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I. Aeussere Besichtigung.

1. Die Leiche, weiblichen Geschlechts, liegt auf dem Rücken und etwas nach der rechten Seite. Der rechte Arm im Ellenbogengelenk gekrümmt, die Hand in der Höhe des Mundes des Kindes, die Finger derselben geschlossen; der linke Arm, gleichfalls im Ellenbogen gebeugt, liegt über der Brust. Die Beine sind in den Knieen gekrümmt.

2. Das Kind misst in der Länge 20 Zoll, wiegt 588 100 Pfd.

3. Die Leiche hat ein frisches Aussehen, ist ohne Fäulnissgeruch, ohne Todtenflecke mit Ausnahme der rechten Körperhälfte, auf welcher das Kind gelegen. Das Kind ist durchaus wohl genährt.

4. Die Haut ist weiss, ohne Runzeln, frei von dem käsigen Firniss, mit Ausnahme der beiden Schenkelbeugen. Wollhaar ist nur am Gesicht und an den Oberarmen bemerkbar.

5. Todtenstarre in allen Gelenken.

6. Die Gegend des Afters und der untere Theil des Rückens ist mit braunem Kindspech bedeutend beschmutzt.

7. Der wohlgebildete Schädel ohne Kopfgeschwulst, ist in seiner ganzen Ausdehnung mit blonden, 1—11⁄2 Zoll langen Haaren bedeckt. Die grosse Fontanelle ist Zoll lang und ebenso breit. Die Kopfknochen bieten eine grosse Resistenz dar. 8. Der Querdurchmesser des Kopfes beträgt 34 Zoll, der gerade 4 Zoll, der diagonale 5 Zoll.

9. Das Gesicht zeigt an der rechten Wange, sowie an den beiden rechten Augenlidern eine blassröthliche Färbung mit einzelnen, etwas bläulichen Flecken. Auf der Mitte der Wange befinden sich 9-10 nadelkopfgrosse Abschürfungen der Oberhaut mit lebhaft zinnoberrother Färbung. Einer der bläulich erscheinenden Flecke zeigte beim Einschneiden flüssiges Blut.

10. An dem rechten Auge, welches, gleich dem linken, fest geschlossen ist, findet sich auf dem oberen Augenlide, beginnend vom oberen Rande der Augenhöhle, eine zinnoberrothe Abschürfung der Oberhaut von 7 Linien Länge nach unten zu. Blutunterlaufungen fehlen in der Umgebung.

11. Am Rande des unteren Augenlides zeigt sich eine nur kleine, schmale Abschürfung der Oberhaut, entsprechend der beschriebenen Verletzung am oberen Augenlide. Dieselbe ist 1 Linie lang und zeigt beim Einschneiden keine Blutunterlaufung.

12. An der inneren Fläche des unteren Augenlides ist eine rothe Injection der Bindehaut bemerkbar, welche sehr scharf hervortritt, wenn man damit die gelblichweisse Bindehaut des linken Auges vergleicht. Desgleichen ist auch die Bindehaut des rechten oberen Augenlides mehr injicirt, als die des linken Auges. Die Bindehaut beider Augäpfel ist blass.

13. Beide Augen fühlen sich etwas weich an; die Hornhaut ist etwas getrübt. 14. Die Nasenknorpel sind fest.

15. Die Nasenlöcher sind durch eine dunkelbraune angetrocknete Masse beschmutzt, welehe sich in das Innere der Nase fortsetzt.

16. Der Mund ist geschlossen, die Lippen sind schwach bläulich.

17. Die Zunge ist mit einem bräunlichen Schmutz dünn belegt, welcher sich abschaben lässt, übrigens bis zur Zungenwurzel in den Rachen hinein sich

erstreckt. Eine gleiche Beschmutzung findet sich am inneren Rande des rechten Unterkiefers, sonst an keiner Stelle der Mundhöhle.

