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nach Hause und erhielt von seiner Frau Kaffee, der bereits an bestimmten Plätzen des Tisches eingegossen stand. Einen besonderen Geschmack oder Geruch an dem Getränk bemerkte er nicht. Ungefähr nach einer halben Stunde klagte er über Brennen und Schmerzen im Magen, brach sehr stark und viel und musste beständig trinken. Dieser Zustand dauerte mit Ausnahme des Brechens am 9., 10., 11. fort, indess konnte er am 10. und 11. wieder im Felde arbeiten, klagte aber über grosse Schwäche.

Am 12. Juli, nachdem er wieder von seiner Frau Kaffee bekommen hatte, musste er denselben gleich wieder ausbrechen, klagte von Neuem über zunehmende Schmerzen und erbrach reichliche, gallig gefärbte Massen. An diesem Tage konnte er nicht mehr auf's Feld gehen, hütete aber gegen Abend das Vieh.

Am 13. und 14. konnte er gar nicht mehr zur Arbeit gehen, klagte über Schwäche, grosses Brennen im Magen, quälenden Durst, Erbrechen.

Am 15. fuhr er zum Doctor L. in K., welcher constatirte, dass seine Zunge ganz rein war und dass ausser der Magengegend der Unterleib nicht schmerzhaft, auch seiner Angabe nach Diarrhoe nicht vorhanden war.

Zu Hause legte er sich an diesem Tage zu Bett und musste das ihm verschriebene entsäuernde, beruhigende Mittel gleich wieder ausbrechen, hatte fortwährend quälenden Durst, Brennen und Erbrechen.

Ebenso auch am 16. und 17. Am 18. verschrieb Doctor L. in K. Erbrechen stillende Tropfen. Die dem Kranken von der Frau mitgebrachten Tropfen brach er indess gleich wieder aus.

Am 19. ging es ihm etwas besser. Als er aber am Abend wieder von seiner Frau Kaffee bekam, erbrach er nach einer Weile erst Wasser und Kaffee und dann noch fortwährend sehr reichlich (das Erbrechen hörte gar nicht mehr auf).

In der Nacht starb er und wurde am 22. beerdigt, wegen dringenden Verdachts der Vergiftung aber am 12. August, 23 Tage nach dem Tode, wieder ausgegraben und secirt.

Die Section ergab im Wesentlichen folgende Resultate:

A. Aeussere Besichtigung.

1. Die uns zur Section übergebene Leiche ist männlichen Geschlechts, ca. 30-40 Jahre alt, 147 Ctm. lang und verbreitet einen sehr starken Fäulnissgeruch. 2. Dieselbe ist ziemlich abgemagert.

3. Die Hautfarbe mit Ausnahme der Füsse und Hände ist grau bis gräulich schwarz, letzteres namentlich im Gesicht.

4. Die Oberhaut ist in grosser Ausdehnung abgehoben, schwarz bräunlich gefärbt, vertrocknet, zum Theil namentlich an Händen und Füssen fehlend. Die darunter liegende Haut ist blassroth gefärbt.

5. Die Weichtheile der Brust und des Rückens sind stellenweise durch

Luft aufgetrieben.

6. Der Unterkiefer hängt schlaff herab, und die oberflächlich schwarz gefärbte und trockene Zunge ragt etwas vor den wohlerhaltenen Zahnreihen hervor. 7. Die Augen sind in eine breiige Masse verwandelt.

8. Der Schlund zeigt eine blassgraue Schleimhaut ohne Substanzverlust.

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10. Die Geschlechtstheile sind durch Luft ausgedehnt, die Wurzel des Penis und der oberste Theil des Hodensacks sind roth gefärbt.

11. Am After ist die zunächst gelegene Oberhaut abgelöst und die zu Tage liegende Schleimhaut roth.

12. Die Nägel sind zum Theil schwarz, zum Theil rosenroth gefärbt.

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13. Bei der Eröffnung der Bauchhöhle stellen die weichen Bedeckungen derselben dem Schnitt lederartigen Widerstand entgegen.

14.

Unter der Haut ist noch eine dünne Lage Fett sichtbar.

15. Der Magen ist sehr erheblich ausgedehnt, in mässigem Grade auch der Dickdarm.

16. Der Geruch aus der geöffneten Bauchhöhle ist ein nur mässig fauliger. 17. Die Bauchhöhle ist leer.

18. Das Bauchfell ist ganz trocken, soweit es an den weichen Bedeckungen anliegt, und ebenso auch auf der oberen Fläche der Därme. Das Bauchfell des Beckens und der unteren Seite des Darms ist nur in sehr geringem Grade feucht, zum Theil durch Luft blasig abgehoben, im Allgemeinen gräulich, stellenweise auch rosenroth gefärbt. Das Netz und Gekröse sind wenig fetthaltig. Die Gekrössdrüsen sind nicht geschwellt.

