt im Endlichen vertreten, oder man nimmt sie in unendlicher Ferne an, sodaß die Lichtstrahlen parallel werden. Die Theorie der Schattenkonstruktionen ist in der Projektionslehre enthalten; die Theorie der Beleuchtung gesetzmäßig gestalteter Oberflächen schließt sich eng an die erstere an, bedarf aber besonderer

Auseinandersetzungen.

In letzter Linie kommen für die darstellende Geometrie Methoden in Betracht, welche auf die Konstruktion räumlicher Abbilder oder Modelle der Raumfiguren abzielen. Unter ihnen bedürfen die, welche die Konstruktion von Modellen bezwecken, die mit den gegebenen Objekten kongruent oder (bei verändertem Maßstabe) in allen Teilen ähnlich sind, ihrer unmittelbaren Faßlichkeit wegen, keiner näheren Erläuterung. Hiervon abgesehen kommt die sogenannte Reliefperspektive gelegentlich zur Anwendung. Ihre Theorie läßt sich als eine Verallgemeinerung der Projektionsmethode an deren Darlegung ohne Schwierigkeit anfügen.

Die darstellende Geometrie bedarf zu ihrer Entwickelung keiner anderen theoretischen Voraussetzungen als der Begriffe und Lehrsätze der elementaren Planimetrie und Stereometrie. Diese bezeichnen daher auch das Maß der mathematischen Vorkenntnisse, die zum Verständnisse dieses Lehrbuches erforderlich sind und auf die Bezug genommen wird, ohne Erklärungen oder Beweise hinzuzufügen. An die Elemente der Raumlehre anknüpfend bildet die darstellende Geometrie selbständig die Lehre von den Projektionen aus. Das Verfahren des Projizierens aber, das in erster Linie benutzt wird, um die Darstellung gegebener Raumfiguren zu gewinnen, soll gleichzeitig dazu dienen, Eigenschaften derselben zu erkennen und zu beweisen. Auch sollen die Projektionsmethoden auf höhere stereometrische Fragen angewandt und diese durch Konstruktion gelöst werden. Dann erst wird dem Zwecke der mathematischen Schulung der Anschauung genügend Rechnung getragen; denn jede konstruktive Lösung besteht in einer methodisch geordneten Folge von Operationen, deren geometrische Bedeutungen, im Gegensatz zu denen der rechnenden Operationen, einzeln anschaulich erfaßt, in ihrer Gesamtheit aber bei der graphischen Ausführung überblickt werden können.

Durch ihre Methoden wird unsere Wissenschaft naturgemäß zur Untersuchung derjenigen Eigenschaften der Figuren geführt, welche mit denen der durch Projektion gewonnenen Bilder übereinstimmen. Diese durch Projektion unzerstörbaren oder projektiven Eigenschaften der Raumgebilde sind es, welche in allgemeinster Weise aufgefaßt, die Grundlagen der Geometrie der Lage ausmachen. Bei letzterer fällt die Rücksicht auf Darstellbarkeit fort; sie operiert lediglich mit Begriffen. Die darstellende Geometrie aber bereitet die Bildung dieser Begriffe vor, indem sie alle geometrischen Gesetze untersucht, welche durch den wirklichen. Vorgang der Projektion direkt begründet werden.

Steht also die darstellende Geometrie zur Geometrie der Lage in näherer Beziehung als zur analytischen Geometrie, welche die Gebilde und ihre Eigenschaften durch Gleichungen zwischen Maßzahlen bestimmt, so kann sie doch auf den Gebrauch von Maßrelationen nicht völlig verzichten, weil die Bestimmung der Größenverhältnisse, ebensogut wie die der Lagebeziehungen in ihrer Aufgabe liegt. Aber sie verwendet nur die einfachsten Formen derselben, bei denen an die Stelle der Rechnung mit analytischen Größen sogleich die Konstruktion treten kann.

Irgend eine Aufgabe der darstellenden Geometrie ist als gelöst

zu betrachten, wenn sie zurückgeführt ist auf solche Elementaroperationen, die man ohne weiteres mit bekannten Hilfsmitteln durchführen kann. Unter jenen Elementaroperationen aber sind lediglich die folgenden, welche sich sämtlich auf eine ebene Zeichnungsfläche beziehen, zu verstehen:

das Ziehen gerader Linien durch gegebene Punkte; insbesondere das Ziehen gerader Linien, die zu einer gegebenen Geraden parallel sind, oder auf ihr rechtwinklig stehen;

das Schlagen von Kreisen um ein gegebenes Centrum und mit gegebenem Radius.

Bezüglich des Entwickelungsganges mag Folgendes im Voraus bemerkt werden. Mit dem Einfachsten wird begonnen; so geht bei der Darstellung räumlicher Objekte die orthogonale der schiefen Parallel- und der Centralprojektion voraus. Zuerst werden durch diese Projektionen ebene Figuren abgebildet. Vereinigt man dann Bild- und Originalebene in geeigneter Weise, so ergeben sich mittelbar geometrische Abhängigkeiten, die zwischen Figuren ein und derselben Ebene stattfinden; sie werden Kollinearverwandtschaften oder Kollineationen genannt; weil dabei geraden Linien stets wieder Geraden entsprechen. Die einfachste Art der Centralprojektion, bei welcher Bild- und Originalebene parallel angenommen werden, liefert die Ähnlichkeit bei ähnlicher Lage. Aus der schiefen Parallelprojektion aber entsteht eine Verwandtschaft ebener Figuren, die als Affinität bei affiner Lage bezeichnet wird. Auf der anderen Seite ergiebt die allgemeine Centralprojektion die centrische Kollineation ebener Systeme oder die Perspektivität.

