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Nur im Staatsrath war eine sachverständige Vertretung durch den First medical officer of health vorhanden. Die örtlichen Organe sind nicht minder mangelhaft organisirt, sie zersplittern sich in nicht coincidirende Behörden. 1869 wird eine neue Commission eingesetzt um Abhülfe zu finden, und hat zu der Acte von 1872 geführt. Diese Commission will, dass in jedem Distrikt wenigstens ein qualificirter Medical officer of health sich befinde. Er soll principiell der Praxis nicht entsagen.

Seine Hauptobliegenheiten sollten sein (ich gebe fortan bei allen Anführungen aus den Gesetzen selbst die vortreffliche Finkelnburg'sche Uebersetzung:

a) „Alle Vorkommnisse, welche mit erheblichen Veränderungen im Gesundheitszustande seines Districtes in Beziehung stehen, genau zu studiren und darüber sowohl an die Centralbehörde wie an seine eigene Localbehörde mit grösstmöglicher Beschleunigung zu berichten."

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b) Von den örtlichen Civilstands - Beamten, den Uebelstands - Inspectoren und anderen Personen Material zu sammeln, welches zusammen mit seinen eigenen Beobachtungen in allgemeinen Berichten über den Gesundheitszustand seines Districtes zu verwerthen ist, indem er zugleich seine Rathschläge betreffs der berichteten Dinge beifügt."

c) Den Inspectoren der Centralbehörde auf ihren Rundreisen alle erforderlichen Aufklärungen zu ertheilen."

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d) Die Ursachen aller solchen Todesfälle entweder persönlich oder durch einen ärztlichen Vertreter zu constatiren, bei welchen dieselbe nicht anderweitig durch einen Arzt bescheinigt worden ist." Sowie auf dem Lande die sanitarische Orts-Verwaltung, wünscht aber die Commission auch die Central-Verwaltung der öffentlichen Gesundheitspflege mit derjenigen des Armenwesens vereinigt und in die Hände eines besonderen Ministers gelegt zu sehen, auf welchen alle bisherigen sanitarischen Functionen des „Privy council", des Home office" und des „, Board of trade", sowie die gesammte Thätigkeit des „Poor law board" übergehen würden. Diese Centralbehörde soll mit den Orts - Gesundheitsbehörden in beständiger und unmittelbarer Verbindung steheu.“

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Ausserdem werden besondere Wünsche für Mortalitäts- und Morbilitäts-Statistik befürwortet, besonders auch betreffs der Veröffentlichung in kurzen Fristen.

Das erste war die Bewilligung des Wunsches der Kommission betreffs der Centralleitung, und es entsteht durch die Akte vom 14. August 1871 ein neues Ministerium für Armenwesen, öffentliche Gesundheitspflege und Orts-Verwaltung (,,Local Government Board Act"). Alsdann trennt die neue Gesundheitsakte von 1872 England in zwei Kategorien von Sanitäts - Districten, städtischen und ländliche, und in den letzteren bilden die Armenverwaltungs-Kreise die Sanitäts-Bezirke. Vor Allem interessirt uns aber folgende Bestimmung:

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,,In jedem städtischen sowohl wie ländlichen Sanitäts-Districte muss oder in ländlichen auch mehrere

ärztliche Gesundheitsbeamte, sowie ein oder mehrere Uebelstands-Inspectoren auf Zeit ernannt werden, ausser den nöthigen Verwaltungsbeamten (Clerk“ und Treasurer"). Mit Genehmigung per Centralbehörde können auch mehrere Sanitäts- Districte einen und denselben ärztlichen Gesundheitsbeamten ernennen, und ebenso ist es mit Genehmigung der Centralbehörde zulässig, dass der Districts - Armenarzt zugleich ärztlicher Gesundheitsbeamter werde. Letzterer besitzt ipso jure zugleich alle öffentlichen Befugnisse eines Uebelstands-Inspectors. Sowohl die ärztlichen Gesundheitsbeamten wie die Inspectoren sollen das erste Mal nur für die Dauer von 5 Jahren ernannt werden.