19. Es wurde hiernächst der untere Theil der Speiseröhre, sowie der Dünndarm doppelt unterbunden, darauf durchschnitten, die genannten Theile mit dem Magen herausgenommen und in ein irdenes Gefäss, das vorher durch destillirtes Wasser gereinigt worden war, hineingethan.

20. Nachdem der Magen aufgeschnitten war, fällt derselbe sofort zusammen. Der Magen selbst ist leer; die Schleimhaut ist bedeckt mit einem dunkel grüngrauen Schleim; die Schleimhaut ist nirgends verletzt, zum Theil durch Luft aufgehoben, im Magengrunde sehr stark gräulich schwarz gefärbt. Beim Einschneiden in die Schleimhaut zeigt sich dieselbe leicht abschabbar.

21. Die Schleimhaut des oberen Theils des Dünndarms ist ebenso wie die des Magens mit Schleim bedeckt, zum Theil auch rosenroth gefärbt, frei von Geschwüren und fremden Einlagerungen.

22. Der Dickdarm ist leer bis auf den untersten Theil, der eine geringe Menge gräulichen Schleims enthält. Schleimhaut schiefergrau, stellenweise röthlich,

23. Die Leber ist stellenweise mit einer dünnen Fettlage bedeckt, die Consistenz vermindert, die Farbe schmutzig braunroth, stellenweise graugelb.

24. Die Gallenblase enthält 5 Gramm rothbraune Galle; die röthliche Schleimhaut zeigt ein netzartiges Aussehen.

25. Die Milz ist matsch, schmutzig grün.

26. Die Nieren sind erweicht, schmutzig rothbraun.

27. Die Blase ist leer, Schleimhaut rosenroth.

Stücke der Leber, Milz und Nieren wurden hierauf in ein zweites irdenes Gefäss gelegt.

II. Hals- und Brusthöhle.

28. Die Eingeweide der Brusthöhle sind normal gelagert; die Lungen sind zurückgesunken; in der rechten Brusthöhle ca. 60 Gramm, in der linken einige Theelöffel einer rothbraunen Flüssigkeit.

29. Das Rippenbrustfell ist röthlich gefärbt, stellenweise blasig abgehoben. 30. Das Brustfell ist überall glatt, stellenweise blasig abgehoben.

31. Die Lungen sind zusammengefallen, blutleer, lufthaltig, zähe, schiefergrau, frei von fremden Einlagerungen und von Entzündungserscheinungen.

32. Der Herzbeutel ist leer; das Herz ist schlaff, leer, die Wände dünn, brüchig, die innere Fläche grau; die wohlerhaltenen Klappen sind röthlich gefärbt. 33. Die grossen Gefässe der Brusthöhle sind leer.

34. Die Luftröhre zeigt bis in die kleineren Verzweigungen herab eine schwarzbraune Verfärbung, ebenso die Schleimhaut des unbeschädigten Kehlkopfs.

35. Der übrige Theil der Speiseröhre wurde unterbunden und dann durchgeschnitten. Die Schleimhaut ist röthlich gefärbt und mit grauem Schleim bedeckt; er wurde hierauf in den Topf zum Magen gelegt.

36. Die Schleimhaut des weichen Gaumens ist in ihren hinteren Abschnitten schwärzlich, in den vorderen blass.

37. Die grossen Gefässe des Halses sind leer.

38. Ueber die Nervenstämme ist nichts zu bemerken. An den knöchernen Theilen des Halses, der Brust und des Beckens sind Beschädigungen nicht zu constatiren.

III. Kopfhöhle.

39. Der hintere Theil des Kopfes ist kahl, und auch die übrigen dunkelblonden Haare lassen sich mit Leichtigkeit durch Anziehen entfernen.

40. Die Haut des Hinterkopfes ist stellenweise von der Oberhaut entblösst und daselbst braunroth gefärbt.

41. Die weichen Kopfbedeckungen sind dünn, lassen sich leicht entfernen,

die Sehnenhaube ist grau, stellenweise röthlich gefärbt.

Nach Aufsägung des Schädels zeigt sich;

42. Das Schädeldach unverletzt, 14 Ctm. dick.

43. Die harte Hirnhaut ist schmutzig grau verfärbt.

44. Das Gehirn ist in eine schmutzige, breiige Masse verwandelt.

45. Die Schädelgrundfläche ist trocken, äussere Beschädigungen nicht sichtbar. 46. Die Blutleiter sind leer.

Die am 12. September 1871 von dem chemischen Sachverständigen vorgenommene genaue Untersuchung ergab, dass sowohl in dem Verdauungskanal, als in den übergebenen Stücken der Baucheingeweide Arsenik vorhanden war, und zwar entsprach die in 208 Grm. des Verdauungskanals enthaltende Menge 4,16 Grm. arseniger Säure.

Zur Beantwortung der uns ad 1. gestellten Frage giebt uns besonders die Krankengeschichte und der chemische Nachweis des Arseniks genügendes Material, aber auch der Sectionsbefund gewisse bedeutsame Anhaltspunkte.

