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missfarbig, sondern ganz frisch und die Lungenbläschen der betreffenden Stellen vollkommen gleichmässig mit Luft gefüllt waren, da ferner die Leiche keinerlei Zeichen bereits begonnener Fäulniss darbot und da schliesslich bei dem Umstande, dass die Frucht noch wenige Stunden vor der Geburt gelebt hatte und von der Geburt bis zur Section in einem kalten Lokale aufbewahrt wurde, sowohl die Zeit als die sonstigen Bedingungen zum Eintritt der Fäulniss gemangelt haben, wobei überdies nicht zu übersehen ist, dass ja bekanntermassen die Lungen viel später der Fäulniss unterliegen als die übrigen Organe, die aber im vorliegenden Falle vollkommen frisch und ohne Spuren von Fäulniss gefunden wurden.

Ebenso ungerechtfertigt wäre es, den Luftgehalt der Lungen von vorgenommenen Belebungsversuchen abzuleiten, da notorisch keinerlei solche Versuche gemacht und die Leiche bis zur Section unter Umständen aufbewahrt wurde, die etwa von Unberufenen vorgenommene Eingriffe vollkommen ausschliessen.

Es erübrigt sonach schon aus diesen Gründen nur die Annahme, dass die betreffende Luft noch, als die Frucht im Mutterleibe sich befand, in deren Lungen gelangte, und zwar durch Aspiration, da ja die von älteren Autoren aufgestellte Behauptung, dass ein im Uterus befindliches Medium auch durch die Contractionen der Gebärmutter in die Inspirationswege der Frucht eingepresst werden könne, heutzutage wohl keine Anhänger mehr finden wird.

Erwägt man dazu, dass die Frucht zu jener Zeit, als die Möglichkeit des Zutritts der Luft zu den Iuspirationswegen erst gegeben sein konnte, d. h. nach dem Blasensprunge, wirklich noch lebte, dass ferner die Frucht, wie aus dem Sectionsbefunde hervorgeht, während der Entbindung an fötaler, mit vorzeitigen Athembewegungen verbundener Erstickung gestorben ist, dass weiter, wie die gleichzeitig mit der Frucht unter gurrendem Geräusche ausgestossenen Gase beweisen, wirklich Luft im Uterus sich befand, und schliesslich, dass ausser dieser noch ein anderes gleichzeitig im Uterus befindliches aspirables Medium, meconiumhaltiges Fruchtwasser, in den Lungen gefunden wurde, so entfällt wohl jeder Zweifel, dass das untersuchte Kind thatsächlich noch innerhalb der Gebärmutter Luft eingeathmet habe.

Woher kam nun diese Luft in den Uterus? Vielleicht könnte an Gasentwickelung aus den faulenden Fruchtwässern gedacht und

hierfür der Umstand, dass die mit der Frucht abgegangenen Fruchtwässer übelriechend waren, geltend gemacht werden. Ein eigenthümlich übler Geruch der Fruchtwässer findet sich aber häufig, namentlich wenn Meconium beigemengt gewesen war, ohne dass eine Gasentwickelung beobachtet wird, und Hecker bemerkt (1. c. 536) ausdrücklich, dass dieser Geruch, der mitunter äusserst intensiv ist, mit Fäulnissgeruch nicht verwechselt werden darf. Da ferner nicht anzunehmen ist, dass luftdicht abgeschlossene Fruchtwässer in so kurzer Zeit und in solch hohem Grade der Fäulniss unterliegen können und da, diese Möglichkeit auch zugegeben, nicht begreiflich wäre, wie in einer so faulenden Flüssigkeit die Frucht von Fäulnisserscheinungen ganz frei geblieben sein sollte, so muss wohl von der Annahme, dass die im Uterus gewesene und von der Frucht aspirirte Luft den in Fäulniss übergangenen Fruchtwässern ihren Ursprung verdankt, abstrahirt und damit als sichergestellt betrachtet werden, dass die betreffende Luft von Aussen durch den Genitalcanal in den Uterus und zu den Inspirationsöffnungen der Frucht gedrungen ist.