Die Ernennung und Entlassung des ärztlichen Gesundheitsbeamten sowohl wie der anderen Beamten der Gesundheitsbehörden, die Feststellung ihrer Amtspflichten und ihres Gehaltes unterliegen der Genehmigung der Centralbehörde nur in den Fälleu, wo zum Gehalte ein Zuschuss aus Staatsmitteln gezahlt wird."

Ferner:

Jede Sanitätsbehörde erhält die Befugniss zur Vernichtung von Bettzeug, Kleidungsstücken oder anderen Gegenständen, welche der Infection durch irgend welche gefährliche ansteckende Krankheit ausgesetzt gewesen, und zur Zahlung einer entsprechenden Entschädigung an die Besitzer (§. 51).

Die übrigen Paragraphen des Gesetzes regeln die Rechnungsführung, die formellen Dienstbeziehungen der neuen Sanitätsbehörden, die Bestrafung von Contraventionen gegen das Gesetz, und den Ausgleich etwaiger Conflicte der neugeschaffenen Verwaltungslage mit älteren Institutionen resp. mit älteren Privat- oder Gesellschafts-Rechten.

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Zu diesem Gesetze sind nun eine Anzahl von Regulativen, Bye laws, erlassen worden, die unter Anderem die äusseren Verhältnisse der ärztlichen Gesundheits- Beamten und ihren Pflichten ordnen und auf die wir nunmehr übergehen müssen, da sie die Basis der Wirksamkeit des Medical officer of healts bilden.

1) „Derselbe soll sich, so viel wie er vermag, über alle Einflüsse unterrichten, welche auf die öffentliche Gesundheit seines Bezirkes nachtheilig wirken oder nachtheilig zu wirken drohen.“

Um diese Einflüsse kennen zu lernen, hat er festzustellen die Konstruktion der Häuser, ob sie zu kalt, feucht, ungenügend ventilirt und drainiri, wie die Waterclosets beschaffen sind, zu untersuchen ob Kellerräume bewohnt werden.

Er soll ferner die persönlichen Eigenschaften und Gewohnheiten der Leute seines Bezirkes kennen zu lernen suchen, z. B. ihren Sinn für Reinlichkeit, etwaige lasterhafte Neigungen, Trunk etc., und zu dieser Lektion gehört auch die Sorge um die Prostitution. Er hat die eventuelle Armuth der Leute und ihren Grund festzustellen, Klima und Bodeneinflüsse zu eruiren und meteorologische Beobachtungen anzustellen.

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2) Er soll mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln die Ursachen, Entstehungs- und Verbreitungsweisen der Krankheiten innerhalb seines Districtes erforschen nnd festzustellen suchen, in wie weit dieselben auf Beseitigungs- oder milderungsfähigen Bedingungen beruhen.

3) Er soll durch Besichtigungen seines Districtes sowohl in regelmässiger Zeit-Wiederkehr, wie auch ausserdem, so oft es die Umstände erheischen, sich über die gesundheitsschädlichen Zustände in Kenntniss setzen und erhalten."

Die etwas grosse Bedeutung dieser Forderung liegt auf der Hand, ebenso wie schwer es ist ihr genügend nachzukommen. Genauere Instruktionen lassen sich natürlich nicht geben. Der Gesundheitsbeamte soll jeden Flecken, jedes Dorf besuchen und den sanitären Zustand der Wege, der Entwässerung, der Wasserversorgung, wie alles dessen feststellen, was schädlich auf die Gesundheit wirkt, schon damit er nicht in den Händen seines Inspectors of nuisances ist. Ein officiöses commentirendes Handbuch giebt selbst zu, dass dies Zeit und Geld koste.

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6) Sobald er von dem Ausbruche einer ansteckenden, epidemischen oder Infections-Krankheit gefährlicher Art innerhalb seines Districtes Kenntniss erhält, soll er ohne Verzug den betreffenden Ort besuchen, die Ursachen und näheren Umstände des Krankheits-Ausbruches erforschen und den competenten Executivbeamten diejenigen Massregeln bezeichnen, welche ihm erforderlich scheinen, um die Weiterverbreitung der Krankheit zu verhüten, auch bei der Ausführung dieser Massregeln, soweit er dazu autorisirt ist, selbst mitwirken.