18. Die Ohrenknorpel sind fest; das rechte Ohr ist etwas mehr als das

linke geröthet.

19. In der Mitte der Stirn ist eine bis zur Nasenwurzel reichende herzförmige, blassröthliche Hautverfärbung ohne Verletzung der Oberhaut.

20. Am Halse zeigen sich kleine Stücke Gras und Grassaamen, sonst nur die natürlichen dort befindlichen Hautfalten.

21. Hinter dem linken Oberarme ist an seinem oberen Theile eine von oben nach unten verlaufende Abschürfung der Oberhaut bemerkbar von 6 Linien Länge, 1 Linie Breite und braunröthlicher Färbung. Einen halben Zoll darunter ist noch eine mehr querliegende, oberflächliche Verletzung der Oberhaut vorhanden von 3 Linien Länge und 1 Linie Breite, blassbräunlich von Farbe.

22. An der rechten Seite des Brustkastens, 11⁄2 Zoll unter der Axelgrube, sind zwei kleine, erbsengrosse, oberflächliche Abschürfungen der Oberhaut von blassbräunlicher Farbe.

23. Der Bauch ist mässig ausgedehnt mit einem Nabelschnurrest von 5 Zoll Länge. Der letztere ist dünn, an einzelnen Stellen missfarbig grünlich; das Ende scheint nach dem Durchschnitt der Nabelvene scharf durchschnitten, enthält etwas flüssiges dunkles Blut.

24. An der linken Seite des Unterleibs, 21⁄2 Zoll vom Nabel und auf dem Rande der Knorpel der 8. Rippe zeigt sich eine von oben nach unten verlaufende Abschürfung der Oberhaut, bestehend aus einer mandelförmigen Stelle, hart unter dem Rippenrande. Darunter ist eine zweite, reichlich erbsengrosse, aber mehr quadratische vorhanden, und unter dieser eine unregelmässig, länglich gestaltete, 1 Zoll lange und einige Linien breite Abschürfung. Beim Einschneiden lässt sich an mehreren Stellen fast Linie tief die bräunliche Färbung der Haut erkennen. 25. Die grossen Schamlippen bedecken die kleinen vollständig.

26. Aus dem After lässt sich etwas bräunlicher Koth ausdrücken.

27. Die beiden Schenkelbeugen enthalten zwischen dem käsigen Firniss oder mit diesem gemengt kleine Partikeln von Gras.

28. An der Vorderfläche des rechten Oberschenkels, ferner an der Hinterfläche des linken Oberschenkels, an der Aussenseite des linken Kniees, sowie an der linken Wade von der Mitte abwärts bis zur Ferse sind eine Anzahl kleiner, verschieden gestalteter, meistens erbsengrosser, braun gefärbter Abschürfungen der Oberhaut.

29. Am linken Oberarm, am rechten Vorderarm und auf dem Rücken der rechten Hand finden sich ähnliche Abschürfungen der Oberhaut.

30. Die Nägel an Händen und Füssen überragen die Fingerspitzen und Zehen, sind fest und etwas bräunlich unterlaufen.

II. Innere Besichtigung.

A. Eröffnung der Unterleibshöhle. 31. Das Zwerchfell liegt mit seinem höchsten Punkte zwischen der 4. und 5. Rippe.

32. Die Zunge ist nach hinten mit einem bräunlichen Beleg versehen, welcher sich abschaben lässt. Im Schlunde eine bräunliche Flüssigkeit, welche sich bis in die Speiseröhre verfolgen lässt.

33. Die Schleimhaut des Magens ist geröthet, mit einer Schleimlage bedeckt und durch eine bräunlich schwarze, schmierige Masse gefleckt, welche dem Kindspech sehr ähnlich ist und auch im Munde des Kindes sich vorfand.

Eine Spur davon war auch im Jejunum bemerkbar. Weiter abwärts zeigt sich ein weiss-gelblicher schleimiger Inhalt, welcher sich bis in den Dünndarm hinein verfolgen lässt.

