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haltungen, dann von den ärztlichen Beamten. Bei der Prüfung des Physikus ist der Herr Verf. im Irrthum, wenn er meint, dass dieselbe vor drei Ministerialräthen oder vor einer Commission eines Medicinal - Collegiums abgehalten werde, denn sie wird lediglich von drei Mitgliedern der wissenschaftlichen Deputation in Berlin dirigirt. Ich hätte zugleich gewünscht, dass der Herr Verf. sich über eine Reform dieser Prüfung ausgesprochen hätte, die dringend nothwendig ist, wenn man die Klagen der Kandidaten hört, die sie übereinstimmend über den ganzen Modus procedendi aussprechen. (Man sollte doch mindestens nicht vergessen, dass die Prüfungs-Kandidaten an sich gleichberechtigte Collegen sind, die sich in der Praxis bewährt haben, und die persönlichen Ansichten der Examinatoren nicht kennen. Die Zahl derjenigen, welche in dieser Prüfung fielen, war in der letzten Zeit eine ungewöhnlich grosse. Dies können keine normalen Zustände sein!)

An die Prüfung und Bestallung des Physikus knüpft der Herr Verf. die Lehre von den Geisteskrankheiten, die in diesen Theil, der doch nur von der Medicinal - Ordnung handeln soll, eigentlich gar nicht recht gehört. Ebenso hätte er dessen Rechte und Pflege in Bezug auf gerichtliche Obductionen abhandeln sollen. Ein Urtheil darüber, was in diesen Theil gehört oder nicht, ist aber nun deshalb schwer auszusprechen, weil das Werk noch nicht vollendet vorliegt, weshalb ich diese Thatsache nur constatire, ohne einen Vorwurf damit zu verbinden.

Hierauf folgt die Darstellung der Bezirks- und Provinzial - Behörden, sowie der medicinischen Central-Behörden, und zum Schluss Betrachtungen über die Medicinal - Gesetzgebung und über das Verhältniss der Aerzte zu derselben. Die Literatur ist überall sehr reichlich angegeben.

Ich empfehle dieses Werk namentlich unseren hohen Behörden, damit sie sich überzeugen, dass es sehr Zeit ist, dem weiteren Verfall der ärztlichen Verhältnisse vorzubeugen, und dass es namentlich dringend geboten ist, die Medicinal-Beamten aus ihrer Zwitterstellung in eine selbstständige Stellung zu versetzen.

Wenn das Werk fertig vorliegen wird, werde ich einzelne wichtige Materien einer speciellen Besprechung gern unterziehen.

Die Ausstattung des Werkes lässt nichts zu wünschen übrig.

Lion.

Dr. Schwanert, Hülfsbuch zur Ausführung chemischer Arbeiten etc. 2. Auflage. 1874. Braunschweig. M. Bruhn. Dieses Hülfsbuch bietet dem Anfänger Unterstützung sowohl bei analytisch-chemischen Untersuchungen als auch zur Synthese, der wichtigsten Präparate. Der analytische Gang ist auf bewährten Methoden basirt, die vorkommenden Processe sind kurz und klar dargestellt und durch Formeln, die der jetzt beliebten Bezeichnungsweise, der sogenannten modernen Chemie, entsprechen, versinnlicht. Die Analyse organischer Stoffe ist ziemlich um fassend, da die wichtigsten und interessantesten Verbindungen hierbei berücksichtigt werden.

Die quantitativen Bestimmungen sind sowohl nach Gewichts- als voluminometrischen Methoden dem Bedürfniss entsprechend ausgeführt. Ebenso sind den Ausführungen von forensischen und zoochemischen Untersuchungen besondere Kapitel geweiht.

Hiernach kann das vorliegende Werk, was Anlage und Ausführung anbetrifft, als eine zweckmässige Hülfe bei praktisch-chemischen Untersuchungen anerkannt und den Aerzten empfohlen werden.

Sonnenschein.

Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin.

I. Gerichtliche Medicin.

1.

Ueber

Todesfälle durch Embolie nach anscheinend leichten Verletzungen.

Von

Dr. Paul Güterbock,

Privatdocent in Berlin.

