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schaftlich gebildeten Aerzten während des Lebens richtig diagnosticirt werden können; ohne Zweifel sind sie daher in der Wirklichkeit häufiger, als sie bei der Leichenschau, die noch oft genug vom niederärztlichen Personale und sogar hie und da von Laien gehandhabt wird, constatirt werden, wogegen die Sterbefälle an mehreren anderen Krankheiten, namentlich an Wassersucht, Altersschwäche etc. in zu grossen Zahlen sich repräsentiren. Demungeachtet ist es merkwürdig, in welchen engen Grenzen die Zahlen der in einzelnen Jahren an Herzleiden Gestorbenen sich bewegen; im Jahre 1872 starben hiervon 2211, im Jahre 1871 2187, in der Durchschnittsperiode 2033 Personen, auf je 100,000 Seelen beziehungsweise 46 45 - 42.

Der Tod durch Herzleiden scheint zu jeder Jahreszeit fast gleich häufig vorzukommen; in örtlicher Beziehung findet sich aber eine grosse Verschiedenheit. Die grösste Sterblichkeit fällt alljährlich auf Oberbayern (im Jahre 1872 auf 100,000 Seelen 73), die geringste auf die Pfalz und auf Oberfranken (je 35 und 29). Ohne Zweifel sind Herzkrankheiten in Gebirgsgegenden häufiger als in weiten Ebenen. In Oberbayern mag übrigens auch die Stadt München einen verhältnissmässig hohen Beitrag hierzu liefern, zumal als hier Herzkrankheiten fast ohne Ausnahme in ärztliche Behandlung gelangen und sicher auch ärztlich diagnosticirt werden. Das weibliche Geschlecht ist diesen Leiden etwas mehr ausgesetzt als das männliche. Das Contingent der Todesfälle an Herzfehlern jeder Art steigt bis ins höchste Alter, namentlich wenn man deren Zahl mit den im gleichen Alter Lebenden vergleicht. Ueber 80 pCt. der Gestorbenen werden alljährlich ärztlich behandelt.

10. Hirnschlagfluss. Hieran starben im Jahre 1872 4233 Personen gegen 4775 im Vorjahre und 4251 im Durchschnitte. Der Schlagfluss ist in der kalten Jahreszeit durchschnittlich etwas häufiger als in der warmen. Grösser ist auch hier der locale Unterschied; immer ist der Schlagfluss in Oberund Niederbayern häufiger (im Jahre 1872 je 109 und 116 Sterbefälle auf 100,000 Seelen), als in der Pfalz (63), was sich einfach daraus erklären lässt, dass in den erstgenannten Regierungsbezirken verhältnissmässig mehr Lebende des höheren Alters sich befinden, als in der Pfalz. Es treffen nämlich im Jahre 1872 mehr als 77 pCt. der Gestorbenen auf das Alter über 50 Jahren, noch über 61 pCt. auf das Alter über 60 Jahren und noch über 32 pCt. auf das Alter über 70 Jahren.

Beim männlichen Geschlechte ist der Schlagfluss fast um 20 pCt. häufiger als beim weiblichen, was darin begründet ist, dass organische Abnormitäten des Gehirns, die nicht selten einen plötzlichen letalen Ausgang bewirken, dem männlichen Geschlechte öfter zukommen als dem weiblichen im Gegensatze zu den

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vielen hydropischen Leiden, zu denen die Frauen, besonders im höheren Alter, vorwiegend disponirt sind. Aerztlich behandelt wurden 48 pCt. oder nicht völlig die Hälfte aller am Schlagflusse Gestorbenen.

11. Kindbettfieber. Dieser Krankheit sind im Jahre 1872 660 Frauen erlegen gegen 549 im Vorjahre und 600 im Durchschnitte; es stirbt etwa 1 Gebärende von 300 am Kindbettfieber. Fasst man jedoch alle Todesarten zusammen, die in Folge der Schwangerschaft und des Kindbettes eingetreten sind (Eklampsie, Verblutung, Gebärmutterentzündung, Kindbettfieber, Erschöpfung), so sind hiervon im Jahre 1872 1357 Frauen gestorben, d. i. 1 von 148 Gebärenden. Stets ist das Kindbettfieber in den Wintermonaten häufiger als zur Sommerszeit, vielleicht weil im Winter die Zimmer der Wöchne: innen, besonders auf dem Lande, gewöhnlich stark überheizt werden und die hier so nothwendige Lufterneuerung nicht gehandhabt wird.