34. Im Dickdarm findet sich eine mehr gallig gefärbte, graugelbe Masse.

35. Die Schleimhaut des ganzen Tractus intestin. ist blassroth, mit einzelnen Gefässverzweigungen versehen.

36. Die rothbraune Leber ist nicht blutreich. In der Gallenblase ein wenig grünlichgelbe Flüssigkeit.

37. Nieren, Uterus und Ovarien normal. In der Harnblase ein kleiner Theelöffel voll hellen Urins.

38. Die grossen Gefässe sind mässig mit Blut angefüllt.

B. Eröffnung der Brusthöhle. 39. Der Herzbeutel nimmt mit der Thymusdrüse den grössern mittlern Drittheil der vordern Brustfläche ein. Zu beiden Seiten sieht man die scharfen, lebhaft zinnoberroth gefärbten Ränder der Lunge hervortreten.

40. In dem rechten Herzventrikel eine mässige Menge dunklen, geronnenen Blutes; im linken ist das Blut mehr schaumig und ungeronnen. Die Vorhöfe blutleer. 41. Die linke Lunge im obern Flügel hellroth, im untern bräunlich gefärbt. Die rechte Lunge ist nur an den Rändern hellroth.

42. Die Lungen schwimmen mit und ohne Herz, sowie auch in einzelnen Theilen auf dem Wasser. Beim Einschneiden in den obern rechten Lungenlappen entsteht Knistern und beim Drücken entleert sich ein feinblasiger, weisslicher Schaum. Der untere Lappen lässt das Knistern beim Einschneiden weniger wahrnehmen. Beim Ausdrücken tritt ein blutiger, rothgefärbter Schaum nebst dunkelrothen Blutstropfen zu Tage. Ganz dasselbe Verhalten zeigt die linke Lunge.

43. Im Kehlkopf und in der Luftröhre eine geringe Menge der bräunlichen Flüssigkeit, wie sie in der Speiseröhre vorgefunden worden. Die Gefässinjectionen der Schleimhaut zeigen sich am stärksten im Kehlkopf entwickelt.

C. Eröffnung der Kopfhöhle. 44. Dura mater fest mit dem Schädel verwachsen. Pia mater zinnoberfarbig und blutreich. Beim Einschneiden der weichen Gehirnsubstanz reichliche Blutpunkte.

45. Die Sinus am Schädelgrunde von Blut stark ausgedehnt. Beim Durchschneiden der Med. oblong. ergiebt sich etwa 1⁄2 Unze dunklen flüssigen Blutes. Plex. choroid. ausgedehnt. Cerebellum etwas erweicht.

In dem dem obigen Obductionsprotokoll zum Schluss angefügten vorläufigen Gutachten haben die Unterzeichneten sich auf Grund des Befundes an der Leiche zu der Erklärung veranlasst gesehen:

1) dass das untersuchte Kind ein reifes ausgetragenes Kind gewesen,

2) dass dasselbe nach der Geburt gelebt habe,

3) dass dasselbe einen gewaltsamen Tod erlitten habe, wahrscheinlich einen Erstickungstod,

und haben die Unterzeichneten nunmehr, nachdem ihnen das Untersuchungsprotokoll zur Einsicht zugestellt worden, ihr motivirtes Gutachten im Folgenden zu erstatten.

I. Das Kind war ein reifes, ausgetragenes Kind.
Hierfür spricht das Obductionsprotokoll.

II. Das Kind hat nach der Geburt gelebt.

Auch dieses Urtheil ergiebt sich mit Sicherheit aus dem Befunde an der Leiche. Ganz besonders schlagend aber wird das stattgehabte Athmen des Kindes noch durch den im Kehlkopf und in der Luftröhre sich ergebenden Befund erwiesen, indem sich in den beiden genannten Partien der Luftwege nicht allein ein fremder Körper eine bräunliche Masse befand, sondern auch bestimmte Zeichen dafür sprachen, dass diese während des Lebens des Kindes in die Luftwege desselben gelangt war. Eine rosenrothe marmorirte Farbenveränderung fand sich nämlich an der inneren Wandung des Kehlkopfes, sowie an der unteren Fläche des Kehldeckels und in weniger charakteristischer Form in der Schleimhaut der Luftröhre.