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17) Wenn das Krankheitsverhütungsgesetz von 1855 innerhalb seines Distriktes in Kraft ist, so soll er die darauf bezügliche Anweisung zur Regulation der Ortsverwaltungs-Aemter, so weit sie seine Competenz betreffen, in Ausführung bringen."

Unter jenen Ursachen soll er seine Aufmerksamkeit besonders darauf richten, ob die Nähe oder die Berührung mit inficirten Personen oder Sachen stattfand? Ob Unreinheit des Wassers? ob Zersetzung von organischen Substanzen? ob die Häuser reinlich gehalten werden? ob KanalEmanationen? ob unreine Luft? ob meteorologische Einflüsse resp. die Jahreszeiten anzuklagen sind? Dabei sind überall die Uebertretungen der gesetzlichen Vorschriften anzuzeigen.

Hierzu gehört auch die wiederholte Untersuchung des Trinkwassers, besonders auch auf Blei Das nothwendige Quantum von Trinkwasser für die betreffende Bevölkerung ist festzustellen und zu berichten wo es daran fehlt.

Der ärztliche Gesundheits-Beamte soll aber auch direkte Rathschläge geben bezüglich der Einführung von Kanalisation und die Fortschaffung des Unraths überhaupt, bezüglich des Trinkwassers und seiner Beschaffung in normaler Menge so wie in normalem Zustande, bezüglich der verschiedenen Arten von Desinfekttion und über Aehnliches mehr.

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7) Wird ihm vom Uebelstands-Inspector seines Distrihtes angezeigt, dass irgendwo ein gesundheitsgefährlicher Uebelstand, z. B. WohnungsUeberfüllung sein Einschreiten erfordere, eo soll er mit möglichster Be

schleunigung diejenigen Schritte thun, welche innerhalb seiner Competenz liegen und durch die Umstände geboten erscheinen.“

Was Wohnungsüberfüllung anbetrifft, so gehört sie, wenn sie der Gesundheit schädlich ist, zu den Nuisances und der Gesundheitsbeamte hat den oben angegebenen Weg zu machen. Er hat zuvörderst schriftlich der Ortsbehörde zu berichten und die verschiedenen Gesetzes vorschriften regeln sein weiteres Vorgehen.

8) „In ällen Fällen, wo es ihm sonst nöthig oder rathsam erscheint oder wo die Sanitätsbehörde ihn dazu anweist, soll er persönlich die Untersuchung vornehmen von gleichviel welchem lebenden oder todten Thiere, Fleisch, Geflügel, Wild, Fischen, Obst, Gemüsen, Getreide, Brod oder Mehl, wenn solcher Gegenstand direct oder indirect zum Verkaufe als menschliches Nahrungsmittel bestimmt ist und wenn der Verdacht vorliegt, dass derselbe krankhaft inficirt, verdorben, ungesund oder überhaupt ungeeignet zur menschlichen Nahrung sei; und findet er diesen Verdacht durch die Untersuchung bestätigt, so soll er die erforderlichen Befehle geben, dass der betreffende Gegenstand mit Beschlag belegt und weggebracht werde behufs Veranlassung der von den Gesetzen für solche Fälle vorgeschriebenen gerichtlichen Untersuchung."

Offenbar ist hier grosse Diskretion vorgeschrieben, aber schliesslich bleibt dem Gesundheitsbeamten keine Wahl. Die grosse Unsicherheit in den Entscheidungs-Gründen über diese Nuisance wird von allen Autoritäten hervorgehoben.

10), Er soll allen gemeinschädlichen Gewerbsthätigkeiten innerhalb seines Districtes nachforschen und Vorschläge über die geeigneten Mittel machen, um deren gesundheitsschädlichen Wirkungen vorzubeugen."

Eine Zusammenstellung der verschiedenen Formen dieser gemeinschädlichen Thätigkeit fehlt in England, man behilft sich in den Handbüchern mit der französischen von 1867.

Persönliche Information wird verlangt und genaue Kenntniss aller Détails, um auch eventuell die Mittel zur Abhülfe angeben zu können. Letzteres soll nur geschehen, wenn die Hülfe wahrscheinlich ist.

Hierher gehört auch die Untersuchung der Bäckereien und der Gasfabrikationen.

