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6) Der dritte Theil eines jeden Grundstücks muss von der Bebauung frei bleiben.

Der Correferent, Stadtbaumeister von Haselberg aus Stralsund, schloss sich dem in einem ebenfalls sehr eingehenden Vortrage an. Er betonte besonders das Normalprofil und die Strassenbreite, sodann die Beschaffenheit des zu bebauenden Bodens, die wenig wünschenswerthe Anlage von Kellern und einige andere wichtige Punkte und gelangte schliesslich zu folgenden Resolutionen:

1) Vor jeder Umfangswand eines Gebäudes, in welcher sich Fenster von Wohnräumen befinden, muss in der Regel ein von Bauwerken und Bodenerhebungen freies Normalprofil vorhanden sein. Dasselbe besteht:

a) Aus dem ganzen Flächenraume oberhalb der Diagonale des Quadrats.

b) Aus einem unterhalb der Diagonale befindlichen Isolirungs

raume.

c) Aus einem ebenfalls unterhalb der Diagonale befindlichen Raume, dessen Breite von örtlichen Umständen abhängig bleibt. Das freie Normalprofil ist im Allgemeinen auch für die nach den Höfen hinaus belegenen Wohnräume zu verlangen.

2) Wohn- und Schlafräume, deren Fussboden ganz oder theilweise unterhalb der umgebenden Erdoberfläche liegt, sind nur dann zulässig, wenn sie in Bezug auf Entwässerung, Lage über dem höch sten Grundwasserstande, Höhe im Lichten, Lüftung und Erhaltung, sowie seitliche Trennung ihrer Wände vom Erdboden mindestens den für Wohnungen überhaupt zu stellenden Anforderungen entsprechen.

Es bleibt jedoch den einzelnen Orten überlassen, noch fernere Bedingungen für Kellerwohnungen hinzuzufügen oder auch dieselben ganz zu untersagen.

3) Es ist wünschenswerth, dass der Fussboden der Wohnungen von dem Baugrunde getrennt werde.

Die Debatte litt sehr unter den vorher erwähnten Uebelständen, die hier allerdings umso mehr zu Tage traten als die Referate, wie bemerkt, mehr als billig in Specialitäten sich bewegt hatten, so dass die Discutirenden gewissermassen frei ihre Themata auswählen konnten. Zu erwähnen ist unter allen Umständen eine sehr energische Darlegung des Oberbürgermeisters von Winter, der besonders scharf die Nothwendigkeit hervorhob, zwischen dem Bau neuer und den baulichen Veränderungen alter Strassen zu unterscheiden, und den Berliner Bebauungsplan, welcher von ihm und dem Baurath Hobrecht herrühre, besonders von dem Gesichtspunkte aus in Schutz nahm, dass er s. Z. eine anerkennenswerthe Leistung gewesen sei, wobei er gern zugeben wolle, dass derselbe mit den Fortschritten der öffentlichen Gesundheitspflege, wie so viele andere sanitäre Massregeln, wesentlich überholt worden sei. Es soll nicht geleugnet werden, dass die Discussion mancherlei interessante Vierteljahrsschr. f. ger. Med. N. F. XXII. 2.

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Gesichtspunkte brachte, bei denen schätzbares Material zum Vorschein kam. Bei dem Mangel fester Zicle machte sie indessen nichtsdestoweniger den Eindruck einer gewissen Zerfahrenheit und verträgt schon um deswillen nicht recht eine vorzugsweise Behandlung. Zu Beschlüssen kam die Versammlung nicht. Selbst zu einem Verdammungsurtheil über die Kellerwohnungen konnte man sich nicht erheben. Der Vorsitzende, Bürgergermeister Erhard aus München, kennzeichnete in seinem etwas zu allgemein gehaltenen Resumé das Resultat ganz richtig dahin, dass er meinte, es seien eine Reihe von Anregungen gegeben, deren weitere Früchte nicht ausbleiben würden. Ob es nicht möglich gewesen wäre, unter anderen Umständen schon jetzt wenigstens zu einigen Resultaten zu gelangen, ist eine andere Frage, die ich zu bejahen keinen Anstand nehme.