Gerade deshalb, weil die genannten Verwandtschaften ebener Gebilde aus Projektionen im Raume entstanden gedacht werden können, haben sie für die darstellende Geometrie eine prinzipielle Wichtigkeit; die bei der Darstellung räumlicher Objekte auftretenden Probleme führen immer wieder auf sie zurück. Es erschien daher zweckmäßig, sie an geeigneter Stelle ausführlich zu behandeln. Wir beginnen also die Darlegung der Methoden der Parallelprojektion mit einem Kapitel über Ähnlichkeit und Affinität bei ebenen Figuren. Dementsprechend würde ein Kapitel über Perspektivität ebener Figuren vor der Behandlung der Perspektive räumlicher Figuren seinen natürlichen Platz finden. Wir ziehen es aber vor, ein solches bereits an einer früheren Stelle einzuschalten und später darauf zurück zu verweisen, weil für gewisse Gebilde schon an und für sich die Gesetze der Perspektivität in Betracht kommen, namentlich für Pyramiden und Kegel und ihre ebenen Schnitte.

Bei der Entwickelung der Projektionsmethoden für beliebige (nicht ebene) Objekte wird jedesmal mit der Darstellung der einfachen Grundgebilde: Punkt, Gerade, Ebene und der Lösung der aus ihren möglichen Beziehungen sich ergebenden Fundamentalaufgaben begonnen, um daran die Darstellung und Untersuchung der komplizierteren Gebilde in angemessener Ordnung anzuschliessen.

Schliesslich mögen noch einige Bemerkungen über die hauptsächlichsten, zum Teil am gehörigen Orte noch näher zu erläuternden, Bezeichnungen und Abkürzungen Platz greifen. Wir werden durchgängig:

Punkte mit großen lateinischen Buchstaben: A, B... P,..., Gerade mit kleinen lateinischen Buchstaben: a, b,... g, . . ., Ebenen mit großen griechischen Buchstaben: A, B, ... E,..., Winkel mit kleinen griechischen Buchstaben: a, B,...,..., bezeichnen, und zwar verwenden wir meist die ersten Buchstaben des betreffenden Alphabets für gegebene oder bekannte Elemente, für variable oder unbekannte aber die später folgenden Buchstaben. Als Zeichen der Verbindung mehrerer Elemente durch ein neues Grundgebilde, welches sie zusammengenommen bestimmen, dient die bloße Nebeneinanderstellung der sie bezeichnenden Buchstaben. Es bedeutet also:

g= AB die gerade Verbindungslinie der Punkte A und B, E = ABC die Verbindungsebene der drei Punkte A, B, C,

Δ

=

▲ Ab die Verbindungsebene des Punktes A und der Geraden b, [ = ab die Verbindungsebene der sich schneidenden Geraden a und b.

Zur Bezeichnung der Schnittelemente wählen wir das zwischen die betreffenden Buchstaben einzufügende Symbol x. Hiernach bedeutet:

Pgxh den Schnittpunkt der in einer Ebene liegenden
Geraden g und h.

Q=9xE den Schnittpunkt der Geraden g und der Ebene. E, g= EX▲ die Schnittlinie der Ebenen E und A. Wie gebräuchlich, legen wir parallelen Geraden einen unendlich fernen Schnittpunkt (Richtungspunkt, Richtung), parallelen Ebenen eine unendlich ferne Schnittlinie (Stellungsgerade, Stellung) bei.

Diese Bezeichnungen werden miteinander nach Bedürfnis kombiniert; z. B. würde AB × PQR den Schnittpunkt der Verbindungslinie der Punkte A, B mit der Verbindungsebene der Punkte P, Q, R darstellen, u. s. f.

Als Dreieckszeichen dient A, als Winkelzeichen Z, so daß
A ABC das Dreieck mit den Ecken A, B, C,

α = ▲ ABC den Winkel, welchen die Schenkel BA und BC am
Scheitel B einschließen,

β

=

γ =

ab den Winkel der Geraden a und b,

aЕ den Neigungswinkel der Geraden a gegen die Ebene E, f = E▲ den Winkel der Ebenen E und ▲

bezeichnet.

R ist das Symbol für den rechten Winkel oder 90°, 2R für den gestreckten Winkel u. s. f.

Neben den bereits üblichen Abkürzungen ||, # 1, ~,~ für parallel, parallel und gleich, senkrecht, ähnlich und kongruent, führen wir noch ein neues Symbol für den senkrechten. Abstand ein; es soll nämlich (Pg) die Entfernung des Punktes P von der Geraden g, (PE) die des Punktes P von der Ebene E repräsentieren.

Übrigens wird für die geometrischen Beziehungen keineswegs ausschließlich die symbolische Schreibweise angewendet werden. Dieselbe soll nur bei Beweisen die Übersicht erleichtern und bei der unvermeidlichen Wiederholung geläufiger Operationen die Möglichkeit der Kürzung gewähren.

Im besonderen sind folgende feststehende Bezeichnungen zu

nennen:

П1, П1⁄2 für die beiden rechtwinkligen Projektionsebenen
bei orthogonaler Projektion, r für ihre Schnittlinie
oder Achse.

P', '" für die Projektionen eines Punktes P,
g', g' für die Projektionen einer Geraden g,
G1, G2 für die Spurpunkte einer Geraden g,
e, e für die Spurlinien einer Ebene E.

Schiefe Parallelprojektionen werden durch Anhängung des unteren Index s, central perspektive Bilder durch die des Index c bezeichnet. Die Umlegung einer ebenen Figur in eine andere Ebene um die zu beiden gehörige Spurlinie charakterisieren wir durch den unteren oder oberen Index o, Elemente, die durch Drehung um irgend eine Gerade eine neue Lage erhalten haben, ebenso durch den Index ▲, endlich Schatten durch den unteren oder oberen Index *.

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