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Kleinheit der unter Wasser aufsteigenden Luftbläschen auf's Entschiedenste dem etwaigen Einwande von Fäulnissproducten.) Es konnte der Beginn des Athmens entweder nach vollständiger Ausschliessung der Frucht aus dem Mutterleibe, oder, was aber in diesem Falle im höchsten Grade unwahrscheinlich, während des Geburtsactes selbst geschehen sein, d. h. zu einer Zeit, als die noch lebende Frucht so weit in die äusseren Geschlechtstheile herabgedrückt war, dass die äussere Luft Zugang zu den Respirationsorganen des Kindes fand. Der durch die Leberruptur eingetretene Tod des Kindes verhinderte die vollkommene Ausbildung des Athmungsprozesses und des kleinen Kreislaufes, nicht aber die Constatirung des Umstandes, dass dasselbe in oder nach der Geburt gelebt und in Folge äusserer Einflüsse gestorben ist.

„Der Tod des Kindes, heisst es weiter, ist durch den im Sections - Protokoll beschriebenen Leberriss erfolgt. Der 5 Ctm. lange Riss auf der oberen convexen Fläche des rechten Leberlappens, der in die Tiefe bis fast zur unteren Leberfläche drang und sich auch seitwärts über die oberflächliche Begrenzung in der Substanz der Leber fortsetzte, muss als eine absolut tödtliche Verletzung für jedes Lebensalter angesehen werden, sei es dass der Tod sogleich wie hier durch Verblutung, sei es dass er durch die nachfolgende unausbleibliche Entzündung des verletzten Organes, des Bauchfells etc. erfolgt.

„Dass dem Kinde diese Verletzung aber im Leben und nicht erst nach dem Tode beigebracht sei, ergiebt sich unzweifelhaft aus der bedeutenden Menge von schwarzem flüssigen Blute (circa 300 Grm.), aus dem halbcoagulirten Blute, dass sich in der Leberwunde vorfand, und aus den dunkelblauschwarzen Flecken, die sich auf der Leberoberfläche in der Umgebung des Risses fanden und die von Blutergüssen unter den Leberüberzug herrührten.

„Solch ein Befund nach einer Verletzung ist nur möglich, wenn der Blutkreislauf noch im Gange war, da bei einer Verletzung nach dem Tode weder ein so starker Erguss auch aus der blutreichsten Leber, noch eine Coagulation des Blutes, noch eine solche Blutunterlaufung unter den serösen Ueberzug und in die Lebersubstanz selbst erfolgen kann. Das Kind hatte also diese Leberruptur im Leben erlitten und ist in Folge der durch dieselbe eingetretenen inneren Verblutung gestorben. Mit dieser letzteren Ansicht, d. h. mit der inneren Verblutung stimmt auch

sehr gut die constatirte verhältnissmässige Blutarmuth der übrigen Organe, der Nieren, der Milz, des Herzens, der grossen Gefässe, die allgemeine Blässe der Haut etc. überein."

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„Wie wir schon in unserem protokollarischen Gutachten angegeben, kann nur eine mechanische Gewalt die tödtliche Leberruptur bewirkt haben. Das Gewebe der Leber war durchaus normal, fest, wenig blutreich; die Farbe war die gewöhnliche braunrothe; nirgends waren eine krankhafte organische Veränderung der Textur oder die Spuren eines Abscesses, durch welche eine spontane Berstung hätte erfolgt sein können, zu bemerken. Die Wandungen des Leberrisses boten vielmehr in ihrer rauhen mit halb coagulirtem Blute bedeckten Oberfläche durchaus dasselbe Bild dar, wie es bei durch mechanische Insulte erfolgten Zerreissungen dieses Organs sich gewöhnlich findet."

Dem widerspricht auch durchaus nicht der Umstand, dass äusserlich und namentlich an den Bauchdecken keine Spur einer Verletzung sichtbar war; denn tödtliche Berstungen innerer Organe, der Leber, Milz, Nieren in Folge mechanischer Insulte werden nicht selten beobachtet, ohne dass auch die sorgfältigste äussere Besichtigung dies vermuthen lässt; ein Umstand, der, beiläufig bemerkt, bei den sogenannten Leichen - Inspectionen ohne Obduction viel zu wenig berücksichtigt und wohl häufiger, als die Justiz-Behörden es ahnen, Veranlassung wird, dass grobe Fahrlässigkeit und selbst Verbrechen unentdeckt und ungeahndet bleiben.

„Aber gerade dieser Umstand, die Berstung eines inneren Organs ohne äusserlich sichtbare Spuren, setzt nach mechanisch physikalischen Gesetzen als Ursache eine momentane, äusserst heftige, plötzlich einwirkende Gewalt voraus, die sich blitzartig durch die äusseren weichen und nachgiebigen Bedeckungen hindurch auf das compactere Gewebe innerer Organe fortpflanzt. Man findet solche Leber-, Milz-, Nieren-, Herzzerreissungen auch meistens nur als Folge eines gegen den Körper geführten heftigen Stosses, eines heftigen Aufschlagens desselben beim Falle, beim Herabstürzen gegen einen harten hervorragenden Gegenstand u. s. w."