Nach dem Alter starben am Kindbettfieber: unter 20 Jahren 2 pCt., von 20 bis 30 Jahren 39 pCt., von 30 bis 40 Jahren 47 pCt., von 40 bis 50 Jahren 12 pCt. Diese Verhältnisse werden denen der Gesammtzahl der Gebärenden jeder Altersclasse wohl ziemlich entsprechen. Vergleicht man aber hiermit die übrigen in Folge der Schwangerschaft und des Kindbettes eingetretenen Todesfälle, so stellt sich heraus, dass die letzteren verhältnissmässig etwas später eintreten, als die Kindbettfieber; es treffen nämlich auf die oben erwähnten Todesfälle zusammen im Alter unter 20 Jahren 1 pCt., von 20 bis 30 Jahren 30 pCt., von 30 bis 40 Jahren 47 pCt., von 40 bis 50 Jahren 21 pCt. und noch über 50 Jahren 1 pct. Es scheint dieses Ergebniss ein beständiges zu sein, da es auch in den Vorjahren sich geltend gemacht hat. Hieraus dürfte zu folgern sein, dass das Kindbettfieber bei Erstgebärenden relativ häufiger vorkommt, als die übrigen der Kindbettkatastrophe angehörenden Todesarten. Die Diagnose des Kindbettfiebers dürfte in hinreichendem Masse gesichert sein, denn von sämmtlichen hieran gestorbenen Frauen wurden 92 pCt. einer ärztlichen Behandlung unterzogen; bei den übrigen Todesfällen in Folge des Kindbettes war dies nur bei 84 pCt. der Fall. Auch diese Verhältnisse bleiben sich ziemlich gleich von einem Jahre zum anderen.

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12. Selbstmord. Dieser gewaltsamen Todesart erlagen im Jahre 1872 405 Personen gegen 419 im Vorjahre und 432 im Durchschnitte; der Selbstmord hat sich demnach etwas gemildert; ob dies auch im Jahre 1873 der Fall sein wird, ist mindestens sehr zweifelhaft, da in diesem Jahre plötzlich eine ausserordentliche Preissteigerung aller Lebensbedürfnisse eingetreten ist.

Die Selbstmorde sind immer in der heissen Jahreszeit häufiger als in der kalten, beim männlichen Geschlechte um das Vier- bis Fünffache häufiger als beim weiblichen, bei den Protestanten fast dreimal häufiger als bei den Katho

liken. Auf Mittelfranken, dessen Einwohnerzahl vorwiegend protestantisch ist, treffen im Jahre 1872 15,2 Selbstmorde auf 100,000 Seelen, auf Niederbayern mit einer fast ausschliesslich katholischen Bevölkerung nur 2,7. Die meisten Selbstmorde kommen im Verhältnisse zur Gesammtzahl derselben im Altersdecennium von 50 bis 60 Jahren vor (im Jahre 1872 21 pCt.), im Verhältniss zur Gesammtzahl der Lebenden jeder Altersclasse steigt aber die Selbstmordfrequenz bis in das höchste Alter. Im 10jährigen Durchschnitt von 1857 bis 1866 treffen auf das Erhängen 54 pCt., auf den Tod im Wasser fast 21 pCt, durch Erschiessen 15 pCt., so dass auf die übrigen Todesarten noch etwa 10 pCt. treten. *)

13. Unglücksfälle. Hieran starben im Jahre 1872 1675, im Jahre 1871 1675, in der Durchschnittsperiode 1451 Personen. Es haben sich die Unglücksfälle in der Neuzeit vermehrt, was ohne Zweifel mit der von Jahr zu Jahr sich hebenden industriellen Thätigkeit der Bevölkerung (Fabriken, Eisenbahnen etc.) im ursächlichen Zusammenhange steht. Unglücksfälle sind immer in den Sommermonaten, besonders im Juni und Juli (wo im Jahre 1872 355 Personen oder fast 22 pCt. der ganzen Zahl verunglückten) am häufigsten. Die meisten Unglücksfälle kommen alljährlich in Oberbayern vor (im Jahre 1872 45 auf 100,000 Seelen), die wenigsten in der Pfalz (nur 22). Beim männlichen Geschlechte sind die Unglücksfälle drei- bis viermal häufiger als beim weiblichen, woraus sich ergibt, dass die Frauen den Unglücksfällen relativ etwas häufiger unterliegen, als den Selbstmorden.

