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man vorzog, die Sache beim Alten zu lassen. Aber vielleicht ist es möglich, einen anderen Weg zu beschreiten, der mehr Erfolg verspricht, ich meine den einer allgemeinen Verständigung über ein neues System des Sanitätswesens, und da eine solche durch mündlichen Gedankenaustausch der Dienstverhältnisse wegen nicht zu erreichen sein wird, so werfe ich die Frage auf: ob es nicht zweckmässig wäre, ein Organ, ein Sanitätsbeamtenblatt, zu schaffen, in welchem die Beamten ihre Meinungen austauschen, um schliesslich ein abgerundetes und verständiges neues System der Staatsregierung zur Berücksichtigung zu übergeben? Ist eine Einigung in den Hauptgrundzügen durch einen solchen schriftlichen Gedankenaustausch zu Stande gekommen, dann wäre es vielleicht ausführbar, in einer Versammlung, die durch einen Vertreter eines jeden Regierungsbezirks beschickt wird, den Entwurf zu detailliren und zu formuliren.

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Ich werde den Amtscollegen sehr dankbar sein, wenn sie mir privatim ihre Meinung darüber mittheilen, event. auch diese Zeitschrift dazu benutzen, und unterbreite zunächst ut medias in res feramur den nachfolgenden skizzirten Reform - Vorschlag ihrem Urtheil, der hauptsächlich die Verhältnisse auf dem platten Lande im Auge hat und von diesen aus die für einen ganzen Staat sicherlich massgebender sind, als die der grossen Städte das System aufbaut. Zur Kennzeichnung meines Standpunktes in dieser Angelegenheit erwähne ich vorher noch kurz, dass ich als Angelpunkt der ganzen Frage die Nothwendigkeit ansehe, bei Epidemien, namentlich auf dem Lande, den Erkrankten wirklich zu helfen, und ich daher die unten angeführten mobilen Lazarethe für ein Haupterforderniss einer guten Reform des Sanitätswesens ansehe, da ohne dieselben sämmtliche Vorschriften, die das Regulativ bei ansteckenden Krankheiten giebt, illusorisch sind, und es nur mit ihrer Hülfe gelingen kann, die Leiden einer von einer Epidemie heimgesuchten Bevölkerung zu mildern. Diese mobilen Lazarethe sind ein neuer Factor im Sanitätswesen und treten aus dem Rahmen der consultirenden Thätigkeit unserer jetzigen Sanitätsbeamten ganz heraus; aber meines Erachtens ist eine allmähliche Umwandlung unseres jetzigen Sanitätswesens nicht möglich, es muss im Gegentheil mit den alten Traditionen gebrochen, d. h. als oberstes Princip muss ausgesprochen werden: dass die Sanitätsbeamten zum Handeln und nicht zum Rathgeben

allein da sind. Hat das Sanitätswesen diese Selbständigkeit erst erreicht, dann sind, wie der Entwurf zeigt, der Geschäfte so viele, dass die forensische Thätigkeit ohne Schädigung der Interessen entweder des Sanitäts- oder Justizwesens nicht ausführbar ist und daher die Sanitätsbeamten von derselben entbunden werden müssen.

Gliederung des Sanitätswesens.

I. Mobile Lazarethe.

Sie bestehen aus:

1) 1 Lazaretharzt, der alleiniger Leiter ist, aber keine Kasse führt;

2) 2 Krankenwärtern,

3) 2 Krankenwärterinnen,

4) 1 Waschfrau mit 2 Waschmädchen,

5) 1 Köchin mit 2 Küchenmädchen.

Die Utensilien sind die eines Lazareths für 30 Kranke mit besonderer Rücksichtsnahme auf Badewannen (3 Exemplare) und eiserne Oefen (3).

Die Localitäten, vom Lazaretharzt ausgesucht, werden von der Ortschaft gestellt.

Die Functionen bestehen:

Cholera,

1) in Behandlung und Pflege der an Epidemien Pocken, Typhus, Ruhr, Milzbrand, Rotz Erkrankten. Für Heizmaterial und Nahrungsmittel hat der Lazaretharzt zu sorgen und stellt dafür Bons auf das Sanitätsbureau aus. Eine kleine Apotheke wird mitgeführt.

2) in Desinfectionen im Lazareth und im Orte selbst, 3) in Leitung einer sachgemässen Beerdigung aller im Lazareth und im Orte an der Epidemie Gestorbenen, event. Sectionen. Zur Ausführung etwaiger Anordnungen ad 2. und 3. erbittet sich der Lazaretharzt die Hülfe der Ortspolizeibehörde, die seinen Anordnungen Folge zu leisten hat.

4) in Bewachung der ausserhalb des Lazareths an der Epidemie Behandelten (sog. Extranei), event. Behandlung der Extranei auf Wunsch.

Das Lazareth ist obligatorisch, sobald der Lazaretharzt die Ueberzeugung gewinnt, dass eine sachgemässe Behand

lung namentlich Verhütung der Weiterverbreitung ausserhalb nicht möglich ist. Etwaige Beschwerden gehen zunächst an den Physikus.

5) in kurzen wöchentlichen Kranken-Rapporten an den Physikus, unter dessen Aufsicht das Lazareth während der Action steht, während es sonst dem Medicinalrath untergeben ist,

6) in Ausstellung von Attesten.

Sie bestehen aus:

1) 1 Physikus,

2) 1 Schreiber.

II. Physikate.

Das Amtslokal besteht aus einer Bureaus tube, in der auch gleichzeitig die Acten aufbewahrt werden.