Es folgte der Vortrag des inzwischen verstorbenen Berliner Statistikers Prof. Dr. Schwabe.

„Einfluss der verschiedenen Wohnungen auf ihre Bewohner, soweit er sich statistisch nachweisen lässt." Der Inhalt desselben ist ihnen zur Genüge bekannt und will ich nur noch bemerken, dass Schwabe in gewohnter Weise seine Rede mit einer Reihe von graphischen Darstellungen ausgestattet hatte, die das allerlebhafteste Interesse der Versammlung erregten.

Der 2. Sitzungstag brachte zuförderst einen ausführlichen, lebensvollen, durch Demonstrationen noch werthvoller gemachten Vortrag des Oberbürgermeisters von Winter.

Allgemeine Erläuterung der Canalisations - Anlagen Danzig's."

Er gab eine ausführliche historische Darstellung der Entwickelung des Projectes, als dessen geistiger Urheber wiederum unser geehrtes Mitglied, Geheimrath Wiebe, genannt werden muss, nach dessen Plan Herr Aird in Berlin das grosse Werk ausgeführt hat. An den Vortrag schloss sich eine Besichtigung der Einrichtungen im Allgemeinen, der Pumpstation und dann der Rieselfelder, durch deren Zustand die allgemeine Bewunderung hervorgerufen wurde.

Am 3. Sitzungstage referirte Herr F. Sander aus Barmen über den ersten Gegenstand der Tages-Ordnung:

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Welche Gründe sprechen für, welche gegen die Vereinigung verschiedener Arten von Krankheiten in einem Hospital."

Meiner Ansicht nach ist die Fassung dieses Thema's keine sehr glückliche, doch wusste der bekannte Herr Referent sich besonders dadurch sehr gut aus der Affaire zu ziehen, dass er eine interessante historische Entwickelung des Krankenhauswesens gab. Im Grossen und Ganzen präcisirte Referent, ohne besimmte Anträge zu stellen, seine Ansichten in der Weise, dass er die Gefahren grosser Krankenhäuser entschieden für übertrieben und eine weitgehende Individualisirung und Specialisirung nach den einzelnen Krankheiten, abgesehen natürlich von contagiösen Krankheiten, für nicht nothwendig erachtet.

Der Correferent, der inzwischen leider verstorbene Dr. Esse, war verhindert zu erscheinen, doch ist sein Referat indessen veröffentlicht worden. Ibm erscheint es vortheilhaft, die Vereinigung verschiedener Arten von Kranken in einem Hospitale zu vermeiden. Da sich das nun aber in der Praxis schwerlich durchführen lasse, so entstehe vielmehr die Frage, wie sich die Nachtheile solcher Vereinigung möglichst vermeiden liessen. Er weist auf das Pavillon-System hin, vor Allem, weil der grosse Vorzug einstöckiger Krankenhäuser nur so erreicht werden könne. Schliesslich resumirt er dahin, dass die Baracken-Lazarethe allein allen hygienischen Forderungen entsprächen, ohne unüberwindliche Nachtheile mit sich zu führen. Wenn ein grosses Hospital neben seinen Oekonomie-Gebäuden nur aus Baracken-Lazarethen in genügender Zahl bestehe, so werde man die in dem hier gegebenen Thema gestellte Frage nicht mehr za erörtern haben, denn es werde dann von einer Vereinigung verschiedener Arten von Krankheiten in einem Saale nicht mehr die Rede sein. Die ziemlich kurze Discussion bewegte sich, wie vorherzusehen war, zumeist um die Frage, ob grössere oder kleinere Krankenhäuser vorzuziehen seien. Ich selbst habe mich nach der Richtung hin betheiligt, dass ich entschieden für kleine Hospitäler mit durchschnittlich nicht mehr als 250 Betten einzutreten versuchte. Ich bin von dieser Ueberzeugung auch durch die inzwischen gemachten Erfahrungen nicht abgekommen, vielmehr darin bestärkt worden, glaube auch, dass dieselbe von der grossen Mehrzahl der Aerzte getheilt wird. Zu irgend einer Resolution führte die Debatte nicht.

Alsdann nahm Herr Dr. Hirt (Breslau) das Wort als Referent über: „Frauenarbeit in den Fabriken."

