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Das Klima ist ein rauhes; die Südwinde werden durch den hohen Karpathenzug theils abgehalten, theils durch bis in den Juni auf demselben lagernde Schneemassen abgekühlt, während nach Norden und Osten die grosse sarmatische Hochebene den rauhen Winden, welche auf ihrem weiten Landwege ihren Wassergehalt zumeist abgegeben, ungehinderten Zutritt gestattet.

Die häufigen südwestlichen Winde bringen gewöhnlich Regen. Hiernach ist das Frühjahr spät und kalt, der Sommer kurz, der Winter kälter als in der niederschlesischen Ebene, am beständigsten und günstigsten ist die Witterung noch im Herbst. Die mittlere Jahrestemperatur wird auf 4,6° R., die Regenhöhe auf 23 Par. Zoll angegeben (Solger).

Die Baumvegetation ist eine dürftige, Obst gedeiht sehr wenig, der Ackerbau ist bei den ungünstigen Vorbedingungen für denselben noch vielfach durch Industrie eingeschränkt und gehindert, so dass die Ernährung der dichten Bevölkerung nur durch massenhafte Zufuhr von Lebensmitteln und Vieh eine öftere Veranlassung zur Einschleppung von Rinderpest zu erreichen ist.

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Die Luft ist durch den Rauch der vielen Essen, besonders in der Nähe der Zinkhütten, durch Hüttendämpfe, welche metallische Bestandtheile und schädliche Gase enthalten, durch Koks-, Kalk- und Ziegelöfen, durch den auf den Strassen stark abgelagerten, zumeist aus Kohlen- und Galmeipulver und dem zermalmten Wegebaumaterial, auch aus dem Dünger der Zugthiere bestehenden Staub verunreinigt; der letztere dringt auch in gut verschlossene, bewohnte Räume.

Die fliessenden Wässer sind meist durch Grubenwässer, welche im Kohlenrevier oft freie Schwefelsäure enthalten, verunreinigt; im metallischen Revier verschlämmen sie häufig ihre Ufer und die angrenzenden Wiesen. An Trinkwasser ist in den grösseren Ortschaften ein dringender Mangel, da durch die Wasserhaltungen der Gruben viele Hunderte von Brunnen trocken gelegt und Quellen abgezogen sind. Zudem ist das wenige Trinkwasser dadurch, dass die Schlacken-, Kohlen- und Erzhalden von den meteorischen Wässern ausgelaugt werden, vielfach verdorben. Eine nicht geringe Anzahl von Brunnen ist in bäuerlichen Besitzungen in der Nähe von Dungstätten angelegt.

Grundwasser - Untersuchungen sind bis jetzt nicht angestellt

worden.

Vorwiegend ist die Bergbau- und Hütten-Industrie, welche im Jahre 1872 eine Productionshöhe von ca. 100,000,000 Ctr. Steinkohlen, 10,000,000 Ctr. Eisenerze, 6,000,000 Ctr. Galmei, 278,000 Ctr. Bleierze, 640,000 Ctr. Zink, 150,000 Ctr. Blei, 17,000 Pfd. Silber, 5,000,000 Ctr. Eisen erreichte.

Der raschen Entwickelung der Kohlen-, Eisen- und ZinkIndustrie entsprechend ist die rapide Zunahme der Bevölkerung: i. J. 1806 betrug dieselbe: 21,038 Seelen,

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Abgesehen von den älteren wohl nicht ganz zuverlässigen Zählungen stellt sich der Zuwachs in dem uns zunächst liegenden Zeitraum 1861-1871 auf 89,234 Seelen oder 61,26 pCt. Da nun in den Jahren 1862 bis einschliesslich 1871 die Zahl der Geborenen einschliesslich der Todtgeborenen 104,121, die der Gestorbenen einschliesslich der Todtgeborenen 69,026, der Ueberschuss der ersteren also 35,095 betrug, so sind (da wir hier von den Ausgewanderten absehen) in dem Zeitraum 1862-1871 zum Mindesten 54,139 Personen in den Kreis Beuthen eingewandert.

