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Letztere beträgt nach den besten Untersuchungen normal beim Erwachsenen 4,3 in 100 Raumtheilen der Ausathmungsluft, demnach bei einer Quantität von 6 Liter in 1 Minute ausgeathmeter Luft 258 Cubik-Centimeter, oder in 1 Stunde etwas über 15 Liter. Diese Zahl darf als eine nicht zu hohe angenommen werden, da die auf anderen Wegen gewonnene Summe der 24 stündigen Gesammt-Ausscheidung an Kohlensäure 455,500 Cubik-Centimeter ergiebt, was ein noch höheres Mass fast 19 Liter - für die Stunde berechnen lässt.

Die Differenz zwischen der Kohlensäure-Ausscheidung eines Erwachsenen und derjenigen eines Kindes ist nicht ganz so gross, wie in dem N.'er Gutachten angenommen ist (die Hälfte). Vielmehr zeigen die vorliegenden Untersuchungen, dass bei dem weiblichen Geschlecht der Unterschied ganz gering ist, bei dem männlichen höchstens - beträgt. Es erklärt sich dies aus der viel energischeren Wirkung der Umsetzungsvorgänge in der Kindheit. Jedenfalls kann zugestanden werden, dass für die jüngeren Altersclassen, also namentlich für Elementarschulen das Bedürfniss der Ventilation um die Hälfte, bei höheren Schulen um ein Drittel geringer ist, als bei erwachsenen Männern. Bei Töchterschulen können dieselben Zahlen zu Grunde gelegt werden, da der Gasaustausch der Mädchen von dem der Knaben nicht wesentlich differirt, während dies allerdings bei erwachsenen Frauen gegenüber den Männern in erheblichem Grade der Fall ist.

Die in dem N.'er Gutachten angezogene Zahl von 60 Cubikmeter frischer Luft für den Kopf und die Stunde, welche von Herrn von Pettenkofer als nothwendiges Mass einer ausreichenden Ventilation aufgestellt ist, beruht auf einer etwas geringeren Annahme der stündlichen Kohlensäure-Abscheidung, nämlich auf der Annahme einer Abscheidung von nur 12 Liter für 1 Stunde und einer Ausathmung von nur 5 Liter Luft in 1 Minute. Es ist dabei angenommen, dass die ausgeathmete Luft 40 pro Mille, die freie atmosphärische Luft 0,5 pro Mille, eine gute Zimmerluft nicht über 0,7 pro Mille Kohlensäure enthält, und dass 1 Mensch in einem geschlossenen Raum =200 mal so viel frische Luft,

=

40
40
0,7-0,5 0,2

als er ausgeathmet hat, gebraucht, wenn die Luft im Raume stets gut bleiben soll. Diese Rechnung ergiebt bei einer stündlichen Ausathmung von 300 Liter Luft das Bedürfniss einer stündlichen Zufuhr von 60,000 Liter 60 Cubikmeter frischer Luft.

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Wenn das N.'er, Gutachten diese Forderung für die Schulen bis auf 22 Cubikmeter herabsetzt, so kann zugestanden werden, dass erfahrene Männer noch niedrigere Forderungen stellen. Der General Morin verlangt für Primärschulen nur 12-15 Cubikmeter für Kind und Stunde, für höhere Schulen (écoles des adultes) 15-20 Cubikmeter. Herr von Pettenkofer betont dagegen mit Recht die verhältnissmässig starke Kohlensäure - Production der Knaben. Auch wir können als wissenschaftliche Basis der zu stellenden Ansprüche nicht weiter heruntergehen, als dass wir, gegenüber der nach den correcteren Zahlen berechneten Forderung von 75 Cubikmeter für Erwachsene als Minimal-Ventilationsgrösse für den Kopf und die Stunde in Elementarschulen 30, in höheren Schulen 50 Cubikmeter frische Luft bezeichnen.

Die Gegenrechnung des Oberlehrers N., der nur 2-3 Cubikfuss neuer Luft pro Person und Stunde zugestehen will, beruht auf ganz falschen Prämissen. Er geht davon aus, dass der grössere Theil des eingeathmeten Sauerstoffes, nämlich, nicht verbraucht, sondern unverändert wieder ausgeathmet werde, und dass daher nur der eingeathmeten Luft unbrauchbar gemacht sei. Er verkennt dabei, dass es sich nicht um den Sauerstoff, sondern um die Kohlensäure handelt, weil diese letztere nicht als eine negative, sondern als eine positive Schädlichkeit oder, anders ausgedrückt, als ein Gift wirkt. Die Rechnung kann daher auch nur auf die Kohlensäure basirt werden. Dazu kommt, dass die Mischung der eintretenden Luft mit der im Zimmer befindlichen keine gleichmässige und schnelle ist und dass namentlich die Diffusion der Kohlensäure sich erst allmählig vollzieht, woraus folgt, dass eine stärkere Verdrängung der verunreinigten Luft und ihr Ersatz durch frische reine Luft (nicht ihre Mischung) als das eigentlich zu lösende Problem bezeichnet werden muss.