Wie lässt sich nun diese Erscheinung erklären? Am nächsten liegt es wohl anzunehmen, dass, wie es in anderen Fällen während der Vornahme der Wendung oder bei der Einführung der Zangenlöffel beobachtet wurde, die Luft auch in unserem Falle durch den touchirenden Finger, indem derselbe den normalen Verschluss der Gebärmutterhöhle am Os uteri überwand, mechanisch eingebracht wurde. Es ist jedoch leicht einzusehen, dass, wenn sonst der Uterus sich normal verhalten, insbesondere normal der Frucht sich angeschlossen hätte, kaum eine nennenswerthe Quantität von Luft hätte eindringen können. Da aber die Lungen des Kindes und selbst der Magen und das Duodenum eine ziemliche Menge von Luft enthielten und gleichzeitig mit der Frucht eine Menge von Gasen ausgestossen wurde, so musste noch ein anderes Moment mitgewirkt haben, wodurch während der zeitweise hergestellten Communication des Inneren des Uterus mit der äusseren Atmosphäre Luft angesogen wurde.

Dieses Moment ist gegenwärtig in Folge der wichtigen Arbeiten von F. Schatz („Beiträge zur physiologischen Geburtskunde“, Archiv f. Gynäcologie, 1872. IV. Bd. S. 35 ff.) und Hegar („Saugphänomene am Unterleibe", ibid. S. 531 und „Ueber Einführung

Vierteljahrsschr. f. ger. Med. N. F. XXII. 1.

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von Flüssigkeiten in Harnblase und Darm", Deutsche Klinik, 1873. No. 8.) erklärlich und verständlich geworden. Die genannten Forscher haben uns gezeigt, dass verhältnissmässig geringe Ursachen im Stande sind, den auf den Bauchdecken lastenden Atmosphärendruck zu überwinden, und dass, wenn zu dieser Zeit die physiologischen Schluss- und Compensationsapparate der im Unterleib gelagerten Hohlorgane (Blase, Darm, Gebärmutter) insufficient sind, sofort ein Einsaugen des umgebenden Mediums durch die betreffenden dem vollen Atmosphärendruck ausgesetzten Oeffnungen erfolgt. Insbesondere wurde constatirt, dass gewisse Lageveränderungen, bei denen sich die eigene Schwere der betreffenden Organe und ihres Inhalts dem Atmosphärendruck gegenüber einseitig und, ohne dass diese Differenz anderweitig compensirt wird, geltend machen kann, Veranlassung zu einer derartigen Aspiration geben können. Die Ursache derselben ist dann die Differenz zwischen Atmosphärendruck minus Gewicht und Atmosphärendruck. So genügt es z. B. nach Hegar, bei einer grossen Reihe von Individuen in der Knieellenbogenlage den Katheter in die Blase einzuführen, um einen Luftstrom in dieselbe einzischen zu hören (Arch. f. Gynäk. S. 532), und man kann, wenn man in dieser Lage das Rohr eines Irrigators oder ähnlichen Apparates in den Anus einführt, bemerken, wie die betreffende Flüssigkeit in Folge des unteratmosphärisch gewordenen Drucks in der Bauchhöhle förmlich verschlungen wird (Deutsche Klinik S. 74).

Speciell bezüglich der Gebärmutter bemerkt Schatz (1. c. 100) in dem 24sten der von ihm aufgestellten Sätze: „Beim Wechsel der Lage der Gebärenden von der Rückenlage zur Bauchlage hin (Drehung um die Längsaxe des Körpers) nimmt der Intraabdominaldruck ab und kommt bei nicht unterstütztem Unterleib, vielleicht öfters schon bei halber Bauchlage, in die negative Phase (bis unter den Druck der Atmosphäre)." Und im 25sten Satz (S. 101): „In der Concavität des Fruchtbogens wird der Druck der Wehenpause öfters, vielleicht auch sehr häufig oder gar immer schon bei halber Bauchlage, vielmehr aber bei Kniehand- oder gar Knieellenbogenlage der Gebärenden wirklich unteratmosphärisch, so dass, wenn bei Einführung eines Zangenlöffels etc. eine Communication des Raumes zwischen der Uteruswand und der Brustbauchfläche der Frucht mit der Atmosphäre hergestellt wird, die äussere Luft ohne Weiteres in jenen Raum angesogen resp.

eingedrängt werden wird. Die so entstehende Tympanitis uteri wird dem Kinde Gelegenheit zum Luftathmen und die Möglichkeit zum Schreien im Mutterleibe geben."

Von beiden Beobachtern wird ferner erörtert, dass ein Eindringen von Luft in die Hohlorgane des Unterleibes vorzugsweise dann erfolgen kann, wenn ausser den erwähnten Momenten noch eine Insufficienz derjenigen Apparate besteht, welche im normalen Zustande den sich ergebenden Druckdifferenzen Widerstand leisten, insbesondere bei Gebärenden Ermüdung und Erschlaffung der Bauchdecken und der Wände des Uterus selbst.