Die Functionen sind:

1) Constatirung von Epidemien. Der Physikus, von irgend welcher Seite aufmerksam gemacht, erkundigt sich bei der Behörde des betreffenden Orts, ob 5 Procent der Bevölkerung an einer anscheinend gleichen Krankheit darniederliegen, und überzeugt sich im Bejahungsfalle dann persönlich vom Sachverhalt, event. bittet er telegraphisch um Sendung eines mobilen Lazareths. Die pract. Aerzte sind verpflichtet, jeden und besonders den ersten Fall der qu. Krankheiten, welcher in ihre Behandlung kommt, dem Physikus mitzutheilen. 2) Constatirung der ansteckenden, nicht epidemischen Krankheiten (Syphilis, Krätze, granulöse Augenentzündung) entweder auf eigene Veranlassung oder anderweite Meldung. Die Transferirung derartiger Kranken in das stabile Lazareth (s. unten) muss erfolgen, sobald der Physikus die Ueberzeugung gewinnt, dass eine sachgemässe Behandlung ausserhalb nicht möglich ist. Etwaige Beschwerden beim SanitätsBureau.

3) Anordnung und Leitung von Massregeln zur Verhütung des Ausbruchs oder weiteren Verbreitung ansteckender Krankheiten, event. auch Bildung von Sanitäts- Commissionen, denen der Physikus präsidirt. Die Anordnungen werden von der Polizeibehörde ausgeführt und vom Physikus wird die Ausführung controlirt.

4) Untersuchung von Beschwerden in Betreff der mobilen Lazarethe während ihrer Action,

5) Ausübung des Impfgeschäfts, wozu das Sanitäts-Bureau die erforderliche Anzahl von Krankenwärtern zur Unterstützung bei dem Act des Impfens selbst sendet.

6) Eine jährlich einmalige Inspection sämmtlicher Kranken-, Irren-, Entbindungs-, Wasserheil-, Bade-, Brunnen-Anstalten -Bäder Gefängnisse Apotheken (mit dem Chemiker des Sanitäts- Bureaus) Fabriken (Kinderschutz, Gesundheitszustand der Arbeiter, Schädigung der Umgegend, etwaige Schädlichkeit des Fabrikats) - Kleinkinderbewahr-Anstalten

Schulen (Lokale, Utensilien, Kinder) -Kaufleute (Materialisten, Droguisten) - sowie event. auch extraordinäre Revisionen nach eigenem Ermessen oder auf Meldung. 7) Erste Instanz für die Marktpolizei, die der gewöhnlichen Polizei überwiesen bleibt.

8) Strenge Ueberwachung des Geheimmittel-Handels,

9) Prüfung aller Baupläne und Anlagen von Begräbnissplätzen, 10) Ueberwachung der Wohnhäuser, Höfe, Strassen, Plätze etc. 11) Vierteljährliche Berichterstattung an das Sanitäts-Bureau, 12) Ausstellung von Attesten.

III. Sanitäts-Bureaux.

Sie bestehen aus:

1) 1 Medicinalrath, der alleiniger Leiter ist,

2) 1 Chemiker (Apotheker),

3) 2 Bureaubeamten,

4) 1 Kassenbeamten,

5) 1 Krankenwärter,

6) 2 Krankenwärterinnen,

7) 1 Waschfrau mit 2 Waschmädchen, ·

8) 1 Köchin mit 2 Küchenmädchen.

Das Bureau und die Kasse befinden sich in dem stabilen Lazareth.

Die Functionen sind:

1) Direction des mobilen und stabilen Lazareths. Das letztere ist auf 50 Kranke (nur für ansteckende, nicht epidemische Krankheiten) berechnet. Behandlung der betreffenden Privatkranken im Lazareth erwünscht.

2) Zweite Instanz in allen sanitären Angelegenheiten.

3) Statistische Verwerthung des durch die Thätigkeit beider Lazarethe gewonnenen Materials.

4) Kassen-Verwaltung.

5) Ausbildung und Prüfung der Krankenwärter und Wärterinnen. 6) Chemische Untersuchungen von Nahrungsmitteln, Trinkwasser etc.

7) Vierteljährliche Berichte an den Sanitäts-Hof.

8) Ausstellung von Attesten.

Er besteht aus:

1) 3 Geheimräthen,

IV. Sanitäts-Hof.

2) 1 mikroskopischen,

3) 1 chemischen Assistenten,

4) 3 Bureaubeamten,

5) 1 Kassenbeamten.

Bureau und Kassenlokal.

Die Functionen sind:

1) Wissenschaftliche, technische und personelle Leitung des ganzen Sanitätswesens,

2) Prüfung der Aerzte für den Sanitätsdienst,

3) Prüfung der Geheimmittel auf die angegebenen Bestandtheile und Bekanntmachung der Namen der erlaubten Geheimmittel

an die Physiker,

4) Dritte Instanz in allen sanitären Angelegenheiten,

5) Revision der Kassenabschlüsse von III.,

6) Ausstellung von Attesten.

Ausgaben des Sanitätsfiscus.

Die Grösse des Lazarethpersonals lässt sich von vornherein nicht feststellen. Die 38 betragende Zahl der Medicinalrathsstellen möchte sich vielleicht auf 30 reduciren lassen, und da jedem Medicinalrath vorläufig nur 1 mobiles Lazareth zur Disposition gestellt werden soll, so sind für die mobilen Lazarethe nothwendig :

30 Lazarethärzte,

60 Krankenwärter,
60 Krankenwärterinnen,

30 Waschfrauen,

60 Waschmädchen,

30 Köchinnen,

60 Küchenmädchen.

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