Wenn das Obergutachten des Handelsministeriums in Bezug auf die Grösse der Ventilation die Stadt- und Landschulen unterscheidet, so kann ein solcher Unterschied zugestanden werden, aber es ist schwer, dafür irgend ein numerisches Mass anzugeben. Auch treffen die Voraussetzungen dieses Obergutachtens insofern nicht ganz zu, als sie die Einflüsse der Gewöhnung zu gering anschlagen. Der menschliche Organismus besitzt bekanntlich eine nicht geringfügige Fähigkeit, sich bis zu einem gewissen Masse auch schädlichen Verhältnissen anzupassen. Die Geschichte der

Giftwirkungen liefert dazu zahlreiche Beispiele. So verhält es sich auch mit der Kohlensäurewirkung. Menschen, welche überwiegend in freier Luft zu leben gewohnt sind, ertragen eine kohlensäuerige Atmosphäre ungleich schlechter, als solche, die viel im Zimmer zu verweilen genöthigt sind, und so sehr es den Stadtkindern zu gönnen ist, dass die Schulstube ihnen einen gewissen Ersatz für die Mängel der elterlichen Wohnung leistet, so ist doch nicht minder darauf zu bestehen, dass dem Landkinde ein nicht zu grosser Gegensatz der Schulluft gegenüber der freien Luft des Feldes aufgezwungen werde. Mit dem Schulzwange ist auch die Verpflichtung des Staates eine grössere geworden, und wenn die grössere Ausdehnung des Turnunterrichtes, namentlich eine zweckmässige Abwechselung zwischen Turn- und Schulstunden eine Art von Correctiv darstellt, so ist doch damit die Pflicht der Gesammtheit nicht erschöpft.

Es kann nicht unsere Aufgabe sein, die bautechnischen Angaben zu machen, wie die von uns, auf Grund wissenschaftlicher Thatsachen aufgestellte Forderung zu verwirklichen ist. Hierüber wird schliesslich nur die Praxis entscheiden, wenn dieselbe mehr, als es bisher geschehen ist, durch wissenschaftliche Untersuchungen controlirt wird. Es fehlt bei uns immer noch eine eigentliche

Schulhygiene.

Weder die schwierige Frage über die Gesundheit der Schulkinder, welche ohne medicinische Betheiligung schwer gelöst werden wird, noch die Frage über den chemischen Zustand der Luft in ventilirten und nicht ventilirten Schulzimmern ist bis jetzt in ausgiebiger Weise in Angriff genommen. Unserer Meinung nach sollten diese Aufgaben durch die Königliche Staatsregierung für gewisse Einzelschulen je nach den verschiedenen Schulkategorien durch eigentliche Sachverständige praktisch bearbeitet werden.

Was die Ventilation selbst betrifft, so wollen wir zunächst darauf aufmerksam machen, dass dieselbe keineswegs in der ganzen Grösse, in welcher wir dieselbe formulirt haben, durch künstliche Einrichtungen herzustellen ist. Es ist bekannt, dass eine sehr beträchtliche Erneuerung der Luft und selbst eine massenhafte Abfuhr der Kohlensäure durch die sogenannte natürliche Ventilation bewerkstelligt wird. Dieselbe vollzieht sich durch die Spalten der Fenster und Thüren, durch das Mauerwerk selbst, und sie wird verstärkt durch allerlei accidentelle Abfuhrwege, wie

sie die Heizung, das Oeffnen der Thüren u. s. w. mit sich bringt. Man wird daher von vornherein zugestehen können, dass für die künstliche Ventilation eine kleinere Aufgabe übrig bleibt, als wir sie oben berechnet haben. Auch das Handelsministerium hat diesen Punkt berührt, und wir schliessen uns ganz der Meinung an, dass hier nur die praktische Erfahrung sichere Grundlagen liefern kann.