Der Zuzug geschieht theils aus den Nachbarkreisen, theils aus Galizien und Russisch-Polen. So verdichtet sich denn die Bevölkerung, wie wohl nur noch in den industriellen Bezirken Westfalens, Belgiens und Englands. Während im Jahre 1867 in Preussen (älteren Bestandes) die Quadratmeile von 3,881, im Regierungsbezirk Oppeln von 5,108 (ohne den Kreis Beuthen von 4,582) Menschen bewohnt wurde, kamen im Kreise Beuthen auf den gleichen Flächenraum 13,596, im Jahre 1871: 16,599 Seelen; der gegenwärtige Kreis Kattowitz, der südöstliche Theil des früheren Kreises Beuthen, hat bei einem Flächenraum von 3,32 ReichsQuadratmeilen 73,983, also auf die Reichs-Quadratmeile sogar 22,271 Einwohner; der jetzige Kreis Beuthen auf 2,23 Reichs

Vierteljahrsschr. f. ger. Med. N. F. XXII. 2.

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Quadratmeilen 83,164, also 37,160 Einwohner auf eine ReichsQuadratmeile, wie dies folgende Tabelle ergiebt:

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Die Bevölkerung des Kreises Beuthen lebte im Jahre 1871 in 48,503 Haushaltungen und 14,269 Wohnhäusern *). Es kamen also auf jede Haushaltung durchschnittlich 4,8, auf jedes Wohnhaus 16,4 Menschen.

Wer nun die Beschaffenheit der Mehrzahl dieser Häuser, besonders der ländlichen, kennt, wie sie von Holz aufgeführt, nicht unterkellert, mit Stroh gedeckt, zumeist aus einem grösseren und drei kleineren Räumen bestehend, von denen einer dem Hans vieh zugetheilt ist, wenn dieses nicht etwa in friedlicher Gemeinschaft mit den menschlichen Bewohnern haust, die Unreinlichkeit im Hause und in der nächsten Umgebung desselben (Abtritte werden nicht für unentbehrlich gehalten), die wegen Ueberfluss an Kohle und, weil keine Küchenräume vorhanden sind, im Sommer und Winter durch eiserne Oefen überheizten Stuben, die durch das Sauerkrautfass und verdorbenes Fleisch mit Ausdünstungen gefüllt sind, die qualmende Oellampe und die kleinen Fenster, die sorgsam gegen jeden Zutritt von frischer Luft geschützt werden, den Lehmfussboden und den nur aus einem nicht immer mit Bettzeug versehenen Bette, einem Tisch, einem Kasten und ein paar Bänken bestehenden Hausrath, dem wird die Ueberfüllung der ländlichen Wohnräume als sehr gesundheitsschädlich ausser Zweifel stehen.

Erhebliche Veränderungen zum Besseren sind allerdings in der Wohnungsfrage durch königliche und private Bergwerks- und

*) Privat-Mittheilung des statistischen Bureaus.

Hütten-Verwaltungen seit langer Zeit geschehen, indem Arbeiterhäuser, deren Zahl wohl das erste Tausend schon bedeutend überschreiten dürfte, den besten Erfahrungen auf diesem Gebiete entsprechend, alljährlich in grosser Anzahl gebaut werden, deren günstiger Einfluss auf den wirthschaftlichen und GesundheitsZustand der Arbeiterfamilien ein sichtlicher ist. Das Schlafburschen - Unwesen steht allerdings auch in diesen noch in voller Blüthe, doch haben sich andererseits die Versuche, die unverheiratheten Arbeiter zu kaserniren, nicht bewährt. Ein nicht unerheblicher Bruchtheil der Bevölkerung besteht aus nicht fest angesessenen Arbeitern und Leuten ohne Beschäftigung, Contagienverbreitern in der dichten Einwohnerschaft.

