Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Dr. J. zu N. wegen ihres Zustandes consultirt. Etwa Anfang Februar v. J. begab sie sich in die Behandlung des Apothekergehülfen S Derselbe erklärte nach vorgängiger Untersuchung, dass eine Operation nothwendig sei und dass dieselbe nicht zu lange hinausgeschoben werden solle. Nach einer weiteren Verabredung wurde nun diese Operation auf den 27. Februar in G. festgesetzt und daselbst auch vorgenommen. Nachdem die Patientin auf einen Tisch gelegt und von einem Gehülfen des S. chloroformirt worden war, machte S. mit einem Instrument einen Einstich in den Leib, worauf sich nach mehrfachen Drücken und Versuchen eine bedeutende Quantität einer hellgelben Flüssigkeit, mehrere Schüsseln voll, ergoss. Als das Ausfliessen der Flüssigkeit aufgehört hatte, wurde das Röhrchen des Instruments mit Heftpflaster befestigt und die Frau ins Bett gebracht. Die Operation habe etwa zwei Stundeu gedauert. Der S. verschrieb ein Pulver und liess eine Spritze und ein Gläschen mit dunkler Flüssigkeit zurück, aus welchem nach seiner Weisung täglich 2 mal 10 Tropfen mit ebenso viel Wasser verdünnt in das Röhrchen eingespritzt werden sollten, und entfernte sich mit dem Bemerken, dass er am Montag wiederkommen werde. Nach der Operation und dem übrigen Theil des Tages fühlte sich die IV. wesentlich erleichtert und relativ wohl. Seitdem jedoch und zuerst in der Nacht auf den Freitag den 28. Februar traten Schmerzen und abwechselnd Frost und Hitze auf, was die Umgebung am Sonnabend den 1. März früh veranlasste, dem S. wissen zu lassen, dass die Patientin sich schlechter fühle und dass Fieber eingetreten sei. Es erfolgte darauf von demselben die Weisung, dass kalte Umschläge zu machen seien, im Uebrigen solle wie bisher fortgefahren werden. Am Montag den 3. März erfolgte der zwelte Besuch S.'s. Die Kranke wurde abermals auf einen Tisch gelegt und ein Versuch zu einer weiteren Operation gemacht. Das Röhrchen wurde herausgenommen, von Neuem eingestochen und als keine Flüssigkeitsentleerung stattfand, wieder befestigt. Es sollten von nun an kalte Umschläge auf den Leib gemacht werden. Die Patientin sollte Milch und Wasser zum Trinken erhalten, die Einspritzungen in das Röhrchen sollten in täglich 2 maliger Anwendung fortgesetzt werden. Von da bis zu Ende der Woche soll keine bemerkbare Veränderung in dem Zustande der Patientin stattgefunden haben; am Sonnabend wäre die Sprache weg gewesen und anscheinend das Bewusstsein. Am Montag sei der S. benachrichtigt worden, er solle nicht kommen, da man den Tod fürchte. Er kam trotzdem an diesem Tage, ohne jedoch neue Anordnungen zu treffen; das Röhrchen wurde aus der Wunde herausgenommen und dieselbe mit Heftpflaster verschlossen. Dienstag den 11. März früh starb die Frau W.

Dieselben Angaben wurden übereinstimmend auch von der Frau F. K. zu G. gemacht, welche zur Wartung der Kranken angenommen worden war.

Die vom Untersuchungsrichter zur Aufklärung des Thatbestandes angeordnete Ausgrabung und Obduction der Leiche fand am 24. März zu G. statt.

Die bereits seit 10 Tagen beerdigte und nach Mittheilung der Arbeiter mit dem Sarge im Schichtwasser stehende Leiche zeigte weder äusserlich noch im Innern Zeichen vorgeschrittener Verwesung. Die Einlage des Sarges und die

Bekleidungsgegenstände der Leiche, Hemd und Strümpfe, waren mit Wasser getränkt. Nach dem aufgenommenen Obductionsprotokoll war die Hautfarbe bleich, Todtenflecke nur über den Rücken verbreitet, Oberhaut bis auf eine Abschürfung am Kreuzbein wohl erhalten, der Körper in dürftigem Ernährungszustande, Muskulatur spärlich und schlaff.

An Kopf, Rückfläche und Extremitäten keine Verletzungen, linkes Bein mässig geschwollen; am Bauch findet sich in der Mittellinie zwischen Nabel und Symphyse etwa 2 Zoll unterhalb des erstern eine mit Heftpflaster verklebte, 3-4 Linien lange Wunde.