Er gab eine lebhafte farbenreiche Schilderung der Nachtheile und Gesundheitsgefährdungen der Frauen, besonders in denjenigen Fabriken, in welchen bestimmte Gifte, Quecksilber, Blei u. s. w. zur Anwendung kommen. Vor Allem die Schwangeren, die Wöchnerinnen und die Früchte selbst sind in so hohem Grade gefährdet, dass den Staatsregierungen die Pflicht obliegt, hier durch Schutzmassregeln helfend eiuzuschreiten. Es schloss sich an den Vortrag eine kurze Discussion, in welcher Herr Göttishein (Basel) in der glücklichen Lage war, feststellen zu können, dass in seiner Heimath, der Schweiz, nach dieser Richtung hin Fortschritte gemacht seien, von denen freilich anderswo, vor Allem aber in Deutschland, auch nicht im Allerentferntesten die Rede ist. Zu bestimmten Resolutionen kam man um so weniger, als Herr Hirt schon der Kürze der Zeit wegen darauf verzichtet hatte, bestimmte Thesen aufzustellen.

Am 4. Sitzungstage handelte es sich zuvörderst um:
"Quell- und Flusswasser-Leitung."

Herr Prof. Reichard aus Jena begann mit einem sehr ausführlichen Referat, welches sich besonders dahin zuspitzte, dass:

Flusswasser gerade vom Standpunkt der Gesundheitspflege aus, niemals als geeignetes Nahrungsmittel bezeichnet werden könne, weil es dem Wechsel der Mischung und der Temperatur und den da

durch wiederum wechselnden Zersetzungs-Erscheinungen ausgesetzt sei.

Der darauf folgende Vortrag des Correferenten, Herrn Ingenieur Schmiek aus Frankfurt a. M., war noch ausführlicher und ging mit minutiöser Genauigkeit selbst in die kleinsten Details der Frage ein. Er hatte sich mit dem Referenten zu folgender Resolution vereinigt:

"

Für Anlagen von Wasserversorgungen sind in erster Linie geeignete Quellen in Aussicht zu nehmen und es erscheint nicht eher zulässig, sich mit minder gutem Wasser zu begnügen, bis die Bestellung einer Quell wasserleitung als vollständig unmöglich nachgewiesen ist."

Die Discussion war überaus lebhaft, ohne dass sie zu einer vollständigen Klärung der Ansichten über eine Frage geführt hätte, deren Einzelheiten ja den meisten Anwesenden ziemlich fremd waren. Ueberraschend genug kam es gerade hier zu der Annahme einer Resolution, deren Werth freilich dadurch sehr beschränkt wird, dass sie in einer nichts weniger als vollständig mehr besetzten Versammlung mit nur 49 gegen 35 Stimmen angenommen wurde. Sie lautet:

1:

„Für Anlagen von Wasserversorgungen sind in erster Linie geeignete Quellen, natürliche oder künstlich erschlossene, in Aussicht zu nehmen, und es erscheint nicht eher zulässig sich mit minder gutem Wasser zu begnügen, bis die Bestellung einer Quellwasserleitung als unmöglich nachgewiesen ist.“

Oberbürgermeister von Winter folgte mit einer

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Allgemeinen Darstellung der Danziger Wasserleitung."

Danzig besitzt eine Quellwasserleitung, die alle Anforderungen, welche an eine Wasserversorgung der Städte gestellt werden können, durchaus erfüllt, und will ich nur hoffen, dass die Reichlichkeit des erschlossenen Wassers auch in Zukunft sich nicht allzusehr vermindern möge.

Was den letzten Gegenstand der Tagesordnung anbetrifft:

"

Wie hat sich das Gesetz vom 18. März 1868, betreffend die Errichtung öffentlicher Schlachthäuser, bewährt?"