Diejenigen Krankheiten, die ähnliche Erscheinungen wie im vorliegenden Falle verursachen könnten, können wir sämmtlich schon nach dem Sectionsbefunde ausschliessen, insbesondere alle geschwürigen Prozesse, Neubildungen, Darmbrüche, Verengerung, Bauchfellentzündung. Gegen einheimische Cholera spricht das Fehlen von Durchfall im Beginn der Erkrankung, gegen einen akuten Magenkatarrh die reine Zunge, welche beim Magenkatarrh immer gelblich oder weisslich belegt ist; ausserdem ist tödtlicher Ausgang in Folge eines akuten Magenkatarrhs, wenn keine Complicationen vorhanden sind, noch nicht beobachtet. Ebenso führt ein nervöses Erbrechen nicht zum Tode. Es bleibt also nur übrig, an eine Vergiftung zu denken.

Nachdem wir erwähnt hahen, dass das Arsenik kein normaler Bestandtheil des Körpers ist, was einmal in einem ähnlichen Fall zu Controversen Anlass gab, wollen wir nun zuerst obige Krankheits- oder vielmehr Vergiftungsgeschichte mit Rücksicht auf die Zeichen, welche nach Vergiftung mit Arsenik eintreten, prüfen.

Die rapide verlaufende Asphyxia arsenicalis, welche der Cholera äusserst ähnlich ist, ferner die seltenen Formen, bei welchen nervöse Erscheinungen vorzugsweise zur Beobachtung kommen, ebenso natürlich auch die chronische Arsenikvergiftung können in dem vorliegenden Falle uicht in Betracht kommen.

Am häufigsten giebt die Arsenikvergiftung folgendes Bild: Sie beginnt mit einem akuten Magendarmkatarrh, und zwar treten die ersten Symptome, die eine Magenaffection andeuten, vor Allem das Erbrechen, meist nicht sofort, sondern wenn das Gift in Lösung genommen wurde, erst meist in bis 1 Stunde auf. Die Schmerzen des Magens und Bauches lassen bald nach, bald steigern sie sich. Dann zeigt sich Durchfall, Veränderung des

Urins, Schmerzen in den Gliedern und unter den Erscheinungen der Schwäche, nicht selten auch unter Krämpfen stirbt der Kranke meist zwischen 18 Stunden bis 3 Tagen, mitunter noch schleuniger. Nicht selten auch sind Fälle, wo 2-4-16 Tage bis zum Eintritt des Todes vergehen.

Die letzte Form endlich wird in einem Superarbitrium der Kgl. wissenschaftlichen Deputation für das Medicinalwesen (Casper, Vierteljahrsschr. Bd. IV. S. 19) folgendermassen geschildert:

„Diese ziemlich häufig vorkommende Form entsteht, wenn mässige Gaben des Giftes sich in verhältnissmässig kürzerer Zeit aufeinander folgen. Nicht stark genug, um eine akute rasch tödtende Vergiftung zu erzeugen, und zu stark, um nur jenen, z. B. bei Technikern, die mit Arsenik arbeiten, beobachteten schleichenden Zerstörungsprozess einzuleiten und zu unterhalten, erzeugen sie vielmehr ein Gemisch von Krankheitssymptomen und Sectionsbefunden, die wegen ihrer Unbestimmtheit und nicht genug in die Augen springenden Heftigkeit so leicht täuschen können und so leicht getäuscht haben.

"

Wesentlich sind es immer allerdings die Zeichen einer akuten Vergiftung, die aber im Leben wie im Leichnam in einem niederen Grade, in niederer Ausbildung sich darstellen."

Diese Schilderung passt genau auf vorliegenden Fall, und wir ersparen uns auch aus diesem Grunde unter Andern namentlich des Weitern auszuführen, inwieweit andere Vergiftungen mit ähnlichen Stoffen andere Krankheitssymptome ergehen, als die in dem vorliegenden Falle beobachteten.

Diejenige Vergiftung, die sich am nächsten an den akuten Arsenicismus anschliess, nämlich die mit Sublimat, unterscheidet sich besonders von ihm dadurch, dass

1) die Wirkung des Sublimats meist eine unmittelbare ist, 2) ein abscheulicher scharfer Talggeschmack und eine Affection des Mundes und des Schlundes sichtbar ist.

Ein gesunder kräftiger Mann im mittleren Lebensalter wird, ohne dass eine der gewöhnlichen Ursachen zur Entstehung einer Krankheit des Magens einwirkt, plötzlich krank, nachdem er Stunde vorher von demselben Kaffee, wie seine Umgebung, die gesund blieb, getrunken hatte.

Da die arsenige Säure (und ihre Verbindung mit Alkalien) geruch und geschmacklos, in wässerigen Flüssigkeiten ziemlich leicht löslich und farblos ist, so war dem entsprechend etwas Besonderes an diesem Kaffee nicht wahrgenommen worden. Das Brechen, welches wohl den grössten Theil des schädlichen Stoffes

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