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ausgezeichnet war (durchschn. Temperatur -5° R. in München), starben viele Personen an Altersschwäche, dann aber auch an entzündlichen Krankheiten der Respirationsorgane; im Mai und Juni traten die Tuberkeln häufiger auf als sonst um diese Jahreszeit; auch die Blattern culminirten in den Frühlingsmonaten. Mit dem December, dem ganz besonders eine niedrige Temperatur zukam (-7' R.) begann wieder eine Steigerung der Winterkrankheiten.

Gegenüber dem Jahre 1871 zeichnete sich das Jahr 1872 durch grosse Wärme aus. Die mittlere Jahrestemperatur betrug nach den Aufzeichnungen an der Sternwarte zu Bayerhausen bei München 6,91°R., um 1,90° mehr als im Vorjahre und um 1,18° mehr als im 20jährigen Durchschnitte 1840/60. Die Wärme war besonders in den drei letzten Monaten des Jahres (October bis December) eine ungewöhnlich hohe, so dass an manchen Orten der December mehr einem Frühlings als einem Winter-Monate glich, kein Wunder, dass die Mortalität im Allgemeinen und speciell im vierten Quartale eine sehr geringe war.

Die Tabellen über die Gestorbenen nach Krankheiten enthalten in Bayern zwei gesonderte Rubriken für diejenigen Todesfälle, bei welchen eine ärztliche Behandlung vorherging und bei welchen der Tod ohne vorausgegangene ärztliche Hilfe eingetreten ist. Wir beschränken uns hier vorerst auf die Zahl der Gestorbenen überhaupt, welche von Aerzten behandelt worden sind, ohne auf die einzelnen Krankheits- und Todesarten Rücksicht zu nehmen. Zugleich fügen wir die Zahl der Aerzte (Civil- und Militär-Aerzte) eines jeden Regierungsbezirkes nach dem Stande vom 1. Januar 1873 bei nebst einer Berechnung, wie sich die Aerzte auf die Einwohnerzahl und den Flächenraum vertheilen:

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Aerztliche Hilfe wird immer in Oberbayern am häufigsten, in der Oberpfalz am seltensten beansprucht, was in dem Umstande zu suchen ist, dass in Oberbayern verhältnissmässig die meisten Aerzte (hauptsächlich wegen der Hauptstadt München), in der Oberpfalz die wenigsten Aerzte den Kranken zur Seite stehen.

Es ist dieses Ergebniss für Oberbayern um so günstiger, als in diesem Kreise (zugleich mit Schwaben) die Sterblichkeit der Neugeborenen am grössten ist, bei dem sonst nach allgemeiner Erfahrung in Krankheitsfällen nur selten ärztlicher

Beistand in Anspruch genommen wird. In der Pfalz steht zwar das Verhältniss der ärztlich Behandelten unter den Gestorbenen (56,5 pCt.) beträchtlich über dem Durchschnitte des Königreiches (53,6 pCt.), und doch treffen dort auf 100,000 Seelen weniger Aerzte (25), als im Gesammtdurchschnitte (33). Allein es ist wohl zu beachten, dass in der Pfalz die Bevölkerungsdichtigkeit unter allen Kreisen am grössten ist; es kann daher dort durchschnittlich ein Arzt einer grösseren Einwohnerzahl seinen Beistand gewähren, als dies in den diesrheinischen Regierungsbezirken der Fall ist. Nach der letzten Spalte obiger Tabelle ergibt sich daher auch, dass, obwohl in der Pfalz im Verhältnisse zur Einwohnerzahl weniger Aerzte sich befinden, dennoch der geringste Flächenraum auf einen Arzt dort trifft, oder mit anderen Worten: dass bei gleichem Flächenraum die Pfalz die meisten Aerzte aufzuweisen hat. Das Causalverhältniss zwischen der Zahl der Aerzte und der Zahl der Gestorbenen, die von Aerzten behandelt worden sind, ist daher ausser aller Frage. Im Ganzen sind 54 bis 55 pCt. aller Gestorbenen in den letzten Jahren ärztlich behandelt worden. In manchen ländlichen Bezirken der Oberpfalz sinkt jedoch das Verhältniss der ärztlich Behandelten bis auf 10 bis 12 pCt. herab, was wohl als ein Beweis grosser Indolenz und geringen Bildungsgrades der dortigen Bevölkerung betrachtet werden kann.