Wenigstens 1/5 aller Unglücksfälle trifft schon auf das Alter vom vollendeten ersten bis zum Beginn des sechsten Lebensjahres, wo namentlich auf dem Lande viele Kinder wegen vernachlässigter Aufsicht verunglücken (meist durch Ertrinken). Ausserdem sind die Unglücksfälle in jedem der vier Altersdecennien fast gleich häufig, indem sie hier je 11 bis 12 pCt. betragen. Aber auch nach dem 60. Jahre sind sie noch häufiger, als man erwarten sollte (im Ganzen 14 bis 15 pCt.), ja ihre Zahl nimmt bis ins höchste Alter zu, wenn man sie mit der gleichalterigen lebenden Bevölkerung vergleicht.

Wie schon früher erwähnt, müssen wir es uns im Hinblicke auf den uns zugemessenen Raum versagen, die Statistik der Todesursachen in Bayern noch weiter ins Einzelne zu verfolgen. Dagegen dürfte es sich empfehlen, um dem Leser einen leichteren Ueberblick über die gewonnenen Resultate zu verschaffen, die wichtigeren Todesursachen auf Alter, Geschlecht und Jahreszeit und zwar für die beiden Jahre 1871 und 1872 zusammenzufassen:

*) Die Selbstmord-Statistik in Bayern wurde im XIX. Bd. dieser Zeitschrift Seite 151-160 ausführlicher behandelt, worauf hier verwiesen wird.

a) Vertheilung der Todesfälle auf die einzelnen Altersclassen.

1. Alter von der Geburt bis zum vollendeten 1. Lebensjahre. Auf kein anderes Lebensalter treffen so viele Maxima der Todesfälle durch Krankheiten, wie auf diese erste Periode des Lebens. Speciell fallen hierher (ausser den Todtgeborenen und den an Lebensschwäche Gestorbenen) die Maxima der Todesfälle durch Durchfall, Schwäche und Abzehrung der Kinder, durch Keuchhusten und durch Brustentzündungen, ausserdem das zweite Maximum durch Masern. Berechnet man den Betrag der verschiedenen Krankheiten an der Gesammtsterblichkeit, d. h. an der Gesammtsumme der Todesfälle jeder Altersclasse, so ergeben sich fast dieselben Resultate; nur fällt das Maximum der Brustentzündungen in eine viel spätere Altersperiode und das Maximum des Keuchhustens auf das Alter von 2 bis 5 Jahren.

2. Alter vom 2. bis 5. Jahre. Hierher fällt das Maximum der Sterbefälle am Scharlach, an den Masern und Rötheln, an Croup und Diphtheritis, sowie auch an den tödtlichen Unglücksfällen. Nach der zweiten Berechnungsweise fallen hierher bloss Masern und Keuchhusten.

3. Alter vom 6. bis 10. Jahre. Hier liefert keine einzige Krankheit oder Todesursache das Maximum ihrer Todesfälle. Relativ noch die meisten Todesfälle fallen hierher bei Scharlach (28 bis 29 pCt.), Masern (11 bis 12 pCt.), Croup und Diphtheritis (20 bis 21 pCt.). Nach der zweiten Berechnungsweise jedoch ist die häufigste Todesursache dieser Altersclasse Scharlach und besonders Croup und Diphtheritis (mit 9 bis 15 pCt., beziehungsweise mit 32 bis 38 pCt. aller Todesfälle dieser Altersclasse).

4. Alter vom 11. bis 20. Jahre. Auch in diese Periode fällt das Maximum keiner einzigen Todesursache, relativ noch die meisten Todesfälle an Typhus und Tuberkulose. Wohl aber finden hier die meisten Fälle von Typhus statt (10 bis 12 pCt.), wenn man sie in ein Verhältniss bringt zur Gesammtsumme der Todesfälle, welche in dieser Altersclasse überhaupt eingetreten sind.

5. Alter vom 21. bis 30. Jahre. Hierher fallen die Maxima der Sterbefälle durch Typhus und Lungentuberkulose (je 18 bis 19 pCt.). Auch nach der zweiten Berechnungsweise ist die Sterblichkeit an Lungentuberkulose hier am grössten, indem sie 28 bis 31 pCt. aller Todesfälle dieser Altersclasse bewirkt; ebenso nimmt der Selbstmord hier die erste Stelle ein. Dagegen zeigt der Typhus bereits in dieser Periode eine fallende Tendenz.

6. Alter vom 31. bis 40. Jahre. Hierher fällt das Maximum der Todesfälle durch Niederkunft, Wochenbett und deren Folgen (46 bis 48 pCt. der Todesfälle an diesen Krankheiten). Auch die Tuberkulose zeigt in diesem Alter fast noch dieselbe Häufigkeit, wie in der vorhergehenden Periode. Ziemlich dasselbe Resultat ergibt sich bei Vergleichung der verschiedenen Krankheiten mit der Gesammtsumme der in der Periode von 30 bis 40 Jahren Gestorbenen; namentlich fordert die Lungentuberkulose hier noch viele Opfer (26 bis 27 pCt.) und die Blattern-Sterblichkeit steigt bedeutend.