Betrachten wir nun den vorliegenden Fall, so finden wir, dass alle diese Bedingungen gegeben waren. Die Gebärende war im hohen Grade unruhig, hatte auch nach dem Blasensprunge bei noch sehr hoch stehendem Kopfe und, wie mir gesagt wurde, auch während des Touchirens häufig die Lage gewechselt, und es war demnach wiederholt Gelegenheit geboten worden, dass der Druck innerhalb der Gebärmutter unteratmosphärisch wurde.

Da ferner die Entbindung 4 Tage dauerte und die Mutter ausserdem schwach, schlecht genährt und kränklich war, so ist von vornherein anzunehmen, dass in den späteren Perioden des Geburtsaktes sowohl Uterus als Bauchwände im hohen Grade erschöpft und erschlafft gewesen sein dürften. Noch weniger ist aber daran zu zweifeln, wenn wir aus der Geburtsgeschichte erfahren, dass die Wehen gleich anfangs tagelang aussetzten, dass sie während des ganzen Geburts verlaufes einen unregelmässigen Charakter zeigten, dass der Uterus nach dem Blasensprung sich nicht so eng wie gewöhnlich an die Frucht anlegte und dass derselbe nach der Geburt sich derart unvollständig contrahirte, dass er an einer Stelle weich, an einer anderen hornartig hervorgetrieben erschien.

Unter diesen Umständen erscheint der Eintritt einer grösseren Menge von Luft in den Uterus während der mit dem Finger vorgenommenen Untersuchungen und durch diese ganz wohl begreiflich, zumal wenn festgehalten wird, dass bei dem auch nach dem Blasensprunge noch bestehenden hohen Rand des Kopfes auch der von diesem Organ sonst vermittelte Verschluss am Os ein schwacher gewesen sein mag.

Ich gehe nun zur forensischen Würdigung des Falles über. Bekanntlich liegt die forensische Bedeutung solcher Beobachtungen

darin, dass sich die Frage aufwirft, ob nicht auch bei verheimlichten Entbindungen analoge Vorkommnisse sich ereigneu können, in welchem Falle begreiflicher Weise der bis jetzt allgemein geltende Schluss von stattgefundenem Luftathmen auf Gelebthaben des Kindes nach der Geburt restringirt werden müsste.

Soll die Frage beantwortet werden, ob ein Luftathmen innerhalb des Uterus bei verheimlichten Geburten in das Bereich der Möglichkeit gehört, so muss erwogen werden, ob auch während eines in der Heimlichkeit abgemachten Entbindungsaktes jene Bedingungen eintreten können, welche zum Eindringen der Luft in die Gebärmutter und daher zu den Inspirationsöffnungen der Frucht erforderlich sind.

Als solche Bedingungen haben wir kennen gelernt:

1) Sinken des intraabdominalen Druckes unter den Druck der Atmosphäre;

2) geminderte oder aufgehobene Leistungsfähigkeit der Gebärmutter- und Bauchhöhlenwände;

3) das gleichzeitige Bestehen einer Insufficienz des Verschlusses am Os.

Was den ersten Punkt betrifft, wird Jedermann zugeben, dass ein zeitweiliges Sinken des Intraabdominaldruckes unter den Atmosphärendruck auch während einer heimlichen Entbindung erfolgen kann und gewiss häufig und sogar häufiger erfolgen wird als bei einer sonstigen Geburt, da es ja in der Natur der Sache liegt, dass bei solchen Entbindungen, besonders wenn diese nicht rasch verlaufen, Lageveränderungen der mannigfachsten und für den bezeichneten Effekt günstigsten Art vorkommen können.

Bezüglich des zweiten Punktes ist leicht einzusehen, dass bei einer normal und rasch verlaufenden Geburt die Annahme einer während der Entbindung bestandenen Compensationsunfähigkeit der Gebärmutter- und Bauchwände entfällt; denn eben der normale und rasche Verlauf der Entbindung schliesst in sich den Beweis ein, dass während derselben die genannten Faktoren in sufficienter Weise in Thätigkeit waren, und es entfällt demnach bei solchen Geburten die Annahme einer während der Entbindung stattgefundenen Aspiration von Luft in den Uterus von selbst.

Wohl aber liegt es auf der Hand, dass Erschlaffung und geminderte Leistungsfähigkeit der Bauchdecken und Gebärmutterwände eintreten kann, wenn die Geburt aus dieser oder jener

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