Nach diesen allgemeinen Betrachtungen über die Sterblichkeit in Bayern überhaupt gehen wir zu einer kurzen Darlegung der Sterblichkeit nach einzelnen Krankheiten und Todesursachen über. Da es jedoch einen zu grossen Raum beanspruchen würde, wenn wir sämmtliche im bayerischen Schema aufgeführten 90 Todesarten einer speciellen Besprechung unterziehen wollten, so beschränken wir uns hier bloss auf einige wichtigere und in grösserer Häufigkeit vorkommende Krankheiten. Zu diesem Behufe folgt vorerst eine Uebersicht über die in den Jahren 1871 und 1872, sowie in der Durchschnittsperiode 1868 bis 1870 an Krankheiten der eben bezeichneten Art Gestorbenen, nebst Beifügung einer Berechnung der Sterblichkeit im Verhältnisse zur Einwohnerzahl:

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Auch unter den in vorstehender Tabelle aufgeführten 38 To-
desarten müssen wir noch eine Auswahl treffen, und zwar in
folgender Weise:

1. Todtgeborene. Deren Zahl hat sich im Jahre 1871
besonders günstig gestaltet: 6175 gegen 6800 im vorhergehenden
dreijährigen Durchschnitt. Es haben sonach weder die Witte-
rungsverhältnisse, noch die Aufregungen des Krieges irgend einen
nachtheiligen Einfluss auf das Leben der Kinder im Mutterleibe
ausgeübt. Im Jahre 1872 haben die Todtgeborenen wieder etwas
zugenommen, ohne jedoch den Durchschnitt zu erreichen. Auf
1000 Geborene überhaupt treffen im Jahre 1872 33 Todtgeborene

(im Vorjahre 26), darunter 26 nach natürlicher Geburt und 7 nach künstlicher Geburt.

Uebrigens ist die Erhebung keiner anderen Todesursache so unsicher und so ungenau, als gerade die der Todtgeborenen. Einerseits zählt man häufig un reife, vorzeitig abgegangene und todte Früchte bald den Todtgeborenen, bald den Frühgeborenen und an Lebensschwäche Gestorbenen bei, andererseits aber werden auch Lebendgeborene, welche nur einige Monate athmeten und lebten, um sofort wieder zu sterben, unrichtiger Weise zu den Todtgeborenen gerechnet. Das Hauptkriterium einer Todtgeburt ist im concreten Falle immer der gänzliche Mangel der Athmung und sollte Seitens der Hebeammen, welche hierüber wohl unterrichtet sind, bei Eintragung der von ihnen zur Welt beförderten Kinder in die Hebammen-Tabellen möglichst beachtet werden.

2 bis 4. Durchfall, Eklampsie und Atrophie der Kinder. An diesen drei am häufigsten vorkommenden und in ihrer überwiegenden Mehrheit auf Störungen des Verdauungsprocesses beruhenden Krankheiten des kindlichen Alters*), welche wir hier zusammenfassen, starben im Jahre 1872 nicht weniger als 42709 Kinder, darunter 8015 am Durchfalle, 22240 an Fraisen oder Eklampsie und 12454 an Atrophie, d. i. 880 auf 100,000 Einwohner (im Vorjahre 861, in der Durchschnittsperiode 834), was etwa den vierten Theil aller Sterbefälle beträgt. Hieraus lässt sich wohl mit Recht der Schluss ziehen, dass die Diätetik der Neugeborenen in Bayern als eine naturgemässe nicht betrachtet werden kann und dass auch kein Fortschritt zum Bessern nach dieser Richtung zu bemerken ist.