Leider können wir darin der Ansicht des Handelsministeriums nicht ganz beitreten, dass die Communal-Verwaltungen der grösseren Städte auf diesem Versuchsfelde bereits energisch vorangeschritten seien. Unseres Wissens haben dieselben ihre Anstrengungen überwiegend in der Verfolgung der Heizungsaufgaben erschöpft und die Ventilation ist dabei nur nebenher studirt worden. Insbesondere fehlt es fast ganz an genügenden Untersuchungen der Schulluft. Die uns zugegangenen Berichte der Magistrate aus den 8 grössten Städten des Königreiches bestätigen dies. Einige derselben erkennen einfach an, dass für Ventilation bisher noch wenig oder nichts geschehen sei; andere gestehen zu, dass die Anlagen ihren Zweck vielfach nicht erfüllt haben; andere endlich, obwohl für den Augenblick befriedigt, erkennen doch an, dass weitere Verbesserungen nothwendig sind.

Und doch handelt es sich hier vorwiegend um grössere SchulAnstalten, bei denen Centralheizungen mit ihrer vollkommneren Einrichtung zulässig sind. Für die Landschulen ist noch weniger erreicht, und selbst die Modellhäuser der Wiener Ausstellung haben in dieser Beziehung wenig Anhaltspunkte ergeben. Fast überall recurrirt man zuletzt auf die Ventilation durch die Fenster.

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Mit Recht hat die Berliner Städtische Schuldeputation in einem, auch durch das Centralblatt der Unterrichts- Verwaltung (1871) veröffentlichten Berichte sich gegen diese „schädliche Gewohnheit" energisch ausgesprochen und erklärt, dass die Unvorsichtigkeit der Lehrer beim Oeffnen der Fenster und Thüren die Ursache mancher Erkrankungen geworden" sei. Ob diese Erkrankungen, wie hinzugefügt wird, nur vorübergehende gewesen sind, wäre erst genauer festzustellen. Gewiss hat der anonyme Verfasser der uns mitgetheilten Schrift Zur Schulgesundheitspflege" Recht, wenn er diese „Zugluft-Ventilation" als eine völlig unrationelle bezeichnet. Die Gefahr der Erkältung für diejenigen Schüler, welche sich in der Nähe des Fensters befinden, ist eine sehr

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grosse, und der Umstand, dass man besondere Einrichtungen der Oberfenster hat, ändert nur wenig in dem Effect. Aber die Hartnäckigkeit, mit welcher das Lehrerpersonal auch da, wo andere Ventilations-Einrichtungen bestehen, an dieser schädlichen Gewohnheit festhält, zeigt doch, wie man es überall empfindet, dass gerade die Zufuhr der frischen Luft die Hauptsache ist.

Die bisherigen Ventilations - Einrichtungen der Schulen sind vorwiegend von dem entgegengesetzten Bestreben ausgegangen: man suchte Auswege für die verdorbene Luft und setzte vielfach voraus, dass die frische Luft ihren Weg in das Schulzimmer schon von selbst finden werde, höchstens dass man noch Luftscheiben oder Drehscheiben in die Fenster einsetzte. Auch das Gutachten des Handelsministeriums empfiehlt eine ähnliche Einrichtung und beruft sich deswegen auf die Anlagen im hiesigen Charité-Krankenhause, welche nach seiner Angabe „erfahrungsmässig die hygienischen Anforderungen sowohl an die Salubrität des erzielten Luftwechsels, als an die Beseitigung ansteckender Krankheitsstoffe erfüllt haben." Zu unserm Bedauern müssen wir diese Angabe für unbewiesen halten. Die Erfahrungen sowohl auf der GebärAnstalt, als auf den chirurgischen Abtheilungen haben unseres Wissens vielmehr dargethan, dass diese Anlagen ganz unzureichend sind, und dass selbst ein grosses Mass individueller Aufmerksamkeit Seitens der Aerzte nicht genügt hat, die schwersten Uebelstände fern zu halten. Wir wollen mit dieser Erklärung nicht in Zweifel ziehen, dass namentlich die in der Charité, wie anderswo gebräuchliche Theilung der Abzugskanäle in je zwei ungleiche Hälften durch eine senkrechte Scheidewand nützlich ist, aber wir müssen die Meinung festhalten, dass die Zufuhr frischer Luft in dem genannten Krankenhause nicht in genügender und zweckmässiger Weise vorgesehen ist.

Versuche in einem Münchener Schulhause haben schon vor Jahren gezeigt, dass der Abfluss der Luft aus den Zimmern durch jede beliebige Art von Oeffnungen oder Kanälen ohne Schwierigkeit vor sich geht, wenn die Luft mit genügendem Drucke eintritt. Nur da, wo ein solcher Druck nicht zu erzielen ist, wird die Hauptwirkung in die Abflussröhren zu verlegen sein. Die Bedingungen für die eine oder die andere Art der Einrichtung sind nicht nur sehr verschieden für grössere und kleinere Schulanstalten, sondern auch und fast noch mehr für die Jahreszeiten. Wir

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