Der Nationalität und Sprache nach ist die Bevölkerung gemischt (im Jahre 1861: 80 pCt. polnisch und 20 pCt. deutsch Sprechende). Während in den Städten das deutsche Element überwiegt, gehören diesem auf dem Lande nur die industriellen Beamteten und Gewerbtreibenden an, die Arbeiter und Bauern sind fast vollständig aus der polnischen Urbevölkerung hervorgegangen; die deutsche Sprache macht bei diesen wenig Fortschritte. Die Schulen waren bis in die letzte Zeit überfüllt (auf einzelne Klassen kamen bis 300 Kinder), der Unterrichtsstoff dürftig, so dass Lesen und Schreiben in der Landbevölkerung zu den seltenen Kenntnissen gehören. So wurzeln denn Unwissenheit und Aberglauben, Unwirthschaftlichkeit und Trunksucht noch tief im Charakter des Volkes, welches als Grenzbevölkerung zur Entartung geneigt, halb verkommen ist, bevor es zu einer Entwickelung gediehen.

Von eigentlicher Wohlhabenheit ist nur bei den Gewerb- und Handelstreibenden der Städte die Rede, auf dem Lande wohnen Millionäre und mit allem Luxus umgebene höhere Beamtete neben dem Bauern, der wenn auch mitunter in guten Vermögensverhältnissen, in seiner Lebensweise doch unter dem Niveau seiner Standesgenossen in anderen Provinzen und Regierungsbezirken steht, und dem Arbeiter, der im Allgemeinen von der Hand in den Mund lebt.

Die Ernährung ist trotz günstiger Arbeits- und Lohnverhältnisse ungeregelt und unzureichend. Während nach Löhnungstagen Speisen und Getränke, besonders letztere, in Uebermass verbraucht

werden, bestehen in den Zwischenzeiten die Hauptmahlzeiten aus Kartoffeln, dem nationalen Zúr (einer gegohrenen Mehlsuppe) und Sauerkraut; die durch Arbeit verbrauchte Körpersubstanz wird somit ungenügend ersetzt, so dass der leidige Schnapsgenuss als Verlangsamungsmittel für den Stoffverbrauch gewissermassen zur traurigen Nothwendigkeit wird: fuselölhaltiger Branntwein, schlechtes Bier und ein sogenannter Obstwein in grossen Mengen gehören zu den täglichen Bedürfnissen für Alt und Jung, Weib und Kind.

Die Bekleidung ist nicht immer vollständig. Fussbekleidung wird noch von Vielen zu den Luxusgegenständen gerechnet, Kinder sieht man auch im Winter im Hemd und barfuss in den Dörfern herumlaufen. Die Bergleute werden dazu angehalten, bei ihrer oft nassen Arbeit starke wollene Hemden zu tragen; die Feuerarbeiter sind meist leicht gekleidet und tragen Holzpantoffeln.

Die Haut ist ein von dem oberschlesischen Bauern und Arbeiter sehr vernachlässigtes Organ, Gelegenheit zu Bädern wird Seitens einzelner Gewerkschaften geboten, aber nicht benutzt.

Die Pflege in Krankheitsfällen ist für den bei Weitem grössten Theil der Arbeiter und ihrer Familien durch den Oberschlesischen Knappschafts- Verein, der 38,903 Männer, 23,257 Frauen und 45,976 Kinder umfasst, im Kreise Beuthen 5 vorzüglich ausgestattete Krankenhäuser zu 80-100 Betten besitzt und über 30 Aerzte angestellt hat, geregelt.

Im Uebrigen beträgt die Zahl der Aerzte im Kreise: 41, die der Apotheken 11.

In der Krankenbehandlung haben die Ersteren vielfach mit Vorurtheilen und stumpfer Gleichgültigkeit der Kranken und ihrer Angehörigen zu kämpfen. Die Frauen der niederen Stände veralten meist nach dem ersten Wochenbett, welches wie die folgenden weder den Geburtsorganen die nöthige Ruhe zu ihrer Rückbildung, noch dem Körper überhaupt die passende Diät bietet. Manche Frauen sind 2 oder 3 Tage nach ihrer Entbindung schon ausserhalb des Bettes und feiern das frohe Familienereigniss in Schnaps und anderen Getränken.

Eigenthümlich ist im Kreise Beuthen das Ueberwiegen der männlichen Bevölkerung, eine Folge der massenhaften Einwanderung Arbeit suchender Männer.

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