Die Lösung der Frage nach der Zusammengehörigkeit einer bestehenden Krankheit mit einer früheren Körperverletzung gehört zu den Hauptaufgaben des Gerichtsarztes in denjenigen Fällen, in welchen es sich um die Bestimmung des Grades der Verletzung entsprechend dem Deutschen Strafgesetzbuch handelt. Aber nicht nur für den Gerichtsarzt, sondern auch für die verschiedensten Klassen von Staats- und Privatbeamten und Angestellten ist es bei ihren durch das Haftpflichtgesetz begründeten civilrechtlichen Forderungen von ungemeiner Wichtigkeit über die Abhängigkeit einer wirklichen oder angenommenen Krankheit von einer früheren Verletzung im Klaren zu sein. Wie schwer letzteres manchmal ist, wissen wir aus der Geschichte der durch Eisenbahnunfälle bedingten Rückenmarkserschütterungen (railwayspine); jedoch zeigen Aehnliches auch Verletzungen ganz einfacher Art, deren Wesen wir viel besser kennen, als die Natur solcher nervösen Läsionen. Namentlich sind die Beziehungen zwischen einem anscheinend einfachen Trauma und seinen Folgen dann weniger deutlich, wenn

1) zwischen beiden eine mehr oder minder erhebliche Zeit verstrichen ist;

2) wenn diese Zeit von Intervallen relativen Wohlbefindens des Exploranden ganz oder theilweise ausgefüllt ist; und

Vierteljahrsschr. f. ger. Med. N. F. XXII. 2.

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3) wenn das auf eine Verletzung zurückführbare Leiden kein gewöhnliches Vorkommniss unter den (zufällig) gegebenen Bedingungen bildet.

-

Vor Allem möchte ich den ad 3. näher bezeichneten Fall in's Auge fassen. Es ist selbstverständig, dass wir hier unter " ungewöhnlichen Vorkommnissen" immer nur relative, nicht absolute Ausnahmen verstehen; ich kann sogar hinzufügen, dass manchmal eine Erkrankung in Folge einer äusseren Verletzung weniger ungewöhnlich erscheinen würde, wenn man sie nicht mit einem unter den gegebenen Verhältnissen ungebräuchlichen Namen benennen wollte. Um dies besser zu verdeutlichen, will ich hier nur an die Pyämie erinnern. Gewiss ist Pyämie an und für sich trotz aller Fortschritte der Hygiene ein sehr häufiger Ausgang, den in vielen Hospitälern selbst die im medicinischen Sinne leichtesten Verletzungen in jedem Stadium nehmen können. In der Privatpraxis ist dagegen Pyämie so selten, dass man sich, in dieser namentlich bei fehlender äusserer Wunde, oft mehr oder weniger sträubt, die betreffenden Verletzungsfolgen als Pyämie im gebräuchlichen Sinne des Wortes aufzufassen. So ist es unter Anderen auch Prescott Hewett*) gegangen, als dieser Chirurg im vorigen Winter der clinical Society in London aus seiner umfangreichen Privatpraxis eine Reihe von angeblichen Pyämie-Fällen, darunter mehrere sogar ohne äussere Wunde vorführen konnte. Man zweifelte über die vorgetragenen Thatsachen, zunächst weil, wie dieses durch die äusseren Verhältnisse der (meist der höheren Aristokratie angehörigen) Patienten bedingt war, kein Sectionsbefund aufgewiesen werden konnte. Anderen war der häufige Ausgang in Genesung, den die sogen. Pyämischen zeigten, verdächtig, die Form der Krankheit

war in einigen dieser Fälle nicht die gewöhnliche, in mehr oder minder kurzer Zeit tödtliche gewesen, es hatte letztere vielmehr öfters einen mehr subacuten Verlauf mit Ausgang in Genesung gehabt, ähnlich wie sich dies hin und wieder auf der Höhe von pyämischen Epidemien in Hospitälern ereignen kann. Ein weiterer Einwand richtete sich nicht so sehr gegen die von Prescott Hewett

*) Lancet, Jan. 31, 1874. 154 p. sq. Die folgenden Bemerkungen im Text' gründen sich meist auf die Discussion nach diesem Vortrag.