SO muss ich zunächst wiederum bemerken, dass die Frage nicht ganz fehlerlos, nämlich viel zu eng gefasst ist. Ueber die Wirkung eines Gesetzes, welches so gut wie noch gar nicht ausgeführt ist, lässt sich in der That nur sehr wenig sagen, so dass die Erörterung sich der Natur der Sache nach viel allgemeiner auf die Würdigung der Vorzüge, ja der Nothwendigkeit der Einrichtung von Schlachthäusern mit Schlachtzwang und Fleischschau erstrecken musste. Die eigenthümliche Fassung des Themas. hat es wohl mit sich gebracht, dass Referent und Correferent städtische Beamte waren; denn die Frage selbst erfordert unzweifelhaft, wenn das Referat getheilt werden soll, neben einem Verwaltungsbeamten einen in technischer Beziehung Sachverständigen, sei derselbe Arzt oder Thierarzt.

Der Vortrag des Referenten, des Oberbürgermeisters Jaeger, Elber

feld, (der Correferent Oberbürgermeister Gobbin, Görlitz, war krankheitshalber ausgeblieben) erfreute durch einen sachgemässen Vortrag, der sich entschieden für die Errichtung von Schlachthäusern aussprach. Die Discussion brachte Denjenigen, welche unserer Gesellschaft angehören, nichts Neues. Der Vortrag, den Herr Dr. Pauli s. Z. hier gehalten hat, ist noch immer weitaus der beste Beitrag zur Kenntniss und Lösung dieser Frage. Wir haben die letztere alsdann, wie Sie wissen, eingehend discutirt und in ausführlichen Eingaben den betreffenden Staats- und Communalbehörden ans Herz gelegt. Wir haben erreicht, dass hier in Berlin nicht nur die Agitation wieder in Gang gekommen ist, sondern dass selbst das Ministerium des Innern die Wichtigkeit der Angelegenheit dadurch documentirte, dass der Berliner Magistrat aufgefordert wurde, dem Gegenstande baldigst näher zu treten. Bekanntlich hat der Magistrat eine Commission zu diesem Zwecke eingesetzt, deren Verhandlungen hoffentlich in nicht allzu langer Zeit zu praktischen Resultaten führen werden. Es ist mir auffallend gewesen, dass unsere Verhandlungen, besonders aber der vortreffliche Vortrag Pauli's, dem Referenten sowohl als den Meisten der Discutirenden leider gänzlich unbekannt geblieben war. Da alle in Danzig zur Sprache gekommenen Puncte damals in unserer Gesellschaft ausführlich erörtert worden sind, so verzichte ich um so mehr darauf, darüber eingehend zu referiren, als es wiederum zur Beschlussfassung über bestimmte Resolutionen hier nicht gekommen ist.

Damit war die Tagesordnung der Versammlung erschöpft und gestatte ich mir nur noch ein kurzes allgemeineres Nachwort.

Schon an anderer Stelle habe ich hervorgehoben, dass seltsamer Weise ein Verein, der von vornherein seine praktischen Tendenzen betont hatte, nur über eine einzige Frage zu einer bestimmten Aeusserung gekommen ist und merkwürdiger Weise gerade in der, die eine Vertagung am meisten verlangte. Ich halte das für einen ganz entschiedenen Fehler und glaube, dass der Verein seine Wirksamkeit wesentlich schädigen würde, wollte er bei diesem System beharren. Will man auf die Behörden, auf die parlamentarischen Körperschaften und das ist doch der Zweck eine Wirkung ausüben, so muss man ganz bestimmte Erklärungen abgeben. Man darf alsdann freilich die Speisekarte für die Sitzungstage nicht so reichhaltig machen, wie es in Danzig geschehen ist. Es bleibt ohne solche Beschränkung keine Zeit übrig zu einer gründlichen Discussion, durch die man zu wohl erwogenen Beschlüssen kommen kann, ganz abgesehen davon, dass etwaige Anträge aus der Versammlung selbst durch eine derartige Ueberhäufung ganz abgeschnitten werden.

Die gleich darauf in Breslau tagende hygienische Section der Naturforscher-Versammlung hat die Möglichkeit bestimmter Entschliessungen gezeigt und die Wirkungen derselben werden nicht ausbleiben.

Indem ich an die Wünsche erinnere, die ich im Anfange meines Referats ausgesprochen habe, glaube ich der Beistimmung unserer Gesellschaft sicher zu sein, wenn ich auch das Letzterwähnte dem Ausschuss

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