In der Bauchhöhle fanden sich frische Verklebungen des Netzes und der Bauchdecken, ferner festere und ältere des Netzes mit der Geschwulst, welche schwartenförmig eine feste Verwachsung der genannten Theile darstellten. Die in den Bauchdecken befindliche Wunde penetrirte nicht bis in die Höhlung der Geschwulst oder in die Bauchhöhle, was seine Erklärung darin findet, dass die früher in derselben befindliche Röhre einen Tag vor dem Tode entfernt wurde, zeitig genug, um noch eine Verklebung der inneren Wundseite durch faserstoffige Ausschwitzungen zu Stande kommen zu lassen. Die übrigen Organe der Bauchhöhle zeigten nur unwesentliche Veränderungen; der Bauchfellüberzug der Gedärme in der Nähe der Geschwulst zeigte nur stellenweise geringfügige Anzeichen einer entzündlichen Reizung. Auf der Schleimhaut des Magens und Darms fand sich hie und da mässige Injicirung der kleinen Blutgefässe, stärkere Injection oder seröse Durchtränkung war nicht vorhanden. Das grosse Netz war verdickt und beiderseits mit granulösen Auflagerungen bedeckt. Milz und Nieren waren normal, erstere etwas grösser, beide von geringem Blutgehalt.

Die hintere Wand der Blase mit der Geschwulst fest verwachsen, in der Blase ein Esslöffel voll trüben Urins. Die Gebärmutter von gewöhnlicher Grösse, an ihrem freien Theile aussen wie im Innern von normaler Beschaffenheit; ebenso die Eierstöcke und Muttertrompeten, welche mit der Geschwulst nicht in Verbindung stehen. Der Unterleib war neben den zurückgedrängten Därmen fast vollständig ausgefüllt durch die 10 Zoll lange Geschwulst, deren Durchmesser 6-7 Zoll betrug. Dieselbe erwies sich als von der vorderen Fläche im unteren Theile der Gebärmutter ausgehend und mit der hinteren Blasenwandung verwachsen. Der untere grössere Theil derselben war von consistenter, am Grunde etwas serös durchtränkter Beschaffenheit. Nachdem die Einstichöffnung im oberen Theil der Geschwulst eröffnet ist, ergiebt sich dieselbe als eine etwas gelbflüssigen Inhait haltende Höhlung. Ihre innere Fläche ist mit gelbweissen, schwartigen, leicht abzulösenden Auflagerungen bedeckt. Durch Einschnitte, welche von der vorderen Fläche der Geschwulst aus in dieselbe gemacht werden, ergiebt sich, dass dieselbe von durchaus fester Consistenz und fleischähnlicher Beschaffenheit ist.

In der Kopfhöhle zeigten sich die mittleren Theile des Grosshirns im Zustande breiiger Erweichung. Im Uebrigen bestand bemerkliche Blutleere der Gefässe sowohl, als auch der Blutleiter der Schädelbasis.

In der Brusthöhle ein seröser Erguss von etwa Liter in jeder Brust fellhöhle, von mehreren Unzen in dem Herzbeutel.

Der linke untere Lungenlappen war von festerer Consistenz, auf der Schnittfläche ergoss sich reichlich rothgefärbtes Serum; Luftgehalt gering. Im Uebrigen

waren die Lungen normal. Am Herzen Muskulatur schlaff, Klappenapparate gesund; in beiden Ventrikeln wenig dickflüssiges Blut, ebenso in den Hohladern. Es hat demnach die Obduction Abweichungen vom Normalen in allen drei Körperhöhlen ergeben. Es ist jedoch zunächst die im Gehirn aufgefundene breiige Erweichung der Gehirnbrücke und der nächstliegenden Theile als einfache Leichenund Fäulnisserscheinung aufzufassen; eine Erscheinung, wie sie am 13. Tage nach dem Tode nicht befremden kann; ferner ist auch die Veränderung des linken unteren Lungenlappens nur als eine den Tod complicirende, vielleicht erst in den letzten Lebensstunden oder gar erst nach dem Tode zu Stande gekommene anzusehen. Der Tod erfolgt bei vielen Sterbenden, abgesehen von ihrer Krankheit, unter den Erscheinungen eines sogenannten Lungenödems, d. h. eines Zustandes, bei dem, hervorgerufen durch den schwindenden Tonus der Gefässe und Gewebe, eine Abscheidung oder ein förmlicher Erguss von wässeriger Flüssigkeit in die Körperhöhlen, wie Brustfellsack, Herzbeutel etc., und die Lungen selbst eintritt. Ein Lungentheil, in den ein solcher Erguss stattgefunden hat, behält den Fingerdruck, fühlt sich derb an, knistert nicht, ist blutleer, zeigt auf der Schnittfläche keinen Schaum, sondern es quillt blutig gefärbte, wässerige Flüssigkeit heraus, wie es hier der Fall war.

