Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

auch dann wieder in kurzer Zeit, so dass schliesslich mehrere tausend Einwohner auf einige wenige Brunnen angewiesen sind und mit Besorgniss dem Zeitpunkte entgegensehen, wo auch diese trocken liegen werden. Die Beschaffenheit des Trinkwassers ist fast durchweg eine schlechte. Bei der grossen Bedeutung des Wassers für die Gesundheit und den menschlichen Haushalt müssten Bestimmungen getroffen werden, dass diejenigen Gewerkschaften, deren Bergwerke die Ortschaften entwässern, gehalten seien, durch Leitungen und Hebewerke für genügendes Wasser in denselben zu sorgen.

Auch wären Commissionen von Aerzten und Chemikern mit der Untersuchung der Grubenwässer, deren Zusammensetzung eine sehr verschiedene ist, und der Angabe von Mitteln zu beauftragen, wie jene vielleicht für das Haus brauchbar gemacht werden könnten.

Zur Reinhaltung des Bodens und damit des Wassers von organischen Beimischungen müssten Abtritt- und Dünger-Gruben in Cement ausgemauert oder mit einer undurchlässigen Lettenschicht umgeben werden; eine Einrichtung, deren Kosten der landwirthschaftliche Vortheil derselben decken würde.

Neubauten von Häusern wären nur zu genehmigen, wenn Zimmer, Fenster und Thüren in hinreichender Grösse und Höhe veranschlagt würden; ein vorzeitiges Beziehen wäre zu verbieten, auch Bestimmungen zu treffen, dass die Häuser möglichst früh mit einem Abputz versehen werden. Kellerwohnungen sollten wenigstens da, wo die Behörden hierauf Einfluss haben, wie in den fiscalischen und gewerkschaftlichen Arbeiterhäusern, nicht gestattet werden.

Bauzeichnungen von Schulhäusern müssten den Sanitätsbehörden vorgelegt und ihre Bestimmung über die Grösse der Schullocale, Lage und Glasfläche der Fenster, Ventilations- und Heizungsvorrichtungen, Einrichtung der Schulbänke u. s. w. eingeholt werden.

Dem Schlafburschenunwesen, welches gesundheitlich und sittlich vom Uebel ist, muss kräftig gesteuert werden.

Nächtliche polizeiliche Revisionen einzelner Wohnhäuser und Abhängigmachen der Erlaubniss zum Uebernachten fremder Personen von örtlichen und persönlichen Vorbedingungen ist erforderlich.

Zur Verminderung der hohen Ziffer wie der Sterblichkeit überhaupt, so auch der Kinder- Sterblichkeit in den Kreisen Beuthen, Tarnowitz, Kattowitz, Zabrze wird die Ausführung der hier gemachten Vorschläge beitragen, das Leben der Kinder liegt jedoch hauptsächlich in den Händen der Mütter, Ernährung und Pflege derselben kann nicht auf dem Verordnungswege geregelt werden; auch sind schriftliche Belehrungen unnütz, so lange die Frau des oberschlesischen Bauern und Arbeiters des Lesens nicht kundig ist und so lange zwischen der Wissenschaft und ihren Ergebnissen für's Leben und der Denkweise des slavischen Theils der oberschlesischen Bevölkerung eine weite Kluft besteht. Hier ist es die Culturaufgabe des preussischen Staates, für die Erziehung der niederen Stände und insbesondere der Frauen bezüglich ihres Berufes Sorge zu tragen.

[ocr errors]

Kindergärten, welche zugleich die Kleinen möglichst zeitig den sie umgebenden schädlichen Einflüssen entziehen werden, auf Anschauung und folgerichtigem Denken basirter Schulunterricht, welcher auch das Nothwendigste über Gesundheitspflege in sich zu schliessen haben wird, Lehrer-, Schul- und Volks-Bibliotheken, Fortbildungsschulen und alle Förderungsmittel der geistigen und sittlichen Bildung müssen dazu beitragen, die Denk- und Lebensweise und damit auch die Gesundheitsverhältnisse des Kreises gedeihlicher zu gestalten.

Schlusssätze.

1. Die Gesundheitsverhältnisse des alten Kreises Beuthen sind wegen der schädlichen Einflüsse der Bergwerks- und HüttenIndustrie, der dichten Bevölkerung und ihres niedrigen Culturgrades, des Wassermangels und der schlechten Beschaffenheit des Trinkwassers ungünstige.

2. Die Sterblichkeitsziffer desselben ist in allen Altersklassen, besonders aber bei den Männern nach dem 40. Lebensjahre, erheblich grösser als die des Staates und des Regierungsbezirks, die der Landgemeinden, besonders derer mit über 2000 Einwohnern, grösser als die der Städte. Verunglückungen sind häufig.

3. Die Monate Jnli, August und September weisen die grösste Todtenzahl auf.

4. Die Kinder sind in ihrem 1. Lebensjahre nicht wesentlich gefährdeter, dagegen ihre Sterblichkeit im 2. bis incl. 5. Lebensjahre doppelt so gross als im Staate Preussen, noch erheblicher in den Landgemeinden, bedingt durch Häufigkeit der Geburten und mangelnde Erziehung Seitens der Mütter.

5. Ueberwachung der Anlagen und des Betriebes der industriellen Werke, Sorge für gute Wohnungen und Strassen, reines Trinkwasser, Beseitigung des Schlafburschenunwesens, sowie bessere Volksbildung sind die nächsten Aufgaben der öffentlichen Gesundheitspflege in den Kreisen Beuthen, Kattowitz und Zabrze, welche ihre Aufmerksamkeit ganz besonders den grossen industriellen Landgemeinden zuzuwenden hat.