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Eine solche Ursache, ein äusserst heftiger, plötzlicher Insult gegen den Unterleib, muss auch hier vorausgesetzt werden. Da es nun fast unmöglich erscheint, dass ein solcher Insult mit der nöthigen Kraft gegen ein Kind ausgeführt werden kann, so lange

es sich noch in den Geburtswegen befindet, so ist mit einer an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die mechanische Gewalt, welche bei dem Kinde der Kl. die Leberberstung hervorrief, dasselbe erst nach seiner Ausschliessung aus dem Mutterleibe traf und zwar, wie wir dies schon ausführten, als es noch lebte. Dass durch den Geburtsact selbst, sei es auch unter den ungünstigsten Umständen bei verzögerter Geburt, bei Eclampsie, bei Gebärmutterkrampf, bei verengtem Becken eine Leberzerreissung jemals stattgefunden habe oder stattfinden könnte, wird wohl Niemand zu behaupten wagen, und ausserdem haben bei der Kl. alle diese Verhältnisse auch unzweifelhaft nicht vorgelegen. Sie hat vielmehr, wie alle Umstände, wie ihr normaler Beckenbau, ihr sonstiger körperlicher Zustand vor und nach der Geburt dafür sprechen, leicht und schnell ihr Kind geboren, und diese Voraussetzung trifft um so mehr zu, als sie unzweifelhaft eine Mehrgebärende war, bei welcher der Geburtsact sich nur um so schneller und leichter vollendet."

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„Da wir annehmen, dass jedenfalls die Frage an uns gestellt werden würde, in welcher Weise der Insult gegen das Kind wohl ausgeführt sein könne", so glauben wir auch hierauf noch, soweit die uns obliegende Pflicht der rein objectiven Beurtheilung es gestattet, kurz eingehen zu müssen."

„Die Kl. will im Keller, dessen Fussboden mit, wie vorausgesetzt werden muss, flachen Ziegeln gepflastert war, in der Weise geboren haben, dass sie sich mit ausgespreizten Beinen, wie sie sich ausdrückt „breit“, hinstellte und das Kind angeblich mit den Füssen voran auf den Boden fallen liess. Nehme man auch an, dass die Frucht plötzlich aus den Geschlechtsorganen hervorbrach und auf den Fussboden stürzte, so ist die Fallhöhe in dieser Stellung doch durchaus zu gering, als dass der Impuls eine Leberzerreissung hätte hervorbringen können. Weder in der Literatur, noch in unserer eigenen Erfahrung über wirklichen und angeblichen Kindessturz bei der Geburt, noch in den reichen Erfahrungen vieler bewährten Geburtshelfer und forensischen Aerzte, die wir mündlich befragten, ist uns ein Fall von Leberruptur in Folge von Kindessturz bekannt geworden, wie überhaupt der Tod eines todtgeborenen Kindes durch Ruptur der Leber wohl einzig in seiner Art dasteht. Wollte man auch wirklich der Kl. glauben, dass hier eine Fussgeburt vorlag, so würde durch die Verkürzung

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Obwohl die Angeschuldigte jede Schuld leugnete und obwohl unser Gutachten einen denkbaren unglücklichen Zufall, etwa einen unbewussten Fusstritt nicht gerade absolut ausschloss, so sprachen die Geschworenen doch das Schuldig" wiewohl mit mildernden Umständen aus, und die Person wurde wegen vorsätzlicher Kindestödtung mit drei Jahren Gefängniss bestraft.

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Im wissenschaftlichen Interesse suchte ich später noch behufs Aufklärung des Falles unter Zustimmung der Gerichtsbehörde die bereits Verurtheilte im Gefängniss zu einem offenen Geständniss zu bewegen. Sie gab wenigstens soviel zu, dass sie das Kind unmittelbar nach der Geburt mit der Hand am Unterleibe so fest angepackt, dass es gequatscht hätte, d. h. dass ein quarrender unnatürlicher Ton hörbar geworden ist. Ob auf diese Weise die Leberruptur wirklich entstanden, muss ich dahingestellt sein lassen, es erscheint mir durchaus unwahrscheinlich. (Vergl. die Befunde am Unterleibe bei Fall 3.)

2. Fall.

Der zweite wegen der Complication und der anderweitigen Umstände noch interessantere Fall von Leberruptur war kurz vorher in der Praxis meines verehrten Kollegen und Freundes Thiele zu Heilsberg, Regierungsbezirks Königsberg, vorgekommen und von demselben begutachtet worden, ohne dass wir gegenseitig die geringste Kenntniss von unsern forensischen Erlebnissen hatten. Erst viel später, als die gerichtlichen Untersuchungen schon beendet waren, hatten wir Gelegenheit, uns dieselben mitzutheilen. Herr Kollege Thiele hatte die Freundlichkeit, mir sein Material behufs Benutzung und Veröffentlichung bereitwilligst zur Disposition zu stellen, und war auch in ächt wissenschaftlicher Würdigung der Verhältnisse damit einverstanden, dass ich, wo es mir passend erschiene, kritische Bemerkungen meinen Mittheilungen über seinen Fall beifüge.

Die Wittwe W. zu N., 43 Jahre alt, wusste sich ausserehelich schwanger, hatte sich ihrer späteren Angabe nach aber um 8 Tage (!) in dem Zeitpunkt der zu erwartenden Niederkunft verrechnet. Sie begab sich am 5. Mai 1872 Morgens 4 Uhr nach dem etwa Meile entfernt gelegenen S.-Wald, angeblich um einen binter demselben wohnenden Bekannten zu besuchen. Sie fühlte sich matt und angegriffen, und nachdem sie im Walde geruht und

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