7. Alter vom 41. bis 50. Jahre. In diesem und dem folgenden Decennium erreicht der Selbstmord sein Maximum, während die Sterblichkeit an Typhus und Tuberkulose noch immer einen hohen Rang einnimmt. Die Mortalität der Blattern nimmt zu, ebenso die an Brustentzündungen, Wassersucht und Schlagfluss.

8. Alter vom 51. bis 60. Jahre. In diesem Alter erreicht die BlatternSterblichkeit ihr Maximum. An tuberkulösen Krankheiten erfolgen auch in dieser Altersclasse noch viele Todesfälle. In der Zunahme sind fortwährend die Entzündungen der Athmungsorgane, Wassersucht und Schlagfluss.

9. Alter vom 61. bis 70. Jahre. Die häufigsten Todesursachen sind hier die Brustentzündungen (18 pCt. der Gesammtzahl und 11 bis 12 pCt. aller Todesfälle dieses Alters), die Wassersucht (31 bis 33 pCt. der Gesammtzahl und 15 pCt. der Todesfälle dieses Alters überhaupt) und der Schlagfluss (28 bis 29 pCt. aller hiervon Gestorbenen und 7 bis 8 pCt. aller Todesfälle dieses Alters überhaupt). Auch die Altersschwäche macht sich jetzt schon in vielen Fällen geltend. 10. Alter vom 71. bis 80. Jahrc. In dieses fällt das Maximum der Todesfälle durch Altersschwäche (48 bis 50 pCt.), dann das zweite Maximum durch Schlagfluss (24 pCt.) und durch Wassersucht (22 pCt.).

11. Alter vom 81. Jahre an. Hier bedingt die Altersschwäche nicht weniger als 75 pCt. aller Todesfälle dieser Altersclasse überhaupt, während auf die Wassersucht nur 6 pCt., auf den Schlagfluss nur 5 pCt. treffen und alle übrigen Todesursachen mehr oder weniger vom Schauplatze abgetreten sind. b) Vertheilung der Todesfälle auf jedes der beiden Geschlechter.

1. Krankheiten und andere Todesursachen, an welchen mehr Personen männlichen als weiblichen Geschlechts sterben, sind: Todtgeborene, angeborene Lebensschwäche, Durchfall, Fraisen und Abzehrung der Kinder, Scharlach, Tuberkulose der Lungen und anderer Organe, Hirnschlagfluss', besonders aber Selbstmord und Unglücksfälle.

2. Krankheiten und andere Todesursachen, an welchen mehr Personen weiblichen als männlichen Geschlechts starben: Keuchhusten, Wassersucht und Altersschwäche, besonders aber alle Krankheiten der Geschlechtsorgane (auch mit Ausschluss der Folgen von Schwangerschalt, Niederkunft und Wochenbett), wohin namentlich der Krebs zu rechnen ist.

3. Krankheiten, an welchen so ziemlich gleich viele Personen männlichen wie weiblichen Geschlechtes sterben, so dass das Geschlecht von keinem oder doch keinem erheblichen Einflusse auf die Sterblichkeit ist: Blattern, Masern, Croup und Diphtheritis *), Typhus, Brustentzündungen.

Das männliche Geschlecht erkrankt und stirbt im Allgemeinen häufiger als das weibliche an acuten Krankheiten, das weibliche umgekehrt häufiger als das männliche an chronischen Krankheiten. Uebrigens dürfte den zufälligen Einflüssen der Lebensweise, Bildung, Erziehung, Beschäftigung u. s. w. auf die Morbilität und Mortalität eine grössere Bedeutung zuzuschreiben sein, als die Geschlechtsdifferenz an und für sich.

c) Vertheilung der Todesfälle auf die verschiedenen Jahreszeiten. 1. Kältere Jahreszeit (Winter und Frühling). In diese fällt die grösste Sterblichkeit an den meisten überhaupt tödtlichen Krankheiten. Hier und speciell im Vorfrühling pflegen gerade die häufigsten und tödtlichen Krankheiten zu culminiren, vor allen Lungentuberkulose, Entzündungen der Athmungsorgane, Keuchhusten, acute Exantheme, Croup und Diphtheritis; auch für das höhere

*) Croup, für sich betrachtet, wird wohl häufiger beim männlichen als beim weiblichen Geschlechte vorkommen; dagegen dürfte die Diphtheritis beim weiblichen Geschlechte überwiegen.

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