Quellen.

Chr. Bernoulli, Handbuch der Populationistik. 1841.
J. E. Wappaeus, Allgemeine Bevölkerungs-Statistik. 1859.
Fr. Oesterlen, Handbuch der medicinischen Statistik. 1865.
Preussische Statistik. (Blaubücher.) Bd. X. XVI. XVII.
Felix Triest, Topographisches Handbuch von Oberschlesien. 1864.
Hugo Solger, Der Kreis Beuthen in Oberschlesien. 1860.

R. Holtze, Artikel in der Breslauer Zeitung vom 3. Juli 1870.
Rud. Virchow, Ueber die Sterblichkeits-Verhältnisse Berlins. 1873.

3.

Die Sterblichkeit nach Todesursachen in Bayern während der Jahre 1871 und 1872.

Von

Dr. med. Carl Majer,

Mitarbeiter am K. statistischen Bureau zu München.

Die amtliche Veröffentlichung der Sterbefälle nach Todesursachen datirt in Bayern vom Jahre 1839/40 an. Sie ist nach mehrmals abgeänderten Schematen veranlasst worden. Leider wird jedoch dieses so detaillirte Material zu einer Mortalitäts - Statistik in seinem Werthe dadurch sehr geschwächt, dass die hierbei in Anwendung gekommene Classification der Krankheiten weder in nosologischer noch in hygienischer und statistischer Beziehung den Anforderungen der Neuzeit mehr entspricht. Es wurde daher im Jahre 1866 eine Verbesserung resp. Umarbeitung des bis dahin giltigen Krankheits-Schema's vorgenommen, wobei das von der wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen in Preussen verfasste Schema, mit einigen nicht wesentlichen Modificationen, zu Grunde gelegt, die bisherige Aufnahme der Todesursachen nach Geschlecht, nach Altersclassen und nach Monaten aber beibehalten wurde. Nur wurde die Einrichtung getroffen, dass die Sterbefälle des ersten Lebensjahres in weitere kürzere Perioden zu scheiden seien, nämlich unter 1 Monat, im 2. und 3. Monat, im 4. 5. und 6. Monat, im 7. bis 12. Monat. Auf diese Weise lassen sich die Ursachen der in Bayern so grossen Sterblichkeit der Kinder im ersten Lebensjahre besser erkennen, als es früher der Fall war.

Dieses neue Mortalitäts-Schema kam im Jahre 1867/68 zum ersten Male in Anwendung und hat noch gegenwärtig seine volle Giltigkeit, obwohl es zweckmässig sein dürfte, wenn bald wieder einige Abänderungen vorgenommen werden. *)

*) Dem in Bayern dermalen giltigen Mortalitäts-Schema ist hauptsächlich der (schnellere oder langsamere) Verlauf der Krankheiten als Eintheilungsprinzip zu

Die Hauptbedingung, um zu einer möglichst genauen Statistik der Todesursachen zu gelangen, ist aber eine mit Umsicht und Sachkenntniss durchgeführte Leichenschau. Dieselbe wird in Bayern seit 1839 nach einer für das ganze Königreich gleichlautenden Instruction durchgeführt. Aerzte, Wundärzte, Bader und in wirklichen Nothfällen (die jedoch in Bayern selten vorkommen) andere gehörig instruirte Männer sind die Leichenschauer. In den gedruckten Leichenscheinen ist ausser den Personalien auch der Name der Krankheit und die Dauer derselben und zwar von behandelnden Aerzten selbst, wenn ein solcher beigezogen worden ist, ausserdem nach Angabe der Hinterbliebenen, einzusetzen. Keine Leiche darf ohne diesen Todtenschein begraben werden. Die von den Todtenschauern ausgestellten Todtenscheine gelangen nun durch die Pfarrämter an die Bezirksärzte, welche sodann die Mortalitäts-Tabellen alljährlich nach dem vorgeschriebenen Formular zusammenstellen und an die Kreisregierungen einsenden; von dort gelangen sie durch das Staatsministerium des Innern an das statistische Büreau, in welchem die Tabellen aus dem ganzen Königreiche zusammengestellt werden. Nun ist freilich wohl zu beachten, dass ein grosser Theil der Sterbefälle ohne vorhergegangene ärztliche Behandlung sich ereignet (etwa 45 bis 46 pCt.), dass daher die Einträge der Krankheiten in den Todtenschein mitunter willkürlich, d. h. nach der ungenauen Angabe der Hinterbliebenen gemacht werden. Dagegen ist jedoch zu erinnern, dass nicht die Todtenschauer, welche allerdings nicht immer den erforderlichen Grad ärztlicher Vorbildung besitzen, sondern die Bezirksärzte die Mortalitäts-Tabellen zusammenstellen, und wenn diese immer mit der erforderlichen Kritik verfahren, so wird es ihnen nicht schwer werden, auch solche Krankheitsbezeichnungen, welche im Schema nicht enthalten sind und deren sich die Todtenschauer, wie die Nichtärzte überhaupt, noch hie und da bedienen, richtig zu classificiren. Wünschenswerth wäre es übrigens, wenn die Leichenschau

Grunde gelegt. Es dürfte aber viel natürlicher sein und auch den Zwecken der öffentlichen Gesundheitspflege besser entsprechen, wenn die Eintheilung in allge meine und örtliche Krankheiten letztere nach den befallenen Organen weiter specialisirt Ein solches Schema der Todesursachen ist

vorgenommen würde.

schon seit vielen Jahren in der Stadt Frankfurt giltig und scheint sich dort bewährt zu haben.

« ZurückWeiter »