Die höchste Sterblichkeit an diesen Ernährungsstörungen des kindlichen Alters kommt den Regierungsbezirken Oberbayern und Schwaben zu mit fast einem Drittheil aller Gestorbenen, während die Pfalz nur etwa mit dem sechsten Theile der Gesammtsterblichkeit betheiligt ist, ungeachtet dieser Kreis überhaupt die geringste Sterblichkeit aufzuweisen hat. In Oberbayern und Schwaben trifft schon auf 80 bis 90 Einwohner ein Sterbefall der bezeichneten Art, in der Pfalz erst auf 200 Einwohner. Dieses Ergebniss zeigt unwiderleglich, dass die Pflege und Ernährungsweise der Neugeborenen in den südlichen Provinzen Bayerns noch Vieles zu wünschen übrig lässt und dass noch arge Missgriffe in dieser Beziehung obwalten im Gegenhalte zu den fränkischen Kreisen und der Pfalz, wo die Sterblichkeit an den in Rede stehenden Krankheiten kaum die Hälfte des Mortalitätsverhältnisses in den südlichen Provinzen beträgt. Dass in diesem frühen

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*) Auch dfe Fraisen müssen hieher gerechnet werden, da sie nur in seltenen Fällen als primäre Gehirn-Erkrankung auftreten, sondern meistens nur als Symptom anderer Krankheiten, die in der Regel in den Unterleibsorganen ihren Sitz aufgeschlagen haben, zu betrachten sind.

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Alter mehr Knaben als Mädchen sterben, ist bekannt; es wird daher eine grössere Resistenzkraft der Mädchen gegen die Fehler, welche bei der ersten Kindespflege begangen werden, anzunehmen sein, als dies im Durchschnitte bei den Knaben der Fall ist. Von allen am Durchfalle, den Fraisen und der Abzehrung im ersten Lebensjahre gestorbenen Kindern treffen gegen 40 pCt. schon auf den ersten Lebensmonat; dieses Verhältniss steigt bei den Fraisen auf 45 bis 46 pCt. und fällt beim Durchfalle und bei der Abzehrung auf 30 bis 32 pCt. herab. Die schlimmen Folgen der ersten Ernährung, welche sich hauptsächlich in der Atrophie kundgeben, können erst in der zweiten Hälfte des ersten Lebensjahres ihren Höhepunkt erreichen, während die Fraisen bekanntlich keine wissenschaftliche Bezeichnung meist schon in den ersten Wochen nach der Geburt als Zeichen geringer Vitalität, ähnlich der angeborenen Lebensschwäche, in die Scene treten. 5. Blattern. Hieran starben im Jahre 1872 2992 Pergegen 5070 im Vorjahre und 613 in der Durchschnittsperiode. Von 100,000 Einwohnern starben an Blattern im Jahre 1872 noch 62, im Vorjahre dagegen 104 Personen, während im Durchschnitte nur 13 gestorben sind. Nachdem die seit mehreren Jahren in Bayern herrschende Blattern-Epidemie (1866/67 mit 1210, 1867/68 mit 917, 1868/69 mit 487, 1869/70 mit 363 Sterbefällen) ihrem Erlöschen nahe zu sein schien und erst gegen Ende dieses Jahres nach dem Eintreffen der aus Frankreich zurückkehrenden Truppen wieder aufloderte, hat diese Krankheit im Jahre 1871 eine bisher nicht erreichte Höhe und Ausdehnung über ganz Bayern gewonnen. Die Epidemie erreichte ihre Akme im April 1871 und nahm von da an stetig ab bis zum September, von da an aber wieder zu bis zum Schlusse des Jahres, wo sie sich auf das Jahr 1872 fortsetzte. Auch in diesem Jahre forderten die Blattern noch ziemlich viele Opfer, verloren aber vom Juli an allmählig ihren epidemischen Charakter, um von da an nur mehr in sporadischer Weise sich fortzusetzen. Bei der Wichtigkeit dieser Krankheit in sanitätspolizeilicher Beziehung erscheint es nothwendig, hier etwas speciell auf sie einzugehen. Zu diesem Behufe enthält die nachstehende Uebersicht die Sterbefälle an Blattern und deren Verhältniss zur Einwohnerzahl in den einzelnen Regierungsbezirken während der Jahre 1871 und 1872:

Vierteljahrsschr. f. ger. Med. N. F. XXII. 2.

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