Bemerkenswerth war ferner die im ganzen Körper sichtliche Blutleere. Die Gefässe der Hirnhäute, die Blutleiter des Kopfes, die grossen Ha'sgefässe, endlich das Herz in beiden Hälften und die grossen Hohladern waren zum Theil leer, zum Theil hielten sie nur wenig dunkles dickflüssiges Blut; Erscheinungen, die sowohl der beginnenden Verwesung, als auch der scheinbaren Blutarmuth des Körpers überhaupt zugerechnet werden müssen. Die in der Bauchhöhle vorgefundenen Abweichungen, die Verklebung des Netzes mit den Bauchdecken, die in der Ausdehnung ungefähr der Grösse der darunter liegenden Geschwulst entsprach, die festere Verwachsung des Netzes mit der äusseren Fläche der Geschwulst (es musste hier die Lostrennung präparatorisch mit dem Messer erfolgen), endlich auch die stellenweise bemerbare Injection der umliegenden Gedärme, die granulösen Auflagerungen auf dem Netz und den diesen entsprechenden Seiten der Bauchdecken und der Geschwulst sind Erscheinungen, wie sie bei der Entzündung des Bauchfells gefunden werden. Bei derselben kommt es zur Ausscheidung eines faserstoffigen Exsudats auf die freie Fläche der ergriffenen Bauchfelltheile, dieselben werden matt, glanzlos, rauh, es kommt zu Verklebungen mit benachbarten Theilen, wie sie hier aufgefunden wurden.

Nach Zurückschlagung des Netzes imponirte ähnlich der schwangeren Gebärmutter die schwulstige Neubildung. Dem anatomischen und mikroskopischen Befunde nach ist dieselbe als ein Cystofibroid der Gebärmutter anzusehen, d. h. als eine aus Binde- und Sehnengewebe mit eingelagerten Muskelfasern bestehende, am oberen Umfange eine cystöse Höhlung mit Ansammlung von Flüssigkeit bergende Geschwulst, welche von der vorderen Fläche und aus der Substanz der Gebärmutter hervorgehend im Laufe der Zeit, wohl von Jahren, zu der schliesslichen Grösse angewachsen ist. Ueber die Innenfläche der Cyste verbreitet fanden sich schwartige Exsudatablagerungen. Die Wand der Höhlung war erweicht und leicht zerreisslich; Erscheinungen, welche eine Entzündung der Cyste bedeuten. Von den entzündlichen Veränderungen scheinen diejenigen der Cyste die primären und

anfänglich bestandenen zu sein, wie aus der Beschaffenheit der dicken, gelben undurchsichtigen Fibrinauflagerungen und aus der Erweichung der Cystenwandung hervorgeht; die Entzündung des Bauchfells ist erst secundär und neueren Datums entstanden, wie die dünnen Lagen geronnener Ausschwitzung, welche das Netz und den Bauchfellüberzug der Bauchwand leicht trennbar verklebten, beweisen. Die übrigen Organe der Bauchhöhle waren normal oder wichen in ihrem Verhalten nicht so vom Normalen ab, dass darin eine Todesursache zu erblicken gewesen wäre.