Was den Stand des Zwerchfells betrifft, so ist es freilich auffallend, dass bei einem Kinde, welches nach dem Befunde in den Lungen, sowie nach den zuletzt erörterten Zeichen vitaler Thätigkeit so bestimmt gelebt hat, ein so hoher Stand des Zwerchfells sich vorfand, wie er gewöhnlich sonst nur bei neugeborenen Kindern, welche nicht geathmet haben, gefunden zu werden pflegt, so darf doch bei so unzweifelhaften für das Leben des Kindes beweisenden Befunden diese Abweichung von der Regel nicht benutzt werden, um darauf einen Zweifel an dem stattgehabten Leben zu gründen. Der Stand des Zwerchfells ist überhaupt im Vergleich zu der Lungenschwimmprobe von mehr untergeordneter Bedeutung, und es schleichen sich bei der Schwierigkeit, welche mit der Bestimmung des Zwerchfellstandes verbunden ist, um so leichter Beobachtungsfehler ein, da die Rippen von der Wirbelsäule zum Brustbein nicht in einen rechten, sondern in einen spitzen Winkel verlaufen, mithin die Höhenbestimmung immer verschieden ausfallen muss, je nachdem man die vordere, mittlere

oder hintere Partie des Zwischenrippenraums zur Bestimmung des Zwerchfellstandes benutzt.

Ein Zweifel übrigens an dem Leben des Kindes nach der Geburt ist in dem vorliegenden Falle um so mehr ausgeschlossen, da die Inculpatin von Beginn der gegen sie eingeleiteten Untersuchung an immer nur von einem lebenden Kinde, welches geschrieen habe, welches sie an die Brust gelegt, um es zu säugen, gesprochen hat.

Das als Ueberschrift dieses Abschnitts ausgesprochene Urtheil, ,,dass das Kind der Ehefrau Sch. unzweifelhaft gelebt habe, ist somit als hinlänglich durch den Befund an der Kindesleiche, wie durch die Einräumungen der Inculpatin erwiesen. zu betrachten."

Wir gehen nunmehr zu der Hauptfrage über:

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welche die wirkende Ursache des Todes des Kindes der Ehefrau Sch. gewesen sei?"

um die bereits vorläufig gegebene Antwort bestimmter zu präcisiren III. dass das Kind einen gewaltsamen Tod erlitten habe durch die Hand der Mutter, und zwar einen Erstickungstod durch Vorhalten einer mit Kindspech verunreinigten Hand vor Nase und Mund des Kindes.

Erstickungstod nennen wir in der gerichtlichen Medicin denjenigen das Leben vernichtenden Vorgang, durch welchen einem lebenden Wesen der zur Fortsetzung des Lebens unentbehrliche Sauerstoff der Luft gewaltsam entzogen wird.

Das charakteristische Bild des Erstickungstodes ergiebt sich in allen Hauptzügen aus dem Obductionsprotokoll. Hierher gehören: 1) Blutüberfüllungen im Gebiet der Respirationsorgane und im Centralorgan der Circulation, im Herzen, sowie in der Schleimheit des Kehlkopfes,

2) der schaumige Inhalt der Luftröhre und deren Verzweigungen,

3) die Blutüberfüllung in der Schädelhöhle.

Gehen wir nun näher an die weiter sich ergebende Frage, „auf welche Weise nach dem Obductions protokoll, sowie nach den Untersuchungsakten dieser Erstickungstod des Kindes zu Stande gekommen sei.“

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