vorgebrachten Thatsachen an und für sich, als gegen die Auffassung derselben. Man deutete an, dass die betreffenden Fälle, besonders diejenigen, in denen Pyämie ohne gleichzeitige äussere Wunde entstanden war, gar keine pyämischen, sondern embolische Erkrankungen vorstellten. Als Grund hierfür ist vor Allem die so eben erwähnte Häufigkeit des Ausganges in Genesung bei den einschlägigen Krankengeschichten von Wichtigkeit; dieselbe erscheint als bester Beweis, dass es sich um eine einfache Gefässverstopfung durch fortgesetzte Gerinnsel ohne Neigung zu weiteren septischen Entzündungen handelt, wie solche die Pyämie vor der Embolie auszeichnen (Virchow). Gewiss ist daher die Annahme einer reinen Embolie eine nicht unberechtigte Anschauung der meisten Fälle Prescott Hewett's. Wenn wir dieselben jedoch von dem veränderten Standpunkte der nur gerichtsärztlichen Auffassung aus beurtheilen, so thäte hier der aussergewöhnliche Name Pyämie zunächst nicht sehr viel zur Sache. Bei letzterer handelt es sich in erster Reihe lediglich um das Factum, ob der tödtliche oder anderweitige Ausgang wirkliche Folge der ursprünglichen Läsionen und nicht auf andere Einwirkungen hin eingetreten ist; ob durch Pyämie oder durch Embolie oder sonst eine pathologisch merkwürdige Complication - diese Frage kommt in foro erst in die zweite Linie. Einzelne Sachverständige mögen nichts destoweniger bei ihren gutachtlichen Aeusserungen die directe causa mortis zu weit in den Vordergrund drängen und den etwaigen Zusammenhang des tödtlichen Endausganges mit der ursprünglichen Verletzung von der Entscheidung, ob Embolie oder ob Pyämie vorliegt, abhängen lassen. Es dürfte dies durch den nicht seltenen, gewiss verzeihlichen Nebengedanken bedingt sein, dass zum Zustandekommen der Embolie nicht so sehr die erlittene Verletzung als bereits vor dieser bestandene Verhältnisse des Organismus massgebend seien, während die Pyämie unabänderlich an die Existenz einer äusseren Wunde und die Vorgänge in dieser geknüpft wäre. Aber auch gegen eine solche etwas subtilere Begründung der Folgen einer Verletzung möchte ich, als zu einseitig im pathologischen Interesse ausgesprochen, hier protestiren; in foro dürfte sie überdies sehr bald durch die von Taylor *)

*) Taylor, A. S., Principles and practice of med. Jurisprudence. London 1865. p. 485.

citirte, Seitens eines englischen Richters geübte Kritik beseitigt werden, dass nämlich Niemand verpflichtet werden kann, seine Gesundheit in einem solchen Zustande zu halten, dass er gegen alle üblen Folgen einer durch einen Dritten zugefügten Körperverletzung vollständig geschützt (warranted") wäre. Es ist daher nur mit dem durch diese Kritik gegebenen Vorbehalt, dass ich selbst in meiner eigenen Arbeit von Todesfällen durch Embolie" rede. Ich habe bei dieser Bezeichnung in keinem der drei alsbald von mir mitzutheilenden Krankengeschichten etwas über die factischen Verhältnisse des einzelnen Falles präjudiciren, namentlich aber nicht die causale Verknüpfung zwischen der durch die ursprüngliche leichte Verletzung gegebenen Ursache und dem tödtlichen Effect in irgend einer Weise lockern wollen. Ich habe hier mit dem Ausdrucke, Embolie" im Gegensatz zu Prescott Hewett's Gebrauchsweise des Wortes Pyämie keinen ungewöhnlichen Namen für eine ungewöhnliche Sache angewendet, sondern nur das in den drei folgenden Krankengeschichten Gemeinsame und Wesentliche in angemessener Weise bezeichnen wollen*).

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Wenn ich nunmehr zu den drei Fällen selbst übergehe, so will ich ihnen hier nur einige mehr äusserliche Bemerkungen voranschicken. Ich werde zunächst die drei Krankengeschichten mit den dazu gehörigen Sectionsberichten ohne weitere Epikrisen geben, ausgenommen dass ich einige den factischen Inhalt berührende Notizen hinter einer jeden derselben beifüge. Ich halte es für das Vortheilhafteste, die wesentlichen Punkte erst später am Ende meiner Arbeit zusammenzustellen, um dann gleich die nöthigen Schlussfolgerungen aus diesen ziehen zu können. Schon hier will ich aber hervorheben, dass alle drei Fälle, insofern sie der Privatpraxis angehören, nicht mit der für manche Nebendinge jetzt üblichen Vollständigkeit von Hospitalbeobachtungen referirt wer

*) Ich bin keineswegs im Sinne der obigen Fälle Prescott Hewett's gleichgültig gegen die Unterschiede von Embolie und Pyämie; ich glaube namentlich auch nicht, dass diese Unterschiede nur quantitativer Natur sind (cf. C. Hüter: v. Pitha-Billroth, Handb. d. Chirurgie, Bd. I., Abth. II., Heft 1, p. 94), obgleich dies im Sinne derer wäre, welche eine jede, auch nicht septische Entzündung auf die Intervention kleinster, von aussen her in den Organismus hineingetragener Wesen zurückführen.

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