Neben den anatomischen Resultaten der Autopsie, welche eine Entzündung der Cyste und des Bauchfells bekunden, sind ferner auch das ursächliche Moment, sowie die spärlichen Mittheilungen über die Krankheitsgeschichte der Frau W. auf eine solche Affection zu beziehen. Verletzungen des Bauchfells sind in jedem Falle an sich nicht gleichgültig und stets zweifelhafter Prognose, und inwiefern in diesem Falle, wo mit Wahrscheinlichkeit die Erkrankung als eine von der entzündlich afficirten Cystenwandung übertragene anzzsehen ist, eine erhöhte Gefahr für den Eintritt einer Bauchfellentzündung gesetzt wurde, wird später gezeigt werden. Die Mittheilungen des Ehemannes ferner und der Wärterin K. enthalten Thatsachen, welche wohl als Symptome eines acut in der Bauchhöhle aufgetretenen entzündlichen Zustandes anzusprechen sind. Die Patientin bekam, nachdem sie sich die erste Zeit nach der Operation recht wohl gefühlt hatte, in der Nacht zum Sonnabend einen starken Frost, fing an über Schmerzen im Leibe zu klagen und seitdem wechselten Frieren und Hitze, Erscheinungen, die von der Umgebung wohl mit Recht auf den Eintritt des Fiebers gedeutet wurden.

Im weiteren Verlaufe war Stuhlverstopfung vorhanden, der Leib wurde wieder stärker, war stets schmerzhaft, endlich (wie die ungenauen Angaben über den Fortgang der Krankheit lauten) am Sonnabend, 3 Tage vor dem Tode, sei die Sprache weg gewesen und Bewusstlosigkeit eingetreten, welche bis zu dem am Dienstag erfolgenden Tode andauerte.

Es ist deshalb zweifellos, dass der Tod der Frau W., wie bereits im summarischen Gutachten geäussert wurde und zumal keine andere Todesursache ermittelt worden ist, an einer Bauchfellentzündung erfolgte, welche wiederum die Folge der Entzündung der der Geschwulst angehörenden Cyste und mittelbar der an der Verstorbenen vorgenommenen Operation der Paracentese und der dieselben complicirenden Massregeln gewesen ist.

Was nun den Krankheitszustand der Verstorbenen angeht, so gehört derselbe zu den Affectionen, wo eine im Leib sich bildende, ihrer Natur nach wuchernde, beständig an Umfang zunehmende Geschwulst den sicheren Untergang des Individuums in sich trägt, wenn nicht ihre Entfernung durch eine Radicaloperation Hülfe bringend geschehen kann. Es sei deshalb schon hier erwähnt, dass im anderen Falle, d. h. wo unüberwindliche Hindernisse der Entfernung der Geschwulst entgegenstehen, zumal wenn dieselbe bereits eine Grösse erreicht hat, wie im vorliegenden Falle, der Tod häufig nur eine Frage der Zeit sein kann, und dass der Arzt, der an die Behandlung eines solches Falles herantritt, in dem Zustand, wenn er ihn richtig erkannt hat, eine Aufforderung zur höchsten Aufmerksamkeit und Vorsicht, unter Umständen ein noli me tangere erblicken, auf der anderen Seite aber alles für die Erleichterung und Hinhaltung der Kranken Mögliche mit Gewissenhaftigkeit zu erfüllen sich verpflichtet sehen wird.

Geschwülste in der weiblichen Bauchhöhle können verschiedenen Ursprungs sein, oft gehen sie von den Eierstöcken aus, deren cystöse Degenerationen sie darstellen, oder von der Gebärmutter selbst. Im vorliegenden Falle hatte sich von dem Körper der Gebärmutter ab und aus dem Gewebe derselben hervorwuchernd eine aus consistentem, bindegewebigem und muskulösem Gewebe bestehende, im oberen Theil cystenartig veränderte Geschwulst entwickelt, deren Ausgangspunkt mit Wahrscheinlichkeit unter dem Bauchfellüberzug der Gebärmutter etwa an der Uebergangsstelle des Halstheils in den Körper derselben zu suchen ist; eine Annahme, welche den engen Zusammenhang mit der Blase erklären würde; ein Zusammenhang, der zwar nicht sicher diagnosticirt werden, wohl aber bei der inneren Untersuchung hätte vermuthet werden können, und von vornherein den Gedanken an eine Radicaloperation ausschloss. Vor Jahren bereits hatte die Frau W. über ein Gefühl von Schwere und Druck im Unterleibe geklagt, später war der Leib stärker und endlich dem einer schwangeren Frau ähnlich geworden; Wahrnehmungen, die sich auf das allmähliche Entstehen und ständig fortschreitende Wachsthum der Geschwulst beziehen. Mit der Zeit waren die Belästigungen durch das Uebel derartig geworden, dass Hülfe und Befreiung von demselben gesucht wurde. Es war nun für den behandelnden Arzt Aufgabe, zunächst die Natur und den Ausgangs

« ZurückWeiter »