Fast alle Zweige des Grosshandels und des Gross-Fabrik-Betriebes sind aber unter die Aufsicht specieller Inspektoren auf Grund besonderer Gesetze und Regulative gestellt, doch wird von dem ärztlichen Gesundheitsbeamten verlangt, dass er auch mit ihnen vertraut sei.

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Dasselbe gilt von den Ueberwachungsvorschriften des Handels mit sehr giftigen und explosiven Stoffen, einschliesslich des Petroleum. 4) Er soll sich vorbereitet halten, die Sanitätsbehörde über alle Angelegenheiten der öffentlichen Gesundheit in seinem Districte jederzeit zu berathen, und in vorkommenden gerichtlichen Fällen soll er auf Requisition der Sanitätsbehörde oder des Richters als ärztlicher Sachverständiger zeugen."

Hierbei wird ersucht:

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mit Vorsicht und überlegt Rath zu ertheilen, wo möglich nur auf schriftliche Requisition Abschrift zurückzuhalten, die einschlägige Literatur genau zu kennen, bereit zu sein, Autoritäten anzuführen, immer praktische Rathschläge zu geben.

5) Er soll der Sanitktsbehörde im eigenen Interesse seinen Rath ertheilen bei allen sanitarischen Fragen, welche bei Abfassung von Geschäftsordnungen oder Regulativen seitens der genannten Behörde in Betracht kommen."

9), Er soll alle Obliegenheiten erfüllen, welche ihm durch irgend welche von der Regierung genehmigte Dienst-Vorschriften und Regulative der Sanitätsbehörde auferlegt werden, insoweit dieselben sich auf solche öffentliche Gesundheitsfragen beziehen, über welche diese Behörde autorisirt ist, Regulative zn verfassen."

16) „In allen hier nicht vorgesehenen Fällen soll er sich nach den Instruktionen des Ortverwaltungsamtes für die ärztlichen Gesundheitsbeamten richten und den Befehlen der Sanitätsbehörde Folge leisten, insofern sie sich auf den Bereich seiner Amtsführung beziehn."

Man sieht, dass nichts versäumt wird, um die ganze Kraft des Gesundheitsbeamten in Anspruch zu nehmen, über das zulässige Mass sogar

hinaus!

Die nächsten Nummern betreffen die Aeusserlichkeiten und sind wesentlich Routine-Vorschriften.

11) „Er soll sich auf dem Bureau deri Sanitätsbehörde oder an irgend welchem anderen von derselben bestimmten Orte zu jeder von derselben bestimmten Zeit einfinden."

12)

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Er soll von Zeit zu Zeit der Sanitätsbehörde schriftlich über seine Thätigkeit und über die von ihm zur Verbesserung der Gesundheits-Verhältnisse seines Districts nöthig erachteten Massregeln berichten." 13) Er soll genau Buch führen über seine Notizen und Wahrnehmungen" etc."

Ausserdem werden noch besondere Chemiker und Desinfektoren nach Bedürfniss angestellt.

Es ergiebt sich, dass der Medical Officer of Health, unterstützt durch die ihm untergebenen Inspectors of nuisances, Chemiker, Desinfectoren, einen Wirkungskreis besitzt so umfangreich, dass derselbe, soll er wahrhaft ausgefüllt werden, die Kraft eines ganzen Mannes in Anspruch nehmen muss. Seine Thätigkeit ist eine vielfache. Er soll sich mit allen sanitären Eigenschaften seines Berufes bekannt machen nach allen Richtungen hin und wer weiss nicht, was das bedeutet. Er soll es thun zur eigenen Kenntniss, aber auch um vollständige Gesundheitsberichte abstatten zu können, grössere, nicht augenblickliche sanitären Massregeln anzurathen, vorzubereiten und zu detailliren. Er soll auch Uebelstände, nuisances, aufsuchen, sie als solche feststellen, und dann zu helfen suchen, letzteres manchmal sofort nach eigenem Ermessen, meistens aber durch Bericht an die Ortsbehörde, sei es auf Grund der P. H. A. oder der Nuisances removing act. Seine Stellung zu den lokalen Behörden ist keine klare,

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